Einige Besteigungen im Westen der USA
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Einige Besteigungen im Westen der USA

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Jean Sesiano, Genf

Die Gebirge im Westen der Vereinigten Staaten lassen sich folgendermassen einteilen:

— Die Kette der Kaskaden ( Cascade Range ) erstreckt sich in einer Länge von etwa 1000 Kilometer vom Lassen Peak ( 3240 m ) in Kalifornien, dem Nordende der Sierra Nevada, durch die

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2Descente du Col Leynir 3Glacier du Ruitor ( ou Rutor ). Au fond, à droite, les deux sommets des Vedettes Photos: Jean-Louis Blanc, Peseux Bundesstaaten Oregon und Washington bis nach Kanada, in die Provinz Britisch-Kolumbien. Die Kette verläuft in einem Abstand von etwa 200 Kilometer parallel zur Küste des Pazifik von Nordost nach Südwest; sie hat ihren Namen von den zahlreichen grossen Wasserfällen ( Kaskaden ) des Columbia River, der sie auf seinem Weg zum Pazifik tief eingekerbt hat.

Viele ihrer Gipfel sind immer mit Schnee oder Gletschern bedeckt, und ein grosser Teil von ihnen sind mehr oder weniger aktive Vulkane. Frühere Vergletscherungen haben zahlreiche Seen zurückgelassen. Der höchste Punkt ist der Mount Rainier im Staat Washington, südöstlich von Seattle, mit seinen 4392 Meter der dritthöchste Berg des Landes, wenn man von Alaska absieht. In dieser Kette liegt im Süden auf 2000 Meter Höhe, kreisrund, mit einem Durchmesser von 9 Kilometer, 600 Meter tief und von einer bemerkenswerten Bläue, der berühmte Crater Lake, ein See, der auf den Ausbruch eines prähistorischen Vulkans zurückgeht.

Südlich der Kaskaden erhebt sich die mächtige granitene Sierra Nevada, die sich auf einer Länge von 850 Kilometer annähernd in Nord—Süd-Ach-se bis zur Grenze Mexikos erstreckt. Zahlreiche Wüsten, wie z.B. Death Valley, das Todestal ( im Sommer mehr als 50 Grad im Schatten ), finden sich unmittelbar östlich dieser Kette, die den Zustrom feuchter Luft vom Pazifik her fast vollständig abhält, wogegen auf ihren Westhängen üppige Wälder wachsen ( Mammutbäume u.a. ). Im nördlichen Teil dieser Kette liegt der bekannte Yosemite-Nationalpark; dort präsentiert sich der Granit in Gestalt gigantischer Dome, senkrechter Felswände und immenser Monolithe, wie El Capitan ( i 1100 m hohe Wand ).

Im allgemeinen steigen die Westhänge der Sierra gleichmässig an; die Osthänge dagegen fallen jäh ab. Höchster Punkt der Kette ( und der USA - ohne Alaska ) ist der Mount Whitney ( 4419 m ). Da der Schnee im Sommer sogar auf den höchsten Gipfeln wegschmilzt, sind die Glet- scher der Nordostflanken kümmerlich und wenig zahlreich.

Östlich von diesen beiden Ketten ziehen sich die Rocky Mountains ( Felsengebirge ), ein gewaltiges Massiv, dessen Grate die Wasserscheide des nordamerikanischen Kontinents bilden, von Mexiko quer durch ganz Kanada bis zur Grenze von Alaska. Sie setzen sich aus zahlreichen Ketten zusammen, die durch fortwährende Faltungen entstanden sind; es ist darin vielerlei Felsgestein zu finden, vom Granit über Kalk bis zu vulkanischen Laven. Höchster Punkt ( und zweithöchster der USA ) ist der Mount Elbert ( 4399 m ) in Colorado. Im Westen der Hauptkette, im Staate Wyoming, erhebt sich eine Gruppe stolzer Gipfel: die Tetons, für den Alpinisten wahrscheinlich der Hauptanziehungspunkt im ganzen Land. Im Grand Teton, der erst 1898 erstmals erstiegen wurde, erreichen sie 4196 Meter; sie tragen einige Gletscher.

Die Kette steigt im Osten schroff an und beherrscht mit über 2200 Meter ein breites, flaches Tal mit vielen Seen. Sie besteht grösstenteils aus kristallinem Gestein, doch sind da und dort Reste von Sedimentdecken übriggeblieben. Der berühmte Yellowstone-Nationalpark bildet die nördliche Begrenzung des Grand-Teton-Natio-nalparks.

Mein Ziel war es, mindestens je einen Gipfel dieser Hauptketten zu besteigen, um einen Eindruck von ihrer Eigenart zu bekommen Die Ewigschneegrenze ( Gletscher ) beispielsweise sowie die Natur des Gesteins, die Witterungsverhältnisse usw. würden in der Sierra Nevada und den Kaskaden sehr unterschiedlich sein.

In der Sierra wähle ich den Mount Whitney.

Eine ganz neue, bequeme Strasse verlässt Lone Pine im Osten der Sierra und führt den Touristen auf Whitney Portal, 2550. Meter über Meer; die erste Schwierigkeit der Tour besteht darin, einen Parkplatz zu finden zwischen den unzähligen Fahrzeugen, die den Ort überschwemmt haben. Man weiss, dass die Gegend wegen ihrer Frische sowohl bei den Kaliforniern als auch bei den Besuchern aus dem Osten des Landes beliebt ist. Dazu kommt, dass die Fischer von diesem Forellen-paradies gehört haben und dass Whitney Portal für die Liebhaber langer Wanderfahrten einen der wichtigsten Knotenpunkte des « Pacific Crest Trail » ( Pazifik-Grat-Weg ) darstellt, der ihnen, wenn sie Zeit und Lust haben, der Firsthöhe der Kette bis in den Norden des Landes zu folgen gestattet, also 2200 Kilometer Luftlinie von der mexikanischen Grenze bis zu der von Kanada.

Um 7 Uhr morgens am Donnerstag, dem 29.Juli, nehmen mein Vetter David und ich die Steigung in Angriff. « Angriff » ist allerdings ein wenig viel gesagt: Wir haben eben vernommen, dass der Weg auf seiner ganzen Länge ( d.h. 16 km ) bis zum Gipfel ausgebaut ist, so dass Pferde den Touristen, der statt Beine Scheine ( 50 Dollar ) besitzt, hinaufschleppen können; es ist ein weiter Weg, der sich durch den Tannenwald in langen und ach so langweiligen Schleifen hinaufwindet.

Da es sich um einen nationalen Schutzwald handelt, ist es verboten, Abkürzungen « anzulegen », und Inschriften sollen ein etwa verirrtes « Schaf » auf den rechten Weg zurückbringen. Auf beiden Seiten des engen Tales, in dem wir aufsteigen, ragen Granitwände empor, die das Wetter arg misshandelt hat: Der feste, saubere Fels der Aiguille de Chamonix ist leider weit, weit weg!

Die Waldgrenze befindet sich bei etwa 3300 Meter, und mit Bedauern sehen wir den letzten Schutz gegen eine Sonne, die in diesem weissen Amphitheater heiss zu stechen beginnt, hinter uns verschwinden. Ein wenig höher lassen wir den Lake Consultation, einen Moränensee, in dem sich noch immer einige Firnzungen baden, zu unserer Linken zurück.

Da und dort haben Camping-Freunde ihr Zelt aufgeschlagen, nicht ohne vorher die Rangers ( Parkpolizei ) gebührend über die geplante Route und über den Platz, wo sie zu zelten gedachten, informiert und die schriftliche Erlaubnis, ein Feuer zu machen, eingeholt zu haben. Diese Formalität ist bei Strafe für jedermann erforderlich, der 5 "

ausserhalb der offiziellen Plätze zelten und eine Besteigung versuchen will.

Eine lange Geröllhalde führt uns endlich zum « Trail Crest Pass » bei 4273 Meter auf den Grat der Sierra. Auf der anderen Seite fällt der Westhang jäh ab gegen ein mit Seen übersätes Plateau, das sich allmählich zu den Mammutbaumwäl-dern hin senkt. Tatsächlich ist hier die Grenze des Sequoia-Nationalparks.

Wir brauchen nun nur noch einem stark gezahnten Grat zu folgen, dessen eine Schulter — etwas grosser als die anderen - den Mount Whitney bildet. Der Weg ist immer gleich gut und so breit, dass wir zu zweien nebeneinander gehen können. Ein gewaltiger verwitterter Granithaufen geleitet uns zum Gipfel, den wir um 16 Uhr erreichen.

Im Osten und Norden öffnen sich zwei Steilabbrüche, Hunderte von Metern tief, in denen Blockgeröll in heiklem Gleichgewicht aufgetürmt liegt; mehrere Pfade sind darin angelegt worden! Nach Süden läuft die Krete, auf der wir gekommen sind, und im Westen fallen Geröllhalden und dann Blockfelder nicht allzu steil gegen die Mammutbäume ab.

Ein steinernes Gebäude, ursprünglich für den geodätischen Dienst errichtet, ist heute unterteilt in ein Hilfsdepot für die Rangers und einen zügigen, feuchten Flügel, in dem sich während der Bergsteigersaison scharenweise mehr oder weniger appetitliche Hippies einnisten.

Wir ziehen die freie, reine Luft vor und bauen uns wie mehrere andere Touristen - unter den etwa 30 Personen auf dem Gipfel befinden sich nämlich offensichtlich keine Alpinisten — eine Art Gruft, in der wir unsere Müdigkeit während der Nacht werden begraben können.

Ausgiebige Regenschauer fallen im Westen ( denn die Feuchtigkeit kommt vom Pazifik ), aber uns erreichen nur einzelne Tropfen, und die Sonne versinkt in einer Flut von Farben.

Wir geizen mit den kargen Resten Flüssigkeit, die wir unter uns teilen; denn in der Umgebung gibt es keine Spur von Schnee mehr und keine einzige Quelle. Man darf nicht vergessen, dass die Sierra schon ziemlich südlich liegt und dass der Schnee und mit ihm das so kostbare Wasser rasch verschwindet; daher kommt es, dass man oberhalb 3500 Meter diesen Eindruck von Trockenheit hat. Das Nachtlager ist verhältnismässig bequem, was mich nicht abhält, häufig auf das Thermometer zu schauen, das bedenklich sinkt, bis auf null Grad. Immerhin haben wir am Vortag im Todestal ( Death Valley ) eine Hitze von 50 Grad erlebt, und dieser Unterschied ist doch gewaltig.

Um 6 Uhr morgens geht die Sonne über dem Staate Nevada auf. Schnell einige Photos, ein Panorama, überwölbt von wolkenlosem Himmel, und dann der langweilige Abstieg, auf dem wir einer grossen Zahl Touristen begegnen, die da ihre Wallfahrt zum höchsten Punkt der USA machen. Fünf Stunden später sind wir wieder beim Wagen und bereit für die Fortsetzung unserer Reise in den Norden.

Am 4. August, nachdem wir den Yosemite-Na-tionalpark durchquert und uns ( mit Blicken !) mit El Capitan gemessen haben, nachdem wir San Franzisco, die Pazifikküste und ihren Red-wood-Nationalpark ( Redwood gehört zur Gattung der Sequoia, erreicht aber eine grössere Höhe als die in der Sierra ) besichtigt, nachdem wir endlich den Crater Lake im Staate Oregon bewundert haben, kommen wir schliesslich in Sichtweite des Mount Hood ( 3427 m ), eines Vulkans mit sehr symmetrischem Kegel in der Kaskaden-Ket-te. Erst anfangs 1971 hat der Walliser Sylvain Saudan mit Ski die sehr steile Abfahrt über dessen Osthang gemacht.

Die Strasse führt uns nach Timberline Lodge ( wörtlich: Herberge an der Baumgrenze ) auf 1830 Meter, einem massiven Bau, dessen Inneres mit enormen Balken verkleidet ist. Es ist ein Mo-de-Skisportplatz mit einigen Skiliften und mit Snow-Cats, die den Skifahrer bis auf fast 3000 Meter hinaufziehen. Lange Firnzungen ziehen sich den Hang hinunter bis zum Hoteleingang, und wenn sie im Sommer auch einen Schneebrei bie- ten, so erlauben sie es doch einigen Fanatikern, das ganze Jahr zu trainieren.

Am Abend erhebt sich ein heftiger Wind, und Nebelmassen überschwemmen uns; selbst der Vollmond verschwindet sogleich darin.

Tagwache um 1.15 Uhr; ich werde allein gehen; denn David hat weder Steigeisen noch Pickel. Die Normalroute über die Südhänge oberhalb des Hotels birgt ja jedenfalls keine Gefahr. Der Himmel ist vollkommen klar, die Nebelschwaden haben sich im Talgrund gesammelt. Langweilig ist der Aufstieg dem Firnband entlang auf einer Moräne von vulkanischem Schutt. Bei einer Höhe von 3000 Meter richtet sich der Hang steiler auf; ich dringe indessen in den eigentlichen Krater ein, dessen Südwand ins Tal abgestürzt ist und die Halden gebildet hat, die ich eben durchstiegen habe. Der Glanz des untergehenden Mondes färbt sich allmählich gelb. Es ist ungefähr 4 Uhr, und noch liegt der Osten völlig im Dunkeln.

Ich setze mich einen Augenblick, um auszuruhen und Pickel und Steigeisen hervorzuholen. Der Weg ist mir unten beschrieben worden, aber ich brauche ihn nicht zu suchen; denn genug Spuren führen mich. Ich lasse Hot Rocks ( Heisse Felsen ), aus denen noch in Strahlen Schwefeldämpfe hervorquellen, links liegen, erreiche einen Sattel und steige, um eine Spalte und den Bergschrund zu umgehen, nach rechts an den Rand eines Couloirs, das sich unter dem Gipfelgrat aufwärts zieht. Der Anstieg mit den Steigeisen ist leicht, da der Schnee gefroren ist.

Gerade zur rechten Zeit für diesen etwas heikleren Teil der Besteigung ist es Tag geworden. Das Couloir überwindet einen Engpass, erweitert sich dann, und weiter geht es über breite Geröllhalden zum Gipfel.

Es ist 6 Uhr, und wenige Minuten später stehe ich in der Sonne; aber gleichzeitig geht mir ein rauher Wind durch und durch.

Eindrücklich ist der Blick auf die Nordostseite: Mehrere schrecklich zerschrundete Gletscher rei- chen bis zu den Wäldern hinunter, und die Hänge sind wesentlich steiler als im Süden. Der Mount Adams ( 3813 m ) und der Mount Rainier ( 4392 m ) im Norden wie auch der Mount Jefferson ( 3252 m ) im Süden sind alles Vulkane, von Schnee und Gletschern bedeckt.

Der Staat Oregon, auf dessen höchstem Punkt meine Füsse stehen, ist grösstenteils von Nebel bedeckt. Darüber ist das Wetter strahlend. Auf dem Grat sind die Ruinen einer Hütte zu sehen: Drahtseile und einige Balken; der Rest ist von den heftigen Stürmen, die vom Pazifik her kommen, weggefegt worden.

Sechzig Minuten später verlasse ich den Gipfel und verweile dann 200 Meter weiter unten in der Nähe der Schwefeldünste: Der Fels ist an dieser Stelle so warm, dass er vom Gletscher frei bleibt. Ein wenig weiter unten geht in diesem Moment ein starker Steinschlag nieder: Die Wände aus vulkanischem Material sind meist brüchig und für Klettereien nicht geeignet.

Der Abstieg verläuft ohne Besonderheit. Ich begegne drei Alpinisten, die aufsteigen und nun gleich den Schneebrei kosten werden. Um 9 Uhr erreiche ich Timberline Lodge, während schon Gewitterwolken den Gipfel zu verschleiern beginnen, und mache mich gewissenhaft ans Ausfüllen der von den Rangers geforderten Besteigungs-karte.

150 Kilometer nördlich des Mount Hood erhebt sich der mächtige Vulkankegel des Mount Rainier. In den Augen der Amerikaner nimmt er etwa den Platz ein, den man in den Alpen dem Mont Blanc gibt: ein Koloss von gutmütig-maje-stätischem Aussehen, immerfort bekleidet mit einer weiten, weissen Kappe, nur dass er grollen kann — und das ist dann aufregend: Die Stürme, die vom Pazifik, 50 Kilometer im Nordwesten, kommen, sind da ausserordentlich heftig, und sein Haupt ist meistens in Wolken versteckt. In einer Höhe von 1500 Meter fallen normalerweise jeden Winter acht Meter Schnee. Diese ausgiebigen Niederschläge speisen die elf Hauptgletscher, die vom Gipfel ausstrahlen und bis auf die Höhe von 1200 Meter hinunterreichen.

Zahlreiche Routen sind von allen Seiten her erschlossen worden; die Normalroute jedoch geht vom Paradise Inn ( Gasthof zum Paradies ) aus, das auf 1650 Meter auf einer Verflachung der Südflanke liegt; dort befindet sich auch die Direktion dieses Nationalparks ( Rangers-Posten, Büro der Führer, Schulungszentrum, Restaurant usw. ).

Am Rande des unglaublich grossen Parkplatzes erheben sich noch zwei Meter hohe Schneemauern. Wir haben den 7. August: Um 13 Uhr machen David und ich uns auf, um das Camp Muir ( 3000 m ) zu erreichen. Glücklicherweise ist der Touristenstrom umgekehrt proportional zur Höhe, und erreicht man den ewigen Schnee ( Paradise Glacier genannt ) bei 2200 Meter, so sind es nur noch wenige, wie Punkte da und dort über diesen weiten Schneehang gestreut, die an dem Bergsporn über dem Camp emporstreben.

Alle Techniken kann man beobachten: Einige steigen 50 Meter in raschem und mechanischem Schritt hinauf, halten am Rand der Erschöpfung an, lassen Schnauf und Puls sich beruhigen und setzen von neuem an. Andere trödeln, bleiben dauernd stehen und bekommen nicht genug von dem prächtigen Panorama, das uns umgibt. Verständlich, denn sie sind vielleicht aus den Ebenen von Texas, wo eine Erhebung von 50 Meter schon als Berg gilt und wo einmal in zehn Jahren ein spärlicher Schnee den Boden weiss färbt. Von Zeit zu Zeit stürzen zu unserer Linken auf dem teilweise sehr zerklüfteten Nisqually-Gletscher Eistürme herunter.

Gegen i 7 Uhr gelangen wir in Sichtweite eines Sattels am Fusse eines Sporns. Einige Gebäude drängen sich dort zusammen, darunter die Hütte eines Rangers, der ständig da wohnt und dessen Aufgabe es ist, Ausrüstung, Bergtüchtigkeit und Zeitplan der Kletterer zu kontrollieren, die den Aufstieg wagen wollen. Alle Bergsteiger müssen sich vor dem Anstieg in Paradise Inn einschreiben, und da wir diese Formalität unterlassen haben, meldet er der Basis eiligst unsere Namen per Funk, während ich einen umfangreichen Fragebogen ausfülle. Die Besteigung wird zum Beispiel jenem verweigert, der keine Reepschnur und keine Prusiks bei sich hat, sowie dem Einzelgänger; und sollte er den Aufstieg dennoch versuchen, so sieht er sich bei seiner Rückkehr ( falls er den zahlreichen Spalten entronnen ist ) von den Rangers mit einer nahrhaften Rechnung von etwa 400 Franken beglückt!

Die Schutzhütte besteht aus einem grossen Schlafraum mit zweistöckigen Pritschen, also etwa 50 Plätzen, von denen glücklicherweise einige frei sind. Es gibt weder Decken noch Kissen. Gekocht wird im Freien. Ich kann es mir nicht versagen, ein kleines, namenloses Hüttchen in der Mitte des Camps zu erwähnen, an dem ich mehrere Male vorbeiging und an dem mir überhaupt nichts auffiel, bis man mich darauf aufmerksam machte, dass es die Toiletten seien: Es ist ein von der US Navy gelieferter Pavillon, mit Butagas erhellt und von tadelloser Sauberkeit. Eine Kläranlage nimmt alles sofort auf, so dass kein fester Rückstand das Hüttlein verlässt und die abfliessenden Wässer fast trinkbar sind. Das steht nun allerdings scharf im Gegensatz zu den gleichnamigen Örtlichkeiten unserer europäischen Hütten, die sich sogar mit einem gewaltigen Schnupfen von weitem aufspüren lassen!

Das Wetter ist wunderbar, und die Besteigung am nächsten Tag verspricht vollen Erfolg, vorausgesetzt, dass ich einen Partner finde; denn David, der ungenügend ausgerüstet ist, wird hier auf mich warten. Ich sondiere ein wenig unter den Gipfelkandidaten, und meine Wahl fällt auf zwei junge Männer und ein Mädchen aus Portland ( Oregonsie sind bereit, mich mitzunehmen. Einer von ihnen hat die Besteigung schon einmal gemacht, und sie scheinen mir zuverlässig. Umgekehrt ist die Tatsache, Schweizer zu sein, in den USA bereits eine ausgezeichnete alpinistische Empfehlung, auch wenn nicht alle Helvetier mit den Steigeisen an den Füssen zur Welt kommen.

Die Tagwache um 3.30 Uhr scheint mir etwas spät; doch meine Gefährten wollen nicht hinter den vierzig grösstenteils unerfahrenen Touristen herlaufen, die mit ihren Führern — sie zahlen 50 Dollar für die Bergtour - um i Uhr abmarschiert sind.

Den Cowlitz-Gletscher überqueren wir seitlich, steigen dann über das Geröll am Fusse der Cathedral Rocks und kommen auf den Ingra-ham-Gletscher, dem wir bis zum Gipfel folgen werden. Wir befinden uns jetzt am Osthang des Mount Rainier.

Auf 3800 Meter geht unserer Kameradin der Atem aus, und der eine Junge, der den Gipfel schon kennt, will bis zu unserer Rückkehr bei ihr bleiben. Die Sonne ist aufgegangen; gleichzeitig ballen sich aber nun Wolken an den höheren Hängen. Wir begegnen verschiedenen absteigenden Gruppen, während wir vergeblich eine riesige Spalte zu überwinden versuchen, die sich ein wenig weiter oben kürzlich aufgetan hat; die von den Führern mitgebrachte Leiter ist auch verschwunden.

So sind wir denn gezwungen, auf einer Seite in die Spalte hinabzusteigen, ihr ein Stück weit zu folgen und dann auf der Gegenseite wieder hinaufzuklettern. Wir stecken nun im Nebel, der den Gipfel verhüllt; mit geräuschlosen Schritten kommen uns gespenstische Gestalten entgegen. Der Wind ist ziemlich heftig und der Schnee gefroren.

Der Hang wird sanfter, und wir nähern uns dem Gipfel. Einige Felsen werden sichtbar, die den Kraterrand markieren. Wir steigen auf diesem Grat an, und in dem Moment reissen die Wolken vollständig auf: Das runde Becken misst gut 400 Meter im Durchmesser, ist jedoch nur 20 bis 30 Meter tief. Es ist ganz mit Schnee bedeckt, und man sieht sogar einige Eistürme unter der Felsenschulter, die den höchsten Punkt des Kraterkrei-ses bildet; dieser, eine Art Rondenpfad, ist mehr oder weniger schneefrei. An einer Stelle ist die Bodentemperatur sogar so hoch, dass sie bei einem plötzlichen Sturm als Zuflucht dient, eine Besonderheit, die schon manchen Alpinisten gerettet hat.

Wir steigen ein paar verwitterte Stufen hinab in die tiefer gelegene Fläche, durchqueren sie diametral und erreichen nach einigen Minuten, um g Uhr, den Gipfel. Von neuem brandet Nebel heran, von einem kalten Wind begleitet; die Temperatur misst jedoch nur minus 3 Grad.

Es ist uns unmöglich, unsere Namen im Gipfelbuch einzutragen; denn auch der kleinste weisse Rand, ja sogar der Deckel ist vollgekritzelt. Eilig kehren wir über den Krater zurück und machen uns an den Abstieg, wird doch weiter unten die Sonne auf den Schnee brennen und die Brücken gefährlich aufweichen. Schon vor einer Stunde hat die Gruppe mit den Führern den Gipfel verlassen, und wir sind nur noch zwei Seilschaften. Im Nebel ist die Spur, vor allem in der Nähe der grossen Spalte, nicht immer leicht zu finden.

Doch alles geht gut, und kurze Zeit später umgibt uns strahlender Sonnenschein; nur gerade um den Gipfel liegt eine Wolkenkappe. Wir treffen unsere Kameraden auf einem Felssporn wieder und nehmen noch etwas Nahrung zu uns, bevor wir auf Camp Muir hinunterstechen, wo ich um i 1 Uhr wieder bei David bin. Weiter geht 's im Matsch abwärts, bis wir den Schnee hinter uns lassen und auf die Touristenmassen stossen; sie begleiten uns in allen erdenklichen Tenüs bis zum Parkplatz.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Mount Rainier eine nette Gletscherwanderung mit ganz anständigem Höhenunterschied ( 2750 m ) bietet. Nur die zahlreichen Spalten sind gefährlich; für den Felskletterer ist er ohne Reiz; man muss schon in die nördlichen Kaskaden an der Grenze von Kanada gehen, um nebst Gletschern guten Fels zu finden.

Das letzte Ziel, das ich mir vorgenommen hatte, war der Grand Teton im Staate Wyoming, unmittelbar südlich des berühmten Yellowstone-Nationalparks, etwa goo Kilometer ost-südöstlich des Mount Rainier gelegen. Die niedrigere geographische Breite ( 44 Grad ) und die grössere Ent- fernung vom pazifischen Ozean bewirken, dass die Niederschläge dort weniger ausgiebig sind und die Vergletscherung ziemlich schwach ist. Aber der Fels ist von bemerkenswert guter Qualität, und im Massiv der Tetons hat sich ein guter Teil der amerikanischen Kletterelite geschult. Die Kette ist ungefähr 60 Kilometer lang und i 15 breit und zeigt über einem aufgeschütteten Tal, wo einstige Gletscherseen schlafen und sich der Snake River ( Schlangenfluss ) schlängelt, extrem steile Ostwände, während die Westseite sanfter ansteigt. Diese Formation ist entstanden durch eine Fraktur in Nord—Süd-Achse, gefolgt von einer Erhebung des Westblockes bei einem Absinken des Ostblockes. So liegt nun der Talgrund bei 2000 Meter, während einige Kilometer weiter westlich die Höhen im Grand Teton gipfeln ( 4196 m ).

Die Sonne versinkt schon hinter der Kette, als wir am Mittwoch, dem i i. August; beim Kamp Jenny Lake anlangen, uns bei den Rangers einschreiben und die Erlaubnis einholen, Feuer zu machen und zu zelten. Wir werden rasch abgefragt nach unseren früheren Touren, alles mittels eines Zettels, der zu einer Anzahl anderer auf eine Tafel geheftet wird; sie alle enthalten die wichtigste Angabe: Ziel der Tour und voraussichtli-ches Datum der Rückkehr. Selbstverständlich muss sich der Alpinist nach der Rückkehr bei den Rangers melden und über seine Tour Rechenschaft ablegen, sonst wird eine Rettungsaktion ausgelöst. Der Ranger verfügt ausserdem über ein Dossier aller Routen, mit Photos, Geländekrokis, den letzten Tips usw., das der Kandidat vor dem Abmarsch konsultiert.

Einzelgänger sind prinzipiell nicht zugelassen ( es sei denn, sie unterschrieben verschiedene Dechargen ) und werden mit strengen Bussen bedroht ( dauernd patrouillieren Rangers in den Bergen, beobachten Handlungen und Gebärden eines jeden, und es ist schwer, ihrem scharfen Auge zu entgehen ).

Wird ein Kandidat einer Tour nicht für fähig befunden, so kann er entweder verzichten oder sich in der Bergsteigerschule nebenan einem Grundschulkurs in Klettern ( oder am Mount Rainier in Gletschertechnik ) unterziehen und dann den Aufstieg entweder in einer Gruppe mit Führern oder - wenn er genügend vorbereitet scheint - mit einem Kameraden unternehmen.

Nachdem wir diese Formalitäten hinter uns haben, nehmen wir leichten Herzens, jedoch mit schwerem Rucksack gegen 19 Uhr die steilen Kurven durch den Wald in den Garnet Canyon ( Granat-Canon ), ein tief eingeschnittenes Hochtal, in dem die meisten Bergsteiger ihr Zelt aufstellen, in Angriff. Angesichts der Unzahl von Zelten auf den wenigen zwischen den Felsen verstreuten Grasplätzen setzen wir uns über die Traditionen hinweg und streben rechts über eine steile Geröllhalde durch ein zweites Tälchen zur Krete; links zieht sich ein weiteres enges Tal zum Grat hinan, und zwischen den beiden liegt der Middle Teton ( Zentral-Teton ) mit seinen 3840 Meter.

Aber die Nacht bricht schnell an, und um 21 Uhr legen wir uns im Stockfinstern zum Biwakieren unter eine Tanne; denn zum Aufstellen des Zeltes ist es zu spät und das Gelände zu schwierig. Das Bett ist um 30 Grad geneigt, und man verkeilt sich so gut wie möglich, um nicht etwa in tiefer Nacht die andern zu wecken - 200 Meter weiter unten! Wir sind schon auf 3000 Meter Höhe, und die Mücken, die uns seit dem Abmarsch belästigt haben, kommen schon fast nicht mehr mit.

Die Bettfedern drücken; für David beginnt diese erste ernsthafte Tour genau nach Brauch und Sitte.

Schlecht und recht geht die Nacht zu Ende, und um 7 Uhr brechen wir auf. Das ist wohl spät, aber die Sonne ist erst gegen 6 Uhr erschienen, und wir stellen fest, dass wir endlich doch noch eingeschlafen sind. Immerhin regt sich weiter unten noch nichts, und wir werden beim Aufstieg nicht allzu viele Leute vor uns haben.

Bald gelangen wir ans Ende des Gerölls und steigen auf der Moräne eines Gletschers bergan, der sich weit hinauf in seine Mulde zurückgezo- gen hat. Zuhinterst in diesem kleinen Tal, das rechts vom Grand Teton, links vom Middle Teton begrenzt ist, befindet sich auf dem Grat der Kette ein Pass auf ungefähr 3550 Meter. Um hinaufzugelangen, hat man einige mit Drahtseilen gesicherte Felsen und etliches Geröll zu durchklettern; wir könnten auch den steilen Schneehang zu unserer Linken benützen. Auf dem Pass hat eine kleine, ziemlich belebte Schutzhütte soeben zwei Seilschaften auf den Gratweg Richtung Grand Teton entlassen. Im Westen erscheinen zunächst einige teilweise mit Schnee bedeckte Kalkgebirgsketten, alle tiefer als wir, und dann die grossen Ebenen des Staates Idaho.

Wir wenden uns nach Norden und erreichen ohne Verzug die Felsen, über die wir in Spiralen rund um den Gipfel, zuerst an den West-, dann an den Nordhängen, aufsteigen. Manchmal müssen wir die Hände zu Hilfe nehmen, doch meistens gibt es bequeme Stufen. Trotzdem bleiben die beiden Seilschaften, die uns vorausgegangen sind, weit hinter uns; ja wir werden sie gar nicht wiedersehen.

Von neuem betreten wir den Grat der Kette, diesmal jedoch'nördlich des Grand Teton. Er stösst auf eine Wand, die den Schwierigkeitsgrad V+ aufweist, während die Normalroute mit III ± bewertet ist. Nach einigem Suchen entdecke ich zur Linken ein Band in der Nordwand, das um wo bis 200 Meter ein in die Ostwand abfallendes Couloir überdacht. Das ist der Weg, und für David wird es nun ernst. Doch er weiss sich ganz gut zu helfen, und wie wir ein langes Kamin angehen, das uns auf dem Band auf den Gipfelaufbau hinausführen soll, lese ich Freude auf seinem Gesicht. Nur die Kälte stört ihn ein wenig während des Rastens. Stellenweise deckt eine dünne Eisschicht den Grund des Kamins, und Vorsicht ist am Platz.B.ald lassen die Schwierigkeit und die Spannung nach; denn das Ziel ist nahe.

Und plötzlich blendet uns die Sonne: Wir sind auf dem Gipfel, einer länglichen Kruppe von Im Westen der USA 1Südansicht des Mount Rainer 2Der Mount Hood, von Süden gesehen. Der Aufstieg führt rechts an der Spitze vorbei, die sich in der Mitte des Halbkraters aufrichtet Photos: Jean Sesiano, Genf allerhöchstem 60 Quadratmeter; es ist 12.30 Uhr.

Ein kräftiger Händedruck; dann machen wir Bekanntschaft mit zwei Alpinisten, die auf einer anderen, schwierigeren Route durch die Ostwand angekommen sind. Der Blick ist unermesslich und das Wetter herrlich: das Tal, seine Seen, unter ihnen der grösste, der Jackson Lake; im Norden am Horizont Yellowstone; die Kette des Gros Ventre ( Dicker Bauch ) und Wind River im Osten; dann im Süden die Spitze des Nez-Percé, die Middle und South Tetons, weniger hoch als wir, und die Ebenen des Westens - all das stellt eine eindrückliche Kulisse dar. Die beiden Amerikaner gestehen, dass sie die Bedeutung der französischen Namen nicht kennen, welche kanadische und französische Trapper im Anfang des 19. Jahrhunderts den umliegenden Bergen gegeben haben. Die Aussprache ist anglisiert und die Herkunft vergessen.

Sechzig Minuten geruhsamen Nichtstuns vergehen leider allzu schnell, und schon heisst es aufbrechen. Beim Abstieg profitieren wir von ihrem Seil, so dass uns das vereiste Kamin erspart bleibt und wir direkt am Fuss der schwierigen Wand ( V H- ) auf dem Grat anlangen.

Vierzig Meter abseilen, davon ein grosser Teil überhängend. Ich habe einige Bedenken wegen David, der sich noch nie mehr als ein Viertel dieser Strecke abgeseilt hat; doch wiederum sind meine Befürchtungen umsonst, und er kommt heil unten an, wenn auch vielleicht nicht in vollendetem Stil.

Ohne weitere Schwierigkeiten geht 's zum Pass, dann mit einer Rutschfahrt über das weite Schneefeld — und schliesslich wieder: Garnet Canyon. Wir verdoppeln unsere Schritte; denn der Ranger wird um 19 Uhr sein Büro verlassen. Zwar kann man sich im Register, das immer draussen zur Hand ist, eintragen; doch ich würde ihn lieber persönlich sehen, um ihm meine Eindrücke mitzuteilen.

Endlich, um 18.45 Uhr, überschreiten wir die Schwelle der Hütte, und ich gebe ihm das denk- bar beste Urteil ab über meine Klettererlebnisse in dieser Kette.Von ihr habe ich in der Tat die nachhaltigste Erinnerung, sowohl wegen des Rahmens, in dem die Tour vor sich geht, als auch wegen der Schwierigkeiten, denen man in dem schönen, soliden Fels begegnet.

Man sollte allerdings von der Felsqualität dieser einen Kette, der besten, nicht auf die der ganzen Rocky Mountains schliessen! Gewisse Abschnitte eignen sich für den Kletterer ausgezeichnet, andere wieder sind völlig faul. Man trifft alle möglichen Felsarten.

Der Gletscherliebhaber hingegen wird da für seine Steigeisen wenig Interessantes finden, und er wird, wenn er breite und ausgedehnte Gletscher entdecken will, weiter in den Norden gehen müssen, nach Kanada zum Beispiel oder in die Kaskaden.

Schliesslich schien es mir in einer Zeit, in welcher man angesichts der grossen und wachsenden Zahl der tödlichen Unfälle im Gebirge immer häufiger von Kontrolle der Bergsteiger redet, wichtig, einige Ausführungen zu machen über das System, das heute in den ganzen Bergen der Vereinigten Staaten üblich ist, ein System, das sich offenbar bewährt.

Übersetzung W. Derungs Peru jgyi 1 Der Nevado Chinchey. Der Südgipfel-Westgrat Photo: Lausanner Peru-Expedition 1971

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