Einsamer Berg am Rande des Himalaya: Mankial Peak
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Einsamer Berg am Rande des Himalaya: Mankial Peak

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

VON WOLFGANG STEFAN, WIEN

Mit 4 Bildern ( 121-124 ) Die Ebene der Nordwestprovinz Pakistans liegt hinter uns. Bill Smith, ein englischer Ingenieur, der in Rawalpindi an einem Dammprojekt arbeitet, steuert seinen Volkswagen sicher um die scharfen Kurven der Bergstrasse.

Erst vor kurzem lernte ich diesen grossen, schlanken, sportlichen Engländer durch Zufall kennen, und begeistert erzählte er von den wunderbaren, unbekannten Bergen in Swat, einem Kleinstaat im Norden Pakistans. So kam es, dass wir uns für einen Ersteigungsversuch des 5740 m hohen Mankial Peak, eines der höchsten Gipfel in Swat verabredeten.

Mit einem Schlag ändert sich das Bild der Landschaft, und vor uns liegen saftige, grüne Wiesen, durch welche das schmale Asphaltband der Strasse dahinzieht. Rechts und links von dem ebenen Talboden erheben sich hügelartige Gebirgsketten. Dann und wann tauchen kleine Ortschaften auf und verschwinden wieder rasch. Den Hauptort des Zwergstaates, « Saidu Sherif », der ein bis zwei Kilometer abseits liegt, berühren wir nicht. In Barai suchen wir den « Hakim Sahib » auf, mit dem wir uns einige Zeit unterhalten, obwohl wir uns nicht ganz über seine Funktion klar werden. Er fragt uns, ob wir wohl genügend ausgerüstet seien, um einen so hohen Berg wie den Mankial Peak zu besteigen. Zu seiner Beruhigung erzähle ich, dass ich gerade von einer Expedition auf einen 7800 m hohen Berg komme. Doch Höhenangaben dürften für den seltsamen, fremden Mann kein Begriff sein, denn nach einigem Nachdenken erwidert er: « Ja, aber der Mankial Peak ist 5700 m hoch », und das ist für ihn das Ende der Debatte. Freundlicherweise drückt er uns jedoch einen Brief an den Gendarmerieposten in Kulalai in die Hand, damit uns dieser bei der Beschaffung von Trägern behilflich sei. So nebenbei erwähnt er noch, zwei Männer und eine Frau seien zu diesem Berg nach einem missglückten Erstersteigungsversuch vor zwei Tagen neuerdings aufgebrochen.

Jetzt wird die Sache für uns noch interessanter, und ich dränge darauf, ja keine Zeit zu verlieren. Noch am selben Abend erreichen wir Kulalai und haben grosse Schwierigkeit einen Lagerplatz für die Nacht zu finden. Zuerst versuchen wir im Rasthaus unterzukommen, doch dieses ist von einer höheren Persönlichkeit Swats belegt. Auch unserer Bitte, auf der Grünfläche davor unser Zelt aufstellen zu dürfen, wird abgeschlagen, da die hohen Herrschaften mit ihren Damen ein Galadiner im Freien abhalten. Dieses eng eingeschnittene Tal bietet sehr wenig ebene Fläche, so dass das Nächtigen immer problematischer wird. Der Gendarmerieposten meint hilfsbereit, wir sollten unser Zelt knapp neben dem Auto auf einer etwas breiteren Stelle der Strasse aufstellen, in der Nacht sei ohnehin kein Verkehr. Diese Zumutung war selbst für uns zu viel. Ich finde einen schmalen ebenen Flecken zwischen Bäumen, wo wir uns bald zur Ruhe niederlassen.

Unsere morgendliche Küche im Freien lockt Neugierige an, und ich benütze die Gelegenheit, einige Eier für das Frühstück zu erstehen. Doch bald bemerke ich die Schwierigkeit, da hier kein Mensch auch nur ein Wort Englisch versteht. Mit dem Gegacker einer Henne versuche ich ihnen meinen Wunsch klar zu machen, doch gelingt mir auch dies nicht. Als Bill den gefüllten Wassersack vom Bach zurückbringt, versucht er sein Glück, und siehe da, ein Bub verschwindet und erscheint kurz darauf und bietet uns mit strahlendem Gesicht die gewünschten Eier an.

Unsere drei Träger stehen schon wartend vor Bills Auto, als wir die Lasten fertigpacken. Geraume Zeit verfolgen wir zu Fuss eine kleine Strasse und ärgern uns, mit dem Wagen nicht weiter talein gefahren zu sein. Beunruhigt sehe ich auf einen unserer Träger, der keine Schuhe besitzt, und eine dumpfe Vorahnung erfüllt mich schon jetzt, dass wir mit dem Burschen höher oben noch Schwierigkeiten haben werden. Auf einem mit Steinen gepflasterten Weg, der zugleich auch als Bewässerungs-graben dient, erreichen wir eine kleine Ortschaft. Im weiteren Verlauf führt ein schmaler Steig am Rande des tosenden, klaren Wildbaches bis in einen dichten Fichtenwald. Bei einer Quelle, die munter aus den Steinen hervorsprudelt, halten wir Mittagsrast. Die Gespräche mit unseren Trägern bestehen mehr aus Gesten, da wir kaum ein Wort Urdu verstehen. Der Talboden weitet sich. Niedliche kleine Holzhütten, deren Eingänge mit kunstvollen Schnitzereien verziert sind, schmiegen sich an den Berghang. Im Talschluss erheben sich massige Granitgipfel, von denen breite Gletscher herab-fliessen. Beinahe hätten wir den Weg verloren, aber über ein Steiglein erreichen wir durch dichten Mischwald zum Glück wieder die Hauptroute. Unsere Träger setzen sich oft zur Rast nieder, und immer wieder müssen wir sie von neuem aufmuntern. In einem Hochwald mit riesigen, alten Fichten, durch deren Äste das Licht nur spärlich auf das Unterholz fällt, führt der von Nadeln bedeckte Weg zu einer Lichtung. Die wenigen Hütten von Paja erscheinen jedoch wie ausgestorben. Da es dort kein Wasser gibt, halten wir keine Rast. Erst am Abend kommen wir zu einer kleinen Höhlensiedlung von Schafhirten in 3900 m Höhe. Während wir unsere Schlafstellen herrichten, hören wir Geschrei unter den Hirten, und mit wilden Gesten deuten sie auf die dichten Sträucher der anderen Bachseite. Nach langem vergeblichen Suchen mit dem Fernglas entdecken wir einen riesenhaften, dunklen Bären. Sofort stürmen drei Jäger, der eine mit einer Art Lanze und die anderen mit zwei vorsintflutlichen Gewehren bewaffnet, los. Etwas belustigend wirkt für uns, dass der Mann mit der Lanze vorauseilt. Bald darauf hallen zwei Schüsse, und die steilen Felswände geben das Echo mehrmals wieder. Unverrichteter Dinge kehren die drei Jäger zurück, Mister Petz ist wieder einmal entkommen.

Am nächsten Morgen sehen wir uns vor ein grosses Problem gestellt. Auf unserer Karte ist ein Weg auf der anderen Bachseite eingezeichnet, von dem wir allerdings keine Spur entdecken. Auch die Einheimischen bedeuten uns, dass wir auf keinen Fall den vermeinten Weg benützen sollen. Leider können wir ihre umständlichen Gesten und wortreichen Erklärungen nicht verstehen, aber trotzdem wählen wir den von ihnen vorgeschlagenen Weg, direkt über unserem Lagerplatz hinauf. Weg ist natürlich eine viel zu grosszügige Bezeichnung für das schmale Steiglein, das sich bald in kümmerlichem Gestrüpp und grobem Blockwerk verliert. Die Träger streiken in immer kürzeren Abständen, und bei der Überquerung eines kleinen Schneehanges bringen wir sie nicht mehr vom Fleck.

Wir verringern unser Gepäck geringfügig um einige nicht unbedingt notwendige Ausrüstungsgegenstände und überschüssige Verpflegung, und dann steigen wir auf der bewachsenen Moräne mit unseren 35 bis 40 kg schweren Säcken aufwärts. Ein steiler Felsgürtel, über dem der untere Gletscherrand sichtbar wird, sperrt uns den Weiterweg. Zu unserem Erstaunen stossen wir auf einen Zeltplatz der anderen Gruppe und in dessen Nähe in einer Höhle treffen wir deren Träger. Wir versuchen sie zu überreden, dass sie unsere Lasten bis zum Gletscher hinauftragen. Doch davon wollen sie nichts wissen. Unsere schweren Säcke lassen die Kletterei, die uns erwartet, nicht zu, so dass wir unsere riesigen Lasten wieder teilen und den Weg zweimal zurücklegen. Auf einer kleinen grünen Kanzel, deren steil abfallende Flanken von Edelweiss übersät sind, stellen wir unser Zelt auf.

Der Mankial Peak liegt direkt über uns, und durchs Fernglas erkennen wir schon alle Einzelheiten dieser riesigen Felsburg, die nur einen Grat und eine Eisrinne als Aufstiegsmöglichkeiten offenlässt.

An einem klaren Morgen verlassen wir den luftigen Lagerplatz. Als wir gerade unsere gewichtigen Säcke auf den hölzernen Tragen festbinden, erscheinen die drei Träger, die wir gestern in der Höhle getroffen haben. Wir bringen sie dazu, unsere Lasten für die königliche Bezahlung von 5 Rupien, das sind ungefähr 30 österreichische Schilling, bis auf den Gletscher zu tragen. Rasch nähern wir uns dem Ziel, doch bevor wir noch die letzten 150 Höhenmeter zum vorgesehenen Lagerplatz aufgestiegen sind, wollen sie ihre Lasten auf einem tiefergelegenen Platz der anderen Gruppe absetzen. Durch eine Rupie Sonderzahlung bringen wir sie wieder auf die Beine. Wir treffen den pakistanischen Studenten, der mit dem italienischen Ingenieur und dessen Frau gestern bis 100 m unter den Gipfel des Mankial Peak vordringen konnte. Die Seilschaft musste jedoch wegen der enormen Brüchigkeit des Gesteins und aus Zeitmangel umkehren. In 4400 m Höhe errichten wir am Fusse der steilen Südwand unser Lager. Wir entscheiden uns für den Anstieg durch die Eisrinne und nicht wie die anderen drei für den Grat. Sorgfältig wählen wir die Ausrüstung aus.

Blutrot taucht die Sonnenscheibe hinter den wilden Granittürmen im Westen unter. Bald kriechen wir in unser Zelt. Meine Luftmatratze ist undicht geworden, und wie fest ich sie auch aufblase, liege ich doch bald wieder auf dem Boden, und die Kälte des Eises dringt mir in die Knochen. Froh bin ich, als es endlich Zeit zum Aufbruch ist. Mühsam und ungeschickt öffne ich den Schlaucheingang des Zeltes, und vor uns liegt dichter Nebel, aus dem schon die ersten Tropfen herniederfallen. Missmutig versuchen wir weiterzuschlafen. Den ganzen Tag über regnet es mit kleinen Unterbrechungen, die wir zum Kochen ausnützen. Obwohl es nicht einfach ist, den kleinen Benzinkocher in dem starken Wind in Gang zu halten, gelingt uns dies doch mit Hilfe eines kunstvollen Windschutzverbaus. Immer neue Wolkenberge wälzt der fast zum Orkan angewachsene Sturm aus dem Süden heran, und sie alle entladen sich über den hohen Bergregionen. Wir haben schon jegliche Hoffnung auf eine Wetterbesserung aufgegeben, weil uns Bills Urlaub nur mehr einen einzigen Tag Zeit lässt. Nachdem wir uns am Abend etwas die Füsse vor dem Zelt vertreten haben, warten wir gespannt den nächsten Morgen ab. In der Nacht liegen die Nebel immer noch über dem Gletscher, so schlafen wir hinein in den herandämmernden Tag. Um viertel sieben Uhr halten wir trotzdem wieder Ausschau. Siehe da, blauer Himmel wölbt sich über uns, und die weissen Nebel liegen tief unten in den Tälern. Rasch sind die Tourenrucksäcke gepackt, und um halb acht Uhr verlassen wir das Zelt. Über den allmählich ansteigenden Gletscher steuern wir auf eine Felsscharte los. Das Gehen fällt mir am Anfang geradezu schwer. Ich kann mir das nicht erklären, da ich doch länger als einen Monat auf 4500 m und darüber gelebt habe. Bill ist zuerst voraus und ich erreiche knapp nach ihm die Scharte in 4640 m Höhe. Eine scharfe, brüchige Gratschneide überquerend betreten wir den jenseitigen Gletscher, der bis zum Südostgrat hinaufzieht. Auf diesem versuchten die Italiener vor zwei Tagen den Gipfel zu erreichen. Von unserem ursprünglichen Plan, durch die Rinne hochzuklettern, müssen wir absehen, da sie der gestrige Regen blankgewaschen hat.

Bill nimmt nun den schweren Rucksack und steigt mit diesem bis zum Beginn des Grates auf. Immer bin ich von einer gewissen Unruhe getrieben. Noch 940 m erhebt sich der Grat über uns bis zum Gipfel. Wir sind dankbar, die genauen Höhen vom Höhenmesser ablesen zu können, ansonsten würden wir uns unvermeidlich in den Kletterzeiten verschätzen. Seit wir den Zeltplatz der Italiener verlassen haben, ist es halb zehn Uhr geworden. Abweisend stehen die glatten steilen Granitplatten des ersten Grataufschwunges vor uns. Doch zum Glück können wir diese in der Südflanke umgehen. Zuerst stapfen wir durch Firn, später über welliges, von Wasserrinnsalen durchbrochenes, steiles Eis bis zu den ersten geneigteren Felsstufen aufwärts. Ein Steinmann kündet uns an, dass unsere Vorgänger denselben Weg gewählt haben.

Eine schwerwiegende Frage drängt sich uns auf, und ich stelle es Bill frei, ob wir das Seil zurücklassen oder im Rucksack auf alle Fälle mit uns tragen sollen. Der Fels sieht jedoch so brüchig aus, dass das Seil viele lockere Steine auslösen würde. Da Bill auch meiner Meinung ist, steigen wir später mit leichteren Rucksäcken weiter. Mein Kamerad, der schon seit Jahren keine Bergfahrt mehr gemacht hat, bewegt sich in diesem äusserst brüchigen Gelände recht flott vorwärts.

. " " V Hans Luck Edi Suter Gion Caprez Dr. Heinz Hatz Florian Coray 1. Kassier Publikationen Hütten Versicherungen 1. Vizepräsident Hans Margadant 2. Vizepräsident und Führerchef Leo HitzOscar Jäger Men Zisler Dr. Georg Calonder Rudolf Rageth Paul Gross Hugo Wanner Barth. Florin JO-ChefRettungschef Beisitzer Central-Präsident 2. Sekretär 1. Sekretär Sommer2. Kassier Tourenwesen Georg Reinhardt Beni Niggli WinterWinterkutse Tourenwesen CENTRAL-COMITÉ CHUR 1959-1961 113 Photo Reinhardt, Chur

Urserntal

Photos Dr. E. Ambühl, Liebefeld-Bern 116 Ursern Ausaperungszustand am 15. April 1949, nachmittags ( Die ausführlichen Textlegenden sind am Schluss des Aufsatzes « 100 Jahre Einschneien und Ausapern in Andermatt » zu finden ) Wolkenfetzen treiben um den zerissenen Grat, während in den Flanken die von der Sonne ausgeschmolzenen Steine zu Tal donnern. Öfters werden wir hier oben auf über 5000 m Höhe zu einer Schnaufpause gezwungen, da uns das gleichzeitige Klettern keine Gelegenheit zum Rasten bietet. Dann und wann blicken wir in die Weite, immer neue weisse Bergketten steigen am Horizont auf. Um unsere ausgetrockneten Kehlen zu befeuchten, schlürfen wir gierig das Wasser, das an manchen Stellen spärlich über die Blöcke herunterrieselt. Doch dürfen wir nicht allzu lang verweilen. Auch möchten wir die nächste Felsstufe überwinden, die den Blick auf das letzte Gratstück verwehrt. Froh sind wir, als wir endlich den Vereinigungspunkt von Südost- und Südgrat erreichen. Wieder entdecken wir einen Steinmann und eine leere Konservendose als Zeichen eines Rastplatzes der Italiener.

Nach allen Seiten fällt der Berg steil ab. Im Norden verliert sich die Fels- und Eisflanke in wilden Séracs, und im Süden stürzt die Wand jäh zum Gletscher ab. Vergebens halten wir nach unserem winzigen Zelt Ausschau, das irgendwo dort unten stehen muss. Nur mehr wenige hundert Meter trennen uns von unserem Ziel. Über grobe Blöcke aus verwittertem Granit tasten wir uns höher. Die Kletterei über die stellenweise sehr luftigen Aufschwünge ist sehr ernst, aber trotz der Höhe macht mir manche nette Stelle so richtig Spass. Die Zeit vergeht leider allzu rasch. Erst höher oben wird der Grat flacher, und gespannt erwarten wir hinter dem nächsten Höcker den Gipfel. Aber nein, aufs neue stellt uns der Berg ein Bollwerk entgegen. Immer öfter müssen wir rasten, Bill ist ein Stück zurückgeblieben, mich treibt die Neugierde weiter.

Plötzlich steht direkt vor mir eine kleine weisse Kuppe, die das letzte Gratstück krönt. Vorsichtig schlage ich mit dem Eisbeil einige Stufen in diesen kurzen Eisaufbau. Um halb vier Uhr nachmittags blicke ich von der scharfen Schneide des Gipfelgrates tausende Meter in einer Flucht hinunter in ein tief eingeschnittenes grünes Tal auf der anderen Seite des Berges. Bald taucht Bill über dem letzten Gratabbruch auf, und eine Viertelstunde später schütteln wir einander auf dem 5740 m hohen Gipfel wortlos die Hände. Die Sonne verschwindet ab und zu hinter weissen Wolkenballen. Kurze Zeit flattert der kleine österreichische Wimpel auf der weissen Kuppe. Es ist schade, dass Bill seine Landesfarben nicht mitgenommen hat. Nach einigen Gipfelaufnahmen geben wir uns wieder ganz dem herrlichen Rundblick hin. Um uns liegen eine Unzahl unbestiegener 5000er, zwischen denen gewaltige Gletscher eingelagert sind. Allzu rasch vergeht die schöne Gipfelstunde, und um halb fünf Uhr mahnt uns die vorgerückte Zeit, wieder an den Abstieg zu denken.

Über die flachen Gratstücke stolpern wir hinunter bis zur heiklen Kletterei über die trügerischen Gratstufen, deren Brüchigkeit wir erst jetzt so richtig zu spüren bekommen. Tritte und Griffe brechen aus, wo man es ganz und gar nicht erwartet. Riesige Blöcke donnern durch die eisdurchsetzte Flanke hinunter. Der schwefelartige Geruch der aufschlagenden Steine dringt bis zu uns herauf. Ich bewundere Bill, wie er, gänzlich aus dem Training, die gefährlichen Stellen meisterhaft überwindet. Da wir seit dem Morgen, abgesehen von der Gipfelrast, ununterbrochen unterwegs sind, macht sich eine gewisse Müdigkeit bemerkbar, darum müssen wir besonders vorsichtig sein. Wie gerne hätten wir uns einige Minuten lang hingesetzt, doch dürfen wir jetzt einfach keine Zeit verlieren, wenn wir noch vor Einbruch der Dunkelheit die zurückgelassenen Steigeisen und das Seil erreichen wollen. Die Sonne ist schon vor geraumer Zeit hinter dem Südostgrat des Mankial Peak verschwunden, und im letzten Tageslicht erreichen wir das Eisfeld. Hastig ziehen wir die Steigeisen an, packen die Rucksäcke und verlassen über das steile Eisfeld den Grat. Bald danach stapfen wir im Dunkeln den anschliessenden Firnhang hinunter. Wir überklettern die Felsstufe in der Scharte, und dann eile ich voraus zum Zelt. Beinahe wäre ich in der stockdunklen Nacht an diesem vorbeigelaufen, da ich aus Angst vor den Spalten, die sich direkt oberhalb des Lagers hinziehen, viel zu weit links abgestiegen 16 Die Alpen - 1961 - Les Alpes241 bin. Sofort beginne ich, Schnee zu schmelzen. Bis Bill wie ein Geist aus dem Dunkeln um halb zehn bei mir auftaucht, habe ich schon ein warmes Getränk und Essen bereitet. Nichts hält uns mehr auf, todmüde in unsere Schlafsäcke zu fallen.

Am nächsten Morgen wecken uns die ersten Sonnenstrahlen. Nachdem wir unsere Verpflegung und Ausrüstung wieder einer genauen Kontrolle unterzogen und unsere Lasten um einige Kilogramm erleichtert haben, stopfen wir alle übrige Ausrüstung in die riesigen Säcke und schnallen diese auf unsere Holztragen. Schwer beladen wanken wir über den Gletscher hinunter bis zu der riesigen Moräne. Wir freuen uns über die ersten grünen Moosflecke und bunten Blumen, die aus schmalen Felsspalten hervorspriessen. Weiter unten beginnt das Jagdsteiglein. Die erste Kletterstelle klimmen wir mit den vollen Lasten hinunter. Unterhalb nehmen wir uns vor, umzupacken und mit halber Last wie beim Aufstieg weiter zu klettern. Doch zu unserer grossen Überraschung stehen plötzlich unsere drei Träger vor uns. Diesmal haben sie den Weg bis hierherauf nicht gescheut.

Am Nachmittag ziehen wir durch Paja, das sein Bild verändert hat. Mehrere Familien sind auf einmal in die kleinen Hütten gezogen, und der Dorfälteste lädt uns nach einer überaus freundlichen Begrüssung zum Tee ein. Doch leider müssen wir ablehnen, da wir noch heute weiter ins Tal absteigen wollen. Drei Stunden von Kulalai entfernt lassen wir uns auf einer grünen Fläche neben einer Alp nieder. Am nächsten Morgen begrüssen wir unser Gefährt begeistert in Kulalai, verstauen unser Gepäck und uns selbst darin. Bei unserer Fahrt talaus halten wir einige Male, und unsere Blicke suchen den Mankial Peak. Unser Berg verbirgt sich hinter Wolkenballen. Doch wenige Minuten später senken sich diese, und darüber ragt der Gipfel wie eine ferne unbezwingbare Felsenburg in den Himmel. Schweigend blicke ich in die Ferne und dann wieder auf Bill, der wie ich mit allen seinen Gedanken dort auf dem hohen Gipfel weilt.

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