Wunderliche Wortwesen in Gebirgsmundarten, II
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Wunderliche Wortwesen in Gebirgsmundarten, II

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Von Manfred Szadrowsky

( Ghur; Kranker Schnee, kranke Sonne Chrank ist in verschiedenen Gegenden der Schweiz der Schnee, wenn er weich wird, unmerklich zu schmelzen beginnt, oder trockener Schnee, der sich nicht ballen lässt. Der ursprüngliche Sinn von krank, nämlich « schwach », tritt da noch zutage. Besonders im Bernischen und Bündnerischen heisst chrank, chrauch noch « schwach, kraftlos »: Es wird mer chrauch, « es wird mir schwach zumute ». Ziegen sind im Frühjahr chrank, matt von der Stalluft. Auch Sachen können chrank sein, das heisst « schwach, zerbrechlich, nicht fest », zum Beispiel Garn, Werkzeug, auch ein baufälliges Haus. In einem Rätsel vom Ei heisst es: ,Wirgele, Wargele auf dem Bank; wenn es hinfällt, ist es krank. ' Im Schweizerischen Idiotikon stehen zahlreiche Belege aus dem älteren Schrifttum, Belege für die von der Schriftsprache abweichenden Anwendungen von krank. ,Sind die Landleute zu krank, darum zu richten, so sollen die Eidgenossen richten'( 1385 ): krank brauchte man also auch von politischer Schwäche; .damit nicht ein Teil stark, der ander krank gemacht werde ', das heisst « damit beide Ansichten vertreten seien » ( 1509 ); ,wenn ein Unterpfand zu krank war ', für ungenügend gehalten würde. Auch das Gedächtnis konnte krank sein; darum brauchte man als Eingangsformel für schriftliche Aufzeichnungen Sätze wie: ,Wenn nu(n ) des Menschen Gedenken und syn Natur krank und blöd sind' ( 1389 ). Auch bei den von krank abgeleiteten Zeitwörtern sieht man noch die alte Bedeutung « schwach ». Chran-ken, chräche, chrauche bedeutet « leicht zerbrechlich sein, schwach werden », und zwar von lebenden und leblosen Geschöpfen: D'Sunna chrauchet, ihre Wärme nimmt ab. Im Emmental kann ein Mensch chranknig werden, aber auch die Sonne. Mit albig in der Stube hocke erchrähet me gäre, man wird schwach ( Prättigau ). Ein Blutverlust kann einen Menschen chränken, das heisst schwächen. Chränken und bechränken hat auch, wie schon im Mittelhochdeutschen, den seelischen Sinn « plagen, betrüben, gemütlich angreifen », zum Beispiel von Unglücksfällen, aber zum Beispiel in Obersaxen nicht von Beleidigungen, was im Neuhochdeutschen der Hauptgebrauch ist. Der Appenzeller singt: Lostig, wemm-mer ledig sönd, es wird-is scho no chrenka, wenn Sibni i der Wiege sönd ond Acht. of de Benkai Schnöde Wiesen, schnöde Stunden Dass nach Vadians Bericht ein Toggenburger, der 1315 am Morgarten fiel, den Namen ,Uolrich Schnöd' haben konnte, das leuchtet uns eher ein als der Flurname ,Die schnöden wyssen ', der in zürcherischen Offnungen aus dem 15. Jahrhundert vorkommt. ,Schnöde Wiesen'muten uns sonderbar an.

* I. Teil in den « Alpen » 1943, S. 9 f f.

Aber jener Ulrich war auch nicht .schnöd' im heutigen Sinn, sondern wahrscheinlich arm. Armselig, gering, schlecht konnten auch Wiesen sein, also jenen Namen bekommen. Bei Luther heisst es vom Vieh: ,was schnöd und untüchtig war ', und vom Menschen: .schaue, wie schnöd ich worden bin ', das heisst eben armselig verächtlich. Eine Basler Chronik von 1445 behauptet: ,Es were kein Dorf so snöd, man were sicherer drin den in der Stat Basell. ' Welche Schnödigkeit '! In der St. Galler Stiftsbibliothek liegen Vorschriften für Einsiedler aus dem Jahre 1425: .Der Ainsidel Klaider sond nit ze vil swachgering ) noch ze vil kostper sin, won von kostberen Klaider machot man dass Gemüete gail, aber ze schnödi Kleider geberent Trurikait des Herzen. ' Es gab auch schnöde Speisen, Geldbeträge, allerdings auch schon ,schnöde Walchen'und schnöde Reden. Gewisse Dukaten hatten ,gar schnöd' das Halb-Dublonen-Gewicht. « Mit knapper Not, kaum » bedeutet schnöd heute noch in einigen Mundarten: Es hät 's eso schnöd g'gä, sagt man im Zugerland vom Abschluss einer Arbeit. Von einem Zeitabschnitt bedeutet schnöd « kurz, leicht, schwach ( gemessen ) »; e schnödi Stund ist « eine schwache Wegstunde ». Das Wort ist eng verwandt mit b'schnollen: Si hät-mer b'schnolte d's Milch-mäss g'gi, « sie hat mir knapp das Milchmass gegeben »; es langet, aber b'schnöt-teli, « es reicht aus, aber knapp ».

Sanfter Rahm, mildes Gras, zahme Gegenden Auf dem Vierwaldstätter See beklagte sich ein Reichsdeutscher beim Schiffskapitän über die Grobheit eines Matrosen, der ihm auf die Frage, ob er noch Zeit habe, eine Flasche Wein zu trinken, antwortete: O ja, sauft! Und doch war die Ermunterung gar nicht böse gemeint, sondern einfach eine gut schweizerische Formel, mit der man etwas versichert oder bestätigt. Es steckt sogar ein sehr sanftes Wort darin, nämlich sanft: das lautet eben in manchen Mundarten säft, sauft, sauft, seft. Sefti Chüa sind in Valendas leicht zu melkende Kühe. Sié fti Nidle ist im Saanental süsser Rahm: Isch-si no sie- ft oder scho sür? Der Freiburger klagt über eine ungesalzene Suppe: D'Suppe ist säufti oder: Das ist es säufts Zug, und über eine trockene Frau: Das ist e Säufti! Das Wort sanft kann sich auch auf ein Gefühl der Sattheit, der Übersättigung beziehen: Es wird mer vo Schmutzigem ( von Schmalzgebackenem ) geng grad eso söüft, sagt ein Guggisberger. Der Langwieser rühmt eine schöne Kuh als en g'säfti Chuo. Ein alter Walliser geit nimme saift obschi, er geht nicht mehr leicht bergan; irgendeine Arbeit aber häd er saift g'macht, mühelos gemacht. Ein Walliser Schüler tuet saift lêru, er lernt leicht. Einem Haslitaler merkt-me soift a, das-er daheime Starz überchunt. ,Mit einem Ross hätte man das sauft geführt ', schreibt Gotthelf und R. v. Tavel: ,Dem Junker Christoph sng 's de(nn ) no sauft zuez'troue. ' Ein Berner findet: Mi war söufter ani Frau als mit-ere setiige! oder: I war söufter im Schalle-Wärch als bimene settige WM! Auch in Gurin heisst es: .'ist nit so heiss, mu mag 's säft verlide. Ein Berner Meitschi sagt zum Kilter: Chumm du de(nn ) am Samsteg z'Abed, denn ) mag 's notti sauft a(n)ga-. Man ermuntert einen: Du chast dis Brot no sauft verdiene! und er erwidert: Du chast sauft eso rede! « du hast gut so reden ». Nachdem es lange geregnet hat, chan 's jetz de(nn ) soufi umhi eis schöne. Bei zweifelhaftem WUNDERLICHE WORTWESEN IN GEBIRGSMUNDARTEN Heuwetter sieht man voraus: Es gid hit saift no e Schochesprenggete! oder's cha hüt säft no ragne. In Saanen erzählt einer: Ds Erdbebe hei-mier z'Saane de no säft g'spürt, « wohl gespürt ». Ein Unterwaldner findet: D'Verfassig ist-is sauft nu guet, mer chemid sô kei bessri über; ein Luzerner: Si Bart ist sauft zwo Elle lang; ein Schwizer: I der Dechi sind Fadere sauft es Pfund; ein Walliser Du bist saift so gross als der Brueder; ein Berner in Habkern: Es tuet-der's süft, « es ist gut genug für dich », so auch Gotthelf: ,Es tue ihm 's sauft, die Holzboden zu tragen. ' In einem Berner Kalender war zu lesen: ,Es tuet 's denen Sackers Engländern sauft, über unsern Berg zu fahren und ein paar Tuble dahinten zu lassen. ' Ein Prättigauer klagt, dass die Autos rasend schnell fahren, ung'säft fare, und der Autofahrer ist en ung'safte Chärli, « ein widerlicher Kerl ». Die Muotataler hänselt man mit ihrer Bestätigungs-formel: De nu völlig sauft! Über Erwarten oft nehmen Schweizer das Wort sanft in den Mund, freilich ohne es als solches zu erkennen. Man ist überrascht, wenn man im schweizerdeutschen Wörterbuch der bodenständigen Sanftheit nachgeht.

Auch bei mild, milt ist sinnliche Bedeutung noch lebendig, nämlich ( wie im Neuhochdeutschen ) « nicht rauh » von der Witterung, auch von Wegen: en mute Wäg, ferner « nicht herb oder scharf » vom Geschmack: en mille Win, en mille Chäs, und besonders auch noch « weich », nämlich in Walser Mundarten: Ds Gras ist milts nach einem Regen. Aus dem Altdeutschen und Gotischen sind lauter moralische Bedeutungen bezeugt; aber die Etymologie führt doch auf sinnliche Weichheit zurück, und das weiche Gras hat auf die Bezeichnung mild älteren Anspruch als der freigebige oder nachgiebige Mensch. ,Denn was du wilt, des bin ich milt ', das heisst « darin gebe ich dir nach » ( 1549 ).

Ein Walliser und Walser Wort von ähnlicher Richtung ist malm. Es ist verwandt mit gotisch malma « Staub ». Der Kernbedeutung nahe steht der Ausdruck in Malme län gän, « zugrundegehen lassen ». Das Eigenschaftswort malm, malern bedeutet « weich, zart, leicht »: Das Ärgern ist es malums Vogolli, das heisst, man kommt leicht dazu, sich zu ärgern. Auch der Gesichtsausdruck kann malm sein, das heisst mild, sanft, ferner das Klima, das Wetter: Di Bärga sige friefer vil malumer g'sin, sagt ein Walliser. Es malums Guot ist ein in der Ebene gelegenes Bauerngut, Wiesland. Von Menschen und Tieren heisst malm « zahm, zutraulich »: ,ein malemer Bär, eine malume Taube'( im Gegensatz zu wild ). Das Zeitwort malmen bedeutet in Graubünden ( Langwies ) « zermalmen, vernichten »: .'s het der Stein grad g'malmet, im Südwalsischen ( Alagna ) « zähmen », im Wallis « zahm werden » ( dass .zähmen'ein .Vernichten'sein könne, hat Nietzsche gelehrt ).

Eine Zämi ist eine milde Gegend, angebautes Land, eine nieder liegende Schaftrift, im Gegensatz zu einer Wildi, einer hochgelegenen, rauhen und fast aller fruchtbaren Bodenkultur entzogenen Berggegend. Der Seewiser Pfarrer Sererhard unterscheidet in seiner ,Einfalten Delineation aller Gemeinden gemeiner dreien Bünden'( 1742 ) die Leute, die ,in der Zähmi oder Ebene wohnen ', von den Bewohnern der Höhen. Das rauhe Leben der Bergler ist glücklicher und gesünder als das üppigere des Menschen in der Tiefe: ,Als zum Exempel, wenn wir einen Gegensatz machen in genere zwischen den Wildnern und denen, so in der Zähmi wohnen so befinden wir, dass die Wildner, so auch etwas eignes haben und besitzen, davon sie leben können, es gemeinlich besser haben, als diejenigen, so in der Zähme wohnen. ' Als Zähme stellt der gelehrte ,Bunds-Mann'die Herrschaft Meyenfeld und vier Dörfer, wo noch Wein wächst, der ,eben beschriebenen äussersten Wildnus'dem Avner Tal, entgegen. Er lehrt, dessen alleredelste süsse Wasser, ,die der Natur wohl gesunder und zuträglicher sind als saure Weine ', und dessen süsse Milch ,der menschlichen Natur angemessenste und gedeylichste Nahrung'sei, dürfe man ja nicht verachten. Im Sprachgebrauch des Safiertals bedeutet in der Zemmi dasselbe wie witer, das heisst « weiter weg, drunten im Tiefland, nicht in unsern Bergen »: Da ist-me in der Willi.

Unflätige Stuben, Nidelkellen und Kälber Unflätige Menschen und Worte gibt es in der Schriftsprache. Ein altdeutsches Wort vlat steckt darin. Das bedeutet e Sauberkeit ». Unflat ist in Schweizer Mundarten « Unreinigkeit, Unrat, Kehricht », auch ein schmutziger Gegenstand, ein unsauberer Mensch, ein unsauberes Tier. Sibe Chile, Gott b'hüet-si, und sibe Chind, deren Uflöd, antwortete ein Entlebucher, als man ihn nach seinem Hausstande fragte. Auch ein roher, sittenloser Mensch kann gemeint sein: As ist an usg'marchata und a bara lötaga U/lad g'si! Gegen einen Pfarrer wurde 1569 eingewandt: ,Wir wend keines Junkherren versoffenen Unflaats. ' Dasselbe kann man merkwürdigerweise auch mit dem einfachen Fiat ausdrücken: man mass dem Un- von Unflat die verstärkende Bedeutung bei, die zum Beispiel in U(n)hUffe, U(n)für, « gewaltiger Haufe, gewaltiges Feuer » vorliegt, und verkürzte darum Unflat zu Fiat. Das Eigenschaftswort flät, « rein, reinlich, geputzt », taugt für Sachen, Tiere und Menschen. In der Stubun sind d'Tisch und a'Bäich ganz fìat, « in der Stube sind die Tische und Bänke ganz rein », heisst es im Wallis; as fläts Hüswlb ist eine saubere Hausfrau, as fläts Chalb ein sauberes Kalb. Ein Wetterzeichen: We(nn ) die holzi Nidelcheila /lati ist, we-mu-scha us der dicke Milch nimmt, so blibt 's Wätter. Dieser oder jener « ist nicht sauber übers Nierenstück »: Er ist nit fiate(r ) über d'Läbra. En fiate Ma ist ein braver. Sagt man im Hasletal von einem Werkzeug, es sei flät, so heisst das, es sei « geeignet zu etwas ». Bei Gotthelf kann man lesen: ,Seh,Bueb, bet und nicht so gestottert, sondern flät fort, dass du heute noch fertig wirst '; ,Das miech-i anders und das flät '; « schnell, flink, sogleich, bündig » bedeutet da flät. Frisch gemolkene Milch muss man fläten, das heisst flät machen, durchseihen; vorher ist sie ung'fläiet. Ebenfalls im Wallis kann man auch im Gelände /Tätigen: De Bodun flätige wie en Diu, « alles Gehölz auf einem Grundstück weghauen ». Handgreifliche Anwendungen und geistig-sittliche gehen also in dieser Wortfamilie durcheinander, die im Neuhochdeutschen ganz einseitig dem ethischen Bereich verfallen ist.

Kühne Weide, kühne Wunde, kühnes Beil Chüen hat im Schweizerdeutschen ein paar Anwendungen, die beim schriftdeutschen kühn nicht in Frage kommen. Ein Sinn steht nicht weit ab von dem landläufigen, nämlich chüen für « zornig, aufgebracht » ( Wallis und WUNDERLICHE WORTWESEN IN GEBIRGSMUNDARTEN Graubünden ): Wage Chüeni wage ist er zer Tür usg'gange. Diesen Gebrauch muss man im Zusammenhang mit noch anschaulicheren werten. Im Berner Oberland ist e chüens G'sicht ein gesundes, lebhaft von Farbe. Ebenda und in Graubünden heisst chüen ferner ( wie geit ) « rot angeschwollen, bösartig entzündet, brandig »: e Wunde ist noch chüeni, wenn sie noch nicht genesen will; ein Eitergeschwür ist chüen und rôts ( solange es noch unzeitig ist ). Ferner ist chüen im Berner Oberland « leicht springend, von federharten Metallen », zum Beispiel ,ein kühnes Beil'. In den selben Gebieten, Berner Oberland und Graubünden, braucht man chüen auch von sprossendem Grase, im Sinne von « frisch, jung » ( ähnlich wie frech ): di chüen Weid ist der junge Graswuchs, ferner für « grün » von unreifen Früchten. Dergleichen liegt weit ab vom Begriff « erfahren, weise », den man dem Wort als Grundbegriff zuschreibt, aber nicht weit ab von der Grundvorstellung des « Könnens », wenn man es sinnlich, lebendig auffasst. Im jungen Gras, in grünen Früchten, in einer roten Anschwellung, in gesunder Gesichtsfarbe, in zornigem Wesen, in alledem ist etwas Lebendiges, das chüen ist, wenn auch nicht « kühn » im Sinne der Schriftsprache. « Weisheit », der in einigen altgermanischen Sprachen waltende Sinn von kühn, ist auch ein ,Können ', und zudem geht ja zum Beispiel auch bei fruetig Lebenskraft in Geisteskraft über auch bei chech.

Kecke Heustöcke, kecker Schnee, keckes Brot Keck ist im neuhochdeutschen Sprachgebrauch « kühn » und meistens « überkühn, verwegen », auch « frech »: ,ein keckes Bürschchen ', also ein werten-der Begriff und Ausdruck. Die Grundbedeutung « lebendig » steckt noch ( man kann nicht sagen ,lebt noch ' ) in den Wörtern Quecksilber und erquicken. Diesem ärmlichen Nachleben oder Ausleben gegenüber ist geradezu herrlich die frische Lebendigkeit, die der Abschnitt chäch im Schweizerischen Idiotikon ausstrahlt. Weit und breit in der Schweiz heisst chäch noch « lebenskräftig, lebensfrisch, rüstig »: Ds Marfosi ist ( trotz seiner Krankheit ) no fi chächs ( Wallis ) Ein Mann ist im hohen Alter no alle(r ) chäche(r ) ( Berner Oberland. ) Bei Gotthelf liest man: ,Die meisten Weiber erzählen, was sie ausgestanden, wie sie seither nicht mehr chäch seien, sie dieses und jenes nicht mehr ertragen könnten. ' Man kann chäch dra Si, schaffe, « angestrengt arbeiten », chäch ässe, « mit gutem Appetit essen », sogar chäch schlafe. Wie fest, wacker passt chäch für Ermunterungen: Ler chäch! « lerne fleissig », häb di fri chäch wider! « halte dich recht fest »; entsprechend ermuntert in Ruefs ,Spil von Josephen, dem frommen Jüngling'( 1540 ) der Henker den Sträfling: ,Nun heb keck, Herz, ich will dich schnüeren, dass der Kopf muess den Galgen nieren. ' Auch der Wind gäd chäch und' s rägnet chäch ( Obwalden ). Chäch heisst auch « stramm, derb gebaut, fest »: en chäche Purst, e chäch, schö Wibervolch, « ein strammes Weib », e chächs Chalb, « ein fettes Kalb ». Von Brot bedeutet chäch « gut aus-gebacken, nicht schwammig » ( in der Schriftsprache gibt es kein ,keckes Brot'1 ), von Eis « festgefrore », von Obst « hart, herb » ( Gegensatz teigg ). Der strauig Hampf ist nöud, wer wellend warte, bis er chäche ist ( Schanfigg ). Dr Chäs söti e Bitz chäche si, er ist noch z'jung und z'lugg. 1661 wird ,ein gut, gesund und käck Fleisch'erwähnt; in Obersaxen ist en Chächli(n)g ein Stück gedörrten Fleisches, ( wie rätoromanisch puolpa ), was man im Unterland, d.h. in der übrigen Schweiz, Bündnerfleisch, richtiger Bindenfleisch nennt. Auch für einen festgebahnten Weg passt chäch: en tämmte, chäche Wäg. En chäche Heustock ist einer, dessen Heu fest aufeinander lagert, chäch ufenandere lit. D'Chua häd chäch, ihr Euter strotzt von Milch; ein Ziegenhirt tröstete sich über eine verlorengegangene Ziege: Chunnt schu, wenn hat chäch. 1554 wird verordnet, ,es sollen der Säugammen Brüst keck und voll sein '. Ein Berner Kochbuch von 1796 rät: .Stelle die Pastetenhäfelein voneinander, dass sie trocken und keck werden. ' Man fährt chäch dem Land nache, « hart dem Ufer entlang ». Eine Heubürde ist chäch bunde, « fest gebunden »; i hän schi chäch g'nuog bunde, « straff genug gebunden ». E chächs Fueder kann auch ein schwer geladenes sein: chäch geht in den Begriff des Ausserordentlichen, Gewaltigen über. E chächi Stund ist eine wohlgemessene ( wie e starchi Stund ). Chäche Sehne kann tiefer Schnee sein. Meistens ist aber fest gefrorener Schnee gemeint. Man sagt denn auch: Es ist en Bitz erchächet, « der Schnee ist ein wenig gefroren, die Wege sind fester geworden ». ,Das höchst Alpgebirg, von Is und Schnee erkeckeV ( 1692 ) weist auch solche .Keckheit'auf. Man vergisst vor sinnlicher Fülle beinahe den Seitenweg zum Geistigen und Moralischen, den die .Keck-heit'auch auf Schweizerboden gegangen ist. Frisches, rüstiges Wesen, was chäch im Grunde ist, macht sich an Leib und Seele geltend, auch wehrhafte Art: sich chäch were. Auch « getrost, zuversichtlich » ist chäch: Du chast di chäch verlä, « du kannst dich getrost auf mein Versprechen verlassen ». ,Wald-mann ist fast kechlich und krisienlich gestorben ', liest man in einem Brief von 1489. Ein Sprüchlein von 1562 lehrt: ,By Frommen bissei ) trüw, hantlich, käch; nit gar z'forchtsam, ouch nit z'fräch. ' Aber der Schritt von .Keckheit'zu .Frechheit'ist nicht gross, und leicht der Übergang von « zuversichtlich » zu « ungescheut ». Merkwürdigerweise ist auch die Gegenbedeutung « bieder » bei chäch möglich. Man begreift sie immerhin von der Bedeutung « behäbig » aus; diese ist mit dem Sinn « einflussreich, angesehen, wohlhabend » verbunden, und die Brücke zu solchem Gebrauch führt wohl vom Begriff des « Strammen, Festen, Kernhaften » her ( ähnlich wie bei fest und schwer ); im Thurgau preist man den Pfarrer als starken, ansehnlichen Mann mit den Worten: Use Her ist en brutale Mα!

Beim Wort brütsch geht es ähnlich zu. Der Schwizer tadelt einen: Er ist verfluecht e brilsche Sibechätzer! das heisst ein barscher, mürrischer, trotziger Kerl; der Obwaldner ermahnt einen solchen: Bis numme nit so britsche(r )! Der Urner aber braucht das Wort für « gesund und munter, kräftig, tüchtig » und fragt den Pfarrer, der von einer Taufhandlung kommt: Hend-er e britsche Christ usem g'macht P Nicht umsonst ist etwa einer bös und g'sund.

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