Gang, Bueb, und lueg di Ländli a !
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Gang, Bueb, und lueg di Ländli a !

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Emil Schimpf, Winterthur

Ja, es gab einmal eine Zeit, da waren selbst die Autostrassen - Autobahnen gab es sowieso noch nicht - zum grössten Teil den Velofahrern vorbehalten, nämlich während des Zweiten Weltkrieges. So konnten wir uns, meine Frau und ich, im Herbst 1942 ohne grosse Bedenken entschliessen, mit Velo und Bergschuhen auf « Wanderschaft » zu gehen. Heute würde natürlich das Auto als Transportmittel benützt.

Zwischen zwei Ablösungsdiensten durfte ich sogar Ferien einziehen, die wir für unser Unternehmen reserviert hatten. Schwer bepackt -ausser den Packtaschen auf beiden Seiten des Gepäckträgers waren unsere Rucksäcke, Bergschuhe, Pickel und ein Seil zu transportieren -verliessen wir Winterthur Richtung Toggenburg am späten Vormittag eines Samstags im September. Ein strahlender Spätsommertag war uns am Beginn unserer Reise beschieden. Den ersten Halt machten wir bereits nach 12 Kilometern in Aadorf, hatten wir doch noch nichts zu Mittag gegessen; es war gut, das noch nachzuholen. Hier begann aber auch der Ernst des Lebens: Die Fahrt über Wil, Wattwil und Nesslau nach Wildhaus, unserm ersten Etappenziel, glich teilweise einer Berg- und Talbahn. Obwohl wir darauf gefasst waren, machten uns die nächsten 60 Kilometer mit der zusätzlichen Belastung der Hinterräder doch zu schaffen, zumal die zu überwindende Höhendifferenz immerhin etwa 800 Meter betrug. Schliesslich kamen wir aber doch wohlbehalten, wenn auch etwas strapaziert, am Ziel an und fanden gute Unterkunft.

Bei den meisten Übernachtungen in Gaststätten bezahlten wir mit den damals vom « Hopla » eingeführten Radehecks, wobei man nach Kategorie der Unterkunft für Nachtes- i48 sen, Übernachten und Frühstück eine gewisse Punktzahl entrichten musste, was ganz praktisch war.

Nach einer durch Fliegeralarm etwas gestörten Nachtruhe ging die Fahrt am folgenden Morgen weiter, das heisst, zunächst mussten wir noch eine Strecke « stossen », bevor die lange Abfahrt ins Rheintal folgte, die allerdings « wegen Schleudergefahr » sachte zurückgelegt wurde. Die geplante Abkürzung ins Prättigau von Buchs über Vaduz wurde uns trotz der Reisepässe aber nicht bewilligt; so pedalten wir denn bei starkem Gegenwind über Ragaz nach Landquart. Bald begann dann auch die Steigung nach Klosters, die auf der rund 40 Kilometer langen Strecke immerhin etwa 700 Meter Höhendifferenz ausmacht. Noch in der Ebene stärkten wir uns aber vorerst mit Proviant aus dem Rucksack; später folgte dann noch ein Halt bei Freunden in Jenaz. Klosters erreichten wir etwas spät, fanden aber im ausgesuchten Hotel mit Radehecks gute Unterkunft.

Jetzt gab es ein « changement de décoration »: Die Stahlrösser wurden nach Susch im Unterengadin verfrachtet.

Am dritten Tag begann ein bergsteigerischer Abschnitt unserer Tour; wohlgemut traten wir die « Reise » auf Schusters Rappen an. Die etwas mehr als 6 Kilometer bis Alp Novai waren uns eher zu flach, und es wurde uns geradezu zum Genuss, als die Steigung nach der « Vereina » begann. Aber je höher wir stiegen, desto düsterer wurde es leider. Da kurz vor dem Bergheim die ersten Tropfen zu fallen begannen, begaben wir uns sofort hinein und zogen es diesmal der den SAC-Mitgliedern zur Verfügung stehenden alten Hütte vor. Wunderbar warm war es in der Stube, was wir sehr zu schätzen wussten. Nachdem wir uns verpflegt hatten, benützten wir den Nachmittag zu einem Ausflug zum Vereinapass - trotz dem immer noch weinenden Himmel. Anschliessend bekamen wir von den sehr gastlichen Wirtsleuten ein schmackhaftes Nachtessen, Suppe und Rösti, als Ergänzung unseres Proviantes serviert. Bei einem Glas Veltliner erhielten wir zusätzlich von den anwesenden Jägern noch etwas Jägerlatein aufgetischt. Dass es möglich sei, mit einem Schuss zwei oder gleich drei Gemsböcke zu erlegen, schien uns doch etwas übertrieben! Bald war uns am andern Morgen - es war Dienstag - klar, dass wir auf die Besteigung des Flüela-Weisshorns würden verzichten müssen, denn von der herrlichen Bergwelt war wenig oder nichts zu sehen. Auch die Jäger waren noch nicht unterwegs, als wir aufbrachen, obwohl es eher spät war. Glücklicherweise kannten wir die Gegend von früher, so dass wir uns bei dem strömenden Regen auf den Weg konzentrieren konnten. Unter unsern Plastik-Peleri-nen schwitzend, erreichten wir die Umgebung der sonst so prächtigen Jöriseen, die heute allerdings im Grau der herabhängenden Wolken verschwanden. Natürlich fühlte man sich unter diesen Bedingungen weder hier noch auf dem Jöriflesspass zum Verweilen geladen; so wanderten wir denn wohl oder übel sofort weiter talwärts. Bei der « Alp Fless dadaint » stieg Rauch aus dem Kamin der Hütte. Wir traten ein und fanden zwei Jäger vor, Vater und Sohn, die ebenfalls das Bedürfnis hatten, ihre Mahlzeit unter Dach einzunehmen. Ihrer Einladung, am Feuer Platz zu nehmen, folgten wir gerne. Wir hatten nämlich nicht nur das Bedürfnis, an der Wärme unsern « Kohldampf » zu stillen, sondern auch unsere feuchten Kleider etwas zu trocknen. Die beiden Männer versuchten von Zeit zu Zeit, vom Hüttenfenster aus der Jagd zu huldigen. Ihre Schüsse auf Murmeli, die sich bei diesem Regenwetter glücklicherweise nur selten am Hange gegenüber zeigten, gingen ohne Ausnahme fehl, was die Schützen aber offenbar doch nicht tragisch nahmen. Nachdem wir uns mit selbstgebrauter Suppe, Proviant und Tee gesättigt hatten, machten wir uns unverdrossen auf den Weiterweg. Es goss allerdings noch mehr als vorher, so dass wir froh waren, als wir das Val Fless mit seinen fast bodenlosen Wegen verlassen konnten, um auf der damaligen Naturstrasse des Flüelapasses weiterzuwandern. Doch als wir oberhalb Susch eine Abkürzung - allerdings mit dem Hinweis « nur für Vieh » - sahen, zählten wir uns für einmal zu dieser Gattung, um unser Ziel so rasch wie möglich zu erreichen.

Im « Weissen Kreuz » waren wir später gut aufgehoben. Nach dem Nachtessen holten wir an der Bahn unsere Vehikel ab, um anderntags Zeit zu gewinnen.

Unser erster Blick aus dem Fenster am Mittwoch zeigte uns, dass es erstens nicht mehr regnete und dass zweitens in der Höhe Neuschnee lag. Letzteres war nach unseren Erfahrungen ein gutes Wetterzeichen. Mit wiederum vollbe-ladenen Rädern starteten wir wohlgemut zu unserer Fahrt durchs Oberengadin nach Pontresina. Es machte unheimlich Spass, in gemächlichem Tempo durch all die schönen Dörfer entlang dem Inn zu radeln und dabei die immer besser hervortretenden Berge zu bewundern. Der Verkehr auf der Strasse war minimal, und die Begegnung mit einer grossen Schafherde, die wir kreuzen mussten, nahmen wir zur Abwechslung gerne in Kauf. Pontresina, unser Ziel und zugleich Ausgangspunkt für unsere Bergwanderung, schien geradezu verlassen; aber im Beizlein beim Bahnhof, den wir kurz vor Mittag erreichten, bekamen wir doch eine gute Mahlzeit. Unsere Vehikel wurden entladen und mit der Bahn nach St. Moritz spediert. Erneut begeistert vom wunderbaren Rosegtal, dessen Höhen sich im gleissenden Weiss des Neuschnees zeigten, trugen wir unsere Säcke talaufwärts. Da der Schnee an der Sonne rasch dahinschmolz, durften wir mit prächtigem Wanderwetter rechnen. Damals vereinigten sich der Roseg- und der Tschiervagletscher noch und flössen zusammen bis fast zur Alp Misaun. Aus der Ferne wirkte dies viel imposanter, als es heute nach dem Rückzug der Gletscher der Fall ist. Das zu jener Zeit noch bescheidene I49 Gasthaus Roseg liessen wir links liegen und stiegen geradewegs zur Fuorcla Surlej empor. Bisweilen schalteten wir einen Halt ein, um uns am Kranz der Berge zu erfreuen. Dass wir dabei unsere Schultern entlasten konnten, war eine angenehme Dreingabe. Mit dem Feldstecher suchten wir auf den Routen der gegenüberliegenden Berge Spuren von Begehungen, ohne aber welche ausmachen zu können. Selbst die alte Tschiervahütte auf der Moräne lag verlassen da.

Die Schneegrenze überschritten wir bei etwa 2400 Meter. Im Berghaus Surlej waren die Wirtsleute just mit dem Aufbruch beschäftigt, denn sie wollten anderntags ins Tal absteigen; heute wurde noch eine Portion Murmeltierfett « ausgelassen ». Darum empfing man uns nicht gerade mit grosser Begeisterung. Immerhin bekamen wir nach geraumer Zeit dann doch noch eine gute heisse Suppe. Bis gegen neun Uhr abends waren wir die einzigen Gäste. Dann traf noch eine Partie ein - ein Führer mit zwei Touristen -, die anderntags, wie wir, auf den Corvatsch wollten. Die flimmernden Sterne aber liessen einen Wetterumschlag erwarten; zudem schien sich im Südwesten eine Wolkenwand zu bilden. Das war unser letzter Eindruck, bevor wir uns aufs Lager begaben.

Am Donnerstag steckten wir denn auch in dichtem Nebel; dazu war es « saukalt ». Wir entschlossen uns gleichwohl zur geplanten Tour, wobei wir allerdings bei der sehr schlechten Sicht froh waren, der Führerpartie folgen zu dürfen ( Markierungen gab es selbstverständlich damals dort noch nicht ). Leider hatte einer der Touristen Schnauf beschwerden, weshalb wir nach unseren Begriffen zu langsam vorwärts kamen. Als « dritte Partie » folge eine Katze in gemessenem Abstand; ob sie aus Freude oder aus Jammer miaute, war nicht ersichtlich. Auf dem Gletscher, den man damals etwa i oo Meter oberhalb der Fuorcla erreichte, seilten der Führer und seine Touristen sich und auch wir uns an. Spalten sah man zwar kaum. Da jedoch etwa 25 Zentimeter Neuschnee i5o lag, war diese Sicherheitsmassnahme am Platz. Wer hätte übrigens damals gedacht, was für ein Rummel hier einmal herrschen würde!

Auf dem Piz Murtel hatten wir, wie auch der Führer, den Eindruck, ein weiterer Aufstieg bis zum Piz Corvatsch habe trotz der geringen Distanz keinen Sinn mehr. Nach einem kurzen Znünihalt verabschiedeten wir uns von der Führerpartie, um in einer knappen Stunde zum Berghaus zurückzukehren, wo wir uns dann auch sogleich auf den Weg zum Hahnensee machten. Die Nebelgrenze hob sich, und wir hatten das Glück, im Abstieg die unvergleichliche Sicht auf die Oberengadiner Seen geniessen zu können. Weiter unten paarte sich die schöne Fernsicht noch mit der Farbenpracht des Herbstes, mit glut-rotem Heidelbeerkraut und dem Gold der Lärchen, die zu den dunklen Arven und Legföhren einen prächtigen Kontrast und zur Szenerie der Berge einen eindrücklichen Vordergrund bildeten. Gegen vier Uhr nachmittags standen wir — nun doch noch beglückt von der Tour - auf dem Bahnhof von St. Moritz, um unsere Stahlrösser wieder entgegenzunehmen und zu « satteln ». Als wir dem Malojapass entgegenpedalten - es brauchte übrigens immer eine gewisse Umstellung vom Berglertritt zum Rundtreten - begann sich der Himmel schon wieder zu verfinstern. In Maloja stiegen wir im altehrwürdigen Hotel « Schweizerhaus » ab; sogar als « Radcheck-Kun-den » wurden wir äusserst liebenswürdig aufgenommen.

Am Freitag liessen wir unsere Velos im Hotel und brachen am frühen Morgen auf- wieder einmal bei dichtem Nebel. Vorerst ging es Richtung Lunghinsee und -pass. Der Aufstieg auf dem Zickzackweg gefiel uns sehr, bedeutend weniger hingegen das zunehmende Nebeltreiben und ein garstiger Südwind, Malojawind genannt. Der See, der als Quelle dis Inns bekannt ist, warf hohe Wellen, obwohl er in einer geschützten Mulde liegt. Nach etwa dreistündigem Aufstieg blieb uns auf der Passhöhe nichts anderes übrig, als — wieder einmal - auf die Besteigung eines Gipfels, nämlich des Piz Lunghin, zu verzichten. Hier, an der Wasserscheide zwischen Rhein, Donau und Po, tat uns das ganz besonders leid. Zum Glück war uns auch da das Gelände von winterlichen Fahrten her bekannt; auch jetzt lag bis gegen den Septimerpass hinunter Schnee. Trotz unserer Ortskenntnisse hatten wir beinahe Schwierigkeiten, die Richtung zur Passhöhe einzuhalten. Die Höhendifferenz zwischen dem Pass Lunghin ( 2645 m ) und dem Septimerpass, Italienisch Passo di Sett ( 2310 m ), beträgt nur 335 m; aber nicht einmal diese Strecke war unter den gegebenen Umständen ganz problemlos. Daran, dass der Septimerpass eine der ältesten Alpenstrassen darstellt und schon zur Römerzeit bestand, verloren wir im Moment keinen Gedanken, sondern strebten eiligst zur düstern Senke hinunter und kochten in luftiger Umgebung Suppe und Tee, während es prompt zu regnen begann, was unsere Rast abkürzte. Weiter ging es nun wieder eine knappe Stunde aufwärts, zur Forcellina. Das Averstal, in das wir absteigen wollten, sahen wir nicht. Nach einer kurzen Gegensteigung unterhalb der Fuorcla da la Valetta ging es zunächst in einem steilen Zickzack abwärts nach Juf, wo wir eine vorübergehende Aufhellung erlebten. Auf dem Weiterweg nach Cresta konnte uns auf einem bequemen Strässchen auch der Regen nicht viel anhaben. Beim « Potestats Haus » versuchten wir einen Blick ins Bregalgatal zu erhaschen, um die Fortsetzung unserer Wanderung vom nächsten Tag zu erkunden. Durch den Nebel sahen wir aber lediglich verschwommene Hänge, mit unwill-kommenem Neuschnee überzogen. Am heutigen Ziel angelangt, hatten wir den Eindruck, ein gutes Nachtessen und eine ebensolche Nachtruhe verdient zu haben. Auch hier wurden wir gut aufgenommen; ausser uns war ein einziger Kurgast im Hotel « Heinz ».

Ebenso zeitig, wie wir am Vortag ins Bett gegangen waren, standen wir am Samstag auf. Wir brauchten allerdings nicht einmal aus dem Fenster zu sehen, was das Wetter mache. Das Geräusch des eintönig auf das Dach prasselnden Regens erinnerte uns an « Boléro » von Ravel, nichts Gutes verheissend. Und nichts deutete auf eine Besserung. So zählten wir uns heute zu den Pensionären, gruppierten uns nach dem Frühstück malerisch um einen elektrischen Strahler, lasen und sprachen sowohl dem ausgezeichneten Mittag- wie auch dem Nachtessen gut zu. Auf der Karte studierte ich nochmals unsere Route, die uns über den Duanpass nach Soglio führen sollte. Der Hotelier riet uns aber angesichts der Wetter- und Schneeverhältnisse eindringlich von unserm Vorhaben ab.

Obwohl es nichts nützte, fluchte ich anderntags - sogar an einem Sonntag- doch im stillen, als es immer noch in Strömen goss. Aber schliesslich konnten wir ja nicht ewig in Cresta bleiben. So zitterten wir denn gegen neun Uhr talaufwärts los, immer in der heimlichen Hoffnung, doch noch Richtung Bregalgatal abzweigen zu können. Schon stiessen wir aber auf Schnee, weshalb wir es doch vernünftiger fanden, auf dem gleichen Weg nach Maloja zurückzukehren, wie wir gekommen waren. Zu allem Elend gesellte sich zum Schnee auch bald wieder ein garstiger Wind, weshalb uns der Humor fast ganz abhanden kam.

Marschierenderweise assen wir eine kleine Zwischenverpflegung. Uns beide tröstete ich damit, dass wir ja schliesslich freiwillig unterwegs seien, während man dies im Militärdienst, gezwungenermassen, noch viel weniger gerne machen würde. Auf dem Septimerpass fanden wir, der Wiederanstieg zum Lunghinpass sei ein Blödsinn; darum wandten wir uns dort Richtung rechts, um ohne Mühe in den « sonnigen Süden » zu gelangen. Auf dem alten Römerweg machten wir « Bächleingehen », aber vor- und abwärts kamen wir doch, wobei man allerdings gut aufpassen musste, wohin man die Füsse setzte. Zu sehen gab es ausser dem Nebel nichts. Um drei Uhr nachmittags kamen wir nach Casaccia, vollständig durchnässt - und in den Schuhen « gluckste » es. Wir mussten uns fast ganz umziehen. Die Wirtin der « Post » machte Feuer; bald standen in der Küche eine feine Bündnerplatte ( mehr als der 1Blick aus der Gegend des Hahnensees auf Silvaplaner- und Silsersee 2Begegnung auf der Strasse nach Bever 3Blick von der Fuorcla Surlej zum P. Bernina und P. Roseg 4Im Aufstieg zur Fuorcla Surlej Photos Emil Schimpf, Winterthur Gegenwert für zwei Mahlzeitencoupons ), ein heisser Tee und ein ebenfalls wärmender Veltliner vor uns. Dann vertrauten wir uns nach zweieinhalb Stunden Wartezeit, die uns sehr gelegen kam, dem Postauto an, das uns nach Maloja zurückführte. Im Hotel konnten wir unsere nassen Kleidungsstücke in der Küche trocknen. Ein gutes Nachtessen ( Gemspfeffer ) bekamen wir ebenfalls vorgesetzt, und in den Betten fanden wir sogar Wärmeflaschen.

Am Montag verkündete ein blauer Himmel über tiefverschneiten Bergen einen schönen Tag. So machten wir uns auf dem nächsten Weg zu Fuss auf, um in Soglio den heute sicher besonders schönen Blick in die berühmten Bergeller Berge geniessen zu können. Im oberen Stück des Malojapasses mussten wir uns an die Strasse halten. Überall zeugten « Rufen » von den vorangegangenen Regentagen, und manches Bächlein floss, ohne dass ein Bachbett vorhanden war. Wir zogen stramm aus, aber schon in Stampa verliess uns die Sonne, und die Berge hüllten sich wieder in Wolken. In Soglio fielen die ersten Tropfen des Tages. Glücklicherweise hatten wir schon vorher etwas gegessen. Durch die triefenden Kastanienwälder stiegen wir nach Promontogno hinunter, und auf der Heimfahrt befanden wir uns bereits in Casaccia ( 1400 m ) wieder an der Schneegrenze.

Die alte Wetterregel, dass auf « Schneefall bis in ins Tal » schönes Wetter folge, hatte uns bis jetzt im Stich gelassen, schien sich aber heute zu bewahrheiten. Damit wir an diesem Dienstag bestimmt nicht wieder zu spät ins Tal kommen würden, fuhren wir nun mit dem Postauto nach Vicosoprano, denn wir wollten nun einfach einmal unsere Aussicht haben. Je mehr wie uns von dort aus aber unserem Ziel näherten, desto mehr deckte es wieder ein; von einer Aussicht in die Berge keine Spur! Im Abstieg von Soglio nach Promontogno konnten wir im Kastanienwald wenigstens trocken zu Mittag essen. Bis Vicosoprano ging es zu Fuss weiter; dann gelangten wir mit dem Postauto wieder nach Maloja, wo uns die ersten i5a Regentropfen empfingen... Nun hatten wir endgültig genug. Wir trafen alle Vorbereitungen, um anderntags die Heimfahrt zeitig antreten zu können.

Am Mittwoch fuhren wir in einen regnerischen Morgen hinein Richtung Silvaplana. Gerade als wir uns anschickten, unsere Velos die Julierstrasse hinaufzuschieben, hörte es zu regnen auf. Wir waren froh, denn nass waren wir vom Schwitzen ohnehin schon genug. Kilometer um Kilometer legten wir nun stossenderwei-se zurück. Bei den berühmten Juliersäulen — damals « verunzierten » noch keine Autos die Umgebung - machten wir einen wohlverdienten Halt, wobei uns erst noch die Sonne mit ihrer Anwesenheit beehrte. Die apere Strasse zog durch eine sehr winterliche Landschaft, als wir in massigem Tempo dem Oberhalbstein entgegenfuhren. In Bivio kehrten wir schnell bei Papa Torriani ein, bevor die Fahrt weiterging. Da - kurz nach Roffna gab es einen Knall: Das Hinterrad des Velos meiner Frau hatte einen « Platten ». Nun hiess es für sie - zur Abwechslung abwärts - bis Savognin stossen, wo man sich in einer Garage des Rades annahm. Nach verschiedenen missglückten Versuchen musste das Velo dann aber ungeflickt mit einem Lastwagen nach Tiefencastel gebracht werden, während sich meine Frau in ein Postauto setzte und ich der Fracht pedalend folgte. In der Garage von Tiefencastel flickte man den Pneu, wie man eine klaffende Wunde näht, mit einer Schnur - Velomän-tel waren eben in jener Zeit weder für Geld noch für gute Worte erhältlich, nicht einmal leihweise. Statt nun gegen die Lenzerheide zu stossen, fuhren wir gegen fünf Uhr sachte nach Thusis hinunter, wo wir übernachteten.

Anderntags wurde der letzte Teil der Heimfahrt über Landquart und Walenstadt am Kerenzerberg noch ungemütlich, weil sich die Flick-schnur in ihre einzelnen Bestandteile aufzulösen begann. Mit aller Vorsicht kamen wir aber doch bis Rapperswil. Von dort aus konnte dann nur noch ich die Velofahrt nach Winterthur beenden, 1Intrusivkontakt: Der sich bildende Granit hat Brocken des Nebengesteins mitgerissen ( Bildbreite 2 m ) 2Einschnürung einer festen, ehemaligen Sedimentschicht ( Bildbreite 1 m ) 3Charakteristische Form eines Boudins. Zu beachten sind das eingebogene linke Ende und die Ansammlung quarzreichen Materials in der ehemaligen Einschnürungszone ( Bildbreite 1,5 m ) 4 Häufigste Form der Schollen im Lauterbrunner Kristallin ( Bildbreite 0,5 m ) Photos H. Rutishauser, Herrliberg während meine Frau froh war, dass es eine SBB gab, die auch das Velo mitnahm.

Damit endete unsere anfangs so verheissungsvolle, dann « abverheite », aber rückblickend doch schöne Fahrt unter dem Motto « Gang, Bueb, und lueg di Ländli a! »

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