Tagebuch aus dem Kaukasus
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Tagebuch aus dem Kaukasus

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aus dem Kaukasus

Walter Belz no, Chur

Im Sommer 1972 weilten acht sowjetrussische Alpinisten in den Schweizer Bergen. Dieser Aufenthalt wurde ihnen durch eine grosszügige Einladung der Schweizerischen Stiftung für alpine Forschung ermöglicht. Während eines Monats konnten sie verschiedene Besteigungen in den bekannten Kletterbergen des Bergells, im Berninamassiv, im Wallis und Berner Oberland unternehmen. Begleitet wurden sie von Schweizer Bergführern aus den Regionen Graubünden und Wallis. Während des einwöchigen Aufenthaltes im Berner Oberland durfte auch ich diese uns lieb gewordenen russischen Kameraden begleiten.

Am Abschiedsabend in Zürich, an dem auch der russische Botschafter und Mitglieder der Schweizerischen Stiftung für alpine Forschung mit ihrem inzwischen leider verstorbenen Präsidenten Karl Weber anwesend waren, schieden wir als gute Freunde mit der berechtigten Hoffnung, einmal die Berge Russlands kennenzulernen, denn bereits bei dieser Gelegenheit erhielten wir eine provisorische Einladung in den Kaukasus.

Im April 1973 traf dann die offizielle Einladung für acht Schweizer Bergsteiger ein. Zu meiner grossen Freude zählte auch ich zu dieser Aus-wahlmannschaft. Als Tourengebiet schlug die Fedcrazije Alpinizma SSSR die Berge im Baksantal vor.

Der Kaukasus, dieses grossartige Grenzgebirge zwischen Europa und Asien, hatte mich von jeher besonders interessiert. Die Schwierigkeiten, welche sich einer Reise dorthin entgegenstellten, verstärkten den Wunsch, wenigstens den Zentralteil näher kennenzulernen. Um einen Begriff von der Grössenordnung dieses Gebirges zu geben, möchte ich darauf hinweisen, dass sich das ganze Massiv über etwa 1200 Kilometer hinzieht. Bergsteigerisch wirklich von Bedeutung ist allerdings lediglich das Gebiet zwischen dem 5600 Meter hohen Elbrus und dem Kasbjek. In diesem genannten Gebiet befinden sich 160 Viertausender und gegen o Fünftausender.

Bis 1936 sind Schweizer Bergführer und Alpinisten an der Erschliessung des Kaukasus massgeblich beteiligt gewesen. Aus bekannten Gründen änderte sich dies, und später war es für uns Schweizer nahezu unmöglich, dieses Gebiet zu besuchen. Ich bin sicher, dass es für viele unserer Bergfreunde interessant sein dürfte, Näheres über die alpinistischen Eindrücke unserer Gruppe zu erfahren, weshalb ich in Form eines Tagebuches darüber berichte.

5. AUGUST 1973 Gegen Mittag findet sich unsere Bergsteigergruppe auf dem Flughafen Kloten ein. Die Reise in den uns unbekannten Kaukasus kann beginnen. Nach einem knapp vierstündigen Flug landen wir auf dem Moskauer Flughafen Schercmje-tewo I und werden dort vom Vertreter der russischen Bergsteigerfederation empfangen und schnellstens durch die Zollkontrolle geschleust. Gena, den stets hilfsbereiten Sibirier, lernen wir bald als lieben Kameraden schätzen; er wird uns während des Russlandaufenthaltes noch manchen guten Dienst erweisen.

6. AUGUST Nach kurzer Kontaktnahme mit der russischen Hauptstadt fliegen wir bereits am folgenden Morgen nach dem 1400 Kilometer entfernten Mine-ral'nyje Vody im Süden des Landes. Von hier geht es per Autobus ins Gebirgsdorf Besengi. Die letzten 22 Kilometer, die zum Bergsteigerlager Besengi führen, befinden sich in einem eher « natürlichen » Zustand und sind nur noch mit Jeeps befahrbar. Beim abendlichen Empfang erfahren wir am Kaminfeuer den angeblichen Grund, weshalb die Strasse nicht ausgebaut werde. In humorvollen Worten eröffnet uns der dortige Lagerinspektor, dass durch diese einfache Massnahme unalpinistische Elemente von dieser grossartigen Bergwelt ferngehalten würden.

Nach einem gemütlichen Abend haben wir bereits wieder neue Freunde gefunden.

7. A U G U S T Das Wetter ist schlecht.

Wir wandern durch das Tal des Mischirgiglet- schers an den Fuss der Dychtaunordwand. Dabei fassen wir die Entschlüsse für unsere ersten Kaukasustouren.

8. AUGUST Nach den hier notwendigen administrativen Vorbereitungen dürfen wir im Lager die bestellten Lebensmittel in Empfang nehmen. Es sind zumeist Artikel, die ebensogut in der Schweiz in einem dörflichen Konsumdepot gekauft werden könnten.

Schwer beladen mit Zelten, Schlafsäcken, Klettermaterial und Esswaren für vier Tage, steigen wir zu den Biwaks auf. Eine Gruppe überquert den Mischirgigletscher, um unter dem 5145 Meterhohen Koschtantau ihre nächste Nacht zu verbringen.

Ruedi, Hansjörg, Andreas, Volodia, Jura und ich steigen weiter hinauf ins Biwak unter dem noch etwas höheren Dychtau. Obwohl wir uns hier auf 3000 Meter über Meer befinden, ist die Vegetation noch recht üppig.

Das Wetter ist schlecht.

9. A U G U S T 01.00 Uhr: es regnet.

03.00 Uhr: es regnet.

05.00 Uhr: es regnet immer noch.

Dies bedeutet, dass der heutige Tag für die Begehung des Grusinischen Pfeilers am Dychtau nicht in Frage kommt. Wir verbringen den grössten Teil des Tages im Zelt und beschliessen, morgen bei Wetterbesserung den Pfeiler anzugehen; im andern Fall wollen wir ins Lager absteigen, um uns neu zu verproviantieren.

Es kommt jedoch nicht dazu...

Die Uhr zeigt 20.30 Uhr; die beiden Russen sind in ihrem Zelt, meine Schweizer Kameraden spielen noch ein Schlaflied, während ich in meinem Zelt den Schlaf suche. Da ertönt plötzlich ein Rauschen über uns. Ich sehe Volodia und Jura aus ihrem Zelt eilen und ducke mich gegen die Das Alpinistenlager Besingi ist in diesem Gebiet der einzige Stützpunkt 2Gepäckverlad im Besingi-Lager 3Teleaufnahme der Uschba mit vorgelagertem Schelda-Massiv 4Idyllisches Zeltlager gegenüber der Schara, auf der Moräne des Besingi-Gletschers schützenden Felsen, als die Druckwelle einer riesigen Lawine, welche sich fast 2000 Meter weiter oben in einem Couloir am Dychtau gelöst hat, unseren Biwakplatz erreicht. Die Russen werden etwa 40 Meter weggeschleudert. Sie sind, wie die übrigen Schweizer, schutzlos dem nachfolgenden Steinhagel ausgesetzt. Wie durch ein Wunder ist nur Jura so schwer verletzt, dass er abtransportiert werden muss. Andreas und Hansjörg holen Hilfe im Lager. Volodia hat einen kleinen Schock. Ruedi und ich betten den armen Jura etwas bequemer. Er bekommt noch einige Schmerztabletten; dann mache ich mich auf den Weg über den Mischirgigletscher, um unsere Kameraden über das Unglück zu orientieren. Als wir zum Unfallort zurückkehren, ist die Rettungsmannschaft dort, und in erstaunlich kurzer Zeit liegt Jura im Arztzimmer des Besengilagcrs. Der rasche Weitertransport scheitert am schlechten Flugwetter; deshalb wird Jura erst am folgenden Abend per Auto ins Spital von Naltschik gebracht.

1 o. august Im Lager herrscht Ruhe. Die Berge sind alle durch den Rettungsdienst gesperrt worden! Ich steige mit einigen russischen Kameraden ein letztes Mal in unser Biwak hinauf, um das zurückgelassene Material zu bergen: Über 100 Meter verstreut liegt alles, Zelte, Schlafsäcke, Schuhe, Kocher, Kleider usw. Unser einst blumenübersä-ter Biwakplatz ist nun voll von Steinen, welche die Lawine von den felsigen Terrassen herunter-getragen hat.

1 1. august Wir treffen Vorbereitungen für eine Tour im Gebiet des Besengikessels.

1 2. a u g u s T Nach Unterzeichnung des Vertrages, der uns das Recht gibt, den fast 5000 Meter hohen Misch- irgi über seinen Südwestgrat zu ersteigen, erhalten wir Proviant in der gewünschten Menge.

Nun kann unser Aufstieg über den langen Be-sengigletscher beginnen. Nach einem etwa fünfstündigen Marsch sehen wir die ganze Besengi-mauer vor uns, einen Talabschluss, wie er in den Alpen nirgendwo zu sehen ist. Über 13 Kilometer zieht sich die Bergkette vom Dychpass über die Fünftausender Schchara, Dschangitau und die Viertausender Katüntau, Gestola, Ljalwer bis zum Zannerpass.

Unser Ziel, der Mischirgi-Westgipfel, liegt links oberhalb des Österreicher Biwaks, das sich, mit einer Holzhütte ausgestattet, auf einer Höhe von 3200 Metern am Fusse der Dychtau-Süd-wand befindet. Wir steigen jedoch noch zwei Stunden weiter und schlagen unsere Zelte auf 4000 Meter auf. Ein herrlicher Abend bietet die Gewissheit, dass der morgige Tag uns den ersten Kaukasusgipfel bescheren wird; schade nur, dass die Köpfe von Andreas und Ruedi noch nicht ganz ausgeheilt sind und sie uns morgen nicht begleiten können.

I 3. A U G U S T Ein wunderbarer Tag bricht an.

Wir steigen auf dem Gletscher zum Sellapass, der uns an den berühmten italienischen Bergphotographen Vittorio Sella erinnert. Von hier schwingt sich der felsige Grat bis zum Westgipfel empor. In anregender Kletterei, die kaum den vierten Schwierigkeitsgrad übersteigt, erreichen wir den Gipfel, von welchem sich eine unvorstellbare Rundsicht bietet: im Osten, in allernächster Nähe, der Koschtantau, dann Sugan, Laboda, Uilpata. In weiter Ferne sind noch die Umrisse des östlichsten Fünftausenders im Kaukasus, des Kasbjek, zu erkennen. Im Westen sehen wir, direkt vor uns, die mächtige Besengimauer, dann Tichtegen, Dschailük, Uschba, Schchelda, Ailama, Tetnuld, Dongusorun. Dazwischen erheben sich Hunderte von Gipfeln, die uns unbekannt bleiben werden. Der höchste Kaukasus-

*f ^#

5Tiefblick aus der Nordflanke der Uschba auf das sogenannte « Polster » 6Aufstieg über den ausgesetzten Gipfelgrat der nördlichen Uschba I'hs Hornberger, Arosa berg, der Elbrus, ist verdeckt durch das riesige Dychtaumassiv.

Ganz benommen von dem intensiven Schauen, steigen wir hinab in unser Zeltlager. Es ist dort schöner als im Tal, wo jeden Abend ein feuchter Nebel aufkommt; darum bleiben wir auch noch eine Nacht hier oben.

14. AUGUST Die Sonne weckt uns.

Gemütlich kochen wir unser Frühstück mit den bewährten Phoebus-Kochern, die uns auch auf dieser Höhe nicht im Stich lassen, obwohl sich das Benzin oft kaum anzünden lässt. Auf dem Abstieg zum Österreicher Biwak haben wir Gelegenheit, Steinböcke zu photographieren.

Eine grosse Gruppe russischer Touristen bevölkert die Gegend. Alle sind mit riesigen Rucksäcken beladen; die meisten tragen genagelte Schuhe, welche unseren « Tricouni » entsprechen. Im Gegensatz zu den Alpinisten dürfen die Touristen nur Wanderungen über Moränen, Gletscher, Pässe usw. machen. Am Seelein an der Moräne erleben wir eine freudige Überraschung: Ruedi, Andreas und Volodia haben sich inzwischen soweit von den Folgen der Lawine am Dychtau erholt, dass sie heute bereits wieder eine Tour auf den Pik Semenowsky ausführen konnten.

Gemeinsam steigen wir ins Besengilager ab.

I 5. A U G U S T Dieser Ruhetag gibt uns die Möglichkeit, einem Training des in Russland weitverbreiteten Wcttkletterns beizuwohnen. Selbstverständlich werden auch wir zum Mithalten eingeladen. Obwohl uns die Sache nicht sonderlich zu begeistern vermag, stellen wir uns zum Kampf gegen die Uhr. Einen Kommentar zu dieser für uns ungewöhnlichen « Sportart » möchte ich jedoch nicht abgeben.

Am Abend sitzen wir mit unseren Freunden am Kaminfeuer. Abwechslungsweise ertönen die melodischen russischen und die ebenso schönen bekannten Schweizer Lieder. Scheint es mir nur so, oder schwingt wirklich etwas mehr Wehmut mit als am ersten Tag?

16. august Wir nehmen Abschied vom Besengilager und lassen uns nochmals kräftig durchschütteln bis ins Dorf Besengi. Hier steigen wir in den Bus, der uns nach Baksan und weiter nach Adii Su bringt. Im Gegensatz zum Besengilager, das über der Waldgrenze liegt, steht das Lager von Adii Su ganz im Wald; wir wohnen hier sogar in Bungalows mit je drei Betten, und üppige Verpflegung zwingt uns auch hier zum Masshalten.

I 7. AUGUST Die Vorbereitungen für eine Tour erfordern glücklicherweise nicht mehr soviel Zeit wie am Anfang. Deshalb können wir bereits heute abend in das Deutsche Biwak am Schcheldagletscher hinaufsteigen. Auf dem Weg dorthin besichtigen wir noch das Alpinistenlager Schchelde, dessen Rettungschef uns die ganze Organisation erklärt. Dass diese nötig ist, wird bald sichtbar, sehen wir doch mehrere Verunfallte, die abtransportiert werden müssen.

Eine unserer Gruppen will das schöne Wetter zur Besteigung des Elbrus, des höchsten Berges im Kaukasus, ausnützen.

1 8. august Frühmorgens steigen Volodia, Dainus, Ruedi, Hansjörg, Andreas und ich in den sogenannten Uschba-Eisfall ein und erreichen ohne grosse Probleme nach knapp drei Stunden das Uschbapla-teau.

Beim Aufstieg auf den Nordgipfel des Uschba werden wir abermals von strahlendem Wetter begleitet. Während Andreas und ich wieder auf das Uschbaplateau hinuntergehen, traversieren unsere Freunde noch den Südgipfel, um nachher in das südliche Swanetien hinabzusteigen. Sie werden dort in allen Ehren empfangen und entspre-chendbewirtet.

Wir kochen erst einmal Tee und statten dann noch dem Pik Schurowsky, einem nahen Viertausender, einen Besuch ab.

Am Abend bleiben wir hier auf dem Plateau, wo uns eine Gruppe Österreicher sowie einige Russen, die sich einige Tage in einer Wand am Uschba aufgehalten haben, Gesellschaft leisten.

I 9. A U G U S T Andres und ich brechen am Morgen früh unser Zelt ab und tragen es an den Einstieg der Schchelda.

Nach fünfstündiger Kletterei in teilweise sehr brüchigem Fels erreichen wir den Ostgipfel dieses Berges. Ob wir wohl erst die zweite Schweizer Seilschaft sind nach den Erstbegehern Robert Helbling und Albert Weber im Jahre 1903?

Nach einigen Abseilmanövern im Fels steigen wir durch eine steile Firnrinne ab, die uns sehr rasch tiefer bringt. Der Uschba-Eisfall ist im untern Teil fast nicht mehr zu erkennen; denn die Sonne hat seit gestern enorme Arbeit geleistet.

Im Deutschen Biwak erwarten uns Volodia, Dainus, Boris und unser besonderer Freund Iwan Iwanowitsch, der uns während des ganzen Aufenthaltes als Dolmetscher betreut. Wir sind ihm sehr dankbar und freuen uns immer wieder über seine originellen Ausdrücke. Seine neue Heimatstadt Duschanbe liegt in Tadschikistan in Mittelasien.

Die Freunde bewirten uns nach russischer Sitte, zuerst mit Kaviar, Suppe und Poulet; dann endlich wird der langersehnte Tee serviert. Wir erfahren, dass Toni, Gübi, Fluri und Hanspeter sich auf dem Anstieg zu uns befinden; doch irgendwo zwischen den Moränen haben wir einander verpasst.

20. AUGUST Ruhetag im Lager. Rückkehr der « Swane-tier », die uns viel zu erzählen wissen.

2 I. a u G u s T Das schöne Wetter wird zum Anstieg in die Elbrushütte Prijut II ausgenützt. Eigentlich wollten wir mit der Luftseilbahn ein Stück hinauffahren, doch aus unerfindlichen Gründen befand sich das Bedienungspersonal nicht in der Talstation. Was blieb uns anderes übrig, als den ganzen Weg zu Fuss zurückzulegen, immerhin 2000 Höhenmeter bis zur Hütte!

22.AUGUST Bei wiederum makellosem Wetter steigt unsere Gruppe zum höchsten Punkt des Kaukasus auf. Obwohl die Besteigung des Elbrus sehr einfach ist, wird sie uns zum bleibenden Erlebnis. Seine Höhe von über 5600 Meter ist imponierend, überragt er doch die Berge seiner Umgebung um mehr als 1000 Meter. Nach dem Abstieg in die Hütte leisten wir uns eine kurze Ruhepause, treffen aber doch bereits zum Mittagessen im Lager von Adii Su ein.

Dort erreicht uns eine schlechte Nachricht aus dem Deutschen Biwak: Toni hat sich eine Fussverletzung zugezogen.

23. august Am Morgen früh erwarten wir den Rettungshelikopter, der Toni ins Spital fliegen soll. Bei der Ankunft dieses Riesenvogels in Adii Su zweifeln wir, ob der Pilot auf dem Schcheldagletscher zu landen wagt. Doch heute klappt es, und unser Patient bekommt bald seinen Gips im Spital von Tirniaus. Über die Behandlungsart schweigt er sich jedoch später aus.

24-AUGUST Wir starten zur letzten Tour im Kaukasus; als Ziel haben wir uns den 4450 Meter hohen Dongusorun gewählt. Der Biwakplatz auf einer Moräne liegt zwar weit von der Nordwand entfernt, und doch ist uns nicht ganz wohl dabei, denn es kracht die ganze Nacht in der Wand; dazu verhindert dichter Nebel jede Sicht.

25. august Der Nebel hat sich während der Nacht aufgelöst. Ein strahlender Sternenhimmel lädt uns zum frühen Abmarsch ein. Ruedi, Hansjörg, Fluri und Sergei wählen den Nordwestpfeiler als Anstiegsweg zum Nordostgrat, während Andres und ich direkt über diesen aufsteigen. Als wir über die Gratkante treten, erleben wir einen Sonnenaufgang von seltener Eindrücklichkeit. Zuerst färbt sich der nahe Elbrus rot. Erst viel später erreicht uns die Sonne, obwohl wir uns schon der 4000-Meter-Grenze nähern. Im Tal von Baksan lagert ein Nebelmeer, welches sich bis in die Ebene hinauszieht. Sähe man nicht im Westen Hunderte von unbekannten Bergspitzen, so könnte man sich auf dem Biancograt wähnen.

Wir sind so gut vorangekommen, dass zum Abschluss noch der Nakra Tau bestiegen werden kann. Trotzdem wird das Biwak schon am frühen Nachmittag erreicht, und im Tal wird noch grusi-nischer Krankenwein für unseren Patienten Toni eingekauft.

26. august Ruhetag.

2 7. AUGUST Abermals werden wir so richtig durcheinandergeschüttelt und -gerüttelt, als wir auf einem Lastwagen ins benachbarte Tal von Adir Su fahren. Leider sind dort die wichtigsten Berge, wie i: ', Ullutau Tiutiubasch ganz im Nebel. Uns bleibt nichts anderes übrig, als die letzte Lagerbesichti-gung über uns ergehen zu lassen.

28. august Abschied vom Lager Adii Su und Busfahrt zum Flugplatz Mineral'nyje Vodi. Auf dem Wreg dorthin haben wir noch einen kurzen Aufenthalt in der Stadt Pjatigorsk, wo wir noch einige Einkäufe tätigen können. Spät abends landen wir in Moskau, sitzen lange mit leerem Magen in der Hotelhalle und warten auf unsere Frauen, die heute mit einer Reisegesellschaft hier eintreffen. Bis dahin gibt es auch für uns keine Zimmer, und wir üben uns in stoischer Geduld - wie es uns übrigens die letzten Wochen gelehrt haben.

29.31. AUGUST Während dieser drei Tage besichtigen wir die Weltstadt Moskau mit ihren Sehenswürdigkeiten; die Abende werden mit dem Besuch von Theatervorstellungen ausgefüllt.

I. SEPTEMBER Der heutige Tag ist für unsere Moskauer Freunde reserviert. Wir verbringen ihn am Stadtrand bei einem ausgiebigen Abschiedsschaschlik.

2. SEPTEMBER Wieder vollzieht sich die Zollkontrolle reibungslos, und früher als vorgesehen hebt sich unsere Tupolev vom Moskauer Boden ab.

Gross ist allerdings unsere Überraschung, als wir in Budapest anstatt in Kloten landen, noch grösserjedoch die Freude über die nachher eingeschlagene Flugroute. Diese führt über den Bala-tonsee nach Triest und Venedig, dann entlang den Dolomiten zum Gardasee und weiter über die Bündner und Glarner Alpen nach Kloten. Wer hätte das gedacht, dass uns ein sowjetrussi- scher Flugkapitän zum Abschluss noch zu einem solch einmaligen Alpenflug verhelfen würde!

Nach einmonatiger Abwesenheit stehen wir wieder auf Schweizer Boden — mit unvergesslichen Erinnerungen an eine interessante Reise, an schöne Gebirgslandschaften und viele neugewonnene Freunde.

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