Kurvenkarte contra Schraffenkarte
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Kurvenkarte contra Schraffenkarte

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Historisches aus der schweizerischen Kartographie.Von Willi Kraiszl.

Unsere alten Schraffenkarten 1 ) zeigen in bezug auf die Terraindarstellung ein hohes Mass von Anschaulichkeit; nicht so unsere Kurvenkarten 2 ). Wenn auch durch enge Scharung der Kurven eine gewisse Veranschaulichung der Formen erzielt wird, so zeigt doch die Erfahrung, dass es in der Regel schwierig ist, aus reinen Kurvenkarten eine umfassende Vorstellung von der Terrainoberfläche zu bekommen. Man braucht eine gewisse Zeit und muss geistige Arbeit leisten, um von den Einzelheiten eines Kurvenbildes zu einem Gesamtlandschaftsbild des betreffenden Kartenblattes zu kommen. Wer es nicht glaubt, der setze sich nur einmal hin und bearbeite ein Kurvenbild mit Pinsel oder Wischer, und er wird staunen, was da alles an Formen zum Vorschein kommt. Dies gilt für den Fachmann so gut wie für den Laien.

In dieser soeben angedeuteten Kartenbearbeitung bietet sich uns nun ein Mittel, um der mangelnden Anschaulichkeit der Kurvenkarten nachzuhelfen. Davon soll im nachfolgenden des nähern die Rede sein. Ein geschichtlicher Rückblick lohnt sich ausserordentlich.

Das Auftreten der Terrainkurve als kartographisches Darstellungsmittel fällt in das 18. Jahrhundert. Zuerst als Isobathe bekannt geworden 3 ), findet sie später als Isohypse besonders durch die französischen Ingenieur-Geographen reichlich Verwendung. Ihre diesbezüglichen Pionierarbeiten sind in der Kartographie genügend bekannt4 ). Weniger bekannt dürfte jedoch folgende Auffassung Puissants, des einstmaligen Chefs dieser Ingenieur-Geographen, sein. Er schreibt:

« Si le dépôt de la guerre dans ses instructions données en 1818 aux ingé-nieurs-géographes, chargés des levés de détails, a insisté que l'on se bornât à indiquer le figuré par des courbes de niveau et des lignes de plus grande pente sur les minutes au 10,000 me sans chercher en aucune manière à s' aider des ombres dans le dessin des montagnes sur le terrain, c' est parce qu' il a voulu que le principe des sections équidistantes fut appliqué en toute rigueur, pensant d' ailleurs que l' expression physique du relief pouvait être atteinte plus tard au cabinet 1 ). » Damit ist deutlich ausgedrückt, dass die Kurve nur brauchbar ist « pour le figuré purement géométrique du terrain; l' expression physique du terrain » als Überarbeitung der Kurve mit einem plastisch wirkenden Mittel ist eine zweite, nachfolgende Angelegenheit. Dies wollen wir festhalten. Puissant gibt in seinen soeben erwähnten « Principes » auch Anleitung zum Lavieren 2 ). In der Schweiz legt Zschokke in Aarau als erster Terraintöne auf Kurven-systeme, unter Beachtung der Gesetze schiefer Beleuchtung und der Luftperspektive 3 ). Dufour und Wild 4 ) sprechen sich gegenüber Zschokkes Versuchen ermunternd aus. Die Originale sind leider verschwunden.

Man sucht also auch bei uns nach neuen Lösungen, um auf Grund der Kurven ein ebenso anschauliches Bild der Terrainoberfläche zu erhalten, wie es vorher durch die Schraffenzeichnung erreicht worden war. Der Stand der Reproduktionstechnik gestattet aber noch keine rationelle Vervielfältigung solcher Zeichnungen, und man bleibt in den veröffentlichten Karten lange Zeit noch in vermittelnden Lösungen zwischen Kurven- und Schraffenmethode stecken, indem man Schraffen und Kurven in ein und demselben Kartenblatt unterbringt. Der lithographische Tondruck ermöglicht aber doch bald eine bequeme und rasche Vervielfältigung der lavierten Zeichnungen. In Paris scheint besonders die Anstalt Erhardt bahnbrechend vorgegangen zu sein. In der Schweiz tut die kartographische Anstalt Wurster & Cie., die aber noch ohne Kurven, und das Terrain wurde direkt schraffiert. Später erhielt Dufour den Befehl, die Schweiz neu aufnehmen zu lassen. Er wählte denselben Masstab wie die französischen Ingenieur-Geographen, welche ihre Arbeit beim Sturz Napoleons abbrechen mussten. Dufour liess jedoch in Kurvenmanier aufnehmen, dachte aber selber noch nicht an eine Veröffentlichung der Kurvenbilder. Seine Topographen machten sogar noch Studien, in denen sie die 50,000stel unter Weglassung der Kurven ausschraffierten.

von Ziegler 1842 in Winterthur gegründet wurde, dasselbe. Damit sind die neuen Wege geebnet. 1860 legt Ziegler seine Karte des Kantons Glarus im Masstab 1: 50,000 mit solchen Schummerungstönen vor.

Der neu gegründete Alpenclub gibt seine ersten Exkursionskarten zwar noch in Schraffenmanier heraus 1 ), obschon die eidgenössischen Originalaufnahmen in Kurven vorliegen; aber schon 1865 entschliesst er sich zur neuen Methode. In seiner « Medelserkarte » 2 ) sind die Höhenkurven mit einer grauen Schummerung überarbeitet. Denselben Weg schlagen die Luzerner mit ihrer Kantonskarte ein 3 ). Sie führen allerdings die technische Ausgabe, d.h. Karte mit Kurven aber ohne Schummerung, auch nebenbei mit.

Es ist besonders interessant, diesen Kampf zwischen Schraffen- und Kurvenkarte in den Äusserungen der Gelehrten dieser Zeit zu beobachten. Anno 1862 entspann sich nämlich wegen dieser Angelegenheit zwischen Bernhard Studer ( 1794—1887 ), Geologe in Bern, einerseits und Arnold Escher ( 1807—1872 ), Geologe in Zürich, anderseits eine geistige Fehde. Ziegler ( 1801—1883 ), als ausübender Kartograph, lieferte den Diskussionsstoff. Escher freut sich ob dessen Glarner Kantonskarte in Kurvendarstellung, hauptsächlich der Profilsicherheit wegen. Studer rühmt sie auch, ist aber trotzdem ausgesprochener Gegner der « charakterlosen Niveaukurven ». Mit Schraffen, meint er, wäre viel mehr zu erreichen. Er will ein Bild, und dieses beruhe auf Zeichnung und Geschmack, Niveaulinien auf Geometrie 4 ). Er sehnt sich regelrecht zurück zur Schraffenkarte, und noch 1879 ist er derselben Ansicht; er schreibt an Wolf: « Wer ein klares Bild verlangt, wird sich zur Methode Dufour bekennen — wer Mass und Zahl haben will, verwendet die Höhenkurven. » Die 25,000stel- und 50,000stel-Blätter des Topographischen Atlasses bezeichnet er als unklar. Sein Vorschlag geht dahin, die Sache zu trennen in eine orographische Ausgabe mit der ästhetischen Schraffendarstellung und in eine technische Ausgabe mit der geometrischen Darstellung; also Doppelausgaben. Der Kanton Waadt ist denn auch mit seiner Kantonskarte diesen Weg gegangen. Im grossen und ganzen aber hat die Entwicklung zuungunsten der Schraffenkarte entschieden; die Kurvenkarte siegte auf dem Gebiet der topographischen Spezialkarte fast vollständig. Liest man die « Erläuterungen zum topographischen Atlas der Schweiz im Masstab der Original-Aufnahmen » 5 ), so bekommt man den Eindruck, die reine Kurvenmethode sei überhaupt allein durchgedrungen.

Es heisst dort:

« Nur die Vorteile eines unmittelbar dem Auge sich darstellenden plastischen Bildes mit den Vorteilen der geometrischen Darstellung zu verbinden, könnte die Kurvenzeichnung noch mit einem Reliefton in schiefer Beleuchtung versehen werden. Ohne allgemeine Anwendung zu verdienen, bleibt dieses Verfahren für spezielle Fälle vorbehalten. » Die intensiven und weitgehenden Versuche der Landestopographie selbst und unserer Privatindustrie in den Jahren 1884 bis zirka 1905 sind aber Zeugen ganz anderer Bestrebungen; nämlich einer « Neuen Karte über die ganze Schweiz im Masstab 1:50,000 mit plastischer Darstellungsweise 1 ). Diesen Karten scheint eher die umgekehrte Auffassung als in den oben angegebenen Erläuterungen zugrunde zu liegen; die ästhetische Darstellung mit Schummerung oder gar Relieftönen soll die allgemeine Ausgabe sein, für Spezialfälle lässt man sie weg und begnügt sich mit der geometrischen. Dem Volke, das im Lesen der Kurvenkarte keine Übung hat, wäre mit dieser « Neuen Karte der Schweiz 1: 50,000 » gewiss besser gedient als mit der Siegfriedkarte. Sehen wir uns daher die weitere Entwicklung der Schumme-rungskarten noch etwas näher an:

Im Jahre 1885 gibt der Alpenclub wiederum eine geschummerte Karte, nämlich die der Zentralmassive der Berner Alpen im Masstab 1: 50,000 in zwei Blättern heraus. Der Schattierungston ist diesmal von Prof. Alb. Heim nach senkrechter Beleuchtung angebracht; in diesem Zeitpunkt ein etwas eigenwilliger Schritt. Hören wir warum. Der Kampf, ob in der Karte senkrecht oder schief beleuchtet werden soll, hat besonders in Frankreich nach 1800 heftig getobt. Man beschloss damals eine Karte mit schiefer Beleuchtung, wie es die Ingenieur-Geographen vorschlugen, zu machen, erstellte aber eine in senkrechter Beleuchtung! Auch in der Schweiz wurde gestritten, erst später allerdings. Besonders die Gelehrten trachteten immer nach senkrecht beleuchteten Karten. Noch 1859 rühmt Escher v. d. Linth Zieglers Karte vom Tessin. Sie habe vor der Dufourschen den Vorteil der senkrechten Beleuchtung, meint er. « Daher die sanften Hänge sich als sanft, die felsigen sich als steil darstellen auf den ersten Blick, nicht verkehrt, wie es bei der leidigen schiefen Beleuchtung, wenn man nicht ganz genau zusieht, in sehr vielen Fällen der Fall ist. » Später, wo man die schiefe Beleuchtung meistens durch Schummerung auf Kurven ausdrückte, fällt dieser Vorwurf allerdings dahin. Dennoch malt Gerstner seine Schulwandkarten in senkrechter Schummerung 2 ). Die Überlegenheit der schiefen Beleuchtung ward für die Massstäbe der topographischen Spezialkarten im Hochgebirge jedoch immer klarer, und wenn Siegfried sich dazu äussert wie folgt: « Es sind Vorlagen nicht nur in einseitiger, sondern auch in senkrechter Beleuchtung zu empfehlen»3 ), so kennen wir heute die Umstände, wo es sich lohnt, von unserer einseitigen aber bewährten schiefen Beleuchtung abzuweichen, sehr gut 4 ). Dass man schliesslich auch im Hochgebirge bei senkrechter Beleuchtung gute Kartenbilder erzielt, beweist die Karte der Venediger-Gruppe 5 ), daran Abb. 3. Ausschnitt aus Blatt 402, Vättis, des Topographischen Atlasses der Schweiz im Masstab 1:50,000; Aufnahme von F. Becker 1884/86; Kurvenkarte ohne Schummerung. Aquidistanz 30 m; Reproduktion 1:1; Handkarte.

Abb. 4. Ausschnitt aus der Wandkarte der Kantone St. Gallen und Appenzell, nach den eidgenössischen topographischen Aufnahmen bearbeitet von J. Randegger; Gebietsausschnitt, Masstab und Aquidistanz wie in Abb. 3; Wandkarte, deshalb absichtlich etwas Plakatstil.

freut sich auch der Gegner der senkrechten Beleuchtung. Schummerungen auf Kurvenkarten können aber auch in schiefer Beleuchtung Böschungsverhältnisse berücksichtigen, und es ist für uns kein Grund vorhanden, von der schiefen Beleuchtung abzugehen.

Der Heimsche Versuch findet auch keine Nachahmer. Landestopographie und Alpenclub gehen in ihren weitern Proben nach 1885 wieder zur schiefen Beleuchtung über. Es folgt eine Periode, wo man sich überall eher den mehrfarbigen Reliefkarten zuwendet. Später wird man der Vielfarbigkeit wieder satt und besinnt sich auf die einfarbigen Karten. Das Kärtchen « Rigi » 1 ) von R. Leuzinger aus dem Jahre 1896 möchte ich als Muster eintoniger Reliefkarten, wie sie für unsere neuen Landeskarten 1: 50,000 und 1: 100,000 gelten können, hinstellen. Eine ähnliche Kartenprobe, « Gemmi », im Masstab 1:100,000 der eidgenössischen Landestopographie aus dem Jahre 1903 und der erneute Abdruck dieser Probe in einer Zeitschrift 2 ) beweisen, dass man auch heute noch an diesem Darstellungsmittel Interesse hat. Man hat dabei die Möglichkeit, sei es nun im Masstab 1: 50,000 oder 1: 100,000, Karten zu erstellen, die in bezug auf Anschaulichkeit Ähnliches leisten wie unsere Schraffenkarten; in einer Beziehung sogar noch mehr. Indem uns das Darstellungsmittel überall Tongebung erlaubt ( auch auf den Ebenen ), kann man bedeutend konsequenter nach schiefer Beleuchtung malen und die Oberfläche als Ganzes besser erfassen 3 ). Da kommt es nicht mehr vor, dass höher gelegene Ebenen wie tiefe Löcher im Kartenbild erscheinen 4auch werden so die Berge nicht mehr aus einem « Nichts » aufsteigen, sondern aus einer gestalteten Ebene. Zudem haben wir gegenüber den alten Schraffenkarten noch überall die Höhenkurven gut lesbar, haben also neben erhöhter Anschaulichkeit auch erhöhte geometrische Sicherheit erreicht 5 ). Fast alle modernen Staaten gehen daher heute mit Recht in ihren offiziellen topographischen Kartenwerken von der Schraffe zur Kurve mit Schummerung über. Dazu verhilft auch die Tatsache, dass man in der modernen Kartographie das Schraffenzeichnen in diesem Masstabbereich als eine Versündigung an der menschlichen Arbeitskraft ansieht; mit Kurven und Schummerung kommt man rascher zum Ziel. Die Abbildungen 1 und 2 sowie 3 und 4 mögen dem Leser das in dieser Studie mit Worten Skizzierte veranschaulichen und bekräftigen. Beim Vergleich von Abbildungen 3 und 4 bedenke man, dass die eine als Wand-kartenausschnitt von vorneherein gröbere Ausführung zeigen muss als eine Handkarte. In letzteren sind selbst die dunkelsten Schatten durchsichtig wie in Abbildung 2, während eine Wandkarte mit Fernwirkung kräftigste Schatten haben darf.

Abschliessend und zusammenfassend möchte ich folgendes betonen: Die alten Schraffenkarten befriedigten die Bedürfnisse der Kartenbenützer in bezug auf Anschaulichkeit in hohem Masse, und man erkennt in jenen Kartenwerken noch deutlich den Einfluss von der Kunst her. Immer mehr macht sich jedoch in der Kartographie das geometrische Element geltend, und die Kurvenkarte verdrängt die Schraffenkarte. Dabei aber sinkt der An-schauungswert der Karten gewaltig. Einzig im Felsgebiet vermag sich die Schraffe noch zu halten 1 ).

Hervorragende Förderer dieser neuen Kurvenmethode waren sich aber schon bei deren Einführung bewusst, dass dadurch allein den Forderungen des Begriffes « Karte » nicht vollauf Genüge geleistet war. Sie befürworteten daher eine plastische Bearbeitung der Kurvenbilder, stiessen dabei aber auf Schwierigkeiten verschiedenster Art. Heute liegen nun zahlreiche, prächtige Muster vor. Das Tongebungsproblem ist reproduktionstechnisch auch gelöst. Die Photogrammeter liefern uns zudem geometrisch einwandfreie Höhenkurvenbilder, welche den wissenschaftlichen Kartenmaler zu Interpretation mit dem Pinsel nach den Erkenntnissen der modernen Geologie und Morphologie verlocken. Heute gehen auch alle Kulturstaaten, die Schweiz inbegriffen, an die Schaffung neuer Kurvenkartenwerke. Deutet dies nicht alles darauf hin, dass, nachdem nun alle Schwierigkeiten und Hindernisse aus dem Weg geräumt sind, eine neue, produktive Zeit für die schweizerische Kartographie kommen wird?

l ) Diese Felsschraffe ist sogar noch eine « freie », künstlerische Schraffe geblieben und hat sich noch keinerlei Normierung gefallen lassen müssen wie ihre Schwester, die gewöhnliche Terrainschraffe. Aber dem Zuge der Zeit folgend und im Interesse einheitlicher Kartenwerke wird man versuchen müssen, auch sie der Willkür des einzelnen Karten-zeichners zu entziehen, d.h. zu normieren, so weit es eben geht. Die Entwicklung deutet sogar darauf hin, dass auch sie ganz aus dem Kartenbilde ausscheiden wird, und dies um so rascher, je besser die Kartographie mit der sich rapid entwickelnden Photogrammetrie Schritt hält. Siehe auch den Aufsatz: « Historische Entwicklung der Felsdarstellung auf topographischen Plänen und Karten mit besonderer Berücksichtigung schweizerischer Verhältnisse », Schweiz. Zeitschr. f. Vermessungswesen und Kulturtechnik, 1930. Auch als Sonderabdruck bei der Eidg. Landestopographie, Bern.

Internationale Himalaya-Expedition 1930.

Berichtigung.

Die Höhe des Jongsong Peak beträgt 7459 m.

Die Unterschriften unter den beiden Jongsong Peak-Bildern sind verwechselt worden und also umzustellen.

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