Landesplanung als Grundlage des Naturschutzes
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Landesplanung als Grundlage des Naturschutzes

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E. Winkler, Zürich

GRUNDSATZLICHES Darf die Landesplanung als Grundlage des Naturschutzes gelten? Um diese Frage zutreffend beantworten zu können, ist wohl zunächst das Wesen beider Tätigkeitsbereiche zu umschreiben. Für die Landesplanung kann hierbei auf die Definition zurückgegriffen werden, welche von der vom Bundesrat 1963 eingesetzten Eidgenössischen Expertenkommission für Fragen der Landesplanung erarbeitet wurde. Sie lautet: « Landesplanung ist diejenige Planung der Nutzung eines Gebietes, die sowohl dem Individuum als auch den menschlichen Gemeinschaften die beste Entwicklungsmöglichkeit sichern und gefährdete Lebenselemente ( z.B. Wasser, Luft ) schützen will. Aufgabe der Landesplanung ist die Schaffung von Richtlinien für die Ausscheidung, Standortsbestimmung, Dimensionierung und Strukturierung von Nutzungszonen, nämlich Wohnzonen, Landwirtschaftszonen, Gewerbe- und Industriezonen, Zonen öffentlichen Interesses ( z.B. Schul-, Verwaltungs-, Er-holungs-, Schutzzonen ) auf kommunaler, regionaler und Bundesebene ». Als Ziel schwebt also der Landesplanung die Gewährleistung allgemeiner Wohlfahrt vor, wobei in sie auch der natürliche menschliche Lebensraum einbezogen ist. Der Naturschutz hingegen konzentriert seine Interessen auf die Natur und erstrebt deren Erhaltung in « allen ihren Erscheinungen » ( Bundesgesetz ). Seine Zielsetzung ist also erheblich enger als diejenige der Landesplanung. Nun liesse sich freilich in einem weitern Sinne sagen, dass der Mensch ein Teil, ein Geschöpf der Natur sei und im Grunde auch seine ganze Tätigkeit « Schutz » beinhalte. Damit wäre auch Landesplanung eine Teilaktivität des Naturschutzes. Doch hat die Entwicklung beider sich 1 im Lauf der Zeit so gestaltet, dass es zweckmässig erscheint, sie als zwei wenn auch nah verwandte, doch verschiedene Gebiete aufzufassen. Damit ist freilich die Frage, ob Landesplanung eine Grundlage des Naturschutzes sei, noch nicht beantwortet. Um auf sie nun unmittelbar einzutreten, liegt es nahe, die Gegenfrage zu stellen: Ist es nicht umgekehrt? Bildet nicht vielmehr der Naturschutz die oder mindestens eine Voraussetzung der Landesplanung? In der Tat könnte er, mindestens historisch gesehen, die Priorität vor der letzteren beanspruchen. Denn Landesplanung reicht in der Schweiz zeitlich, mindestens in ihrer aktuellen Form, erheblich weniger weit zurück als der Naturschutz. Sie ist « ein Kind » der Weltkriege, während letzterer bereits im Mittelalter, z.B. als Gebirgs-waldschutz, aktiv betrieben wurde. Aber auch funktionell darf dieser sich als Impuls der Landesplanung betrachten, insofern diese mindestens teilweise sich als Gegenmassnahme gegen Verstädterung und Landflucht entwickelte und daher ihre « Wurzeln » unter anderem in Natur-und Heimatschutz hat. Die Situation scheint demnach eindeutig zugunsten des Naturschutzes als der Voraussetzung der Landesplanung zu sprechen.

PLANUNG ALS GRUNDLAGE Indessen bestehen durchaus sachliche Gründe, welche die letztere doch umgekehrt auch als Grundlage des Naturschutzes aufzufassen erlauben. Sie beruhen vor allem in der bereits eingangs erwähnten Tatsache, dass die Landesplanung sowohl ein umfassenderes Objekt als auch eine weitergespannte Tätigkeit besitzt als jener. Um dies nochmals klarzumachen: Während der Naturschutz sich auf die Na- tur beschränkt und sie zudem vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung behandelt, ist die Landesplanung auf Natur- und Kulturerscheinungen ausgerichtet. Sie sucht beide Objektgruppen überdies im Sinne möglichst harmonischer Aufeinanderabstimmung in ihrer Existenz zu sichern, wobei Erhaltung ( Schutz ) und Fortentwicklung gleicherweise Berücksichtigung finden. Ausserdem bestrebt sich die Landesplanung, ihre Absichten mittels eines systematischen Einsatzes technisch-rechtlich-finan-zieller Mittel, die in den Landes-, Regional-und Ortsplänen und den zugehörigen Nut-zungs- bzw. Bauordnungen zum Ausdruck gelangen, zu verwirklichen. Der Naturschutz ging demgegenüber, mindestens bis vor kurzem, mehr gelegenheitsmässig vor, was seine überaus wertvollen Bemühungen jedoch auch nicht im geringsten herabsetzt.

Insbesondere das systematische Bemühen der Landesplanung mit dem Mittel rechtskräftiger Pläne ist es nun, was sie seit Beginn ihrer Tätigkeit zu einer wesentlichen Hilfe des Naturschutzes und damit zu einer seiner wichtigsten Grundlagen werden liess. Um das Verständnis dafür zu gewinnen, erscheint es zweckmässig, im folgenden eine knappe Skizze des Verfahrens der Landesplanung zu entwerfen. Dabei darf vorausgehend nochmals an ihre Hauptgrundsätze erinnert werden. Am treffendsten sind sie in der Zusammenfassung des bereits erwähnten Berichts der Eidgenössischen Expertenkommission für Fragen der Landesplanung wiedergegeben: In Zusammenarbeit von Bund, Kantonen und Gemeinden sind die bestmöglichen Umweltbedingungen zu sichern. Dies gilt insbesondere für: die Erhaltung, den Schutz und die Pflege der Landschaft, einschliesslich des Waldes, den Schutz des Bodens, der Pflanzen- und Tierwelt, den Schutz der Kulturgüter, die Sicherung des Wassers, der Wasserversorgung, die Abwasserreinigung, die Sicherung und Gestaltung von Erholungsgebieten, die Beseitigung von Abfällen, die Reinhaltung der Luft sowie den Schutz vor Lärmbelästigung. An Förderungsmassnahmen wird für wirtschaftlich schwache Regionen die Bildung von Schwerpunkten gefordert, die namentlich in Form von Beihilfen bei der Erschliessung, zur Ansiedlung von Industrie, Gewerbe und Dienstleistungsbe-trieben, für den Wohnungsbau'und für den Ausbau der Infrastruktur gefördert werden soll. Diesen Massnahmen soll ein gesamtschweizerisches Leitbild für die Besiedlung dienen, dem als Folge-massnahmen Richtlinien für die Landes-, Regio-nal- und Ortsplanung beizugeben sind.

DAS PLANUNGSVERFAHREN Aus diesen Grundsätzen ist ersichtlich, dass die Landesplanung sich als wesentliche Treuhänderin des Naturschutzes sieht. Dies kommt auch in ihrer Methodik zu klarem Ausdruck. An dieser interessieren hier vor allem die Verfahrensphasen und ihre Inhalte. Die Phasen lassen sich in die Periode der Problemstellung, der Planungsvorberei-tung ( Präparation ), der eigentlichen Planung, d.h. des Planentwurfs ( Planification ), und der Verwirklichung ( Realisation ) gliedern.

In der ersten wird ein Katalog der Fragen oder Anlässe erarbeitet, welche der Planung rufen, wie: mangelnde Wasserversorgung, Kanalisation und Kläranlagen, Luftverschmutzung durch Industrien, Verkehrsbeeinträchtigungen, Streubauweise, Naturverschandelungen usw. Aus solchen Zusammenstellungen ergeben sich in der Regel die Wünsche der Bevölkerung für eine Verbesserung der bestehenden Verhältnisse. Gleichzeitig wird auch versucht, die Tendenzen der Zukunftsentwicklung festzuhalten. Prognosen der Bevölkerungsbewegung, der Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung, der Entwicklung der öffentlichen Anlagen usw. ermöglichen die mutmassliche Ermittlung der künftigen Bedürfnisse, wobei für die Landesplanung besonders der Flächenbedarf massgebend ist. Hierbei wird meistens mit bestimmten Zielpunkten, sogenannten Planungszielen, z.B. Z i ( etwa 1980 ) oder Z 2 ( 2000 ), gerechnet, für die dann die notwendig werdenden Flächen, z.B. die Wohn- oder Arbeits- und Verkehrsflächen, bestimmt werden. Diese prognostischen Ermittlungen führen zum Entwurf von sogenannten Leitbildern ( auch Planungskonzepte genannt ), worunter mehr oder weniger klare und differenzierte Darstellung erwünschter künftiger Zustände, die durch zielbewusstes Verhalten erreicht werden können, zu verstehen sind. Sie können in Plänen verschiedener Massstäbe ( Wunschpläne ) oder in Beschreibungen und Bildern niedergelegt werden.

Von den Leitbildern wird zu den eigentlichen Plänen fortgeschritten, welche die künftige wünschenswerte Gliederung des menschlichen Lebensraumes in Freiflächen und Bauflächen enthalten. Bei ihnen unterscheidet man bedingt rechtskräftige Rieht- und ( absolut ) rechtskräftige Nutzungspläne, in welchen die einzelnen Nutzungsbereiche wie Wohn-, Industrie- oder Schutzgebiete als verbindlich begrenzte Zonen erscheinen. Den Plänen sind meist sogenannte Bau- oder Nutzungsordnungen als integrierende Bestandteile beigeordnet. Mit der Vorlage dieser Dokumente an den Souverän, das Volk oder die Regierung und mit dem Beschluss ihrer Legalisierung ist in der Regel die Planung beendet. Ihre Verwirklichung kann bzw. soll einsetzen. Dabei ist freilich ausdrücklich festzuhalten, dass Planungen sich nie völlig abschliessen lassen, weil die andauernde Entwicklung von Bevölkerung, Wirtschaft, Verkehr usw. immer wieder zum Revidieren nötigt.

Im Rahmen der Planung ist nun massgeblich wichtig, dass wirklich alle Elemente eines Pla-nungsgebietes, sei es eine Gemeinde, eine Region, ein Kanton oder ein Land, voll und ganz berücksichtigt werden, da ja eine gute Planung deren Aufeinanderabstimmung mit dem Ziel der allgemeinen Wohlfahrt bedeutet. Nicht zuletzt zur Gewährleistung dieses Erfordernis-ses wurde ein System von Plänen entwickelt, deren Summe sich als Gesamtplan bezeichnen lässt. Als sogenannte Teilpläne werden unterschie- den: der Landschaftsplan, der Siedlungsplan und der Plan der öffentlichen Bauten und Anlagen, der Verkehrsplan und der Versorgungsplan.

Als der « Grundplan » dieser Darstellungen hat der Landschaftsplan, der an dieser Stelle besondere Erörterung durch J. Jacsmann erfahren hat, zu gelten. Er umfasst die sogenannten Frei-oder Freihalte- oder Nichtbaugebiete, also die Schutzgebiete ( Natur-, Landschafts- und Hei-mat- bzw. Denkmalschutzgebiete ) und -objekte, die Erholungsgebiete, den Wald, die Landwirt-schaftsgebiete und die Bereiche des Bergbaus ( in der Schweiz meist wegzulassen ) sowie die Gewässer, soweit sie nicht genutzt werden oder als Schutzgebiete gelten. Im Siedlungsplan sind in der Regel die Wohn- und Arbeitsgebiete ( Gewerbe, Industrie ) aufgezeichnet. Der Verkehrsplan enthält die Anlagen des Strassen-, Bahn-, Schiffs- und Flugverkehrs. Den Versorgungsplan setzen die Darstellungen der Wasserversorgung, der Ab-wasser- und Abfallbeseitigung, des Nachrich-tenwesens und der Energie zusammen. Im Plan der öffentlichen Bauten und Anlagen schliesslich werden Schulen, Verwaltungsbauten, Kirchen, Sportplätze usw. dargestellt. Für alle diese Einzelerscheinungen bestehen natürlich auch Spe-ziai- oder Sonderpläne. Entscheidend ist, dass die Pläne Rechtskraft besitzen. Für ihre richtige Ausscheidung werden in der Regel sogenannte Eignungskarten, z.B. Karten der Eignung des Bodens, des Klimas, der Gewässer usw., für Siedlung, Wirtschaft, Verkehr u.a. erstellt, denen meist Risiken- und Schadenkarten ( Lawinen, geotechnische Risiken: Setzungen, Boden-rutsche, Überschwemmungen, Fröste usw. ) zugeordnet werden. Insbesondere diese müssen natürlich auch für den Naturschutz als wichtig angesehen werden.

Mit diesem Planwerk lassen sich grundsätzlich alle Interessensphären, auch die des Natur-und Landschaftsschutzes, flächenmässig festlegen. Hieraus wird deutlich, welch wichtige Funktion diese Pläne für den letzteren erfüllen.

Grundlegend ist jedenfalls, dass seine Gebiete als integrierende Bestandteile der Orts- und Regionalpläne gelten und in ihnen entsprechend kartographisch festgehalten werden.

Nicht zuletzt um die klare und faire Ausscheidung aller Nutzflächen zu sichern, wurden im Bundesgesetz zur Förderung des Wohnungs-baues vom Jahre 1965 bzw. 1966 die bereits erwähnten Leitbilder der Landesplanung gefordert, deren Erarbeitung dem Institut für Orts-, Regional- und Landesplanung an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich übertragen wurde. Dieses gründete unverzüglich eine Expertenkommission für Leitbilder und Prioritätszonen, die sogenannte ELP, welche sich aus Fachleuten verschiedenster Berufsgruppen und Landesgegenden zusammensetzt. Sie entwarf ein umfassendes Arbeitsprogramm für Leitbilder, dem drei Hauptphasen zugrunde gelegt wurden. In der ersten erfolgte nach eingehender Problemstellung die Bearbeitung von 15 sogenannten Teilleitbildern, von welchen jedes einem menschlichen Interessenbereich entspricht. Es handelt sich um die Leitbilder Gesellschaft, Volkswirtschaft, Staatspolitik, Siedlung, Erziehung und Bildung, Gesundheitswesen, Industrie und Gewerbe, Verkehr, Kommunikation ( Nachrichtenwesen ), Energiewirtschaft, Siedlungswasserwirtschaft, Landwirtschaft, Erholung und Fremdenverkehr, Wald, Land-schafts- ( und Natur- ) Schutz und Landesverteidigung. Die erhebliche Anzahl lässt erkennen, dass eine möglichst vollständige und differenzierte Erfassung aller Interessen am menschlichen Lebensraum beabsichtigt war.

In einer zweiten Arbeitsphase gelangten die Teilleitbilder zur Gegenüberstellung, wobei man vor allem die Konflikte und Übereinstimmungen zwischen den Interessengebieten zu ermitteln trachtete. In diesem Rahmen erfolgte auch der Versuch der Schaffung von Fix- oder Vorrangzonen, d.h. von Darstellungen, welche die Flächen wiedergeben, in denen namentlich aus Gründen der natürlichen Eignung bestimm- ten Nutzungen Priorität gebührt; solche Karten wurden für den Landschaftsschutz, die Landwirtschaft, den Wald und die Landesverteidigung gezeichnet. Es ist klar, dass nicht zwischen allen Interessen gleich viele und gleich starke Konflikte bestehen. Die wohl empfindlichsten ergaben sich bei Industrie und Landwirtschaft, die beide weitgehend die gleichen Standräume bzw. Eignungs-gebiete - im Mittelland - beanspruchen. Hinsichtlich des hier besonders interessierenden Na-tur- und Landschaftsschutzes treten Hauptkon-fliktmöglichkeiten ebenfalls vornehmlich gegenüber der Industrie in Erscheinung. Geringer, wenn auch teilweise gleichfalls gravierend, können sich Verkehrsanlagen ( besonders Autobahnen, Fluganlagen usw. ), Energieleitungen und Kraftwerke auswirken. Die Siedlungskonzepte nehmen in der Regel eher Rücksicht auf schützenswerte Gebiete, doch können bei attraktiven Geländeformen ( Südhänge usw. ) und Verkehrs-gunst naturgemäss ebenfalls Konflikte entstehen. Am wenigsten sind solche begreiflicherweise gegenüber Erziehung und Bildung, Gesundheitswesen, Land- und Forstwirtschaft sowie beim Erho-lungswesen zu erwarten, da sie, mindestens die letztgenannten, am Landschaftsschutz selbst unmittelbar interessiert sind oder sogar eigentliche schützende Funktionen erfüllen. Besondere Probleme werfen selbstredend die Landesverteidigung und die Volkswirtschaft auf, für welche Schutzgebiete meist Bereiche darstellen, an die sich hohe Finanzaufwendungen knüpfen. Die Tatsache jedoch, dass mit zunehmender Bevölkerung nicht nur mehr Wohn- und Industrieland beansprucht werden wird, sondern entsprechend grössere Erholungsflächen benötigt werden, lässt auch die Ausscheidung von Schutzgebieten in positiverem Lichte erscheinen als in der Vergangenheit.

Die hier kurz skizzierte Phase der Gegenüberstellung oder Konfrontation der Teilleitbilder wurde durch eine dritte Phase abgelöst, welche die endgültige Gestaltung von Gesamtleitbildern zum Ziele hat, womit die definitiven bzw.

wünschbaren Nutzungsflächen ermittelt werden sollen. Um auch hierin möglichst klare und eindeutige Verhältnisse zu schaffen, erfolgte die Gründung einer zweiten Kommission, des For-schungsausschusses für Planungsrichtlinien ( FAP ). Seine Aufgabe ist es, ein Richtlinienwerk vorzubereiten, nach dem in Zukunft die einzelnen Nutzungsgebiete nach einheitlichen Grundsätzen ausgeschieden, dimensioniert, standörtlich richtig gruppiert und auch strukturiert, d.h. hinsichtlich ihrer Nutzungsweise bestimmt werden können und sollen. In diesem Zusammenhang wurden auch Richtlinien für den Natur-und Landschaftsschutz erarbeitet. Sie besonders haben grundlegende Bedeutung für alle andern, weil auf sie in gewissem Sinne alle andern Teil-Leitbilder spezielle Rücksicht nehmen müssen.

Auf der Grundlage der Richtlinien und der Teilleitbilder werden schliesslich die Gesamt-leitbilder entwickelt, in deren Kern, gesetzesge-mäss, die Siedlungskonzepte stehen, für die mehrere Varianten aufgestellt wurden. Sie reichen von einer gleichmässigen Verteilung der künftigen Bevölkerung auf die Gesamtfläche der Schweiz ( sogenannte vollständige Dezentralisation ) über Konzepte der sogenannten konzentrierten Dezentralisation ( Gruppierung in Höfe, Weiler, Dörfer, Klein-, Mittel- und Grossstädte ) bis zur vornehmlichen Konzentration in wenigen Agglomerationen oder sogar einer Grossstadt, von welcher ja schon des öftern gesprochen wurde ( Schweizer Mittellandstadt ). Als wohl am wahrscheinlichsten zu verwirklichende Leitbildvariante darf indessen eine in der Mitte liegende gelten, nicht zuletzt weil Gelände, Klimate, Verkehrsmöglichkeiten und Wirt-schaftsentwicklung sie erzwingen werden. Dass auch sie weitgehend auf natur- und landschafts-schützerische Grundsätze abgestimmt werden muss, bedarf keiner weiteren Eröterung Teilleitbilder wie Gesamtkonzepte werden jedenfalls Gewähr dafür bieten, dass die schliesslichen regionalen und kommunalen Planungen auf sichern Grundlagen aufbauen können, die auch eine allen Interessen gleichmässig dienende Raum- bzw. Landesordnung ermöglichen können.

Mit dieser Skizze einer « Geschichte » des Pla-nungsverfahrens sei erneut zur Grundfrage « Landesplanung und Naturschutz » zurückgekehrt. Die Skizze hat einsichtig zu machen versucht, dass bei der Erarbeitung der Leitbilder ( und Richtlinien ) dem Leitbild des Natur- und Landschaftsschutzes eine wesentliche Rolle zuerkannt wird; viele erblicken in ihm geradezu die Voraussetzung guter Orts- und Regionalplanung selbst. Dabei wird freilich auch immer wieder die Notwendigkeit betont, die Naturschutzgebiete mit den Landwirtschafts-, Erho-lungs- und Waldgebieten zusammen zu sehen, einmal, weil diese - wie bereits erwähnt - vielfach besonders naturnahe Bereiche repräsentieren und dadurch speziellen Schutz erfordern wie jene selbst, zum andern, weil ihre Nutz-funktionen ( beim Wald auch sogenannte eigentliche Schutzfunktionen: gegen Lawinen, Boden-zerstörung, hydrographische Risiken usw. ) eng mit Naturschutz verwandt sind, nicht zuletzt aber auch, weil Landwirtschafts-, Wald- und Erholungsgebiete von eigentlichen Schutzgebieten gar nicht immer getrennt werden können. Besonders eindrücklich zeigen dies naturgemäss die alpinen, voralpinen und jurassischen Landschaften, die an sich weitgehend naturnahe Räume darstellen. Dabei soll nicht unvermerkt bleiben, dass gerade in diesen Gebirgsregionen die Natur ihrerseits - in Lawinen, Wildbächen, Bodenbewegungen — erhebliche Schäden « an sich selbst » anrichtet, dass sie demgemäss auch vom Menschen « vor sich selbst » geschützt werden muss. Endlich verdient auch noch festgestellt zu werden, dass gerade die Landesplanung im Gebirge dem Naturschutz besondere Aufmerksamkeit zu schenken hat und schenkt, weil dessen naturnahe Landschaften in wachsendem Masse vom Fremdenverkehr und Tourismus gewünscht, ja gefordert werden, obwohl dieser da- neben auch allen möglichen Komfort beansprucht.

NOCH ZU LÖSENDE AUFGABEN Um einen sowohl der Natur wie dem Menschen bestmöglich dienenden Landschaftsschutz im Rahmen einer umfassenden Landes- bzw. Raumplanung zu erzielen, bleibt allerdings -dies mag abschliessend gesagt werden - noch immer eine wesentliche Forschungsaufgabe: die Erarbeitung eines vollständigen, alle Typen und Individuen natürlicher und kultivierter Landschaften, Natur- und Kulturobjekte umfassenden Inventars. Wir besitzen unbestreitbar hiefür bereits hervorragende Vorarbeiten, vorval-lem im KLN des Natur- und Heimatschutzes und des SAC sowie der Richtlinien der letztgenannten Vereinigung, nicht zuletzt aber auch in zahlreichen Ergebnissen der Einzelforschung. Sie müssen aber ebenso unzweifelhaft durch eine noch detailliertere, umfassendere Gesamtin-ventarisierung ergänzt werden. Dabei wird freilich ein erhebliches Dilemma kaum zu lösen sein, das Problem nämlich, dass man unter den Kriterien « Einzigartigkeit », « Seltenheit », « Ty-pik » meist nur die « schönen », « kraftvollen », « gesunden » Exemplare von Landschaften und Einzelobjekte zu schützen unternimmt. Schutz in des Wortes eigentlicher Bedeutung wäre aber Erhaltung und Heilung des Schwachen, Kranken, Hilflosen. Der übliche Natur- und Landschaftsschutz ist also, selbst wo er Schutz um der Natur willen proklamiert, vornehmlich ho-mo- und damit egozentrisch eingestellt. Gerade auch deshalb erscheint eine möglichst vollständige und ins Einzelne gehende Erfassung aller Landschaften und Naturschutzobjekte als ein dringliches Gebot. Sie wird gleicherweise Aufgabe der Landesplanung und der Schutzorganisationen sein müssen.

Sie wird aber noch aus einem andern nicht weniger wichtigen Grunde zu erfüllen sein. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die Schweizer sich gerne eine wehrhafte Nation nennen, welcher naturgemäss eine möglichst schlagkräftige Armee die Garantie bietet. Dass eine schlagkräftige Armee nur auf Grund eines gesunden Volkes möglich ist, dürfte klar sein. Dass ein gesundes Volk aber allein in einem « gesunden » Land - und damit ist zugleich ein möglichst naturnaher, ein intakter Lebensraum gemeint - leben kann, wird demgegenüber kaum genügend beachtet. Die genügende Beachtung und namentlich die reale Nachachtung müssen indessen doch wohl als national existenzbedin-gend angesehen werden, womit auch hier eine gemeinsame Aufgabe von Naturschutz und Landesplanung evident wird. Diese Aufgabe erscheint übrigens so wichtig, dass die Finanzierung ihrer Lösung im Grunde derjenigen des Heerwesens gleichgestellt werden sollte ( müss-teIhre Lösung wird auch zur Beantwortung einer noch weitern wichtigen Frage mithelfen, die bisher kaum systematisch angegangen wurde, die aber immer dringender wird: Wie gross dürfen, müssen die Flächen der Naturschutzgebiete und der Grünräume überhaupt sein? Mit andern Worten: Welchen Anteil am Gesamtareal eines Landes sollen sie haben, damit eine bestmögliche Existenz des Menschen gesichert bleibt? Bekanntlich wurden bisher in der Schweiz und auch in andern Ländern zwischen to und 20% Schutzgebiete ausgeschieden. Es besteht indes keinerlei Zweifel darüber, dass der gesamte Lebensraum intakt zu halten ist, um die vorhin genannte Forderung erfüllen zu können. Dies bedeutet, wenn auch nicht absoluten Schutz, so doch entsprechende Schonung.

AUSBLICK Aus den vorstehenden Erörterungen darf geschlossen werden, dass Naturschutz und Landesplanung allen Grund haben, aufs engste zu-sammenzuwirken, wobei bald die eine, bald die andere die Basis darstellt. Als Richtlinie beider darf hierbei — um nüchtern real zu sehen - ein Wort des Landesjägermeisters W. Knaus aus seinem beherzigenswerten Appell « Universeller Naturschutz » empfohlen werden: « Ich glaube, dass... die unberührte Landschaft das grösste Kapital der Zukunft darstellt. » Quellen:

Bericht der Eidgenössischen Expertenkommission für Fragen der Landesplanung. Bern 1967.

Landesplanerische Leitbilder der Schweiz. Erster Zwischenbericht. Schriftenreihe zur Orts-, Regional- und Landesplanung des Instituts für Orts-, Regional- und Landesplanung an der ETH, Nr. 2. Zürich 1969. Zweiter Zwischenbericht, Zürich 1971.

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