Die Sächsische Schweiz
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Die Sächsische Schweiz

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

VON WILLIAM KUBINEC, TEPLITZ ( TSCHECHOSLOWAKEI )

Mit 5 Bildern ( 30-34 ) Die Elbe entspringt in der Tschechoslowakei, im Riesengebirge, durchfliesst Deutschland, wobei sie Dresden, Magdeburg und Hamburg berührt, und mündet in einem weitverzweigten Delta in die Nordsee ein. Wo der Fluss die Tschechoslowakei verlässt, erstreckt sich beidseitig der deutschen Grenze eine mächtige geologische Formation, die Sächsische Schweiz. Sie bedeckt links und rechts der Elbe mit einer Oberfläche von ungefähr 700 Quadratkilometer je zur Hälfte deutschen und 1 L' ouvrage de Josette de Becker: Notre ami, le guide Philippe Allamand, peut être obtenu auprès de la section Argentine du CAS, 1880 Bex.

tschechoslowakischen Boden und weist eine mittlere Höhe von 300 bis 400 Meter auf. Dieses Gebiet von einzigartig seltsamer Erscheinung besteht abwechslungsweise aus Nadelholzwäldern und Felsschlössern, die aus Hunderten von Sandsteintürmen gebildet sind, wobei die grössten über 120 Meter Höhe aufweisen. Sie sind von Grotten und Höhlen durchbrochen, von Kaminen und Spalten durchzogen. Kleine Flüsse und Wildbäche geben dem Ganzen ein besonderes Gepräge, einen romantischen Zauber, der durch die reiche Flora und die vielen Vogelarten - besonders Raubvögel -, welche in den Aushöhlungen des Sandsteins nisten, noch verstärkt wird. Auf deutschem Gebiet trifft man die so charakteristische Tafelformation an, welche, in verkleinertem Massstab, dem Tafelberg beim Kap gleicht.

Betrachten wir einmal ein wenig die Entstehung dieser merkwürdigen geologischen Formation! Das Gebiet, welches man heute « die Sächsische Schweiz » nennt, bestand, nach der Beschreibung deutscher Wissenschaftler, im Kreidezeitalter aus einem Meer, auf dessen Grund sich infolge von Reaktionen und chemischen Vorgängen Sand, Steine sowie verschiedene Mineralien ablagerten. Das bewirkte die Verfestigung der Sandschichten. Die Dauer der Sedimentation, welche auf 30 Millionen Jahre geschätzt wird, hatte die Bildung einer mächtigen Sandsteinschicht von 300 bis 400 Meter Dicke zur Folge. Später hob sich diese Schicht unter der Einwirkung tektonischer Veränderungen nach und nach in dem Masse und zu gleicher Zeit heraus, wie sich das Meer zurückzog, und nachdem sie zum Vorschein gekommen war, wurde sie durch die Verwitterung abgetragen und begann sich zu zersetzen. Im Tertiärzeitalter ereigneten sich tiefgreifende Umformungen in der Erdrinde. ( Das war auch das Zeitalter der Entstehung des Erzgebirges in der Nähe der Sächsischen Schweiz. ) Enormer Seitendruck beeinflusste die Sandsteinschicht und erzeugte darin Verschiebungen, vertikale Risse, in welche das Wasser eindrang, das sie zu Spalten, Rinnen, Kaminen und Schluchten erweiterte; so sind die heutigen Säulen, welche die Alpinisten Sandsteinspitzen nennen, entstanden.

Es bleibt noch die Bildung bestimmter Löcher sowie auch der Zacken und anderer origineller Besonderheiten des Reliefs zu erklären. Der Sandstein lässt das Wasser leicht durch. Der Regen, welcher auf das Gestein fällt, dringt darum in dieses ein, bis er auf eine dichte Schicht trifft, die ihn zwingt, die Richtung zu ändern, um einen neuen Ausgang zu finden. So bemächtigt er sich der Felswände. Unter der Wirkung von Frost und anderen atmosphärischen Einflüssen öffnen sich dort dünne Risse, welche sich wegen der Natur des Sandsteins zu richtigen Löchern und sogar geräumigen Höhlen erweitern können. Wo der Sandstein mit Eisenoxyd angereichert war.ist er kompakt geblieben und hat der Verwitterung besser standgehalten; aber es genügte, dass er mit Sand und Salpeter vermischt wurde, damit sich auf ihm die Einwirkung des Wassers sehr deutlich zeigte. Auf diese Art sind die Wände « mit Bienenwaben » entstanden, so genannt, weil sie von Tausenden kleiner Löcher durchsetzt sind, welche Bienenwaben gleichen. Am Fuss dieser Wände setzt sich ein feiner, trockener Sand ab, den der Wildbach fortträgt: langsamer Zerfall der Sächsischen Schweiz.

Ein wenig Geschichte Im Monat Mai 1964 haben wir einer ausserordentlichen Zusammenkunft von Teilnehmern aus allen Teilen Deutschlands und der Tschechoslowakei beigewohnt. Männer und Frauen, jung und alt, Bergsteiger mit umfangreichen, mit Kletterwerkzeugen vollgestopften Tiroler Säcken hatten sich auf deutschem Boden am Fuss der imposanten Falkensteinspitze eingefunden und ihre Zelte, um ein Lagerfeuer herum gruppiert, aufgerichtet. Eine Tafel zum Andenken an Doktor Oskar Schuster, den Pionier des hundertjährigen Alpinismus dieser Region, wurde in den Fels dieser Bergspitze eingemauert.

Die Geschichte der Ausübung des Alpinismus in diesem Gebiet ist ebenso interessant wie die Bildung des Sandsteins. Wir hörten einige Episoden darüber, während wir am Lager bei Mondschein sahen, wie sich der finstere Schatten des mächtigen Falkensteins ausbreitete.Vor einem Jahrhundert gab die erste « sportliche » Besteigung den Anstoss zur Eroberung weiterer Gipfel. Unter diesen ersten Pionieren sind zu erwähnen: Gustav Tröger, August Hering, Ernst Fischer, Wähner und andere, alle Mitglieder des Sportklubs Bad Schändern. Die Route, welche sie für die Erstersteigung des Falkensteins benützten, trägt noch heute den Namen dieses Klubs. Diese Erstersteiger konnten den Gipfel dieser Spitze nur mit künstlichen Mitteln erreichen, welche damals, als der Alpinismus entstand, aus Leitern und Stangen bestanden; doch setzt das die Bedeutung ihrer sportlichen Leistung keinesfalls herab.

Bis 1900 war es nur den Reichbegüterten und ausserdem nur unter der Bedingung, dass sie nicht zu weit weg vom Ausübungsgelände wohnten, vergönnt, den alpinen Sport zu betreiben. Erst nach 1900 begann ein neuer Zeitabschnitt für Besteigungen auf Sandsteinfelsen, den man als « goldenes Zeitalter » bezeichnen kann. Die starke Entwicklung ist den Kletterern wie Doktor Oskar Schuster, dem Amerikaner Oliver Perry Smith, Emmanuel Strubich, Otto Dietrich, Ulmer, Kunz, Fehrmann und andern zuzuschreiben. Dank ihnen erreichte die einfache Kletterei, in Erkenntnis ihrer Ziele, den Stand einer richtigen alpinen Sportart, und 1911 wurde in Deutschland der Sächsische Bergsteigerbund ( SBB ) gegründet, welcher einen wichtigen Abschnitt in der Entwicklung der Besteigungen auf Sandstein markierte; auf dieser Organisation konnte sich der Alpinismus in Sachsen vorerst behaupten und nahm dann einen neuen Aufschwung. 1917 verbot die Königlich Sächsische Regierung wegen der häufigen tödlichen Unfälle die Besteigungen; aber schon 1926 konnte der SBB in seinem Jahresbericht die Besteigung von 340 bemerkenswerten Gipfeln und die Begehung von 1250 Routen melden. 1927 gab der Alpinist Fehrmann den ersten Führer durch die Sächsischen Alpen heraus.

Beim Aufsuchen neuer Routen gelangten die deutschen Kletterer manchmal auch auf tschechisches Gebiet und trugen dazu bei, den Alpinismus in Böhmen einzuführen, wo sich dieser Sport nur langsam entwickelte.

Während des Zweiten Weltkrieges, in welchem viele sächsische Alpinisten gefallen sind, blieben die Berge fast ausgestorben. Nur einige wenige Kletterer streiften noch zwischen den Türmen und Spitzen umher, wo man auch Zuflucht vor den Verfolgungen der Besatzungsmacht suchte. Einer dieser Verfolgten, Smitka, ist zum Symbol der Widerstandsbewegung gegen den Nationalsozialismus in Böhmen geworden. Während er sich jahrelang in diesen Felsen versteckte, gelang es ihm dort bei seinem unfreiwilligen Aufenthalt, viele schwierige Routen zu eröffnen, die heute seinen Namen tragen; gegen Ende des Krieges wurde er aber verhaftet und hingerichtet.

1945 wuchs in dem Gebiet eine neue Generation von Kletterern heran, die an der Sandsteinkletterei Gefallen fand und den Funken der Begeisterung erneut entfachte. In dieser Periode entstand in Sachsen zum erstenmal eine Klassifikation der Schwierigkeitsgrade, welche erlaubte, die Bergsteiger je nach ihren Fähigkeiten in Kategorien einzuteilen; aus politischen Gründen erhielten aber nur wenige ein Visum, um ausserhalb des Landes im Hochgebirge Erfahrungen zu sammeln.

Der Alpinismus in der Sächsischen Schweiz Wir wollen nun betrachten, wie die eigentliche Kletterei auf diesen Sandsteinfelsen vor sich geht. Zuerst ist zu sagen, dass die Schwierigkeitsskala in den Alpen sechs Grade umfasst, während für die Sandsteinfelsen deren sieben gelten, die schon nicht mehr genügen, um bestimmte extreme Schwierigkeiten in Ziffern auszudrücken. Aus diesem Grund bezeichnet man im tschechischen Gebiet mit 7 b und 7 c die Grenze der Steigerungsmöglichkeit. Die Klassifikation in sieben Grade entspricht etwa derjenigen von sechs Graden, wie sie in den Alpen angewendet wird; aber 7b und 7 c beziehen sich auf Stellen, die in den Alpen unter Verwendung von künstlichen Mitteln überwunden würden, während man sie auf den Sandsteinfelsen in freier Kletterei bezwingt. Weil ausserdem die Abstürze in diesen Felsen häufiger auftreten als im Hochgebirge, ist die Anseilmethode anders. Der Bergsteiger hat meistens eine Seilschlinge unter den Armen und eine umgehängt; wenn der Weg schwieriger ist, bedient er sich zweier, sogar dreier Seile. Es gibt Kletterer, welche ihr Seil wegen grösserer Sicherheit um die Brust, zwischen den Beinen hindurch und über den Rücken führen, was bewirkt, dass das Gleiten der Seilschlinge nach oben verhütet wird. Die Deutschen bringen den Knoten mit Vorliebe auf dem Rücken an, damit sie nicht aus dem Gleichgewicht gebracht werden.

Der Karabiner ist von dem in den Alpen üblichen verschieden: er ist birnenförmig und kann einen stärkeren Schlag aushalten. Weil Stürze von 20 Metern nicht selten sind, verwenden die Alpinisten zwei Karabiner für den Fall, dass sich einer von ihnen öffnen oder brechen sollte. In Deutschland werden Spezialschuhe für das Klettern auf Sandstein verkauft; aus Leder hergestellt, sind sie mit einer besonders rauhen Sohle versehen, welche die Haftfähigkeit erhöht. Manche Alpinisten unternehmen ihre Besteigungen barfuss oder indem sie, besonders für das Aufsteigen in Rissen, nur die Knöchel mit einem Stück Leder schützen. Für notwendige Abseilungen werden Haken gesetzt und auf jeder Felsspitze ein Zapfen fest eingemauert; Lederstücke schützen Schultern und Gesäss vor Verbrennungen durch das Seil. Der Bergsteiger wird ausserdem mit mehreren Seilschlingen von verschiedenem Seildurchmesser ( 5 bis 15 mm ) und verschiedenen Längen ( 1 bis 2 m ) ausgerüstet. Diese Seilschlingen ( Seilenden verknotet ) haben den gleichen Zweck wie die Felshaken in den Alpen, aber es ist nicht möglich, sie überall anzuwenden. Es ist eine grosse Kunst, sie zu plazieren, eine Kunst, welche eine gewisse Beobachtungsgabe verlangt. Weil es nicht erlaubt ist, Felshaken auf dem Sandstein zu setzen ( was den Fels beschädigen würde ), spielt die Technik der Seilschlinge eine besonders wichtige Rolle.

Worin besteht nun die Sicherung mit Hilfe dieser Schlingen? Wie schon früher ausgeführt, weist der Sandstein ein besonderes Relief von kleinen und grossen Spalten und Rissen auf. Anderseits bemerkt man hier eine in der Geologie einzigartige, aussergewöhnliche Erscheinung, deren Form einer Sanduhr gleicht, so dass die sächsischen Bergsteiger sie « Sanduhr aus Sand » nennen. Diese kleine Säule umschlingt man mit dem mit einem Karabiner versehenen Seilstück. Die Kletterer rücken ebenfalls vor, indem sie die Knoten in die Verengung der Spalten einklemmen Natürlich ist das Anbringen einer solchen Sicherung heikel, weil der Alpinist dabei an oft sehr exponierte Stellen gelangt, wo er sich nur schwer halten und kaum mit einer Hand « arbeiten » kann.

Bei der korrekten Begehung einer Route ist zu beachten: Eine Grundregel verlangt, dass der Alpinist den Gipfel nur aus eigener Kraft erreichen darf; es ist nicht erlaubt, sich nur mit der Absicht auf einen Gipfel hinaufziehen zu lassen, um seinen Namen in das Gipfelbuch einzutragen.

Das Seil dient nur dazu, die Sicherheit zu gewährleisten, das heisst, es darf nur den Bergsteiger bei einem Sturz halten. Es ist deshalb verboten, mit Hilfe von Seilzug eine Stelle zu begehen, welche der Kletterer nicht aus eigener Kraft bezwingen kann. Ferner darf der Seilschaftsführer eine Schwierigkeit nicht dadurch umgehen, dass er ein Seil einsetzt, welches ihm erlaubt, sich daran hinaufzuziehen. Die Verwendung von künstlichen Mitteln ist streng untersagt, und der Kletterer darf den Sicherungshaken erst in dem Moment benutzen, wenn er bis zu Brusthöhe bei ihm angelangt ist. Es ist ihm nicht erlaubt, sich die Aufgabe dadurch zu erleichtern, dass er sich am Haken festklammert, wenn dieser in handgreiflicher Nähe ist, sonst übertritt er die elementarsten Regeln der Kletterergemeinschaft. Es gibt Alpinisten, die lieber abstürzen, als dass sie einen Sicherungshaken ergreifen, bevor sie auf Brusthöhe mit ihm stehen. Nur die vollständig nach der erlaubten Technik durchstiegene Route gilt als « wirklich ausgeführt ».

Das Reglement sagt ferner, dass jeder Aufstieg auf genau gleiche Art wie derjenige der Erstersteiger ausgeführt werden muss, ohne - mit Ausnahme bestimmter aussergewöhnlicher Fälle -etwas beizufügen oder etwas zu ändern.

Die Sicherungshaken gleichen langen Bohrhaken, sind mit einem Ring versehen und so tief in den Fels eingemauert, dass sie selbst der stärkste Schlag, wie er durch den Sturz eines Alpinisten erfolgt, nicht lockern kann. Je nach dem mehr oder weniger harten Gefüge des Sandsteins setzt man den Haken zwischen 20 und 40 Zentimeter tief ein. Der Ersatz eines Hakens erfolgt nur mit der Genehmigung einer Spezialkommission, und der neue muss an der genau gleichen Stelle eingesetzt werden, um in keiner Weise die Kletterbedingungen abzuändern, wie sie bei der Erstersteigung bestimmt wurden. Das Recht zum Setzen von Sicherungshaken steht dem Erstersteiger zu, und die Art und Weise des Setzens vollzieht sich nach festen Regeln.

Der Sicherungshaken wird dann gesetzt, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Seilknoten zu verwenden, wenn die Länge des Seiles nicht ausreicht und an Standorten vor kurzen Leitern. Der Seilschaftsführer muss einzig und allein aus eigener Kraft die Sicherungshaken setzen. Er hat aus diesem Grund beträchtliche Kräfte aufzuwenden, denn er ist die meiste Zeit gezwungen, sich mit einer Hand zu halten, während er mit der andern das Loch bohrt. Die Plazierung des Hakens ist im allgemeinen mühsam und erfordert Stunden ( manchmal muss man die Arbeit unterbrechen und in der folgenden Woche zurückkehren ). Wenn das Loch fertig ist, setzt der Seilschaftsführer den Sicherungshaken, gewöhnlich unter Verwendung von Blei, und zementiert abschliessend. Nach dieser Operation setzt die Seilschaft ihre Besteigung fort. Man kann sich vorstellen, welche Anstrengung eine « Premiere » erfordert, wenn fünf bis acht solche Haken eingemauert werden müssen!

Bei der « lebenden Leiter » haben die Kletterer dafür zu sorgen, dass die Regeln eingehalten werden. Der ganze Steigbaum ( er kann aus zwei, drei oder sogar vier Personen bestehen ) wird nur durch einen einzigen Haken, welcher die ganze Seilschaft halten muss, gesichert, wenn während der kurzen Leiter das Gleichgewicht gestört ist.

Es bleiben noch einige Worte über den Ehrbegriff der Alpinisten und die Kehrseite dieses Sportes zu sagen: über die Verletzungen und schwerwiegenden Stürze.

Wenn einer dieser Alpinisten sich über die Ehrbegriffe hinwegsetzt, indem er nicht auf die Regeln Rücksicht nimmt oder es wagt, falsche Aussagen zu machen, so tadeln ihn alle andern und brechen jede Beziehung mit ihm ab. Als Beispiel erwähnen wir das glaubwürdige Erlebnis, welches dem Entdecker einer « Premiere » zustiess. Er hatte ganz allein und ohne Zeugen die Besteigung der Kaiserspitze ausgeführt. Als er später sein Unternehmen bekanntgab, glaubten ihm seine Kameraden nicht. Um sie zu überzeugen, bat er seine Freunde, ihm sein Velo, mit dem er hergekommen war, auf den Rücken zu binden. Unter den Blicken der Ungläubigen wiederholte er seine Leistung auf der gleichen Route, erreichte ganz allein und ohne Sicherung den Gipfel und stieg auf der gleichen Route wieder ab. Das war ein würdevoller Beweis eines Ehrenmannes, welchen jedermann schätzen musste.

Wenn wir von der deutschen Seite her klettern, so bietet sich uns manchmal ein unerwartetes Schauspiel: Am Fuss der Felsen, welche die Jugend besteigt, sitzen Männer und Frauen reiferen Alters auf Bänken. Unter ihren Kennerblicken leisten die Anfänger ihr möglichstes, um die besten Regeln der Alpinisten am Sandstein anzuwenden, andernfalls: Achtung vor der Kritik! Dies besonders, wenn die altern Leute - wie wir das selbst festgestellt haben - ihre Eltern sind! Es ist der Ehrgeiz jedes Alpinisten, ob Bursche oder Mädchen, seine Besteigung auf die richtigste und sportlichste Weise zu Ende zu führen.

Bei den Besteigungen auf Sandstein sind die Abstürze zahlreicher als bei den Besteigungen auf Granit oder Kalk. Der Sandstein ist wegen seines Gefüges sehr mürbe und weist einen sehr schwachen Zusammenhalt auf, welcher bei Feuchtigkeit, zum Beispiel nach dem Regen, noch abnimmt. Unter diesen Umständen ist von Besteigungen abzuraten; aber gewisse Bergsteiger, ja noch viel zu viele, schlagen die Ratschläge in den Wind und setzen sich Unfällen aus. Sie verderben dazu noch die Felsen, und die Routen erweisen sich nachher als noch schwieriger zu begehen. Zahlreiche Unfälle werden wegen Unkenntnis der Technik bei der Anwendung der Seilschlingen verursacht. Häufig ist der zweite Mann am Seil das Opfer des Sturzes des Seilschaftsführers. Wenn der erste der Seilschaft von grosser Höhe herabfällt, so fängt der zweite, welcher ihn am Felshaken sichert, den Schlag auf. Gewöhnlich hat dann der erste Kletterer nur kleine Schürfungen, der zweite der Seilschaft dagegen erleidet grösseren Schaden: wundgeriebene oder gebrochene Finger. Wenn auch die Stürze häufiger sind als in den Alpen, so treten dafür viel weniger tödliche Unfälle auf; meistens erfolgt ein freier Sturz, und der Alpinist bleibt am Sicherungshaken hängen.

Zusammenfassend noch einige Worte, die Alpenkletterer sicher interessieren werden. Bewährt sich die Tüchtigkeit der Sandsteinkletterer auch im Hochgebirge? Die Praxis hat gezeigt, dass diejenigen, welche nur den Alpinismus auf Sandstein im Auge haben, keine interessanten Ergebnisse im Hochgebirge erreichen können. Man kann sich am Sandstein wohl eine sehr gute Technik aneignen, aber diese Ausbildung, wenn sie noch so intensiv erfolgt, genügt nicht, um einen vollkommenen Alpinisten zu formen. Die Kletterer auf Sandstein, die sich im Hochgebirge bewähren wollen, müssen in einem den Alpen ähnlichen Gelände üben können. Die heutige Zeit ist für die Sachsen nicht günstig, weil sie kaum die Möglichkeit haben, ins Ausland zu reisen. Wenn es ihnen aber einmal erlaubt sein wird, sich frei zu bewegen, wird es interessant sein, ihr Verhalten im Hochgebirge zu verfolgen. Anderseits ist zu bemerken, dass Sandsteinkletterer wie Gonda, Zsigmondy, Kucher und andere im Alpinismus bekannte Namen sind.

Bei aller « Benachteilung » ( ihre Praxis, so schön und begeisternd sie ist, ist nur Schule ) kann aber doch die gleiche Geisteshaltung festgestellt werden wie bei den westlichen Alpinisten. Sie kennen wie diese das Freiheitsgefühl, welches uns bei der Auswahl und Ausführung einer schwierigen Route begleitet, sowie die Freundschaft, welche die Seilgefährten verbindet.

Der Besteiger des Walker-Pfeilers oder des Dru-Südwestpfeilers wie auch derjenige der Sandsteintürme wird, wenn auch auf verschiedene Art, sich selbst immer zu übertreffen suchen, weil beide, von der gleichen Begeisterung erfasst, die gleiche Vollkommenheit suchen. Beide finden ihre höchste Belohnung im vollen Sieg über sich selbst und die Hindernisse. Mir ihrer Begabung, ihrem Mut und ihrem Willen werden sie die Grenzen der Möglichkeiten immer mehr erweitern.

( Übersetzung: Jakob Meier )

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