Zweimal Bergfreundschaft
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Zweimal Bergfreundschaft

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

VON HANS FLACHSMANN, ZÜRICH

Samstag ist es, nach einer arbeitsreichen Woche; der alpine Auftrieb ist von friedlichen Faulen-zergelüsten überschattet. Einen Sonntag daheim zu verbringen scheint recht verlockend, und an Zeitvertreib würde es bestimmt nicht mangeln. Mit unseren Gästen, zwei deutschen Studenten, die nach drei Wochen freiwilligem Arbeitsdienst bei uns noch eine Woche Ferien geniessen, plaudern wir über dies und das. Sehr bald kommt das Gespräch auf das Bergsteigen, und zur Illustration ziehen wir das Buch « Die klassischen Gipfelbesteigungen der Alpen » ( von André Roch ) hervor. An den Bildern vom Salbitschijen-Südgrat bleiben zuerst meine Blicke - und dann aber auch die Gedanken haften. Den Nachtzug nach dem Tessin kann ich noch erreichen, also los! Der Rucksack ist rasch bereit, unter Verzicht auf die Nachtruhe werde ich zur Tagwache in der Salbithütte sein und vielleicht Anschluss an eine Partie finden.

Nur wenige Seilschaften haben in der Hütte genächtigt; zum Teil sind sie schon weg. Der Fusspfad hinüber zum Südgrat ist mir bekannt, und allein komme ich rasch vorwärts. In der steilen Rinne, die an den Fuss des Zahns führt, bewegen sich drei Punkte: drei Bergsteiger. Bis diese am Einstieg sind und sich angeseilt haben, werde ich bestimmt auch so weit sein. Doch meine Rechnung wäre fast falsch gewesen; knapp erreiche ich den letzten Mann der Partie auf der Höhe des Müller-Kamins und kann mein « Anschluss-Gesuch » anbringen. Zu meiner Freude wird es genehmigt, und ich bin der Sorge des Rückzuges, mit Umweg über die Normalroute, enthoben. Trotz der genauen Kenntnis des Aufstieges über den Zahn-Südgrat hätte ich als Einzelgänger auf diese Route verzichten müssen. Auf dem Gipfel des Zahns können wir uns vorstellen. Dann nehmen wir nach dem Abstieg in die Scharte den weitern Aufstieg in zwei Zweierseilschaften in Angriff. Die neuen Seilgefährten waren froh, nicht als Dreierpartie aufsteigen zu müssen. Und ich hatte den erhofften Anschluss gefunden. Nach den Zwillingstürmen suchten wir im oberen Teil noch zusätzliche Schwierigkeiten, und auch die Gipfelnadel erhielt unseren Besuch.

Jahre sind verflossen, die Erinnerung bleibt, und aus dem gemeinsamen Erlebnis ist eine dauernde Freundschaft hervorgegangen.

Eine Ferienwoche in der Sciorahütte, mit einem Freund, guten Verhältnissen und strahlendem Wetter. Ago und Badile schenkten uns prächtige Eindrücke. Wir fühlten uns in guter Form, um die Fuori-Kante anzugehen. In der Hütte waren zwei weitere Bergsteiger, die ihr Glück am Bügeleisen versuchten und abgewiesen wurden. Ihr nächstes Ziel, den Cengalo, strichen sie vom Programm, nachdem sie von den Gemelli aus oft Steinschlag in der Wand beobachtet hatten. Sie waren etwas ratlos und stimmten daher unserem Vorschlag, zur gemeinsamen Besteigung der Fuori-Kante, recht gerne zu. Nach einer gemeinsamen Rekognoszierung am Vorabend starteten wir in der Morgendämmerung des folgenden Tages. Die harte Arbeit bis zum Gipfel gab uns ein Gefühl der Verbundenheit und das « Du » auf dem höchsten Punkt bedeutete nicht nur eine leere Geste. Die Knoten in den damals verschlungenen Freundschaftsbanden halten auch heute noch, obschon inzwischen aus den Gipfelstürmern ebenfalls etwas beschaulichere Bergsteiger wurden.

Sind diese beiden Beispiele, in denen die Theorie, dass mit keinem Unbekannten eine Seilschaft gebildet werden soll, eine Ausnahme? Ich möchte das bezweifeln, denn das Bergsteigen ist bis heute eine ideale Sache geblieben und wird es auch weiter sein und bleiben.

Die Alpen - 1964 - Les Alpes129

Das Sernftal

VON JAKOB MARZOHL, LUZERN Das Sernftal ist eines der schönen Bergtäler der Ostschweiz. Es bietet dem Bergsteiger, dem Na-tur- und Tierfreund sehr viel. Die Länge des Tales beträgt von der Wichlenalp bis Schwanden im Linthtal rund 20 km. Ein naturverbundenes Völklein lebt in einer Gemeinschaft. Nur vereinzelt finden sich Leute, die nicht im Tal geboren sind, und es braucht Jahre, bis sie sesshaft und als Heimische anerkannt werden. In den beiden Dörfern Engi und Matt ist es die Textilindustrie, die einigen Verdienst bringt. In Elm, 1000 m ü. M., dem letzten Dorf und Ausgangspunkt schönster Bergfahrten, spenden Quellen mineralhaltige Wasser. Der Grossteil der Bevölkerung obliegt der Landwirtschaft. Hinter dem Dorf Elm finden wir nur noch vereinzelt karge Äckerlein und kleine Gemüsepflanzungen. Das Klima inmitten der Berge ist etwas rauh, im Sommer und Herbst bei schönem Wetter für Ferien und Wanderungen aber ideal. Aber auf dem Freiberg liegen die grossen saftigen Alpweiden, sie präsentieren die Wohlhabenheit der Talschaft.

Wenn wir von Schwanden mit der Bahn oder dem Auto hinauffahren und Endhalt Elm erreichen, heftet sich unser Blick zwingend auf das grossartige und formschöne Massiv des Hausstockes. Der Berg steht am Ende des Tales in gerader Richtung des Flusslaufes, der Sernf. Er bildet die natürliche Grenze zwischen den Kantonen Glarus und Graubünden, welche sich nordöstlich über den Vorab und die Tschingelhörner fortsetzt. Auf der linken, in Flussrichtung liegenden Talseite erheben sich die westlichen Berge des Sernftales. Auf deren Alpen vom Richettlipass, 2263 m, bis hinaus zum Karrenstock, 2426 m, über die beiden Kärpfgipfel, 2797 m, den Schwarztschingel und den Bleit-stöcken finden wir das älteste Jagdschongebiet der Schweiz. Das Banngebiet ist Ende der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstanden, also vor mehr als 400 Jahren. Ökonomische Gründe sollen den Ausschlag gegeben haben. Heute ist es vornehmlich die ideelle Seite und die Liebe zum Tier in freier Wildbahn, Schongebiete zu erhalten und neue zu errichten. Wie reich wird der Wanderer beschenkt, der hier umherstreift und wachen Blickes die Schönheit der Natur in sich aufnimmt. Läuft er im Morgengrauen gegen den Wind hinauf zum Wild, so kann er ganze Rudel Gemsen im Wechsel aus nächster Entfernung beobachten. Oder er geht einer Waldschneise entlang und steht unverhofft vor einem Fuchs, oder er sieht in die braunen Lichter leichtfüssiger Jungrehe, die, vom ersten Schreck erholt, sich ins Walddickicht flüchten. Der Aar haust über den Graten. Murmeltiere, Hasen, Raubvögel, alle finden da ihren Tisch gedeckt. Wohl begegnet dem Bergsteiger hier oben kaum ein Mensch, dafür aber ist er vom behenden Leben der Tierwelt umgeben.

An der Kirchmauer des Dorfes Elm ist eine Erinnerungstafel angebracht mit den eingravierten Namen derer, die beim Eimer-Bergsturz im Jahre 1881 ihr Leben lassen mussten. Auch das Suwo-row-Haus ziert eine Gedenktafel, die an den Übergang des grossen russischen Generals mit seiner Armee über den Panixerpass Anno 1799 erinnert. Der Weg über den Panixer führt im obersten Drittel durch einen Engpass, den sogenannten Giergel, der schluchtartig, mit abgedachtem Felsboden zur Passhöhe führt. Nach Wallenbruck, etwa 5 km von Elm, gabelt sich der Weg. Rechter Hand gelangt man zum Richettlipass, mit einer Steigung von 1000 m. Hier zieht sich ein Grat, direkt südlich, zum Gipfel des Hausstockes, 3160 m. In nördlicher Richtung steigen wir auf zum Kalkstöckli, umgehen die Felsen eines Ausläufers des Hahnenstockes und schreiten hinunter zum Milchspühlsee und zur Leglerhütte, 2277 m. Hinter dem Hahnenstock steigt ein Grat direkt hinauf zum Grossen Kärpf, dessen Besteigung sowohl von der Erbsalp als auch auf der Westseite vom Unter-Kärpf aus möglich ist.

Ab Wallenbruck links auf dem Weg zum Panixer liegt über dem Plateau der Rotstock, 2627 m. Etwa 500 m nördlich des Gipfels gelangen wir zur Sether-Furka, und über Geröll, Felsstufen und Gletscher zum Vorab, 3031 m. Wenden wir uns von der Panixer Passhöhe aus westlich dem Hausstock zu, so überschreitet man zuerst eine grosse Gletschermoräne und überquert dann den bis an den nördlichen, oberen Felsrand sich ausbreitenden Meergletscher. Von hier steigt man in sorgfältiger Kletterei zum Gipfel.

Oberhalb des Raminerbaches in Elm führt ein Weg durch die romantische Tschingelschlucht auf die gleichnamige Alp zur Clubhütte Martinsmaad, 2002 m. Links hinauf, also östlich, erreicht man den Ofen, überquert unterhalb des Piz Grisch die Seitenmoräne, um über den Bündnerfirn den Vorab zu erreichen. Links des Piz Grisch gelangt man über die Lücke zur SAC-Hütte Nagiens. Vom Ofen aus in nordöstlicher Richtung stehen die Tschingelhörner, die in schwerer Kletterei bestiegen werden können. Am Nordende ist ein grosses Felsenloch, genannt das Martinsloch. Zu Martini, wenn die Sonne fast ihren tiefsten Bogen zieht, sollen die Strahlen der Sonne durch das Loch den Eimer Kirchturm treffen. Bei Punkt 1502 m, der Tschingelalp, geht ein Weg ostwärts zum Segnes-Pass, 2625 m. Zur Linken baut sich das Massiv des Piz Segnes auf, dessen Gipfel 500 m höher liegt als der Pass. Ungefähr in der Mitte des Sauren-Gletschers überquert man den Sardona-Pass und gelangt mit wenig Steigung am Ende des Firnes zum Piz Sardona, 3054 m. Stehen wir auf dem Segnes-Pass und schauen nach Südosten, dann fällt unser Blick auf die gewaltige Felsbank des Piz Atlas, 2926 m. Zwischen den Tschingelhörnern und dem Piz Atlas steigt man nach Flims ab. Im Abstieg vom Pass nach Elm kann man ohne besondere Hindernisse auch noch das Mörderhorn besteigen.

Im Norden der Raminalp, die sich längs des Baches zum Fährispitz hinaufzieht, erhebt sich über der Camperdunalp der 2233 m hohe Fahnenstock, der eine grossartige Rundsicht auf die benachbarten Berge und Täler bietet. Zur Orientierung ist als erste Tour im Gebiet der Sernf eine solche auf den Fahnenstock zu empfehlen. Oberhalb der Alp Matt im Osten zwischen der Kleinen und Grossen Scheibe und dem Foostock zieht sich der Foopass hinüber zur. Fooalp nach Weisstannen. Ins gleiche Tal führt der Risetenpass vom Dorf Engi aus durchs Krauttal. Von der Riseten-Passhöhe wandert man, immer auf dem Grat, über den Faulenstock der Weissgand bis Spitz- und Weissmeilen, variierend auf einer Höhe von 2300 bis 2500 m. Diese Gipfel werden jedoch vorteilhafter von der Spitzmeilenhütte aus bestiegen. Sie sind hier lediglich der Vollständigkeit halber erwähnt.

Das Sernftal bietet eine Fülle verschiedener Möglichkeiten für leichte Wanderungen, Hochtouren und Kletterfahrten. Eine herrliche Bergwelt präsentiert sich, wilde, zerklüftete Schluchten, bizarre Gipfel, Gletscher, weiträumige Alpweiden, fünf wichtige Passübergänge, und in dessen Bereich stehen fünf Clubhütten des SAC. Alle diese Vorzüge dürften dem Bergfreund den Entschluss leicht machen, Ferien oder Touren ins Sernftal zu verlegen. Die mit Bergblumen reich bewachsenen Flühe und Bergweiden werden dem Wanderer eine besondere Augenweide sein.

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