Ein apokryphischer Besuch David Humes in der Schweiz
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Ein apokryphischer Besuch David Humes in der Schweiz

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Von G. R. de Beer.

Hat David Hume, der berühmte schottische Philosoph und Geschichtschreiber, die Schweizer Alpentäler bereistWeder er noch seine Biographen wissen etwas darüber zu berichten, und für uns wäre diese Möglichkeit nie in Frage gekommen, wenn wir nicht die Gelegenheit gehabt hätten, auf die Arbeiten des italienischen Schriftstellers Tullio Dandolo zu stossen. Dieser liess in Mailand 1846 ein Büchlein unter dem Titel « La Svizzera Pitto-resca o corse per le Alpi et pel Jura » erscheinen, in welchem wir auf Seite 101 folgende Zeilen finden:

« II Prättigau mi ricorda una toccante aventura. Al celebre storico Hume stanziato in un villagio della Francia meridionale è annunziato l' arrivo d' un vecchio pericolosamente infermo, accompagnato da una fanciulla; corre alla taverna, ove lo sa ricoverato, e lo costringe a trasferirsi nella propria casa, ove, per le cure dell' ospite generoso, lo straniero in poche settimane risana. Erasi egli dato a conoscere: chiamavasi Valder, parroco nel Prättigau; avea perduto la sorella durante quel viaggio medesimo intrapreso per guarirla, e si apprestava coll' orfana nipote per nome Eugenia a tornare mestamente a casa: l' inglese, che gli si er'affezionato, e bramava visitare la Svizzera, gli si prof erse compagno al ritorno; mossero uniti a piccole giornate sino alla Valsana ( la più amena delle valle secondarie del Prättigau ) ch' era la residenza del vecchio Pastore. Ruscello precipite da rupe muscosa serpeggiava tra'prati alimentando un laghetto, sulla cui riva spuntava in mezzo à pioppi il campanile del presbitero: il gruppo delle case del villaggio avea cercato riparo dai soffii settentrionali appiè di monte boscato, e la Landquart era vista in fondo piombare spumante da una scogliera. Hume fu colpito dall' ar-cadica giocondità di que'luoghi...

Due anni dopo, trovandosi egli a Coirà, fece una corsa a visitare i suoi amici; arrivò in sull' imbrunire al laghetto, e scorse cerei accesi che in lunga fila precedevano ed accompagnavano un feretro: domandò a chi si rendessero gli ufficii estremi della religione; udì profferito il nome di Eugenia.

... Quando si ricondusse al deserto presbitero, e videsi innanzi l' ospite antico, novello pianto gli rigò le gote: abbracciaronsi taciti, poi — è molta la mia fiacchezza, disse Valder ad Hume, ma non sono povero di conforti — Vi udii nel Camposanto, risposegli l' Inglese; voi felice d' avervi neh " afflizione si gagliardo appogio. » Von dieser umständlichen Geschichte hatte Tullio Dandolo schon eine frühere und längere Darstellung in « Saggio di lettere sulla Svizzera. Il Cantone de'Grigioni », Milano 1829, gegeben.

Der erste Schritt in der Erforschung dieser merkwürdigen Frage war natürlich ein Besuch in Valzeina, wo ich durch Gefälligkeit des Pfarrers Steiner feststellen konnte, dass der Name Valder oder Valders auf dem Pfarr-rodel Valzeinas nicht zu finden ist. Es war also sehr interessant, im « Life and Correspondence of David Hume » von J. H. Burton ( Edinburgh ) den Nachweis zu lesen, dass die Episode der « Story of La Roche » von Henry Mackenzie ungefähr 1739, als Hume in Frankreich weilte, in dessen Laufbahn eingeschaltet zu denken sei.

Henry Mackenzie liess seine « Story of La Roche » anonym 1779, drei Jahre nach Humes Tod, in der von ihm herausgegebenen Schrift « The Mirror » in Edinburgh erscheinen. Später wurde der Aufsatz unter Mackenzies Namen im ersten Bande von « The Romancist and Novellist's Library », London 1839, wieder publiziert.

Mit der « Story von La Roche » stimmt die Dandolosche Übersetzung gut überein; nur muss hervorgehoben werden, dass Hume nicht persönlich genannt wird, dass der Pfarrer nicht Valder, sondern La Roche heisst und dass sein Wohnort nicht Valzeina, sondern ein unbestimmtes Dorf im Berner Oberland ist. Da eine Erwähnung der Schweizer Alpen in einer schottischen Schrift im Jahre 1779 ziemlich auffallend ist, möchten wir die betreffenden Zeilen hier wiedergeben.

« It was situated in one of those valleys of the Canton of Berne where Nature seems to repose, as it were, in quiet, and has inclosed her retreat with mountains inaccessible. A stream, that spent its fury in the hills above, ran in front of the house, and a broken water-fall was seen through the wood that covered its sides; below it circled round a tufted plain, and formed a little lake in front of a village, at the end of which appeared the spire of La Roche's church, rising above a clump of beeches. » Es ist klar, dass Dandolo diese Geschichte von Mackenzie übernommen hat und dass er die Umstände richtig genug verstand, um Humes Namen im Wortlaut einzufügen. Es bleibt aber völlig unklar, warum Dandolo diese Ereignisse nach Valzeina versetzt hat.

Andererseits bleibt die Frage, warum Mackenzie seine Novelle über Hume geschrieben hat. Hierüber sind wir besser unterrichtet, denn vom Verfasser selbst erhalten wir Auskunft in « An Account of the life and writings of John Home », Edinburgh 1822. Über Hume, der eine herzliche Gütigkeit mit agnostischer Anschauung vereinigte, sagt Mackenzie, er habe den Versuch gemacht, die Gesinnung eines solchen Wohlwollens dramatisch in der « Geschichte von La Roche » auszudrücken, indem er Hume die Worte zueignete, « es habe Zeiten gegeben, in welchen er, in Erinnerung an den greisen Pfarrer und seine Tochter, den Prunk seines literarischen Ruhmes vergäss und seinen Unglauben bedauerte ».

In der Tat gelang es Mackenzie so gut, diese Geschichte mit Wahrscheinlichkeit zu bekleiden, dass einmal, als er sie seinem Freunde Adam Smith vorlas, dieser erwiderte, er erstaune darüber, diese Anekdote nicht früher kennengelernt zu haben ( Smith hatte die Autobiographie Humes herausgegeben ).

Endlich bleibt die Frage: Was hat Mackenzie dazu veranlasst, sein Drama in die Schweizer Alpen zu verlegen? Hier können wir nur bemerken, dass im Jahre 1779 die Arbeiten von William Coxe, « Sketches of the natural, civil and political state of Switzerland », und von John Moore, « A view of Society and Manners in France, Switzerland and Germany » in London erschienen. Diese waren die ersten weitverbreiteten Alpenreise-beschreibungen in englischer Sprache, und wir können vermuten, dass sich Mackenzie von einem oder beiden beeinflussen Hess. Weiter darf man nicht vergessen, dass dem obenerwähnten Adam Smith die Schweiz keine unbekannte Gegend war. Hume, Mackenzie und Smith waren Schotten; die ganze Geschichte darf also vielleicht als Beweis einer geistigen Verbindung der beiden Gebirgsländer im 18. Jahrhundert gelten.

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