Zwei Jahre Forschung im Hölloch
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Zwei Jahre Forschung im Hölloch

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Mit 5 Bildern und einem Plan ( 134-138Von Hugo Nünlist

Winter 1953/54. Im Vorjahr sahen wir von einem Bericht ab, da im wesentlichen nur Ergänzungsaufgaben im Räume des SAC-Ganges zu erledigen waren. Trotz unergiebiger Kleinarbeit vermassen acht Mitglieder der SAC-Höllochforschung * in 9 Tagen rund 9 km, so dass die Höhle mit 47 km bereits als die grösste der Alten Welt gelten durfte. Wie gern wären wir weiter vorgedrungen, aber die planmässige Aufnahme der Verästelungen ist ebenso wichtig, ja unerlässlich, ermöglicht sie doch das Auffinden von Verbindungen, sogar Flucht-wegen, ferner die Überprüfung unserer Messarbeit und gestattet Einblick zu nehmen in die Labyrinthe beidseitig der Hauptader sowie in die sommerliche Stauwassergrenze. Das methodische Vorgehen wirkt sich auch günstig auf den seelischen Zustand der Teilnehmer aus. Selbst gewiegte Kenner des Höllochs sind in unbekannten Gebieten einer innern Spannung unterworfen, die sich besonders in der Tiefenzone verstärkt, weil man noch ungenügend Bescheid weiss, wie und wo die Stauflut steigt. Diese Wachsamkeit verschärft wohl die Sinne, ruft hingegen kein krankhaftes Verhalten hervor, indem etwa Trugbilder gesehen oder Geister-laute gehört werden.

Von den Gangzusammenschlüssen seien nur vier genannt, a ) Rätselgang-Schuttunnel: Im Geröllschloss hatten wir im Vorjahr Luftzug nordwärts festgestellt, der vom Urner See her gegen den Schuttunnel strich. Wir folgten ihm durch einen blanken, gewundenen Stollen, der unter einem Abbruch in Geschiebe und eine verstopfte Wassersenke ( Rätselsiphon ) überging. Irgendwo musste sich der Wind verflüchtigt haben. Bei Wasserkammern sind gewöhnlich Druckstollen entstanden, die es gestatten, den Riegel zu umgehen. Es blieb Steffen vorbehalten, in eine Schichtspalte zu schleichen, dahinter aufzustehen und Luftströmung zu 1 Dr. A. Bögli, Res Hänggi, A. Bucher, B. Baur, E. Henseler, R. Schönbächler, A. Steffen und H. Nünlist.

melden. Nach wenigen Metern stiessen wir jedoch an eine Wand, die Henseler mit Hilfe des Lehmbelages in der Verschneidung erklomm, wonach uns ein bedrückender Kriechstollen über nassen Lehm, Schotter und rauhen Boden abwärts zu einem finstern Wasserloch leitete, zum Nordende des geschlossenen Gangstückes beim Rätselsiphon. Wir machten rechtsumkehrt; denn von hier verlief ein geräumiger Gang unter unserm Druckstollen durch nach Nordost, so dass wir erneut hofften, doch noch die Teufelsgabel des Schuttunnels, den vorjährigen Endpunkt, aber aus entgegengesetzter Richtung zu gewinnen. Eine schroffe bröcklige Kletter-mauer wurde überwunden, der Emporendom und ein anschliessender See gequert, dann neigte sich der Gang wieder zur verdächtigen Höhe von 665 m hinab, zur mutmasslichen Grund-wasserlinie. Ich litt derart Kopfweh von all den Aufzeichnungen, dass mich Baur entlasten musste. Es war zum Verzweifeln: obwohl wir den Schuttunnel anpeilten, erschien er nie. Wir dachten ans Aufgeben, weil es sich bald um eine 20stündige Fahrt handelte. Da ein Ruf! Wir hatten das zerstörte Steinmal der Teufelsgabel und die Felsschwelle des Nierenstollens gesichtet. Ein Freudentaumel bemächtigte sich unser, wie ich noch keinen erlebt. Wir tanzten, lärmten und umarmten einander, hatte doch der Schuttunnel sein grösstes Geheimnis entschleiert. Jetzt mussten wir nicht mehr abseilen und uns durch die verschiedenen Staumulden winden, sondern konnten über Schuttdom, Hochburg, Schluchterdom gemütlich wandernd das SAC-Biwak II aufsuchen.

b ) Kiesburg-Dreiecksee: Halbwegs zwischen Hochburg und Schuttdom verrät der SAC-Gang einen andern Charakter, weshalb wir vermuteten, eine Ausbuchtung mit ansehnlichem Schotter- und Kiesberg müsse der Schluf zu einem versteckten Gang sein. Tatsächlich ging 's, obgleich kriechend, über Klemm- und Deckenblöcke hinweg nach Osten weiter, bis der flache Stollen in gelbem Lehm erstickte. Linkerhand erhob sich gleichfalls eine Druckröhre jäh im Zickzack empor und senkte sich jenseits des Bodenwalles zum alten Lehmgrund des Versturzganges zurück. Kurz darauf ein 40-m-Abbruch! Baur und Henseler seilten sich an einem Steinklotz ab, zusätzlich gesichert durch die vier andern Gefährten. Nach drei Stunden berichteten sie, einen Riesengang entdeckt zu haben, der den SAC-Gang weit übertreffe. Einen solchen Glücksfall mussten wir unter allen Umständen auswerten. Aber erst nachdem noch zwei Haken eingetrieben waren und den Block sichern halfen, durfte ich es verantworten, dass alle sechs in den Abgrund abseilten. Welches Staunen erfasste uns! Der Quergang übertraf jede Erwartung; denn das Licht reichte kaum von Wand zu Wand. Gerührt nahmen wir voneinander Abschied, um während vier Stunden in beiden Richtungen zu vermessen. Schon nach einer Stunde meldete die andere Gruppe, sie habe das Münster des SAC-Ganges gefunden, den wir ein Jahr zuvor schon vermessen hatten! Derart mächtig ist dieser, dass wir ihn beim Betreten nicht mehr erkannt haben.

c ) Lehmschollengang-Jegerstollen: An Fastnacht 1953 hatten wir den Lehmschollengang 320 m weit bis zu einem 20 m tiefen Absturz eingetragen. Henseler und Baur fiel nun die Aufgabe zu, mit einer Strickleiter den Schacht abzusteigen, was ihnen gelang, wonach sie einen Ausläufer des SAC-Ganges und hernach den Jegerstollen erreichten.

d ) Entdeckung des Hoffnungsganges: Nach der Begehung des Versturzganges hatte die Gruppe Baur/Henseler/Steffen vor dem Münster eine noch unbeachtete Abzweigung erblickt, die hinter hohem Trümmerwerk fast unsichtbar, aber windführend ist. Da der SAC-Gang in ein Wasserschloss taucht, erwarteten wir in diesem neuen Zweig Überraschungen. Es verblieben für die Forschung noch drei Stunden. Die eine Gruppe vermass den ansteigenden Hoffnungsgang bis hinter den Umbradom, während Bucher/Schönbächler/Nünlist Kamin-und Fugenstollen übernahmen. Wie sehr wir bereits ermüdet waren, veranschaulicht folgender Zwischenfall: In einem niedrigen Durchpass, halb im Wasser, halb im Schlammpfuhl liegend, Höll-Loch Muotathal Hochburg im SAC-Gang Die Wölbung der Decke zeigt eindrücklich das Ausmaß des mächtigen Ganges an Der Urnersee kurz vor der Orgelwand. Stauwasserraum zwischen Rätselgang und Rabengang Schluchterdom im SAC-Gang. Diese Halle gerät in die Stauflut des Großen Höllbaches. An der Wand wurde eine Gedenktafel für Hans Schluchter ( f am Jägihorn ) angeschlagen Schluchtgang. Südliche Fortsetzung des Pagodenganges und vorläufiger Endpunkt des 30-stündigen Vorstoßes 134113511361137 - Aufnahmen Bnmo Bauer, Luzern klaubte ich umständlich und verdrossen, weil das Kopflicht erloschen war, mit Pflaster-fingern Zündhölzer aus der Tasche und hielt die Flamme an den Bleistift im Mund. Als die Stirnlampe nicht brennen wollte, lachte jemand im Hintergrund auf und spottete: Du musst eben nicht Holz, sondern Gas anzünden! Ja, es war hohe Zeit abzubrechen und an den langen, holperigen Heimmarsch zu denken. Das Biwak II betraten wir erst nach 25 Stunden Abwesenheit. Nicht immer winkt restloser Erfolg. Schon mehrmals mussten wir wegen Zeitmangels, Erschöpfung oder ungenügender Ausrüstung abbrechen und uns auf später vertrösten. Auf dem Rückweg begaben sich ihrer zwei wegen der Seile durch den Versturzgang zur Kiesburg, die andern benützten eine bereits erforschte Strecke: Dreiecksee-Wirbelstollen-Schuttdom-Kiesburg, wo alle zusammentreffen mussten. Unser Weg war länger, dagegen leichter, weshalb wir zuerst anzukommen glaubten. Und wirklich hatten wir auf Sand und Fallsteinen zu warten. Während des Plauderns ein kaum wahrnehmbarer Kratzlaut. Jeder ungewohnte Ton lässt uns den Atem stocken, dass man den eigenen Pulsschlag vernimmt. Als ob ein Schuss gekracht hätte, setzte das Reden aus, und jeder suchte die Stille mit dem Ohr zu durchdringen. Weil sich nichts wiederholte, unterhielten wir uns weiter. Da, nochmals der unerklärliche Laut: das war zuviel! Wir hasteten auf und durchstöberten die Trümmer, wo die beiden Gefährten verborgen lagen. Feines Knirschen eines Schuhnagels hatte genügt, sie zu verraten. Ein Musterbeispiel wachgebüebener Sinne, trotz des erschlafften Zustandes.

e ) Im Februar 1954 drangen Dr.Bögli und A. Steffen im Rabengang weiter vor und fanden, durch einen Schlund abwärts kletternd, einen neuen Gang von ansehnlichem Ausmass und zahlreiche Abzweigungen, zuletzt einen Doppelschacht von unbekannter Tiefe, wo die Forschung abgebrochen werden musste. Damit war ein bedeutendes Stück des Hochwasser- laufes erfasst worden, der nun mit Ausnahme kleiner Lücken vom Eingang bis in die hintern Abschnitte der Höhle bekannt ist. Nach Abschluss der Arbeiten stiessen Bucher/Hänggi zu den beiden, wonach sie gemeinsam Hallengang und Galerie rouge durch den Schlitzgang vereinigten.

Winter 1954/55. Die Kundfahrt dauerte ebenfalls 9 Tage, vom 26. Dezember bis 3. Januar abends, wobei sich diesmal 12 Kameraden beteiligten. Zwei vorherige umfangreiche Warentransporte, geleitet von Toni Bucher, ermöglichten den Forschern, das SAC-Biwak II gleich am ersten Abend zu beziehen, von wo aus Nachträge erfolgten, so beim Sturzgang, der nach verheissungsvollem Drahtleiterabstieg leider in zwei schäbige Schläuche ausmündete ( Gygax/Nünlist/Schönbächler ). Beim Buchergang aber verzeichnete die Gruppe Schön-bächler/Hegnauer/Nünlist einen schönen Erfolg. Wir hatten das Jahr zuvor hinter der ersten Sandkammer in einer 25-30 cm hohen Druckröhre wegen eines Felsriegels verzichtet. Um ihn wenigstens teilweise zu zerschlagen, nahmen wir einen Hammer mit. Trotzdem wagte ich nicht, mich kopfvoran unter dem Riegel durch in den nächsten Sandkessel hinabzu-zwängen; denn der Rückzug blieb ungewiss. Nachdem Hegnauer die Kleider entleert und zum Teil ausgezogen hatte, keuchte er hindurch, und die Rückprobe gelang, wonach auch wir folgten. Ein Klettergang schraubte sich dann zu einem Schuttwinkel hinauf, wo sich Schönbächler durch ein Loch drückte, die Schlüsselstelle zur Hegnauerhalle, die sich zwischen Isisstollen und Galerie rouge befindet, jedoch 100 m tiefer. Wegen Zeitnot kehrten wir hier um. Die zweite Gruppe, Burkhalter/Baur/Steffen, verband die Einsamkeit mit dem Jegerstollen, dies nach einem eindrucksvollen 30-m-Abstieg auf Drahtleitern durch den Zwillingsschacht, während Gygax/Schneider widrige Zwergstollen übernahmen.

Dr.Bögli entdeckte und beging mit Hänggi in einem vermeintlichen Erker des SAC-Ganges, im Wandloch beim Sturzgang, eine stotzige Kluftspalte, die bis 10 m hoch ist, dann Die Alpen - 1955 - Lei Alpes18 breit und niedrig wird, 6 m auf 1V2 m. Es wimmelt dort von unbegehbaren Abzweigungen. Hernach steilt der Gang nochmals, einer Rutschbahn gleich, in die Höhe, ist aber mit guten Griffen ausgestattet. Oben betraten sie den « Schwamm », ein unglaublich verworrenes Labyrinth aus kleinen Stollen. An diesem Tag wurde von ihnen die Einsamkeit an zwei Stellen - am Ende und an der Breiten Verbindung - vom SAC-Gang aus erreicht. Tags darauf begaben sich Dr.Bögli/Hänggi/Hegnauer erneut durchs Wandloch und erklommen mit Hilfe des Seiles einen Sinterfall zur Westminsterhalle, wo der Klang farbiger Tropfsteine das Geläute der Abtei nachahmt. In der Einsamkeit, die sich in der Folge als unerschöpfliches, zerfasertes Kanalgewirr entpuppte, das sogar stockwerkartig unterhöhlt ist, wanden sie sich durch den Schimmelstollen, der sich durch exzentrische Tropfsteine, schneeweisse Aragonit-ausblühungen und rote Sideritkristalle auszeichnet. Zuletzt wurde noch der Rollgang durchkrochen. Er ist sauber, 6-12 m breit und nur 40-80 cm hoch, weshalb sie sich auf dem Rückweg zum seitlichen Überrollen entschlossen, was sich als vorteilhaft und zeitlich günstig erwies.

Nicht minder aufschlussreich zeigten sich die Verästelungen des untern Schuttunnels, dem wir nach langem Marsch auf dem Umweg über Hochburg und Schuttdom zusteuerten. Südlich der Teufelsgabel, wo eigenartige Schlucktöne wahrnehmbar waren, querten wir einen Weiher, der einen auffallend kräftigen Zustrom, jedoch keinen sichtbaren Abfluss hatte, also Stauungen ausgeliefert ist, und rasteten nachher im Emporendom. Wegen des folgenden grossen, zermürbten Absturzes seilten sich nur Baur/Nünlist ab, während Hegnauer/Schön-bächler oben blieben. Beide Gruppen arbeiteten nun fieberhaft, um schleunigst die von Todeshauch umwehte Grundwasserzone verlassen zu können. Die erste Gruppe stiess zum Rätselsiphon vor und forschte in verschiedenen Zweigen, die entweder in den Schuttunnel wieder einbogen oder in Teichen, möglicherweise im Grundwasser endigten. Nach dem Aufstieg zum Emporendom begegneten wir der andern Gruppe, die bestürzt von der Teufelsgabel herauf, nach dem Vermessen des Emporenstollens, zu uns keuchte und von Wasserrauschen unter dem Gangboden berichtete. Weil zum Glück alle Aufgaben gleichzeitig gelöst waren, beflügelten wir die Schritte, sprangen durch den Emporenweiher gegen die Teufelsgabel zurück und hörten tatsächlich Fliessgeräusche, die beim Hinweg nicht wahrnehmbar waren. Da hingegen der Zufluss des Emporenteiches um die Hälfte gesunken war, beruhigten wir uns wieder; denn der gefährliche Grundwasseraufstoss schien kaum zu drohen. Deshalb trennten wir uns neuerdings zur kartographischen Aufnahme.

Schönbächler/Hegnauer erkundigten eine Querverbindung vom Nierenstollen zum Schutt-tunnel und hätten uns am Nierenstein treffen sollen. Im Schuttunnel aber gelangten sie an einen Wassersack, der bis zur Decke gefüllt war, so dass sie uns über den Nierenstollen einholen mussten. Letztes Jahr waren wir dort noch durchgeschlüpft. Es war also ein ungemütlicher Ort, der selbst im Winter nicht vor Überflutung geschützt ist. Überhaupt enthält der untere Schuttunnel eine Kette von Stauwannen, die sich miteinander füllen können. Selbstverständlich ist unser letztjähriges Steinmannli an der Teufelsgabel nochmals vernichtet worden. Baur und ich schauten noch schnell den Unheimlichen Stollen an, auf der andern Seite jener Wassergruft und in deren unmittelbaren Nähe. Die andern untersuchten unterdessen den Elendstollen, der gegen Lehmtal und Schuttdom hinzielt; von jenem dürfte er den Bach übernommen haben, von diesem Büchsen und Stanniolstreifen, die vom Biwak III ( Schuttdom ) während der Flutzeit wohl herabgespült worden sind. In diesem Stollen hatten die beiden ein aufregendes Erlebnis. Beim Forschen vernahmen sie dumpfe, schwache Töne und rannten in der Annahme, es handle sich um Grundwasseraufstoss, in heftiger Unruhe zum Schuttunnel hinunter, um nachzusehen. Die unbegreiflichen Geräusche stammten von unsern Hölloch-Höhle im Muotatal Feldaufnahme SAC-Höllochforschung Wissenschaftliche Leitung:

Prof. Dr. A. Bögli, Hitzkirch Technische Leitung: H. Nünlist, Luzern Planbearbeitung im Original 1:1000 Prof. Dr. A. Bögli p > Donnertal SAC-Wasserschloss Schuttunnel:

B3 = SAC-Biwak IM ( Schuttdom ) 1Tropfstollen 2Wasserfalle 3Bänderstollen 4Elendstcllen 5Nierenstein 6Nierenstollen 7Teufelsgabel 8Wassergruft 9Unheimlicher Stollen 10Emporendom 11Rätselsiphon 12Druckstollen Titanengang:

1SAC-Biwakl 2Sphinx 3Kiestunnel 4Hallengang 5Schlitzgang 6Galerie rouge 7Engelsburg 8Isisstollen Seengang:

1Wegscheide 2Quelle 3Riesensaal Himmelsgang:

1Pilatusstolien 2Couloir Grange 3Trait d' Union Rätselgang:

1Druckstollen 2Urner See 3Geröllschloss Pagodengang:

1grosser Pfeiler 2Pagodendom 3Pagodensee Buchergang: S = Sandkammern H = Hegnauerhalle Hoffnungsgang:

1Fugenstollen 2Umbradom 3Kletterstollen 4Trughalle 5Schluchtgang hkmnoe = Gang:

Gr. Burkhaltersee Sturzgang Wand loch SAC-Biwak II ( legerstollen ) Schluchterdom Lehmschollengang Lehmtal Hochburg Kiesburg Wirbelstollen Käferstollen Dreiecksee Kaminstollen Pfeilergang Münster Wassergrube Versturzgang:

1Druckstollen 2Abseilwand Unteres Stockwerk SAC-'Einsamkeit:

1Zwillingsschacht 2Westminsterhalle a = b = B2 = d = Tritten. Wir hatten soeben den Unheimlichen Stollen bis zum Grundwasser verfolgt und waren jetzt auf dem Vorbeimarsch zum Bänderstollen. Kein Geisterlaut hatte sie genarrt, sondern das an sich begreifliche Unvermögen, richtig zu deuten.

Tags darauf erkannten Schönbächler/Hegnauer die Fortsetzung des Donnertals als verzweigt: ein Ast läuft in einer Wassergrube aus, der andere verheisst wegen des Windes Erfolg. Unterdessen hatten sich Baur/Nünlist zwei seltsamen Stollen zugewandt, die im Oberteil des Schuttunnels in den leeren Raum wachsen, der Wasserfalle und dem Tropfstollen. Der eine widersetzte sich der Preisgabe durch einen Tümpel, den man liegend durchwaten müsste, dermassen niedrig ist das Gebäude. Auch dieser wird durch Rieselgewässer genährt und zeigt keinen Abfluss. Der Tropfstollen, bald blank, bald schuttig, liess uns bis zur Giessbachwand vordringen, zu einem wohl 20-30 m tiefen Schlund zwischen morschen, nassen und über-spritzten Felsen, die von Eisenoxyd verkrustet waren. Kurz vorher schraubt sich ein Spiralstollen in einen unsagbaren Sumpf hinab.

Der grosse Vorstoss. Am 1. Januar 1955 lenkten unser sechs die Schritte zum Hoffnungsgang, den wir 1954 jenseits des Umbradoms, der den Scheitel eines vom Stauwasser nicht mehr berührten Felsrückens krönt, aufgegeben hatten. Unterhalb eines Pfeilers bog der Gang nach Osten ab. Es schien wegen der Luftbewegung nicht abwegig zu vermuten, eine Querlinie zum verschollenen SAC-Gang vor sich zu haben, dessen Wasserschloss auch den Winter überdauert. Erwartungsfroh rasteten wir unter dem Umbradom. Es nahte der langersehnte Augenblick, der uns Aufschluss geben musste. Die Gruppe Baur/Henseler begann den Gang zu vermessen, während die zwei andern Gruppen so weit vorstiessen, bis sie dankbare Abzweigungen sichteten; den Kriechstollen gedachten wir für Nachträge aufzusparen. Jeger und ich erblickten endlich, nach 400 m, einen ansprechenden, reingefegten, stark aufwärts gerichteten Gang mit Luftzug, den wir gleich unters Messband nahmen. Wir kletterten behend über prächtige Strudeltöpfe, die sich wie eine Felsentreppe darboten. Leider war der oberste Steilhang derart verschüttet, dass auf 10 m Breite keine einzige Pforte offen blieb und die Steinbrocken unter meinen Füssen den Abhang hinunterpolterten. Unterdessen hatte uns Dr.Bögli mit Hänggi, seinem unermüdlichen Begleiter, eingeholt und sich einer luft-führenden Kluftspalte anvertraut, die durch einen Hohlraum unterbrochen war. Sobald auch die erste Gruppe eingetroffen war, bereiteten sie gemeinsam eine Abseilstelle vor und erreichten gleich hernach einen mächtigen Quergang, die Trughalle, welche sie mit einer Steindaube auf einem Riesenblock schmückten. Die Luft strich dort von Nord nach Süd. Wir indessen mühten uns mit magerm Ergebnis bei einem Abstecher durch einen halbver-stürzten Graben, der sich unten zwar teilte, aber nirgends einen Ausschlupf erlaubte - eine richtige Sackgasse. Es gab nichts anderes, als den andern nachzueilen. Ein Zettel beim Steinmal besagte, dass sie, den Wind im Rücken, südwärts auskundschafteten.

Deswegen untersuchten wir von 22 Uhr an den eindrucksvollen Gang nordwärts, gegen den Wind. Nach abschüssigem und vorsichtigem Niederstieg über urweltliche Quadern flachte sich das Ganggewölbe ab. Alles wurde knapp, verursacht durch Schutt und Schlick. In einem Winkel des Torbogens kündigten ein Weiher und tropfendes Wasser eine Stausenke an. Aber immer noch blies die Luft spürbar ins Gesicht, was uns ermutigte, einstweilen durchzuhalten. Teils uns schlängelnd, teils kniend schufteten wir vorwärts. Der Schweiss rann herab, und jeder verletzte sich die schmutzigen Hände beim Einholen des schartigen Messbandes. Blut und Schlamm schleckten wir einfach ab und gaben unserm Ärger beredten Ausdruck. Nur wenig, sehr wenig fehlte zum Verzicht. Unerwartet gerieten wir aber in einen ausnehmend wuchtigen Pfeilergang mit gescheuertem Boden, der gelegentlich 10 m breit und 4 m hoch war, zudem gegliedert durch kleine Felsstufen und nach Nordost in die Tiefe weisend. Nach Nordost? Ich sagte mir unwillkürlich, es müsse die Fortsetzung des SAC-Ganges sein, hinter dem undurchdringlichen Wasserschloss. Frohgemut gingen wir auf breiter Bahn abwärts. Da und dort Kolke auf der Gangsohle, voll klaren Wassers; aus einem Kluft-riss Schoss ein Bächlein hernieder und sprudelte in einer Sickerfurche davon; irgendwo in der Ferne liess sich ein geheimnisvolles, gedämpftes Rollen vernehmen, wohl herrührend von einem stürmischen Wasserstrahl. Es gemahnte mich aufdringlich an das unvergessliche Rollen über dem Wasserschloss des SAC-Ganges, so dass ich leise zu wagen hoffte, den bisherigen Endpunkt von Südosten her zu gewinnen.

Vorher noch eine ungeahnte Überraschung! Ein Kluftdom beherbergt eine Tropfstein-pagode, deren Ausmass mit ausländischen Vorbildern durchaus wetteifern darf: eine schräg anlaufende, ziegelbraune Sintertreppe, darüber eine gelbliche Wulstkuppel mit Dornstab und als Abschluss von der Decke her ein Baldachin. Das Meisterwerk ist gesamthaft annähernd 10 m hoch und der indonesischen Pagode Thuparama-Dagoba verblüffend ähnlich. An Boden lag wie ein gestürztes Götzenbild ein währschafter, gefranster Stalaktit von 2 m Länge und 1 m Dicke, desgleichen in der anschliessenden « Ahnengalerie », wo ausserdem vom Kluftdach herab schwere Sinterzapfen hingen und auf gangbreiter Tuffglocke ruhten. Jahrtausende schauten auf uns hernieder und flössten uns wahre Ehrfurcht ein. Hinter dem Kluftgang entwickelte sich wieder ein geräumiger Ellipsenkanal, aber nun voll Trümmerhügeln, hoch wie Moränen. Muntere Wasserläufe schäumten und tosten aus einem Nebenstollen und verloren sich eigenwillig in den Felsbollwerken. Als das wunderliche Donnerrollen eines fremden Baches wieder anschwoll, wähnten wir, schon recht nah dem Wasserschloss zu sein. Leider hielt uns vorher ein See auf, dessen Doppelpforte kein Schlauchboot bei dem derzeitigen Wasserstand durchgelassen hätte. Auffallend waren die unregelmässigen Luftstösse, die bald vorwärts, bald rückwärts zogen oder zu kreisen schienen. Weshalb überhaupt Wind, trotz dem Wasserschloss? Denkbar ist, dass sich der Gang hinter dem See in einen windstillen Arm zum Wasserschloss und in einen windführenden zum Donnertal teilt, das ja Durchzug angezeigt hat. Uns verblieb nur die Hoffnung, der See sei nächstes Jahr niedriger und ermögliche eine Bootfahrt.

Nun mussten wir uns sputen; denn die Gefährten befanden sich wohl drei Stunden von hier, vielleicht noch mehr, sofern ihnen der südliche Teil des Pagodenganges mit keinen Schwierigkeiten aufgewartet hatte. Wir standen morgens 4 Uhr immer noch am Ufer, füllten Karbid nach und reinigten die Düsen, da widerhallten Schritte! Die vier erschienen wie aus einer andern Welt und erzählten, südlich der Trughalle sei alles durch Schotter verrammelt Sie krochen dennoch eine kurze Strecke hinein und kamen in gebückter Haltung in tiefere Lagen, stets durch schmale Schichtfugen von beträchtlicher Breite. Wasser knurrte im Fels, es lärmten und brausten Quellen hervor, ein Höhlenfluss gurgelte teils sichtbar, teils verborgen durchs Gestein und speiste am untersten Punkt gar ein Seebecken. Solche Beobachtungen verrieten, dass wieder einmal eine arglistige Senke überwunden wurde, die sich unter Umständen schliessen konnte. Auf der Gegenseite der Staumulde tat sich der Schluchtgang auf, der zwischen wilden Wänden in schwarze Räume griff, aus denen ein Bach über Wülste herabfloss und in einen Wirbelkessel klatschte, der mehrere Meter tief war. Henseler erklomm die ersten Aufschwünge. Der Abstieg offenbarte sich jedoch als sehr heikel, besonders wegen der Querung über einer scharfkantigen Wasserschüssel, so dass noch mehr Seile und Haken das nächste Mal mitgebracht werden müssen. Südrichtung, Schräglage und Wind deuten an, dass der Schluchtgang möglicherweise die Tiefenzone, unterhalb 800 m, verlässt und das eigentliche Silberngebiet anstrebt, das wir bis jetzt nur am Nordrand, unter dem Starzlenbach und dem Gutentalboden, gestreift haben. Mit Erlebnissen reich befrachtet, schuhten wir von 5 Uhr morgens an, gelegentlich einen Augenblick auf feuchten, kalten Steinen ausruhend, durch eine endlose Stollenreihe zum SAC-Lager II zurück und sanken nachmittags schlaftrunken nach einem dreissigstündigen Tagewerk in die Biwaksäcke.

Im Bewusstsein, die Forschungen nochmals um ein beträchtliches Stück vorangetrieben zu haben, ordneten unser vier das Lager und die Notvorräte, erstellten Traglasten für den spätere Rückschub, geleitet von Toni Bucher, und verabschiedeten uns am 3. Januar mittags vom Biwak II, das wir noch lieber gewonnen haben als jenes im Titanengang; denn es liegt heimelig im windgeschützten Jegerstollen, bietet ausreichend Platz, ist auf Lehm errichtet und nahe der Wasserstelle des Kleinen Burkhaltersees. Beim Rückblick aus dem SAC-Gang sahen wir noch einen Kerzenstummel brennen, der einsam und kraftlos die Finsternis aufzuhellen suchte. Draussen, vor dem Höhlengitter, wechselten wir gleich in eine andere Nacht, stand doch das Muotatal dunkel vor uns, aber in einem Dunkel, das hell und warm und voller Lichter zu sein schien.

Die Forschung an Fastnacht 1955 dauerte drei Tage und diente Bereinigungsarbeiten im Raum der Einsamkeit. Dr. Bögli/Hänggi/Steffen/Bucher wanderten vorerst durch den Himmelsgang und krochen ungemein anstrengend durch Couloir Grange und Trait d' Union zur Einsamkeit, ja sogar noch zum Jegerstollen, um einige Nachmessungen im unbeschreiblich verwickelten Netzwerk von Stollen vorzunehmen. Hernach packten sie nochmals das Rollganggebiet an und erreichten das vermauerte Ende der sogenannten Himmelsleiter. Dort räumten sie einen Felssturz weg und knorzten sich durch ein künstliches Loch in den Steffen-gang, der hinter einer vielversprechenden Halle sich leider in einen Schleichstollen verwandelte. Unnachgiebiges Kriechen auf Schotter und Trockenlehm liess sie wenigstens den Weißsee entdecken, dessen Fortsetzung hinter blütenweissen Kalzitrosen auf 10 cm Höhe zusammenschrumpft und wo merkwürdigerweise ein bissiger Wind hindurchpfeift. Die Gesamtlänge allein des Rollganggeländes beträgt nun 1042 m.

Nach genauer Auswertung vieler Dutzend Tabellen weist heute das Hölloch im Muotatal eine Länge von 55 km auf. Verglichen mit der Karte Dr.Eglis von 1902, veröffentlicht im SAC-Jahrbuch 38, die nur rund 3J/2 km enthielt ( ohne das bloss angedeutete Untere Stockwerk beim Eingang ), sind also mehr als 50 km hinzugefügt worden, was das Ergebnis von sechs Jahren Forschung darstellt. Wir danken der Schweizerischen Gesellschaft für Höhlenforschung ( SGH—SSS ) für die Leistungen im Abschnitt des Himmelsganges, sowie besonders unsern Gefährten, die sich trotz häufiger Wühlereien nicht abhalten lassen, Ferientage zu opfern, ja unbezahlten Urlaub zu nehmen, und die fast sämtliche Unkosten aus eigenen Mitteln bestreiten, um ein ideelles Werk zu fördern, das weder Uran noch Gold einbringt.

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