Im türkischen Hochgebirge
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Im türkischen Hochgebirge

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A. Der Aladag und Karanfil Dag

Von M. M. Blumenthal

Mit 6 Bildern ( 40—45 ) und 2 KartenskizzenLocarno ) 1. Die allgemeine geographisch-geologische Stellung der türkischen Gebirge Mit dem Ausgehen der Alpen am Wiener Becken und der ungarischen Tiefebene hat im geologischen Sinne dieses so vielgestaltige Gebirgssystem nicht etwa seinen Abschluss gefunden. Ihm analoge Gebirgseinheiten setzen es als nördlicher Stamm über Karpaten und Balkan und als südlicher Stamm vermittelst des dinarischen Gebirgssystems längs der Adria nach Osten weiter fort. Jenseits der Ägäis stösst mit breiter, stumpfer Front der asiatische Kontinent in der kleinasiatischen oder anatolischen HalbinselTürkei)1 nach Westen vor. Hier findet das alpine Gebirgssystem mit seinem nördlichen und südlichen Stamm seine Fortsetzung. Während dasselbe in einem Querschnitt durch die Alpen relativ eng, aber dafür zu grosser Höhe zusammengedrängt ist, weitet es sich auf der anatolischen Halbinsel zu grosser Breite aus ( grösster Alpenquerschnitt ca. 240 km, grösster Querschnitt durch den anatolischen Sektor ca. 630 km ).

Freilich reiht sich im alpinen System, das in Anatolien vom Schwarzen Meer bis zum Mittelmeer sich erstreckt, nicht Kette an Kette wie in den Alpen; flache oder wellige Hochländer, bescheidene alte Gebirgsrümpfe, die aus jüngeren Ablagerungen hervorschauen, weite Einbruchsgebiete mit junger Ausfüllung und ausgedehnte Decken relativ junger vulkanischer Gesteine reihen sich aneinander und ziehen, im Osten sich wieder zusammenscharend, nach Iran weiter.

Rein orographisch besehen übernimmt im Gegensatz zu den Alpen in Anatolien der Südstamm gewissermassen die Führerrolle, wie dies weiter östlich im Querschnitt des Himalaya auch der Fall ist. Im Südstamm setzt das Taurus-System ein, das auf über 2000 km Länge in drei grossen Gebirgs-bögen zum guten Teile den Verlauf der Küsten des Landes bestimmt ( Fig. 1 ).

Zwischen dem Meridian von Antalya im Westen und jenem über Maras und Sivas im Osten liegt der mächtige Gebirgsbogen des südanatolischen Taurus, dessen Konvexität nach Süden schaut; an ihn schliesst nach Osten der ostanatolische Gebirgsbogen an oder, wie man ihn früher auch etwa zubenannte, der armenische Bogen, der in breiter Rundung nach Norden schaut, um dann nahe der türkischen Landesgrenze nach Südosten in die iranischen Gebirge abzuschwenken.

In diesem weiten Gebirgsland ist das über 3000 m emporragende eigentliche Hochgebirge nur auf recht beschränkte Erstreckung vertreten, und verschiedenenorts sind es die randlich vorgelagerten Vulkanberge, die grössere Höhen erreichen. Beschränken wir eine kurze Ausschau nach solchem Hochgebirge auf den süd- und ostanatolischen Bogen des Taurus, so finden wir 1 Es wird hier im wesentlichen die türkische Schreibweise gebraucht; man lese also:dsch; s = sch; g = tonloses, kaum wahrnehmbares g; z = ss.

im Westflügel des Bogens die höchsten Ketten in der Gegend des Beysehir-Sees ( Anamas Dag, Geyik Dag ) knapp unter der Dreitausendmeterlinie liegend. Verfolgen wir aber den Bogen im Ostflügel dieses Bogens etwas weiter landeinwärts, so recken sich seine Kammlinien und Gipfel zu grösserer Höhe empor. Im Bolkar Dag bleibt die Kammlinie auf fast 50 km über 3000 m ( Kulmination: Medetsiz, 3585 m ), und im nahen Aladag erhebt sich ein wildschönes Kalkgebirge in vielen Gipfeln zu Höhen zwischen 3500 und 3800 m. Weiter landeinwärts, dem ostanatolischen Bogen folgend, finden wir da und dort einen eher eintönigen Gebirgsrücken bis und über die Dreitausenderlinie hinaufragen; ihre orographische Bedeutung geht diesen Bergen aber durch das teils hochliegende Umland ( bei Erzerum fast 2000 m ) verloren. Einzig einige teils schon ausserhalb des Kettengebirges liegende hohe Vulkane erheben ihr Haupt über die letzteren ( Ararat: 5165 m, Suphan Dag: 4434 m ). Erst nochmals in der äussersten Südostecke des Landes ragen taurische Berge im Cilo Dag ein weniges über 4000 m hinauf.

Der in Farben und Formen so abwechslungsreiche Schmuck von Tannenwald und Bergseen, von Schnee und Gletschern geht diesen Gebirgen im allgemeinen ab. Die dem Mittelmeer zugewandte Bergfront zeigt einen im Sommer von Zykadenlärm durchbrausten lockeren Pinienwald, über dem in höheren Strichen Zedern- und Zypressenbestände zu Hause sind; eine gleichartige « Betüpfelung » durch niedrigen Zwergbusch kennzeichnet weite Berg-strecken, während die dem Inland mehr benachbarten Höhenzüge weitgehend kahl sind. Trotz ansehnlicher Höhen ist die Vergletscherung und dauernder Schneebestand verschwindend gering; ausser dem hohen Ararat tragen nur der Cilo Dag und der Erçiyas Dag 1 kleine Hanggletscherchen. Die heutige Schneegrenze liegt auf einer mittleren Breite des Taurus, also ungefähr um den Erçiyas Dag und Aladag, welche Berge im Parallel von Nordsizilien liegen, in über 3600 m; die Diluvialzeit sah in diesen Bergen ungefähr eine Landschaft, die einem mittleren Hochgebirge der heutigen Alpen ähnlich war, also kleinere Talgletscher besass, ohne dass aber dieselben das Vorland erreichten.

Die weite Region taurischen Gebirgslandes ist heute in allgemeinen Zügen in geographischer und geologischer Hinsicht erschlossen und erkundet, was aber nicht bedeutet, dass sie in alpin-touristischer Hinsicht ausgewertet ist und leicht ihre Gipfel auf das Programm eines « Sonntagsausflugs » gesetzt werden können; dafür sind manche äussere Umstände, die Zugangsmöglichkeiten, Unterkunft etc. zu umständlich. Während eines Dezenniums hatte der Verfasser in geologischer Mission Gelegenheit, weite Strecken türkischer Berglandschaft zu bereisen und besonders auch im Bereiche des Taurus viele Tausende von Quadratkilometern geologisch zu kartieren und so eine gewisse Vertrautheit mit diesen Bergen zu erwerben. Aus solchen Streifzügen sei in den folgenden Blättern eine kleine Auswahl getroffen. Der Anfang sei mit einem Besuch des Aladag und seines kleinen südlichen Nachbarn, des Karanfil Dag, gemacht, Berge, die in schönster Form alpine Reize in etwas anderem Rahmen aufzuzeigen imstande sind.

1 Siehe « Alpen », 1938, Heft 3.

Der Demir Kazik

von Norden aus gesehen.

Im Vordergrund eineSeitennische des ausgeweiteten Cimbar Bŏgazi mit dem Dipsiz Göl; über den Ostgrat ( links ) schaut der jenseitige Emli Basi ( ca. 3800 m ).

40/41 - Aufnahmen Dr. M. M. Blumenthal

Die Westfront

des Aladag von Payamdere aus gesehen.

Über den niedrigen Vorhügeln der Längsdepression des Eçemis Çay hebt die Kalkkette an, durchschnitten von den schluchtförmig ausmündenden Quertälern; über jenem des Cimbar Bŏgazi die Pyramide des Demir Kazik ( 3726 m ), rechts davon der Emli Basi ( Schnee ), links der Küçük Demir Kazik.

Art. Institut Orell Füssli A.G. Zürich 2. Der Aladag und seine orographische Gestaltung Wenn man vom anatolischen Inland her mit der Orientbahn ( Taurus-Bahn ) den hier nur ca. 80 km breiten Taurus quert, so fällt einem bei der Ortschaft Pozanti eine gewisse Weitung auf. Hier durchsetzt in nahezu Nord-Süd-Richtung eine auffällige Senke das Gebirge ( E-E in Fig. 1 und 2 ), in deren Ostbegrenzung, noch fast am Innenrand des Osttaurus gelegen, die höchsten Ketten des Gebirges streckenweise fast mauergleich das Vorland überragen. Diese Bergfront wird grösstenteils vom Aladag eingenommen ( Abb. 41 ), der das am meisten alpinen Aspekt aufweisende Gebirge des Taurus darstellt und in den letzten Jahren verschiedentlich schon das Ziel ausländischer Expeditionen gewesen ist. Der gegebene Zugang führt durch die eben genannte Längsfurche, sei es von Norden oder von Süden ( Pozanti ) her, allwo dann auch eines der weit auseinander gelegenen Dörfer als erster Stützpunkt dienen kann.

Hauptsächlich auf zwei Etappen verteilt ( 1938 und 1947 ) hat der Verfasser dieses Gebirge in fast allen Richtungen durchstreift und dabei, obwohl dies nicht der Hauptzweck war, zahlreiche Gipfel erstiegen und versucht, in die fast ganz fehlende Namengebung ( Toponymie ) etwelche Klärung zu bringen 1.

Blickt man von Westen her auf den Aladag, so präsentiert sich derselbe als eine bleichgraue Felskette, welche die zuvor genannte Längsfurche um 1700-2000 m überragt. Da weder im Vorland noch in den Gehängen eine Waldbedeckung vorhanden ist, tritt der wild-abweisende Charakter des Gebirges besonders in Erscheinung. Nach Norden zu ändert die Bergkette auffällig ihren allgemeinen Habitus; den helleuchtenden Kalkgraten und Felsgipfeln machen dunkel getönte, abgerundete Bergzüge Platz. Ich habe deshalb für ersteren Abschnitt vom « Weissen Aladag », für den zweiten vom « Schwarzen Aladag » gesprochen. Während der helle Teil vorwiegend aus massigen Kreidekalken, dann auch aus jurassischen und triadischen Kalken und Dolomiten aufgebaut ist, ist das Baumaterial des dunklen Abschnittes die leichter zerbröckelnde Kalk- und Kalkschieferserie des Permo-Karbons; letztere Serie, also somit der « Schwarze Aladag », fällt nach Süden zu unter den weissen Gebirgsteil ein. Das Gebirge als Ganzes entspricht nach seinem Bauplan einer Übereinanderschichtung grösserer, nach Westen gerichteter Schuppen.

Wenn wir den Aladag touristisch ein wenig « durchleuchten » wollen, so beschränken wir uns auf den landschaftlich imposanteren « Weissen Aladag », 1 Über geologisch-geographische Erforschung des Aladag geben die folgenden Arbeiten ( mit Karten, Profilen und Bildern ) nähere Auskunft: 1. ( als erste Übersicht ) M. Blumenthal: Un aperçu de la géologie du Taurus dans les Vilayets de Nigde et d' Adana; Publications de l' Institut d' Etudes et de Recherches minières de Turquie, Série B, N° 6, Ankara, 1941; 2. ( als Ergebnis der Detailforschung ) M. Blumenthal: Das taurischc Hochgebirge des Aladag, etc. « Beiträge zur geologischen Karte der Türkei », Nr. 6, Ankara ( im Druck ); und 3. ( als wissenschaftliches Ergebnis der Aladag-Expedition des deutsch-österreichischen Alpenvereins ) K. Metz: Beiträge zur Geologie des kilikischen Taurus im Gebiete des Aladag. Sitzungsbericht, Akademie der Wissenschaften, Wien, 1939.

der, von Westen gesehen, am ehesten mit einer ostalpinen Kalkkette ( Lechtaler oder Allgäuer Alpen ) zu vergleichen ist ( Abb. 41 ). Etwas anders gestaltet sich die Bergsicht von Osten her, woselbst über den waldbestandenen Höhenzügen, die ihrerseits sich aus Grüngesteinen aufbauen, die grauweissen Zinnen des Ostabbruches aufragen wie die burgartigen Berge Südtirols ( Brentagruppe z.B. ).

In die westliche Kalkfront des « Weissen Aladag » schneiden einige steilwandige, enge Täler, deren schmale Ausgangspforte das weite Hinterland kaum erraten lässt. Das grösste derselben, das Emli Bogazi, liegt im Süden und trägt die Hauptwasserscheide weit zurück zur östlichsten Kalkmauer des Gebietes, über welche nur Kletterübergänge nach dem weiteren Osten leiten. In der hinteren Südumrandung des Tales liegt einer der höchsten und stolzesten Gipfelpunkte des Aladag, der Kaldi Dag, dessen kühne Gipfelpyramide um die 3800 m beträgt; in die durchschnittliche Gipfelflurhöhe schalten sich der Alaci Basi und der Djebel Basi. Ein anderes in das Innere der Berggruppe leitendes Tal ist das Yalak-Tal, aus welchem der einzige praktikable, ca. 3600 m hohe Übergang über die Hauptwasserscheide führt und man so in den hochgelegenen Glazialzirkus von YedigölSieben Seen ) gelangt. Ein Kranz von Hochgipfeln ( Kizilkaya ca. 3800 m etc. ) entspricht hier der grössten Massenerhebung des Gebirges, aus welcher in der Diluvialzeit ansehnlich lange Eisströme abflossen. Aus dieser zentralen Haupterhebung etwas nach Westen herausgerückt erhebt sich das eigentliche Wahrzeichen des Aladag, der Demir KazikEisenpfahl ), eine wuchtige, zu 3726 m anstrebende, abgestumpfte, aber ebenmässige Felspyramide ( Abb. 40 ). Ein nördliches günstiges Zugangstal nach dem inneren Aladag ist das Maden Bogazi, das seinen Namen nach dem nördlich desselben früher bestandenen primitiven Bergbau ( Maden = Erz ) trägt. In allen drei Kompartimenten, Emli-Tal, Yalak-Tal, Demir Kazik und Maden-Tal, sollen uns nunmehr nach diesen allgemeinen geographischen Einleitungen eine kurze Auswahl von Bergwanderungen in die Höhe führen.

3. Die Berge im Emli-Tale Sozusagen jedwede grössere Bergunternehmung im Taurus hat mit Pferdetransport und Biwakunterkunft zu rechnen, wobei je nach persönlichen Ansprüchen jedes kleinste Dingelchen für das leibliche Wohl aus dem Kulturzentrum der Hauptstadt mitzubringen ist; in Erwägung der oft viele Wochen, ja Monate dauernden « Walz » sammelt sich so ein ansehnlicher Tross von Expeditionsgut an, für welches gewöhnlich in passender Lage eine Dorfsiedlung als Sammelpunkt und Hauptstandquartier gewählt wird. Für den Aladag war es der administrativ-politische Hauptort Maden-Bereketli, ein lieblich zwischen Weinbergen und Obstgärten eingebetteter Flecken in ca. 1450 m Meereshöhe. Mit der gewöhnlichen Zuvorkommenheit hatte die Obrigkeit die Köy-odaDorfzimmer ) zur Verfügung gestellt, und mit der notwendigen Energie gelang es Mehmed Ali, meinem ständigen türkischen Begleiter, für den kommenden Tag Reit- und Transporttiere ausfindig zu 1Bergketten des Taurus2 = Bergketten des nordanatolisch-pontischen Gebirgssystems SAB = Südanatolischer Gebirgsbogen3 = Inneres Gebirgsland ( alte Massive, Hochebenen und ihre Hügelzüge ) E AB = Ostanatolischer Gebirgsbogen4 = Syrische Tafel ( im Süden: Syrische Wüste, im Westen: Gebirgsystem L B = Lykisch-hellenischer Gebirgsbogendes Libanon ) E-E = Längsdepression des Ecemis-Çay-(Flusses5 = Seen; 6 Vulkane Abkürzungen:

AlAladagIz = Izmir ( Smyrna ) AnAnamas DagKar = Karanfil Dag BeBeysehir SeeMar = Maras BoBolkar DagNi = Nigde Dardan = DardanellenSiv = Sivas Ge = Geyik Dag machen und die notwendigen Begleiter zu verpflichten. Freilich kamen wir dann tags darauf nicht bis in den letztmöglichen Hintergrund des Emli-Tales, sondern mussten in der einzigen YaylaSommerweide ) des Tales nächtigen und den Weiteranstieg mit dort gemieteten Kamelen bis in eine Höhe von ca. 2425 m bewerkstelligen.

Alle diese im Innern des Gebirges gelegenen Täler sind ohne Dauersiedelungen. Dagegen gewinnen alle Höhen und Gebirgsmulden in der Sommerszeit einen gewissen Saisonbetrieb, indem ganze Dorfschaften aus oft weit entfernten Gebieten mit ihrem Vieh ( Schafen, Kamelen, Pferden, ganz selten Rindern ) an irgendeinen Weide- und Wasserpunkt ziehen und dort bis im Herbst verbleiben; ihre grossen und oft wilden Hunde sind dem Nichtzuge-hörigen gelegentlich eine nicht freundliche Begrüssung. Unser Standplatz für weitere Bergunternehmungen, die Sigirmali Yayla, war noch nicht bestossen, und so herrschte hier oben noch alpine Frühlingsstille. Auch der eindruck-weckende umgebende Bergrahmen entsprach solchem alpinen Milieu. Das Tal, in eine Anzahl von Sammelmulden sich verzweigend, zeigte in denselben eine prachtvoll entwickelte Glaziallandschaft. Eine gewellt-buckelige Rund-höckeroberfläche, welche von dem diluvialen Gletscher abgeschliffen worden ist, steht in prägnantem Gegensatz zu den überragenden schroffen Graten und Zacken, die stets dem atmosphärischen Abtrag ausgesetzt waren ( Abb. 42 ). Heute tragen diese verschiedenen Kompartimente des hinteren Emli-Tales keine Gletscher mehr, wohl aber ist ihr Hintergrund noch angefüllt von den letzten Rückzugsmoränen; die vereinigte Hauptgletscherzunge reichte aber nicht tiefer als bis ca. 1900 m.

Das Zeltbiwak im Sigirmali Yayla wäre ein ausgezeichnetes Standquartier für zahlreiche Gipfelbesuche im Umkreis gewesen, von welchen die meisten erwähnenswerte Kletterberge sind, jedoch meist noch auf ihren Besteiger warten, es sei denn, dass die hauptsächlichsten durch die letzte Welle alpiner Unternehmungen ( deutscher und englischer Aladag-Besucher ) bezwungen wurden. Die kühnste und beherrschende Bergform dieses Talhintergrundes ist der Kaldi Dag ( Karten enthalten keine präzise Namensfixierung, weshalb der Verfasser eine solche durchzuführen versuchte ), der denn auch für den folgenden Tag als erste Frühjahrstour aufs Programm gesetzt wurde. Ein ausgezeichnet bergkundiger — eine SeltenheitGeyik-Jäger ( Geyik, eine Art im Aladag zahlreich vorkommender Steinböcke ) war nach Abmachung aus Maden eingetroffen. In ca. 2800 m begann der Einstieg in die Felsen. Nach Erreichen des Grates musste infolge dessen wilder Aufsplitterung in brüchige Türme die Fahrt abgebrochen werden; der Kaldi Dag blieb unbezwungen, und der übrige Tag wurde geologischer Arbeit gewidmet. Dafür wurde tags darauf der gegenüberliegende Djebel Basi ( ca. 3500 m ) erstiegen, der ausgezeichneten Rundblick in den inneren Aladag gewährt. In gleiche Höhe ragt im Südrand des Kalkgebietes der Alaca Basi ( Abb. 42 ), der schon im Jahre 1938 erstiegen wurde und mit dazu beitrug, der ersten Aladag-Etappe neun Jahre später eine zweite folgen zu lassen. Nur ungern verliess man das Emli Bogazi, um erst im nördlichen Aladag der fachlichen Arbeit zu obliegen und daran dann eine Demir-Kazik-Besteigung anzufügen.

DER ALADAG UND DER KARANFIL DAG Abkürzungen:

A = Alaca BasiDK = Demir KazikKar = Karanfil Dag Bit = Bitlisgöl DaglariDj = Djebel BasiKi = Kizilkaya Bol = Nordostende des Bolkar DAGE-E = Längsfurche des Ecemis Cay; Pfeile natürliche Zugangswege zum AladagMa = Maden BogaziM B = Maden-Bereketli Ci = Cimbar BogaziPa = Payamdere Di = DirektasiPo = Pozanti DG = Dipsiz GölüEB = Emli BogaziYa = Yalak-Tal Dik = Divrik DagKa = Kayacik-TalYil = Yildizgöl Baslari 4. Der Demir Kazik und seine Umgebung Woher auch immer von Westen her der Blick den Aladag umfasst ( Abb. 41 ), fesselt vor allem die schroff anhebende Felspyramide des Demir Kazik mit dem ihm vorgelagerten kleineren Trabanten, dem Küçük Demir Kazikkleiner Eisenpfahl ). In die nördlichen und südlichen Schluchttäler fällt dieser Beherrscher seiner Umgebung mit hohen Felsabstürzen ab, während in der Ost-West-Richtung er sich mehr als isolierte hohe Graterhebung einschaltet, was durch den in dieser Richtung ausgezogenen Gipfelkamm hervorgehoben wird und so die abgestumpfte Pyramide bewirkt ( Abb. 40 ). Der Demir Kazik hat noch keine lange Besteigungsgeschichte; seine touristische Erstersteigung geht wahrscheinlich erst auf das Jahr 1927 zurück; indessen ergibt sich seine Beachtung daraus, dass er schon mit einem Gipfelbuch versehen ist ( durch einen Touristenverein aus Adana 1945 deponiert ), in welchem ich mich mit meinem Steinbockjäger Süleyman aber erst als die zweite Partie einzutragen hatte.

Während ich mich bei meiner ersten « Beklopfung » des stolzen Berges im Jahre 1938 demselben vom südlichen Kayacik-Tale näherte, wohin er in kontinuierlichem, aber durchsteigbarem Felsabsturz von ca. 1300 m Gesamthöhe abfällt, kam 1947 die nördliche Annäherung in Frage. Über Yaylas erst ansteigend, leitet das enge Schluchttal des Cimbar Bogazi bis in eine Höhe von 2700 m hinauf, wo sich alsdann das Tal zu einem offenen Hochbecken weitet, umrandet von schroffen Felshäuptern, die alle zwischen 3400 und 3700 m gipfeln und teils noch ihre Bergtaufe zu bekommen hatten. Ein südlich anschliessendes Teilbecken enthält den Dipsiz Gölgrundloser See ), der, am Fusse der fast in einem Schuss um 650 m ansteigenden Nordwände des Demir Kazik gelegen, ein typisches glaziales Kar einnimmt ( links der Bildmitte in Abb. 40 eben noch sichtbar ). Bis hieher, in eine Höhe von 2930 m, konnte unser Pferdetross unter allerhand Stossen und Drängen vorgetrieben werden und war so ein Zeltbiwak in prächtig alpiner Umrahmung möglich geworden. Diese Hochgebirgsstimmung ward noch besonders unterstrichen durch die an abendlicher Gratsilhouette sich abhebenden, gemächlich hin- und hersteigenden Geyiks ( Steinböcke ). Inzwischen war auch « mit einem Schlage » Ende Juni die niederschlagslose, trockene Sommerzeit angebrochen und waren für den Demir-Kazik-Anstieg die besten Voraussichten vorhanden.

Natürlich galt es nicht, den Demir Kazik tags darauf von der prallen Nordseite anzugreifen. Nach Erreichen der Dipsizgöl-Scharte in seinem Ostgrat wurde in die Felsabstürze des Kayacik-Tales traversiert ( Südseite ) und durch dieselben auf fast ganz schuttfreier Felsfläche dem Gipfelgrat zugehalten ( von links, Gipfelpyramide des Hintergrundes, Abb. 43 ). Vorsorglich hatte mein Süleyman mir für diesen Anstieg aus seinem Dorfe ein paar Ziegenfellsandalen, die mit Schnüren zu befestigen waren, mitgebracht, denn die genagelten Bergschuhe wollten ihm nicht gefallen; ich gab aber meinen spanischen Alpargaten den Vorzug ( Hanfhalbschuhe ), die sehr gut ihren Zweck erfüllten.

Im Rundblick des Demir Kazik bildet die Nähe den Hauptreiz. Ein tief geschartetes Kalkgebirge umgibt ihn im Norden und Süden. Obwohl all- überall die kräftige junge Erosion in den schroffen Graten und Türmen sich zeigt, ist doch die glaziale Modelung noch recht eindrucksvoll, die in den Hangkaren und zahlreichen kleinen Karseen sich bemerkbar macht. Der nach dem inneren Anatolien, nach Westen, gekehrte Blick verliert sich alsbald über den vorderen kristallinen Bergen von Nigde in dem Graublau des sommerlichen Dunstes; er zeigt aber, wie sehr der Aladag dem Taurus-Innen-rand genähert ist, während nach Osten, jenseits des Aladag, Kette an Kette niedrigerer, teils waldbestandener Berge sich aneinanderreiht. Noch wäre von weiteren, teils älteren Streifzügen in die zentralen Bergen zu berichten, die sich in einem lockenden Kranz um das Yedigöl-Hochland gruppieren: von der gestuften Kizilkaya ( ca. 3850 m ), dem Emli Basi am Yalak-Übergang, von dem an einen tirolischen Kletterberg gemahnenden Direktasiaufrechter Stein; Abb. 44 ) und manchen andern. In dem Bestreben aber, in jedes der westwärts gekehrten Haupttäler einen Orientierungsblick zu werfen, darf das nördlichste derselben, das Maden Bogazi, nicht unberücksichtigt bleiben.

5. In den Bergen des Maden Bogazi Allzu langer Aufenthalt in den trockenen, kahlen und meist menschenleeren Tälern des Aladag lässt wieder eine gewisse Sehnsucht nach dem grünen Rasen, nach plätscherndem Wasser und belebter Viehweide aufkommen. Einen bescheidenen Anfang dazu bietet das lange Maden-Tal, welches auch einen gut praktikabeln Übergang von 3000 m Höhe in die Ostabdachung und in die jenseitigen Täler des Aladag gestattet. Die merkbar veränderte morphologische Gestaltung verdankt das Bergtal seiner geologischen Lage und der etwas abweichenden Gesteinszusammensetzung. Hier liegt die Scheidezone zwischen den zwei eingangs erwähnten Gebirgskomplexen, dem « Schwarzen » und dem « Weissen Aladag », welch letzterer mit seinen dunkleren und älteren Formationen unter die in Schuppungen aufgeteilten helleren Einheiten der südlichen Talseite abtaucht. Dies bedingt andere Gesteinsserien, und es kommt demzufolge längs ihren Kontakten auch zur Quellbildung, was den Biwaks in diesem Tale einen besonderen Liebreiz verleiht.

Eine solche Stelle am Cömce Gölü war unser höchster Biwakplatz in ca. 2945 m. Eine wunderbar kalte Quelle, die in ihrem Zutagetreten schon ein kleines Seelein — daher der Name: Cömce, ein Holzlöffel — bildete, erhöhte das Bergidyll; freilich anscheinend nur für meine Person, denn meine zwei Begleiter verkrochen sich vor Kälte schlotternd noch vor Sonnenuntergang in ihr niedriges Zelt; ein Lagerfeuer gab es hier keines, dafür war Holz ein zu gesuchtes oder, besser gesagt, fehlendes Objekt, und wer nicht über den Spirituskocher verfügte wie der fremde Effendi, der musste sich begnügen, auf zusammengekratztem, letztjährigem Kamelmist sein mageres Ziegen-bein bzw.kotelett zu rösten.

Weisse massige Kalke der Oberkreide und des Unter-Eozäns, die ineinander übergehen, bauen die nächsten Gebirgskämme auf. Teils sind sie etwas plump in die Breite gezogen, wie im unteren linksseitigen Maden-Talhang, teils sind es kleinzackige Hochkämme wie die Yildizgöl Basiari ( 3380-3450 m ). Grosse touristische Schwierigkeiten bot keiner dieser Berge, die fast alle der Reihe nach begangen wurden; herrliche Rückblicke auf das kürzlich verlassene Hochbecken des Cimbar Bogazi mit seiner imposanten Bergumrahmung lohnten den Aufstieg. Auch in den mildere Formen aufweisenden Bergen der Nordseite des Maden-Tales wurde mit dem Hammer fleissig herum-geklopft, und die schwarzblauen, marinen Kalke der Permformation mit ihrem reichen Fossilgehalt belohnten den Sammler, eine in dem sonst an Versteinerungen so äusserst armen Aladag ungewöhnliche Erscheinung.

6. Im Karanfil Dag Ist schon der Aladag durch seine Höhe und die Verschiedenheit seines Formationsbestandes gegenüber dem Umland stark herausgehoben, so trifft dies für den bescheideneren, südlichen Nachbarn, den Karanfil Dag, noch deutlicher zu. Dies ist eine Bergkette — ihre türkische Bezeichnung bedeutet Nelkenberg —, die wie eine langgestreckte Felseninsel mit ihren hellen Kalkwänden aus dem « Meer » der dunklen Grüngesteine emporragt. Ringsherum um die Ost-West streichende Bergkette liegt ein niedrigeres Bergland, aufgebaut aus grünschwarzem Serpentin, begleitet von bunten Radiolariten, das zum Kalkberg in kontrastreichen Gegensatz tritt, wozu auch die vielen grünen Matten und — auf der Südseite — die Waldbestände beitragen. Nach Westen zu setzt das Gebirge an der eingangs erwähnten Längsfurche unvermittelt ab.

Der Karanfil Dag ist eine dem Südrand des Aladag parallel verlaufende anmutige Bergkette, die als Ganzes wohl mauergleich aufragt, selbst aber wenig individualisierte Berggipfel trägt, von denen der höchste ( Teke Basi ) bis zu 3095 m emporragt ( Abb. 45 ), eine Höhe, die bei Berücksichtigung der südlichen Lage des Gebirges unsern Voralpen entspricht. Ostende und Mittelpartie waren 1940 und 1945 Gegenstand zahlreicher Streifzüge zur Aufklärung der geologischen Beschaffenheit des Gebirges 1.

Am Fusse einer mächtigen diluvialen Moräne wurde in ca. 2100 m unter den Felswänden des Teke Basi biwakiert. Karminrote und schokoladefarbige Hornsteine ( Radiolarite ), grünschwarze Serpentine und massige weisse Kalkfelsen gaben eine buntscheckige Umgebung. Überall findet sich von dort irgendein Aufstieg durch die klotzigen Kalkfelsen nach dem Gipfelgrat. Eine Kammwanderung vermittelt unvergleichliche Ausblicke in mattgrau auslaufende, weite Ferne und auf eine buntgestaltete Nähe mit tiefen Erosionsschluchten. Ein Abstieg durch die südlichen Steilhänge führte alsbald in anderen Landschaftstypus, in ausgedehnten Pinuswald; sein Sichausbreiten über Höhen und Tiefen zeigt die Annäherung an das Mittelmeer und seine klimatischen Einflüsse. Zugleich bedeutet dies aber auch die Annäherung an den Schienenweg, der uns in einen anderen Winkel des vielgestaltigen Taurus führt, worüber ein anderes Mal berichtet werden soll.

1 M. Blumenthal: Der Karanfil Dag, ein markantes Bauglied des cilicischen Taurus. M. T. A. Meçmuasi, Nr. 2, Ankara, 1946.

Der Kaldi Dag

vom Djebel Basi aus gesehen.

Am Fuße der schroffen Felsgrate ( Gipfel über 3800 m ) das abgerundete Glazialgelände, in welchem 3 Kar-Nischen ( mit Moränen ) sichtbar sind. Rechts hinten die flachere Pyramide des Alaci Basi ( 3595 m ).

Der Hauptwasser-scheide-Kamm des zentralen Aladag

von Osten aus gesehen.

Von rechts nach links die Gipfel der östlichen Umrahmung des Cimbar Bogazi: Keskin Belic ( ca. 3750 m ), die Besparmak-Spitzen und der Kayacik Basi; im Hintergrund die spitze Pyramide des Demir Kazik.

42/43 - Aufnahmen Dr. M. M. Blumenthal Art. Institut Orell Füssli A.G. Zürich

Der Direktas und die ihn umgebende Glaziallandschaft

Über die Rundhöcker der Yedigöl-Hochmulde ( ca. 3200 m ) erhebt sich um ca. 200 m die aus fast horizontalen Kalkbänken aufgebaute abgestumpfte Pyramide; den Hintergrund schließt die Kizilkaya ( ca. 3850 m ) ab.

44/45 - Aufnahmen Dr. M. M. Blumenthal

Der Gipfelkamm des Karanfil Dag

Über dem Nordabsturz des Hauptkammes ( massige Kreidekalke ) erhebt sich der Teke Basi ( 3095 m ).

Art. Institut Orell Füssli A.G. Zürich

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