Neue Bergfahrten in den Schweizer Alpen in 1952
Mit 1 Bild ( 41Zusammengestellt von Max Oechslin
15. Sciora di Fuori.
Zur Neubegehung der Nordwestkante der Sciora di Fuori teilt Hans Bernhard mit: Begehung vom 26. August 1951 durch Bernhard/Condrau und Mani/Grimm:
« Bis oberhalb des markanten Kamins an der Nordseite der Fuorikante wird die frühere Route verfolgt. Der Ausstieg aus diesem Kamin ist immer noch durch einen grossen Klemmblock versperrt, nach dessen Überkletterung man sich wieder auf der Südseite der Fuorikante befindet. Hier beginnt die neue Route: Der erwähnte Klemmblock bildet zusammen mit der Wand und einem davon abstehenden Felsobelisken eine vertiefte Nische.Von dieser zieht sich ein ausserordentlich schwerer 12 m langer Riss steil durch die stark überhängende Wand empor ( 3 schlechtsitzende Haken ). Dieser Riss leitet in eine abschüssige Steilrampe über. Nach ca. 8 m guter Sicherungshaken. Die nun folgende Wandstelle wird durch eine kurze Querung nach links überwunden vermittels Trittschlinge und Seilzugs von rechts ( Holzkeil ). In der Trittschlinge stehend, mag man mit der linken Hand knapp eine Kante erfassen und gewinnt einen steil nach rechts emporziehenden Riss. Nach 5 Metern guter Sicherungsplatz mit Haken. Von hier weg ist der Weiterweg unmissverständlich von der Natur vorgeschrieben: Ein sehr enges und anstrengendes Stemmkamin von 50 m Länge führt direkt auf einen Vorgipfel hinauf ( Ziffer 11 der Anstiegskizze im Bonacossa-Führer ). Von hier weg verfolgt man die frühere Route und erreicht nach drei Seillängen die horizontale Gratschneide des eigentlichen Vorgipfels und damit das Ende der Fuorikante.
Die, durch die Brüchigkeit der Abbruchstelle entstandene objektive Gefahr ist nicht so gross wie verschiedentlich angenommen, vorausgesetzt, dass man sich nicht verleiten lässt, nach rechts in die Südwand hinauszuqueren, über deren Bänder auch ein Durchstieg möglich zu sein scheint. Doch ist diese Felspartie noch in Bewegung und gefährlich. Auch die neue Route ist nicht absolut sicher, indem das Stemmkamin den Berg tief hinein spaltet und möglicherweise ein Teil davon einmal ebenfalls noch abstürzen wird.
Die Besteigung der Sciora-di-Fuori-Kante hat von ihrer früheren Schönheit nichts eingebüsst, sondern ist im Gegenteil noch rassiger und interessanter geworden. Durch die notwendig gewordene neue Routenführung ist diese Kletterfahrt jedoch schwerer und strenger geworden, so dass die Besteigung heute mit der oberen Grenze des 5. Schwierigkeitsgrades zu bewerten ist.»Mitg. von Hans Bernhard ( Loéstrasse 58, Chur ).
16. Stucklistock.
Begehung über die Südwestrippe, am 20. Juli 1952, durch Alois Leuthard ( Zürich ), Christian Habegger ( Stans ) und Ernst Utzinger.
Die stark hervortretende Rippe wurde fast zuunterst auf deren Westseite ( links, ca. 3000 m ) betreten und dann auf der Kante verfolgt bis ca. 3300 m Höhe, wo sie sich mit dem zum Gipfel führenden Westgrat vereinigt. ( Im Urner Führer ist dieser Grat als SW-Grat bezeichnet. Die Rippe ist auf der Skizze, Seite 173, Urner Führer, Bd. II, 5. Auflage, links der Route 667a erkenntlich. ) Schlüsselstelle der Kletterfahrt, die als mittelschwer bis schwierig bezeichnet werden muss, in halber Höhe der Rippe. Einstieg bis Gipfel 2% Stunden. Guter Fels.Mitg. Ernst Utzinger ( Bergfründ, Buochs ).
Die Alpen - 1953 - Les Alpes9 17. Sustenhorn.
Nach einer Mitteilung von Oskar Bitterli ( Kinkelstrasse 52, Zürich ), wurde die Susten-hom-Ostwand von ihm mit Carl Abt, Schwarenbach, bereits am 15. September 1946 durchstiegen. O.B. schreibt: « Wir beabsichtigten die Begehung des Ostgrates. Der vorgeschrittenen Jahreszeit wegen konnten wir den Bergschrund nicht überschreiten. Wir entschlossen uns deshalb, trotz der unsicheren Wetterlage, die Variante zur Route 544 des Urner Führers einzuschlagen. Wir traversierten unter der Bergflanke und erreichten die Felsen nach Besteigen einer ausgeprägten Firnflanke. Das Wetter verschlechterte sich. Schneerutsche und Steinfall in den Couloirs beidseitig der Felsrippe schnitten uns den Rückweg ab. So stiegen wir über die verschneiten und teilweise brüchigen Felsen aufwärts, um aus der Mausefalle hinaus zu entkommen. Nach gefahrvoller Kletterei, mehrmals von Schneerutschen bedroht, gelang uns der Durchstieg direkt zum Gipfel ( Wächte ), den wir erst um 16 Uhr erreichten. » Beide Kletterer hatten sich Verletzungen zugezogen und mussten nach mühsamem Abstieg in Göschenen sich noch in ärztliche Behandlung begeben.
( Ergänzung zur Neufahrtangabe Nr. 72, 1948/49, « Die Alpen », 1950. ) 18. Tellistock.
Zu den Bemerkungen bezüglich der Nordwand im Urner Führer, Bd. II, 5. Auflage, Seite 205, teilt uns Dr. Gustav Renker, Bern, mit, dass er im Juli 1949 mit seiner Frau die Nordwand des Tellistockes durchstiegen habe. Er gibt folgende Details:
« Die Nordflanke, die man über den im Führer unter Nr. 745 ( gewöhnlicher Weg über den SW-Grat ) angegebenen Zugang durch das Telli erreicht, wird an ihrem Fuss von einem etwa 4 m hohen Wandgürtel abgeschlossen. Man erklettert diesen ziemlich in der Fallirne des Gipfels und gewinnt dann auf wenig angenehmen, schuttbedeckten Bändern und dazwischenliegenden Wandstufen, sich links gegen den Ostgrat haltend, einen typischen, etwa 15 m hohen Einriss ( Kamin ), der schwierig zu erklettern ist. Von ihm wieder gerade empor, über anregende, aber nicht schwierige Wandstellen, bis man den Ostgrat erreicht, und zwar an der reizvollsten Stelle der Tour, einer sehr exponierten Ecke, die aber an prächtigen Griffen unschwer überwunden wird. Ich vermute, dass es sich hier schon um jene Stelle handelt, die unter Nr. 746 des Führers ( über den Ostgrat ) erwähnt wird. Von hier zum Gipfel ist es dann nicht mehr weit. » Mitg. Dr. Gustav Renker ( Red. « Der Bund », Bern ).
19. Walenstöcke. Tschudi-0stwand ( 2511 m ).
Die ca. 300 m hohe Ostwand des Tschudi wurde am 30. Juli 1950 durch Martin Mai und Emil Staubli, Luzern, durchstiegen. Sie folgten dem einzigen, diagonal die ganze Wand durchschneidenden Riss, der von links unten nach rechts oben die Wand durchzieht und knapp unter dem Gipfel endet. Der Einstieg erfolgte ob dem « Weisstritt ». ( Hans Domann, Luzern, und Bergführer Hias Noichl, Österreich, versuchten den Durchstieg erfolglos zuvor. ) Nach Mitt. v. Max Eiselin jun. ( Kriens-Luzern ).
20. Wetterhorn.
Zweite Begehung der Westkante des Wetterhorns auf der Route Krähenbühl/Pargätzi, am 6. Juli 1952, durch die beiden Österreicher Johannes Gruber t und Karl Reiss ( Wien ).
Mitg. v. Max Eiselin jun. ( Kriens-Luzern ).
21. Wichelhorn.
Wie wir schon in unserm Bericht der Neuen Bergfahrten 1950/51 festhielten ( « Die Alpen », 1952, Tour Nr. 51 ), ist der Ostgrat bereits früher begangen worden. Hans Iten hat den Grat mit seiner Frau und E. Hotz, Zürich, schon im Sommer 1941 erklettert, hat die Tour nachher mehrmals gemacht und zweimal als Sektionstour der Sektion Zimmerberg, deren Eigentum die Leutschachhütte ( der Ausgangspunkt dieser Kletterfahrt ) ist. Hans Iten schreibt mit Brief vom 22. Juni 1952: « Im Leutschach sind, zur Orientierung für alle, die Neuland suchen, keine Grate mehr zu erschliessen. Auch der sehr hübsche Ostgrat des Mittelstockes ist mehrmals überklettert worden. Was eventuell als Neutour noch in Frage käme, wäre im ganzen Gebiet nur noch die Südwand des Männtlisers. » Nach Mitt. Hans Iten ( Langfurren 25, Zürich ). 22. Grosse Windgälle.
Die Südwand der Grossen Windgälle, die erstmals im Jahre 1931 durch W. Weckert und W. Rickenbach durchstiegen wurde, hat auch im vergangenen Sommer Besuch erhalten. Es werden immer wieder neue Varianten gefunden, die auf die einzelnen « Flächen » der Flanke aufgeteilt werden. Wir möchten auf die vierte Begehung hinweisen, die uns Dr. Daniel Bodmer, Basel ( Brief vom 20. Juni 1952 ), mitgeteilt hat und aus dem Tourenbuch Otto Schmuckis t stammt:
Begehung am 18. Juli 1943 durch Otto Schmückt und Jules Gysin:
« Einstieg vom oberen Fürggli aus. Über plattige, abwärts geschichtete Kalkfelsen unschwer auf ein Geröll- und Schneeband nach der Route Gerecht/Wechsler. Durch einen senkrechten, brüchigen Riss auf ein weiteres Band. Links abwärts in einen Kamin traversieren, dann über lange Plattentraverse rechts aufwärts und, einem Riss folgend, auf ein horizontales Bändchen und äusserst schwierig, fast griff los, auf ein 10 m höheres, brüchiges Band. Darauf nach links, dann rechts, senkrechter Riss und plattige Traverse zur Scharte. Fürggli 05.30, Einstieg in die Wand 06.00, Scharte 12.30. Von hier leicht zum W-Gipfel. Abseilen in die Mittelscharte und auf den Hauptgipfel. Abstieg über die Normalroute. » - Die grosse Plattenzone wurde über die Route Gerecht/Wechsler gequert ( siehe « Sport », Zürich, Nr. 86, 1943 ). Diese Route bietet wenig Sicherungsmöglichkeiten und ist sehr schwierig.
Die Südflanke der Grossen Windgälle weist folgende Begehungen auf:
1. 1931: W. Weckert und W. Rickenbach.
2. 1936: Felix Turin mit Trachsel ( Vevey ).
3. 1942: O. Gerecht und S. Wechsler.
4. 1943: O. Schmucki und J. Gysin.
5. 1949: P. Lanz und R. Hürlimann.
6. 1951: G. Styger und Al. Regli.
7. 1952, 22. Juni: W. Zimmermann, P. Freymond und W. Weibel.
8. 1952,6. Juli: H. Schluchter und M. Eiselin jun., 2. Begehung der Route Gerecht/Wechsler, 4 Stunden.
Betreffend die 5. Wandbegehung vom 16. Oktober 1949 siehe Brief von Ing. Reinhard Hürlimann ( Streulistrasse 74, Zürich 7/32 ) unterm 24. Juni 1952; Varia April, Chronik.
Betreffend die 7. Begehung siehe « Sport », Zürich, Nr. 155, vom 21. November 1952, wo ein ausführlicher Bericht eines Teilnehmers abgedruckt ist, aber fälschlich als 4. Begehung bezeichnet.
Die Südflanke der Grossen Windgälle wird in Zukunft als exponierte Kletterfahrt immer wieder Besuche erhalten, und wir zweifeln nicht, dass noch weitere Wege gefunden werden. Aber unzweifelhaft bleibt die Route über den Sporn und die Rippe, die R. Hürlimann beschreibt, die steinschlagsicherste.