Die ersten Schweizer auf dem Fujisan
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Die ersten Schweizer auf dem Fujisan

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Hugo CaduJf, Kehrsatz

Die ersten Europäer, portugiesische Kaufleute, landeten um 1543 auf japanischem Boden; ihnen folgten die christlichen Missionare, voran der hl. Franz Xaver, und bald gesellten sich zu ihnen spanische, niederländische und englische Handelsleute. Durch die Bekehrung einiger Daimyos ( Territorialfürsten ) gewannen die Christen rasch eine stattliche Anhängerschaft; doch schon bald regte sich eine heftige nationale Gegenbewegung. Schliesslich führte der Christenaufstand von Schimabara, 1637/38, zur rücksichtslosen Ausrottung des Christentums und zur strengen Absperrung gegen alle fremden kulturellen Einflüsse. In der nun folgenden zweihundertjährigen Epoche war der ausländische Handel nur noch wenigen Chinesen und Holländern auf der künstlichen Insel Deschima bei Nagasaki in streng kontrollierten Grenzen gestattet. Eine neue Wende brachte erst das Eindringen eines amerikanischen Geschwaders unter Commodore Perry im Jahre 1853. Mit Kriegsschiffen und Kanonen zwangen nun die fremden Mächte Japan die sogenannten « ungleichen Verträge » auf, die ihnen Exterritorialität, Konsulargerichtsbarkeit und Wareneinfuhr zu äusserst niedrigen Zollsätzen zugestanden.

Auch die Schweiz schloss im Jahre 1864 mit dem Taikun ( weltliches Oberhaupt ) einen Freundschafts- und Handelsvertrag ab. Schon im Juli 1861 hatte die Bundesversammlung beschlossen, « durch die Absendung einer Gesandtschaft nach Japan zu trachten, die dort dem schweizerischen Handelsstand entgegenstehenden Hindernisse vermittels Abschluss eines Vertrages zu be- 1 Der Vulkan Fujisan. Fudschisan oder Fuji ist mit 3776 Meter über Meer der höchste Berg Japans. Von den Europäern werden meistens die Bezeichnungen Fujiyama, Fudschijama oder Fusiyama verwendet.

3 Der Fujisan ( 37j6 m ) Art hw der Japanischen Botschaft in Bern seitigen... ». Der Bundesrat begründete die Notwendigkeit eines Vertrages mit Japan mit dem Hinweis: «... abgesehen von den materiellen Vorteilen... erfordert schon die Nationalehre, dass das Missverhältnis sobald wie möglich beseitigt und die Schweizer auch in Japan mit den Angehörigen anderer Nationen auf den gleichen Fuss gestellt werden. » Aus verschiedenen Gründen, unter anderem wegen der politischen Wirren in Japan, konnte die Mission erst im Spätherbst des Jahres 1862 abreisen. Sie bestand aus Ständerat Aimé Humbert, La Chaux-de-Fonds, als ausserordentlichem Gesandten, und Kaspar Brennwald, Männedorf, als Legationssekretär, denen sich, als « Attachés » und auf eigene Kosten reisend, vier weitere Herren anschlössen. Die Mission traf anfangs April 1863 in Japan ein. Die politischen Wirren in Japan, die soeben ihren Höhepunkt erreicht hatten, und der Widerwille der Bevölkerung gegen neue Verträge liessen den Vertragsabschluss erst nach zehn Monaten und nach verschiedenen erfolglosen Versuchen zustande kommen. Der Bundesrat hatte bereits die Rück-berufung der Abordnung beschlossen, als er von ihrem Erfolg vernahm.

Der Legationsskeretär der schweizerischen Vertragsmission, Kaspar Brennwald, wurde im Jahre 1866 zum Generalkonsul in Japan ernannt. In dieser Eigenschaft und vermutlich aus Interesse an der zauberhaften Schönheit des Landes, aber vor allem um die Privilegien des Staatsver-trages demonstrativ auszunutzen, unternahm Brennwald mit drei Landsleuten eine Reise ins Landesinnere und auf den Fujisan. Eine solche Exkursion war damals ein aussergewöhnliches Ereignis, denn mit Ausnahme der Diplomaten und Konsuln durften sich die Fremden in Japan nur an drei bestimmten Handelsplätzen an der Küste aufhalten2. Die drei Schweizer, die den Generalkonsul begleiten durften, taten dies vermutlich als seine « persönliche Suite ». In einem 2 Nagasaki, Kanagawa ( Yokohama ), Hakodate. Die Fremden durften die Treaty Limits von to Ri = 39 Kilometer 3 nicht überschreiten.

sechsseitigen Bericht an den Bundesrat 3 schildert Brennwald seine Eindrücke. Er begründet Ziel und Zweck seiner Reise mit den Worten: « Da laut Artikel 2 unseres Vertrages mit Japan der vom Bundesrat ernannte diplomatische Agent und ebenso der Generalkonsul das Recht haben, in allen Theilen des japanesischen Reiches frei und ungehindert herum zu reisen, glaubte ich im Interesse der Schweiz zu handeln, indem ich dieses Recht durch eine Reise auf den von den Japanern geheiligten Berg Fusi-Yama geltend zu machen suchte.... Ich darf wohl hoffen, dass Sie meine Handlungsweise billigen werden, da es für die Schweiz nur von guten Folgen sein kann, wenn man bei Gelegenheit die durch den Vertrag zugesicherten Rechte geltend zu machen sucht. » Wie unerwünscht und lästig der Besuch Brenn-walds im Landesinnern den Japanern war, zeigen seine Erfahrungen beiden Reisevorbereitungen: « Ich theilte also dem Gorodjo 4 und dem Gouverneur von Kanagawa meinen Entschluss mit, gestützt auf Art. 2 des Schweizer Vertrages mit Japan. Obschon mir das Recht, diese excursion zu unternehmen in keiner Weise streitig gemacht wurde, so suchten mich die japanesischen Behörden durch alle möglichen Mittel von meinem Vorhaben abzuwenden oder doch wenigstens die Abreise zu verspäten, indem sie vorgaben, ich hätte durch sehr gefährliche Gegenden zu reisen und sie müssten auf der ganzen route Vorbereitungen für mich treffen etc. Da ich jedoch wusste, dass August der einzige Monat ist, um auf die Spitze des Berges zu gelangen, so liess ich mich durch die Vorstellungen der Japaner, welche sich nacher auch als ganz unbegründet herausstellten, nicht abschrecken Als Charakteristik der japanesischen Politik muss ich hier noch hervorheben, dass am Vorabend meiner Abreise um i 1 Uhr noch ein Vize-Gouverneur bei mir war, welcher sich alle nur erdenkliche Mühe gab, um die Aus- 3 Bundesarchiv: K. 2 1307. Schreiben vom 27. August 1866.

4 Der von den Europäern Gorogio oder Gorodjo genannte Rat entsprach dem aus fünf Staatsräten gebildeten Kabinett.

führung meines Vorhabens zu vereiteln, dass aber den nächsten Morgen fünf Yakunins ( Offiziere ) als escorte bereit waren, mich zu begleiten; während auch auf der ganzen route alle Vorbereitungen getroffen waren, um mich ungehindert überall passieren zu lassen. » Als Reisebegleiter nahm Brennwald drei Landsleute aus Yokohama mit, nämlich Hermann Siber von Zürich-Enge, Karl Eduard Schmid von Richterswil und Gustav Müller von Weiningen TG. Der älteste der Gruppe war Schmid mit 38 Jahren, der jüngste Siber, damals 24Jährig. Kaspar Brennwald, Männedorf, war, wie wir gesehen haben, zum erstenmal im Jahre 1863 als Legationssekretär der Mission Humbert nach Japan gekommen. Er kehrte erst Ende 1864 in die Schweiz zurück. Aber bereits anfangs 1866 reiste er wieder nach Japan, um mit Hermann Siber eine eigene Firma zu gründen. Im Nebenamt übernahm er, damals erst 28 Jahre alt, den Posten des Generalkonsuls für Japan. Die Firma Siber-Brennwald besteht noch heute; in Zürich führt sie den Namen Siber-Hegner & Co. AG. Hermann Siber wurde 1867 vom Bundesrat zum ersten Vizekonsul in Yokohama ernannt. Brennwald und Siber kehrten später in die Schweiz zurück. Schmid und Müller starben in Japan mit 47 bzw. 50 Jahren. Schmid, der schon lange am englischen Konsulat in Nagasaki als Übersetzer gearbeitet hatte, soll nach Dr. Nakai s der erste Schweizer in Japan gewesen sein. Allerdings stimmen die übrigen Angaben von Dr. Nakai über E. Schmid nicht, da er ihn mit einem Deutschen namens Schmidt verwechselt. Gustav Müller war Seiden-Inspektor der « Maison Bütschow et Co. ». Der Generalkonsul Brennwald, der in Japan gemäss Staatsvertrag die Konsularge-richtsbarkeit ausübte, zog seinen hochangesehenen Freund Müller später mehrmals als Gerichts-beisitzer bei.

Lassen wir nun Brennwald seine Reise auf den 5 Dr. N Das Verhältnis zwischen der Schweiz und Japan vom Beginn der diplomatischen Beziehungen 1859 bis 1868, Bern 1967.

Fujisan schildern: « Acht Tage nach meiner Mitteilung an den Gorodjo, also am 16. August ( 1866 ), ritt ich Morgens um 5 Uhr in Gesellschaft der drei Schweizer Siber, Schmid und Müller von Yokohama weg.... Nach vier Tagen angestrengtem Ritte dem Tokaido ( Hauptstrasse Japans ) entlang, kamen wir am Fusse des Fusi-Yama an. Wir passierten sehr schöne Städte und Dörfer, auch einige Daimio-Plätze, und überall war die ganze Einwohnerschaft in voller Aufregung zu-sammengeströmt, um uns vorbeireiten zu sehen.

Als wir den Hakoni-Pass überschritten, welcher ca. 6500 Fuss 0981 m6 ) über dem Meeresspiegel sein mag, empfing uns eine Deputation von den Jägern des Berges mit ihren Jagdflinten bewaffnet und offerierte mir als Zeichen der Freundschaft ein weisses lebendes Huhn, sehr ingeniös in Stroh gewickelt. Der Dolmetscher erklärte mir, dass ein weisses Huhn nur höher gestellten Personen dargeboten werde, während ein schwarzes Huhn für minder hohe Personen gelte.

In einem andern Dorfe des Hakoni-Passes sahen wir grosse Schwefelbäder, hatten aber leider nicht Zeit, uns lange dort aufzuhalten, da wir noch am selben Tage bis Hakoni gehen wollten. Hier mussten wir von den Pferden steigen, um die Thorwache des Tokaido, welcher durch diese Stadt führt, zu passieren und wurden dann in einem geräumigen Hause am Ufer des Hakoni-Sees, welcher, 6200 Fuss ( 1889 m6 ) hoch, inmitten reizender Hügel gelegen ist, einquartiert.Der englische Minister ( siehe Fussnote 9 ) brachte auf seiner tour nach dem Fusi-Yama auch eine Nacht im gleichen Hause zu.

Am vierten Tage wurde uns in Omia, unweit vom Fusi-Yama, vom Ober-Priester dieses Berges, dessen Gerichtsbarkeit sich bis nach Yoshi-wara erstrecken soll, ein japanesisches Frühstück in seiner Tempelwohnung dargeboten, welches wir um so freudiger annahmen, da wir den ganzen Vormittag in strömendem Regen geritten 6 Nach dem « Official Guide, Japan National Tourist Organisation » liegen der Hakone-Pass 849 Meter und der Hakone-See 723 Meter über Meer.

waren. Denselben Tag kamen wir noch bis Murai-Yama, den letzten bewohnbaren Ort am Fusse des Fusi-Yama.

Den andern Morgen, also am fünften Tage, schickten wir unsere Effekten und Pferde, von einem Yakunin unserer escorte begleitet, um den Berg herum auf die andere Seite nach Subashiri, indem wir nur das Allernothwendigste mit uns auf den Berg nahmen.

Am 20. August kamen wir nach mühevollem Steigen während acht Stunden über Lavageröll, bei der achten Station auf dem Berge an, während unsere escorte der grossen Anstrengung wegen bei der sechsten schon übernachtete. Diese Stationen sind dem Berge entlang für die Pilger angebracht, welche während den Sommermonaten in grossen Massen nach dem Fusi-Yama wallfahrten 7. Es sind ganz traurige steinerne Hütten mit einer winzigen Öffnung, welche zugleich als Thüre dient; und da die Japaner den ganzen Tag Feuer für ihren Reis und Thee unterhalten, so mussten wir vom Rauche fast mehr leiden als wir ertragen konnten.

Den folgenden Morgen, am 21. August, brachen wir um halb vier Uhr schon auf, da wir noch drei Stationen zu passieren hatten und auf der Spitze selbst den Sonnenaufgang sehen wollten...

Um 6 Uhr langten wir dann glücklich auf der Spitze des Fusi-Yama an, ohne jedoch durch einen schönen Sonnenaufgang für die ausgestandenen Strapazen entschädigt worden zu sein, da wir von ziemlich starkem Nebel umgeben waren.

Wir entschlossen uns nun, den ganzen Tag dort oben zuzubringen, um die chance einer schönen Rundsicht nicht zu verlieren.

Die oberste Spitze des Berges bildet der Rand eines grossen ausgebrannten Kraters, dessen 7 In seinem Vortrag vor der SAC-Sektion Winterthur im Jahre 1894 schätzte C. Ziegler, der als « Japanschweizer » den Fuji 1881 bestiegen hatte, die Besucherzahl im Juli und August auf 15000 bis 20000 Pilger, und in « Die Alpen » von 1970, Seite 61, ärgert sich Herr J. Sesiano aus Genf über den Jahrmarktbetrieb aufdem Fujisan.

Tiefe wir auf ca. 500 Fuss ( 152 m ) schätzten8. Der eine Abhang des Kraters war mit Schnee bedeckt, während sich auf der andern Seite stellenweise noch einige unbedeutende Schwefeldämpfe bemerkbar machten. Die Umgehung des ganzen Kraters auf dessen Rande, welche nicht mit besonderer Gefahr verbunden ist, nahm volle 2 Stunden in Anspruch.

Auf der Ostseite des Berges, nach Subashiri gelegen, ist ein förmliches Dorf von Steinhütten erbaut, um die vielen Pilger aufzunehmen. Wir übernachteten in einer solchen Hütte, in der Hoffnung, den andern Morgen noch eine schöne Fernsicht zu geniessen. Die Luft war schneidend kalt und die ganze Nacht wehte ein starker Wind, welcher uns kaum einschlafen liess. Am 22. August hatten wir dann auch während etwa einer Stunde ziemlich klares Wetter, sodass wir grosse Bergketten weithin erblicken konnten und verschiedene Seen, welche sich wunderhübsch zwischen den Gebirgen hindurch ausnahmen.

Um halb sieben Uhr verliessen wir den Gipfel des Berges, froh, bald wieder eine mildere Luft zu athmen. Nach 4V2 stündigem Marsche durch tiefen Lavastaub, während welchem wir bei einigen unbedeutenden Schneefeldern vorbeikamen, langten wir glücklich auf der andern Seite des Berges in Subashiri an, wo wir Gepäck und Pferde in bestem Zustande vorfanden, welches wohl kaum der Fall gewesen wäre, wenn nicht ein Yakunin unserer escorte dieselben begleitet und überwacht hätte.

Von Subashiri bis nach Yangura Sawa passierten wir Gegenden, die noch kein Europäer betreten hatte, und die Neugierde unter den Bewohnern dieser Berggegenden war wirklich gross. Wir hatten noch den ziemlich hohen Pass von Ashin-gara-Yama zu überschreiten, welches um so unangenehmer war, da wir jenen ganzen Nachmittag starken Regen hatten und über schlechte 8 Nach modernen Messungen ist der Krater t 50 Meter tief. Sein Durchmesser beträgt oben etwa 600 Meter und in der Tiefe 80 Meter. Der Rundgang um den Krater misst 2,6 Kilometer.

Bergpfade erst spät in der Nacht nach Yangura-sawa kamen.

Den andern Morgen hatten wir wieder einige Schwierigkeiten über den Sakikawa-Fluss zu setzen, da derselbe die Nacht über durch den ununterbrochenen Regen stark angeschwollen war, sodass unsere Pferde über einen reissenden Strom schwimmen mussten, während wir in einem kleinen Boote hinübergesetzt wurden.

Am Abend des neunten Tages, den 24. August, langten wir dann wohlerhalten in Yokohama an und glücklich, diese grossen Strapazen ohne das geringste Missgeschick überstanden zu haben. Wir haben aber auch Alle die Überzeugung geschöpft, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis man in Japan ebenso bequem reisen kann wie in Europa. » Brennwald war überzeugt, der erste Schweizer und der zweite Europäer zu sein, der diesen Berg bestieg, und mir sind keine Quellen bekannt, die diese Auffassung widerlegen. In seinem Schreiben an den Bundesrat erwähnter: « ...der frühere englische Minister, Sir Rutherford Alcock, war bis anhin der einzige Europäer, welcher diesen Berg bestiegen hatte 9. Er gibt in seinem Buche ,The Capital of the Taikoon'die Höhe des Fusi-Yama auf 14 177 englische Fuss an. » Demnach wäre der Fujisan 4321 Meter über Meer. Neue Karten zeigen jedoch 12388 Fuss bzw. 3776 Meter an.

Brennwald schliesst seinen Bericht mit den Worten: « Ich wollte nicht ermangeln, Ihnen eine gedrängte Schilderung dieser interessanten Reise zu machen, mit der beiläufigen Bemerkung, dass die Schweizer nun die Zweiten sind, welche den von den Japanern so in Ehren gehaltenen Berg Fusi-Yama bestiegen haben. » Von dieser schweizerischen Erstbesteigung des Fuji nahm der Bundesrat in seiner Sitzung vom 2.November 1866 Kenntnis. Ob und mit welcher Begeisterung, das steht nicht im Protokoll!

9 Alcock bestieg den Fujisan im Juli i860. Die Gattin seines Amtsnachfolgers, Lady Parkes, war als erste Ausländerin im Jahre 1867 oben. Bis dahin war es den Frauen verboten, den Fuji zu betreten.

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