Zwei Neufahrten in den Berner Alpen
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Zwei Neufahrten in den Berner Alpen

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Zwei Neufahrten in den Berner Alpen für « überwältigen », geben also unsern Satz en Engel mag defn ) Tüüfel so wieder, dass er wörtlich heisst, « ein Engel kann », po, « den Teufel »; unsere Vermischung von « mögen » und « können » veranlasst ferner einen rätoromanischen Satz, der wörtlich heisst « ich kann nicht Kirschen »: jeu pos buca tschereschas, gemeint ist « ich mag keine Kirschen », also eine irrtümliche Übertragung einer Teilbedeutung von deutsch mögen auf romanisch pudér, « können ».

Es ist Zeit abzubrechen. Ich habe versucht, aus der Fülle der Erscheinungen eine bezeichnende Auswahl zu treffen und Gruppen zusammenzustellen, die Grundsätzliches über Sprachmischung erkennen lassen.

Nur noch eines muss gesagt werden. Es ist so unheimlich viel Entlehnung, Mischung, Wechselwirkung zum Vorschein gekommen, dass die bündnerischen Sprachgestalten als geflickte Lumpenkönige erscheinen könnten. In diesen Ruf dürfen sie ja nicht geraten!

Es sind im Gegenteil besonders hochangesehene und mit Recht gepriesene Sprachen, Rätoromanisch und Walserdeutsch berühmt durch Altertümlichkeit und Eigenart, Churerdeutsch geliebt als klangschönste Schweizer-mundart.

Zwei Neufahrten in den Berner Alpen.

Mit 2 Bildern.

Von Jakob Berger.

1. Fründenhorn-Südwand.

« Wolkig bis heiter und Aussicht auf Besserung der Wetterlage. » So lautete ungefähr die Meldung am 18. Juli mittags. Richtig an dieser Prognose war offenbar bloss « wolkig und Aussicht auf Besserung ». So oder so, wir entschlossen uns, die Südwand des Fründenhorns in Angriff zu nehmen. Zu diesem Entschluss wurden wir noch durch einen andern Umstand gedrängt. Zwei deutsche Bergsteiger, welche die eisige Nordwand des Doldenhorns erklommen hatten, schlugen soeben am öschinensee ihr Zelt auf, und wir « fürchteten », dass sie uns diesen noch ledigen Aufstieg vor der Nase wegschnappen könnten.

Samstag, 18. Juli 1936, trotteten wir abends gemütlich das Gasterntal hinein nach Seiden. Hier war alles überfüllt, und wir begnügten uns mit einer kurzen Ruhe auf der Vorlaube des Seidenchalet. Genau um Mitternacht zogen wir los: die beiden Kandersteger Führer Fritz Ogi, Vater, Hermann Ogi und ich. Die Wetterlage hatte sich inzwischen sehr geändert: das ganze Tal stak in dichtem Nebel, und aus diesem Nebel fiel ein feiner Regenstaub. Ungefähr 2 Uhr morgens, als wir uns dem Alpetligletscher näherten, begegneten wir zwei Turisten, die hatten mit Ski das Breithorn bezwingen wollen! Aber sie waren auf dem Kanderfirn irre gegangen und aus- gerechnet gegen das Birghorn geraten. Nun freuten sie sich, richtigen Weg gefunden zu haben, verzichteten auf weitere Erfolge und stapften mit ihren schweren Hölzern, die sie die halbe Nacht umhergetragen hatten, dem Gasterntale zu.

Kaum auf dem Alpetligletscher angelangt, seilten wir uns an und stiegen auf den Kanderfirn hinüber. Den bereits stark verschrundeten Gletscher querten wir in nordwestlicher Richtung in vielen Schlangenlinien. Um 4 Uhr erreichten wir die Felshänge am Nordende. Die Rippe, die am höchsten hinauf zum Hängegletscher unter der Südwand des Fründenhorns zieht und dort in einem spitzen Dreieck im Gletscher endet, ist der sicherste Aufstieg. Diese Route ist eine leichte, hübsche Kletterei, die uns rasch auf den Hängegletscher führte. Hier oben in etwa 2900 m Höhe kamen wir um 5 Uhr an. Zu unserer Freude waren wir nun der feuchten Nebeldecke entronnen, nur leichte Schwaden stoben an den Felsen herum. Wir konnten von da aus nun unsern Weiterweg erkunden. Von dem Hängegletscher zieht ein etwa 450 m langes Couloir auf den Nordostgrat des Fründenhorns. Wir beschlossen, dieses Couloir anzupacken.

Alsbald traten wir den Aufstieg an. Das unterste Stück des Couloirs ist sehr steil und war stark vereist. Wir betraten daher die Felskante rechts ( östlich ) und stiegen in gutgriffigem Gestein sehr rasch etwa 100 m hoch. Hierauf kletterten wir 50 m im Couloir selber hinauf und wechselten sodann hinüber auf die linke ( westliche ) Couloirflanke. Nach weitern 50 m wird die Wand fast senkrecht. Wir querten wieder hinüber auf die rechte Flanke und stiegen in dieser nun weit hinauf, an die 80 m unter den Grat. Bis hieher hatten wir ausgezeichnetes Klettergelände gehabt: ziemlich steiler, nach innen geneigter Fels, die kleinen Griffe und Tritte sicher und fest. Ich bewunderte die katzenartige Klettergewandtheit der beiden Ogi, hauptsächlich aber den bergerprobten Vater Ogi, der schon 63 Lenze hinter sich hatte. Er hat eine Art Bärencharakter, wirkt etwas schwerfällig, kommt aber Beute in Sicht, wird er flink wie ein Wiesel. Wenn man ihn auf gepflegten Wegen gemächlich dahintrotten sieht, würde man ihm seine Sicherheit, Behendigkeit und Ausdauer im Fels nicht zutrauen.

Zum Andenken an die Bergführerfamilie Ogi in Kandersteg, die nun am Fründenhorn zwei Erstbesteigungen geführt hat, möchte ich das durchstiegene Couloir als Ogicouloir bezeichnen1 ).

Die letzten 80 m des Aufstieges waren ordentlich schwierig: das Couloir sehr steil und vereist, die Flanken fast senkrecht und glatt. Grösste Vorsicht war hier geboten. Einige aus dem Eis ragende Felsbrocken boten verhältnismässig guten Stand und etwelche Sicherungsmöglichkeit. Um 9 Uhr erreichten wir kurz östlich der obersten Abseilstelle den Nordostgrat.

Der Endaufstieg auf das Fründenhorn, 3367 m, der mir bereits bekannt war, interessierte mich weniger, um so mehr aber reizte uns die überaus luftige und frische Abseilerei auf das öschinenjoch hinunter.

* ) Fründenhorn über den Nordostgrat, 12. Juli 1931: Oskar und Kilian Ogi mit A. Carter und Dr. J. Berger. Vgl. Die Alpen 1934, Seite 295—297.

Die Alpen — 1938 — Les Alpes.9 IZWEI NEUFAHRTEN IN DEN BERNER ALPEN.

Bevor wir den Abstieg begannen, hielten wir eine beschauliche Rast. Vorerst besahen wir uns nochmals das eben besiegte Ogicouloir. Es bietet im Aufstieg bis in den obersten vereisten Teil eine sehr lohnende und anregende Kletterei; im Abstieg aber würde es sicher allerhand Gefahren in sich bergen, besonders im Anfang, wo sehr wenig Sicherungsmöglichkeit vorhanden ist. Die Rundschau da oben war von ganz besonderm Reiz. Das Nebelmeer reichte bis auf 3000 m herauf. Was wir darüber sahen, waren nur mächtige Fels- und Eisgipfel und blauer Himmel Aber wir sahen auch Gipfel, die unsere frohe Stimmung verdunkelten: so im Osten die Pyramide des Eigers, wo deutsche Alpinisten einen vergeblichen Kampf mit dem Bergtod kämpften; so über dem Tschingelhorn das stolze Breithorn, wo vor genau fünf Jahren, am 19. Juli 1931, der hoffnungsvolle Führer Oskar Ogi einen tragischen Bergtod gefunden hatte.

Wir machten uns nun an den Abstieg über den Nordostgrat zum Öschinenjoch. Dieser Abstieg ist etwas vom Anregendsten, was sich ein Bergsteigerherz wünschen kann1 ).

Bei der letzten Abseilstelle wurde Hermann Ogi so recht bekannt mit den schikanösen Tücken eines Reserveseiles. Dreimal hat er sich hinunter-gearbeitet. Beim ersten Versuch klemmte sich das Seil am Abseilblock fest. Er kletterte an dem Doppelseil zurück, machte eine Schlinge und seilte ab. Das tückische Seil aber zwängte sich zwischen zwei Steinplatten ein, so dass er es wieder nicht ausziehen konnte. Also die 15 m wieder hinauf, das Seil in Ordnung bringen, und erst nach dem dritten Abstieg beliebte das Seil zu parieren.

II30 Uhr standen wir auf dem öschinenjoch und begaben uns von da rasch auf den öschinengletscher hinab. Von hier querten wir den Ausläufer des Fründenhorn-Nordwestgrates und stiegen zum Bauplatz der neuen Fründenhütte hinüber. Den Öschinensee erreichten wir nachmittags 3 Uhr, nach genau fünfzehnstündiger herrlicher Bergfahrt.

2. Blümlisalphorn über die Westflanke.

Im Spätnachmittag des 3. Juni 1937 verliessen wir — Dr. Paul Siegenthaler von Frutigen, Bergführer Hans Stoller von Kandersteg und ich — das freundliche Gasthaus am Öschinensee und stapften geruhsam das idyllisch-romantische Zickzackweglein zur Fründenhütte hinauf. Dieser Hüttenweg über dem bergumrandeten See sucht seinesgleichen. Durch Lärchenknorren und neuerwachte, in saftigem Olivengrün prangende Aspen, über Schutthalden und Lawinenleichen, über schäumende, spritzende, tosende Bergbäche, dann wieder über sammetweiche Grashalden, die so würzig duften, hernach durch rauhe Absturztrümmer, steile Felswände, zuletzt über einen stotzigen Firnhang und einen luftigen Bogen gelangten wir zur Fründenhütte. Tief unten im See spiegelte sich Fels und Firn, und die Sonne vergoldete den schönsten Bergabend.

Vier Uhr früh verlassen wir das gastliche Heim und überqueren im Scheine der Laterne den Gletscher zum Nordgrat des Fründenhorns. An seiner Westflanke hatten vor einigen Tagen Kandersteger Bergführer Drahtseile angebracht. Diese erleichtern uns den nächtlichen Durchstieg über nasse Platten in steiler Wand ausserordentlich.

Von hier erreichen wir in raschem Aufstieg das Plateau des öschinen-gletschers. Dieser im Spätsommer wildzerklüftete Gletscher ist heute wie risslos, so dass wir ohne Aufenthalt zur Westflanke des öschinenhorns queren können. Da ersteigen wir zuerst eine steile Firnhalde, dann gehen wir in der Flanke — bald über Felsrippen, bald über heikle Couloirs — direkt empor zu einem Firnhang in der Mitte der Flanke. Diesen Hang durchschreiten wir horizontal links hinüber auf den Firnsattel in der Mitte des Öschinenhorn-Nordwestgrates. Es ist 6 Uhr.

Der Firnhang an der Nordflanke des Öschinenhorns ist fest gefroren. Die Steigeisen werden angeschnallt, und wir erreichen in kurzer Zeit die mächtigen Seraks des Hängegletschers an der Westflanke des Blümlisalphorns.

Hier beginnt nun die eigentliche Arbeit. Häufige Hin- und Hergänge, Auf- und Niederstiege, Brückenmanöver, Eishackereien an Spalten und Löchern vorbei nehmen viel Zeit in Anspruch. Unser Führer Hans Stoller, der Enkel des grossen Kandersteger Führers Abraham Müller, führt sicher und gewandt. Nach gut zweistündiger ermüdender Arbeit erreichen wir ein Plateau. Bis hieher waren wir in grosser Kälte gestiegen, warme Sonne empfängt uns jetzt. Aber sie erwärmt nicht nur uns, sondern auch den harten Firnschnee.

Schrägan stapfend querten wir einen steilen Firnhang zu dem Felsrücken, der zum Sattel im Nordgrat des Blümlisalphorns hinaufführt. Dieser Grat bietet in ausgeapertem Zustand keine Schwierigkeiten. Jetzt aber lag weicher Schnee darauf. Dadurch wurde der Fels nass, brüchiger und die Standsicherheit auf den Platten und Grätchen erheblich vermindert.

Vom Sattel über den Platten ( im gewöhnlichen Aufstieg via Rothornsattel ) begann nun ein überaus mühsamer Schneestampf. Bussebeflissen und schweisstriefend schauten wir tief hinab zum Öschinensee, wo wir gestern Nachmittag so guten Walliserwein genossen hatten. Das Bewusstsein, dass dort unten ein widerwärtiges Teleskop aufgestellt sei, gab neuen Impuls. Wir stapften im Bernertempo weiter und betraten genau um die Mittagszeit nach achtstündigem Aufstieg den Gipfel des Blümlisalphorns, 3669 m.

Der Rückweg erforderte infolge des arg aufgeweichten Schnees äusserste Vorsicht. Darum wagten wir weder den Abstieg über den Westgrat zum Öschinenhorn noch den Abstieg zum Rothornsattel, sondern entschieden uns für die Aufstiegsroute. Behutsam erfolgte Schritt für Schritt. In den Seraks rettete das straff gespannte Seil den Vordermann vor dem vollständigen Einbruch in eine Spalte. Drüben an der Nordflanke des öschinenhorns lösten sich beständig kleine Schneerutsche und mahnten uns an die Gefährlichkeit des nun folgenden Querganges. Daher erledigten

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