Aus der Geschichte der Landschaften des Clubgebietes
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Aus der Geschichte der Landschaften des Clubgebietes

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Prof. Q. Meyer von Knonau ( Section L'to ).

Ton III.

In einen dicken Schweinslederband als eine der zahlreichen, künstlerisch vielfach hoch vollendeten, durchgängig aber bemerkenswerthen Beigaben eingeheftet, liegt eine Landkarte vor mir, die in eigenthümlicher Weise ein Gegenstück zu unserer Excursionskarte ausmacht, dadurch, daß die linke Seite der Tafel so ziemlich dem neuesten Excursionsgebiete entspricht.

Unser als Künstler und Verleger hervorragender, in Frankfurt am Main niedergelassener Basler Landsmann Matthäus Merian, der Veranstalter des großen, mit den vorzüglichsten Kupferstichen ausgestatteten Sammelwerkes der Topographien mittel- und slid-europäischer Länder, besonders der einzelnen deutschen Reichskreise, brachte auch historische Werke, die theils als Quellenarbeiten, theils durch ihre Bilder-ausstattung bis heute hohen Werth behalten haben, auf den Markt Bis auf das Jahr 1619 reicht die „ Historische Chronik ", für die ihm ein Straßburger Schriftsteller, Johann Philipp Abelin, der sich aber da Johann Ludwig Gottfried nennt — daher „ Gottfried's Chronik " —, den Text compilirte. Das Buch fand Anklang, und jetzt gab Merian an Abelin den Auftrag, diese Schilderung in die Gegenwart hinein fortzuführen. So kamen mitten in den Schrecken des dreißigjährigen Krieges zur Seite der Bände der Topographie die dicken Bücher nach und nach heraus, welche als Theatrum Europaeum rasch eine große Verbreitung gewannen. Zuerst erschien der zweite Theil, über die Jahre 1629 bis 1633, dann erst 1635 der erste, der die Lücke von 1619 bis 1629 ausfüllte, und als Abelin und Merian längst gestorben waren, folgten bis in das achtzehnte Jahrhundert hinein noch neunzehn Bände, welche einen nothwendigen Schmuck jeder größeren öffentlichen Bibliothek ausmachen.

Der erste Band ist es, der aufgeschlagen vor uns liegt. Da finden wir zu 1618 zwei auch in die Topographia Helvetiae wieder aufgenommene Tafeln, ein sehr anmuthiges Bild von Baden im Aargau, als des Versammlungsortes schweizerischer Tagsatzungen, und die — nach den alten noch im Palazzo zu Roncaglia, unweit Chiavenna, aufbewahrten Gemälden zu urtheilen, etwas ungenauen — Ansichten des reichen Marktfleckens Plurs, vor und nach der Zerstörung, ferner zu 1621 eine Ansicht des Bades Pfävers, weil daselbst 1621 der in den böhmischen Aufstand verwickelte und hernach zu Innsbruck hingerichtete evangelische Freiherr von Teuffenbach auf den Wunsch der österreichischen Regierung durch die Handreichung des aus Luzern über die Grafschaft Sargans gesetzten Landvogtes gefangen genommen worden war. Ganz besonders aber ist es eben die „ Wahrhafte Verzeichnus des Prättigöw's, der Herschafft Meyenfeldt, Gelegenheit umb Chur und angräntzenden Landschafften, sampt den Treffen, so die Pündtner mit ihren Feinden gethan, im Jahre 1622 ", welche unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht ' ).

Diese Landtafel zeigt allerdings die denkbarste Verschiedenheit auf, wenn man sie mit unserer mathematisch genauen vermessenen Siegfried-Karte vergleicht. In Reihe und Glied stehen die Berge selbst da, Rätikon und Silvrettakette, die Umrahmung des Schanfigg und die Domleschger-Berge, „ Calanda Mons " und „ Scala Mons " ( so heißt der Alvier-Bergstock ), und recht deutlich legen sich dazwischen die Thäler, höchst kurzweilig mit den eingezeichneten Ansichten von Städten und Klöstern, Burgen und Dörfern; keine der wichtigeren Ortschaften fehlt, und so auf das Ungefähr angesehen, ist der gesammte Anblick des Landschaftsbildes gar nicht schlecht. Aber außerdem ist noch eine Fülle Leben und Treiben in dasselbe hineingebracht, und der Leser findet eine Menge von Dingen, die ihm allerdings eine exacte moderne Karte versagen muß. Wie wird da geschossen und gestürmt! Angriff und Flucht, Mord und Brand füllen diese „ wahrhaffte Verzeichnus " in eigentlichem Reichthum.

Im Prättigau wird um Burg Castels auf das Heftigste gekämpft: Schüsse fallen aus den Thürmen, während vor der die Burg umfassenden Schanzenreihe bergwärts und thalab Truppen stehen, die letzteren um das wehende Panner wohl geordnet. Dagegen bewegt sich eine Schaar in eiligem Marsche über die Grenzberge gegen Montavon, an einer Kirche vorbei, welche augenscheinlich St. Antönien sein soll, und die Vordersten stehen schon in breiter Front vor „ Tuguns " und gegenüber „ Sdirunsu, d.h. Tschaguns und Schruns. Wieder andere Haufen dringen thalabwärts, rechts und links der Lanquart, und sie stehen sowohl zwischen Schiers und Grüsch, als gegenüber auf der südlichen Thalseite in hitzigem Gefechte. Auch bei Cur und unterhalb davon, um Trimmis herum, ist Alles von Soldaten voll; Cur hat zur Verstärkung seines Mauergürtels noch südlich, jenseits der Plessur auf der Höhe, eine einzelne Schanze, nördlich aber gegen Masans einen ganzen Gürtel von Be- festigungen, der sich links an die Plessur, rechts an den Berg anschließt, und eben hier besonders, vom Mittenberg — über Maladers — herab, ergießen sich die Angreifer mit geschwungenen Keulen gegen die Stadt hin und um die Schanze am Bergabhang. Noch heftiger wird um Trimmis gefochten: eine einzelne Schanze liegt hier nordwestlich vom Dorfe gegen den Rhein hin; ein Schanzengürtel zieht sich, gegen Zizers gerichtet, von der Molinära durch die Thalfläche westlich zum Rheine; von den Bergen „ uff Seyes " herab, d.h. vom Dörfchen Sayis herunter, fallen dicht gedrängt die Angreifer auf Trimmis, und schon wenden sich aus dem Kampfgedränge Flüchtlinge zu Pferd und zu Fuß dem Rheine gegen Haldenstein zu. Endlich ist die Umgebung von Maienfeldgeradezu G. Meyer von Knonau.

vollgestopft. Rechts und links von der „ Tardisbruck " liegen Schanzen, die linksseitige hart an der Grenze gegen das Sargansische, und von der rechtsstehenden abwärts gegen Maienfeld folgt alsbald eine weitere Befestigungslinie vom Rheine weg bis gegen den Jeninser-Berg; Truppen stehen vor derselben. Die Maienfelder Besatzung aber hält sich westlich und nördlich außerhalb des Städtchens, gegen Fläsch und gegen die „ Steig " hinauf, deren Einsenkung durch die Schanzenreihe gesperrt ist, heftig fechtend und stürmend. Denn am Fläscher-Berge und zwischen diesem und dem Rheine, von dem in Flammen stehenden Dorfe Fläsch abwärts und in den Schluchten des Berges gegen die Luziensteig aufwärts, wogt das Getümmel einer Schlacht in furchtbarer Wuth; von oben thanen ". Kind sagt, S. 258, sehr gut über die Bedeutung des Kaufes von 1509: „ Nach Erbfolge wäre auch Maienfeld, gleich wie Vaduz und Schellenberg, aus der Hand des letzten Brandis vom Mannsstamme in die Hand der Schwester des Dompropstes Johann von Brandis, Verena, verehelichte Gräfin von Sulz, übergegangen und hiemit auf 's Neue die Vereinigung von Maienfeld mit niederrätischen Landschaften befestigt worden. Wie bedenklich mußte aber gerade nach den Erfahrungen des letzten Krieges diese Vereinigung erscheinen, wenn die natürliche Schutzwehr des Landes St. Luziensteig neuerdings in die Hand fremder Häuser gelangte, und das gilt um so mehr, wenn man beachtet, mit welcher Folgerichtigkeit Oesterreich nachgerade seine Hoheitsrechte über die VIII Gerichte in den absolutesten Formen geltend zu machen wußte und unter Leopold einen förmlichen Unterthanenverband durchzuführen strebte, während Maienfeld intact an der Seite der beiden andern Bünde stand und den dritten Bund allein noch vertrat ".

f-.. Jber wird eingehauen, und Fluchtige rennen zum Strome Lin. Vom Burghtigel von Gutenberg bei Balzersfallen Schlisse nach rechts und nach links.

Daa ist ein Bild der Kämpfe, wie sie, beginnend am Palmsonntag den .24. April, alten Stils, 1622, zwischen den Prättigauern und den Oesterrei ehern „ stattfanden; aber nach der Weise der Zeit findet sich in naiver Art auf einer einzigen Darstellung vereinigt, was durch längere Zeit, auf verschiedene Male vertheilt, stattgefunden hat. So begann die Einlagerung vor Castola schon am 23. April, worauf am 24. selbst bei Schiera mit den durch die Entwaffneten im Walde geschnittenen Prügeln der Feind überfallen wurde. Erst seit dem 1. Mai fingen dagegen die Kämpfe um Maienfeld an; speciell am 4. steckten die Oesterreicher Fläsch in Brand, wurden aber zum Theil niedergemetzelt und in den Rhein gejagt. Am 20. Mai fanden die Kämpfe an der Molinära gegen den aus Cur ausrückenden Baldiron statt, die sich am 26. wiederholten. Endlich, als am 1. Juni die Maienfelder Besatzung capitulirt hatte, folgten am 11. der Angriff auf die Schanze am Mittenberge oberhalb Cur und die Belagerung dieser Stadt, welche am 17 durch Baldiron's Capitulation überging. Zuletzt geschah noch, im ersten Drittel des Juli, neben einem Einfall in das Engadin, auch der Zug in das Monta von, soWeßbalb der Name dieser Burg auf der Excursionskarte fehlt, während Dnfour,. Blatt IX, ihn brachte, wird schwer zu erklären sein. Aber ähnliche, dem Auge des Historikers auffallende Lacken begegnen noch sonst auf den Sieg-fried-Blättern.

19. daß also Ereignisse aus nahezu der Dauer eines Vierteljahres hier in dem Rahmen eines und desselben Bildes zusammengestellt sind.

Es war der im Theatrum Europaeum kurzweg sogenannte „ Prügelkrieg ", oder, nach poetischerer Wendung, es waren die von gepeinigten Prättigauern geschwungenen „ Keulen der Verzweiflung ", wie dieser Kampf anderswo geheißen wird, der Rückschlag gegen den im Herbst 1621 geschehenen Einbruch der Kaiserlichen; aber dieser Befreiung folgte schon in den letzten Augusttagen des gleichen Jahres 1622 die neue Invasion, in deren Folge der Lindauer Vertrag vom September acht Gerichte des Zehngerichtenbundes unter ihnen das Thal Prättigau, nebst Unter-Engadin| der österreichischen Herrschaft geradezu unterwarf. Es ist ein Stück jenes gewaltigen Ringens, als „ die schweizerischen Ostalpen " „ einen der Kampfplätze des dreißigjährigen Krieges " ausmachten * ).

Die eine Ursache des Angriffs der habsburgischen Mächte auf die bttndnerischen Gebiete lag in den eben angedeuteten, vom österreichischen Hause hobenen Ansprüchen auf Abtheitungen des nördliche^ Graubündner Landes, und eben zu diesen Landschaften,.

» ) Unter diesem Titel habe ich im Jahrgang VII ( 1871/72 ), S. 438-468, jene Ereignisse im großen Zusammenhange der Dinge schon einmal behandelt. Doch wünschte der Herr Redactor, daß die Wichtigkeit der Luziensteig sammt nächster Umgebung hier von Neuem gewürdigt werde. Ich verweise also für das Allgemeine durchaus auf jene frühere Darstellung und hebe hier nur Einzelnes heraus, was der Aufgabe dieses Capitels entspricht.

dem Prättigau, den Thälern Schanfigg und Davos, vermittelte der Paß über die Luziensteig den nächsten Zugang; ebenso bildete die wenig südlich von dem Paßübergange liegende feste Stadt Maienfeld, mochte auch dieselbe, gleich der Luziensteig selbst, nicht Zu den geforderten acht Gerichten zählen, eine so nothwendige und erwünschte sichere Stellung, daß das Hauptaugenmerk für ein Eingreifen von der nördlichen Seite her in unumgänglicher Weise auch auf diese Stelle sich lenken mußte. Luziensteig und Maienfeld waren ähnliche Schlüssel für den Weg über Cur und Tiefenkastei nach den Uebergängen des Hochgebirges gegen das Mailändische, wie auf andern Seiten Martinsbruck als Pforte des Engadin und das Wormser Joch als die Paßhöhe, wo sich Spanier und Oesterreicher die Hand reichen konnten, immer von Neuem umstritten wurden.

Am Beginn des Winters von 1621 auf 1622 kamen Maienfeld und Luziensteig ein erstes'Mal in Frage, und zwar stand deren Besetzung im Zusammenhange dem Aufhören der Anwesenheit einer eidgenössi* sehen kriegerischen Abtheilung an der bedrohten Stelle. In den Wirren des Jahres 1620 hatte nämlich Zürich unter dem Obersten Johann Jakob Steiner ein Regiment den Bünden als HUIfstruppe zugeschickt, welches anfangs auf den Boden der wieder zu gewinnenden bündnerischen Herrschaften an der Adda bestimmt gewesen war. Allein nach dem Scheitern jener Unternehmung hatte Steiner schon im Herbst 1620 den Befehl erhalten, in der Herrschaft Maienfeld bis auf Weiteres Quartiere zu beziehen. Mit dem i-A :rt:!J'Frühjahr 1621, als durch die Ansammlung kaiserlichen Kriegsvolks zu Feldkirch die bttndnerische Nordgrenze bedroht zu werden anfing, war für den Augenblick in Zürich davon die Rede, durch Steiner auch die Luziensteig verwahren zu lassen. Doch man kam hievon wieder ab, da die drei Bünde selbst zu dieser Besetzung gemahnt werden sollten. Schon im April schoben sich aber Kaiserliche bis Vaduz vor, und ein Yortrab ging bis zum Katharinenbrunnen auf der Steig selbst auf Ausschau, wobei von bttnd-nerischer Seite, sowie aus Schloß Gutenberg Schüsse gewechselt wurden, und Steiner befehligte nun sechshundert Mann Bündner mit ganzer Fahne zur Bewachung, welchen er noch zwei Rotten seines Regimentes beigab. Steiner war in schwieriger Lage, weil er, von den Befehlen des am Kriege ganz un-betheiligten Standes Zürich abhängig, nichts gegea die, Oesterreicher unternehmen sollte, insbesondere von jedem Ausfall über die Grenze abzustehen hatte. So kam es, daß der Oberst, welcher sich sorgfältig: in Màienfeld zurückhielt, wegen seiner Unthätigkeit von den Bündnern allerlei Vorwürfe anhören mußte. Inzwischen aber schien sich, nachdem nochmals ein Reiterangriff von der bündnerischen Wachtmannschaft glücklich abgewiesen worden war, die Gefahr während des Sommers überhaupt glücklich verzogen zu haben. Um so mehr wuchs die Bedrohung mit dem Herbste, nachdem der bündnerische Versuch, Bormio zurück-zugewiunen, gescheitert war. Der Vertreter der österreichischen Interessen, Erzherzog Leopold, um dessen Hoheitsrechte es sich in den geforderten bündnerischen 1 - »,!"~ir Gebietstheilen handelte, rüstete nun endgültig die Bewegungen gegen Prättigau und Engadin. Am 25. October zog ein Scheinangriff auf die Luziensteig die Aufmerksamkeit ab, worauf aber zwei Tage später von Montavon her über die Gebirgspässe der Angriff auf Prättigau erfolgte. Jetet vollends kamen die Zürcher in vollste Bedrängniß. Steiner berichtete nach Hause, daß er schleunigste Weisung zu empfangen wünsche, „ damit er nicht zwischen Thür und Angel gerathedenn das Land sei allenthalben vorräthen, und wenn er auch sich so gut als möglich zu sichern suchen werde, so protestare er gegen alle Verantwortlichkeit. So erhielt er aus Zürich den Befehl zum Abzüge. Die Kaiserlichen dagegen griffen nun vom Prättigau her auch auf die Herrschaft Maienfeld, obschon sie hier durchaus nichts zu fordern hatten. Am 13. November wurde Maienfeld entwaffnet und besetzt, das dortige Schloß stark befestigt, damit es, wie die Feste Gutenberg von Norden her, von der Sjldseite den Paß versperren könne. Zuletzt wurde der Uebergang über die Luziensteig gelbst gefordert und durch die drei Bünde bewilligt. In solcher Weise war der Schlüssel zum Lande dem Feinde in die Hand gegeben.

So unbedeutend an sich in kriegerischer Hinsicht diese Ereignisse von 1621 waren, so vorbildlich belehrend stellen sie sich für die nachfolgenden Entwicklungen des langwierigen Kampfes heraas. Auf der bttndnerischen Seite zeigt sich bei aller wuchtigen Kraft Zerfahrenheit, Mangel an einheitlichem Plane, Muthlosigkeit nach plötzlichem Aufschwung, woraus sich das schließliche Mißlingen nothwendig erklärt. Von der reformirten Eidgenossenschaft aus ist es wegen der Rücksicht anf die allgemeinen Verhältnisse nicht möglich, in durchgreifender Weise sieh zu beteiligen; so nimmt eben die Geschichte der Anwesenheit des zürcherischen Regimentes einen geradezu kläglichen Abschluß. Der Feind dagegen ist, so lange ihn jetzt die europäischen Verschiebungen nicht stören, im Besitze der wichtigsten Anknüpfungen im katholischen Theile des Landes selbst; er verfügt über eine besser geübte und einheitlicher gehandhabte Kriegsmacht und ist gewillt, in der rücksichtslosesten Weise diese stärkeren Kräfte zur Geltendmachung seiner Rechte auszunützen.

Die entsetzlichen Bedrängnisse des Winters von 1621 auf 1622 riefen nun aber jener Erhebung der Prättigauer Freiheitskämpfer im Frühling 1622, welche unsere vorhin beschriebene Karte darstellt. Auch um die Stellung an der Luziensteig kam es da zu neuen Zusammenstößen.

Am 1. Mai rückten die Prättigauer sogleich vor Maienfeld, das von einem ansehnlichen Theil seiner. Bevölkerung verlassen werden war, und suchten von der Vorstadt aus das Städtchen selbst anzugreifen, in der Hoffnung, die Besatzung zu einem Ausfalle zu reizen, welcher dieser verderblich werden könnte. Aber die Kaiserlichen zwangen durch Peuerlegung die Prättigauer zum Rückzuge, und so ruhte der Kampf am folgenden Tage. Doch am 3. Mai kamen die Angreifer von Neuem und steckten jetzt die andere Vorstadt in Brand, wieder ohne ihren Zweck zu er- reichen. Dagegen wurde auch am gleichen Tage ein Angriff von Balzers gegen die Luziensteig abgewiesen und ebenso ein Versuch, von .der Höhe des Fläscher Berges das Dorf Fläsch in Brand zu schießen, durchkreuzt; einige Bündner jagten die kaiserlichen Soldaten auch hier nordwärts zurück. Um so heftiger war das Gefecht des folgenden Tages, des 4. Mai. Einerseits gingen 1200 Mann Kaiserlicher, die eine Abtheilung wieder über den Fläscher Berg, in das Dorf FJäsch, welches nun wirklich dem Feuer preisgegeben wurde; anderntheils hoffte die Maienfelder Besatzung, die in Fläsch beschäftigten Blindner vom Rücken her angreifen zu können. Aber die Hauptleute Guler und Enderlin rafften nicht einmal ganze hundert Mann, zumeist Prättigauer aus dem Gerichte Castels, zusammen und überfielen die in dem brennenden Dorfe stehenden Feinde. In einem furchtbaren Gemetzel wurden dieselben geworfen, auch die Verwundeten von den Verfolgern mit Keulen erschlagen. Der Anführer, Oberst von Reitnau, suchte umsonst der Flucht Einhalt zu gebieten; er entkam kaum der ( Gefangenschaft. Seine Leute sollen mindestens dreihundert Mann verloren haben, wozu noch viele hinzu-kamen^ welche — zweihundert werden genannt — im Rhein ertranken oder deren Leichen nachher zerstreut gefunden wurden. Auch der Ausfall aus Maienfeld schloß infolge eines Mißverständnisses mit völligem Rückzuge ab. Immerhin dauerte es noch längere Zeit, bis Maienfeld selbst, um welches in einzelnen Scharmützeln stets neuerdings gefochten wurde, an die Bündner überging. In einem dieser Gefechte suchte, während Baldiron am 20. Mai von Cur aus einen Versuch machte, Maienfeld zu entsetzen, der auf der Nordseite stehende Feind gleichzeitig gegen die Luziensteig vorzugehen; aber zum Glück wurde der Kampf um einen Tag verschoben, und so gelang es, besonders dem Obersten Rudolf von Salis, den in zwei Abtheilungen geschehenden Angriff, welcher auf einer Umgehung des Passes hauptsächlich beruhen sollte, abzuwehren, und noch erfolgreicher wurde zwei Tage später, am 23., gekämpft. Der Plan hatte auch an diesem Tage auf einer Umgehung beruht, so daß sechshundert auserlesene Krieger die Bündner auf der Maienfelder Seite beschäftigen würden, während vom Norden her die Paßbefestigung selbst überrumpelt werden sollte. Aber wieder erfocht Salis den Sieg, wobei der Feind über zweihundert Leichen auf dem Kampfplatz zurückließ und viele Weitere durch Ertrinken im Rhein verlor. Am 1.Juni capitulirte endlich die Besatzung von Stadt und Schloß Maienfeld und zog, 850 Mann stark, dazu 157 Soldaten- weiber, über den Paß selbst nordwärts ab.

Doch die Befreiung dauerte nur kurze Zeit. Schon in den letzten Augusttagen drangen die Feinde infolge der durch die Bündner selbst begangenen Fehler abermals in das unglückliche Land ein, " maä jetzt wurde auch an der Luziensteig bei Weitem nicht die Kraft gezeigt, welche hätte erwartet werden dürfen. Zwar stand auf der Luziensteig eine Truppen-abtheilung von sechshundert Mann, und die Schanze war durch den geschickten Ingenieur Ardüser in regelrechter Weise hergestellt worden; die Befestigung diente als Ausgangspunkt für Beutezüge in das Vaduzer Gebiet, Aber als die Kaiserlichen ad -den gleichen Wegen, wie 1621, wieder in das Land eindrangen und insbesondere Prättigau von Neuem überschwemmten, fiel ihnen, als sie durch die Clus'in die Rheinebene hinausdrangen, am 7. September auch die Herrschaft Maienfeld wieder in die Hand. Die Mannschaft auf der Steig war schon aus einander gegangen; kaum gelang es, die in Malans liegende Munition und drei kleine Geschütze ans dem Schlosse zu Maienfeld noch über den Rhein auf eidgenössisches Gebiet zu retten. Dann ergossen sich die Feinde über Malans, das in der Nacht vom B. zum 9. September größeren Theils niedergebrannt wurde, und füllten neuerdings die bis auf zwei Bürger gänzlich verlassene Stadt Maienfeld; diese selbst wurde geschont, weil man ihrer als Winterquartier bedurfte.

Obschon nun in dem noch im gleichen Monat September zu Lindau abgeschlossenen Vertrage, welcher die acht Gerichte und das Unterengadin von den beiden Bünden abtrennte und als Unterthanen Oesterreiehs erklärte, von der Herrschaft Maienfeld ausdrücklich nicht gesprochen worden war, so ging dennoch Erzherzog Leopold in bestimmter Weise darauf aus; auf der innerhalb der Grenzen der Herrschaft liegenden Luziensteig eine Festung zu erbauen und dauernd besetzt zu halten. Die geknechteten Bünde mußten, um den Abzug der Besatzungstruppen erhoffen zu können, in diese Bedingung einwilligen, und so schrieben sie selbst, nebst der Herrschaft Maienfeld, im Juni 1623 an die Eidgenossen, sie hätten, um sich von der Last der Einquartierung zu befreien, den Bau erlaubt. Aber auf der eidgenössischen Tagsatzung zu Baden im September, welcher auch der französische und der venetianische Gesandte bei- wohnten, erhob sich lauter Widerspruch hiegegen, und auch die katholischen Orte willigten ein, daß dasjenige Stück des Vortrags des französischen Am-bassadors Miron in den Abschied mitaufgenommen wurde, welches sich gegen diesen Bau einer österreichischen Festung aussprach. Miron hatte ausgeführt, die Einwilligung der Bünde sei mit Gewalt abgenöthigt worden, und die Eidgenossenschaft müsse zur Erhaltung der eigenen Sicherheit die Augen offen behalten und die noch unerörterten Streitigkeiten gütlich beilegen, weil sonst solche „ Breschendiesen Ausdruck brauchte der Gesandte — dem Feinde die Hoffnung auf noch weitere Erfolge gewähren würden. Allerdings wäre auch die gemeineidgenössische Herrschaft Sargans durch eine solche Anlage sehr ernsthaft bedroht worden. Eben der von den schweizerischen Orten her laut gewordene Wider- stand führte nun dazu, daß von österreichischer Seite die Sache aufgegeben wurde.

Die glücklichere Wendung, welche endlich im Herbst 1624 durch das kräftigere Eingreifen Frankreichs zu Gunsten der Bünde zu Tage trat, machte sich wieder zuerst an der Nordgrenze geltend. Ein mit französischem Gelde geworbenes Heer, das sich unter der Anfuhrerschaft des Marquis de Ooeuvres gesammelt hatte, vollzog seinen Einmarsch auf blind nerischen Boden. Schon am 24. October hatte Rudolf Salis als Oberster des bündnerischen von französischer Seite geworbenen Regimentes den Befehl erhalten, von Niederurnen aus so schnell wie möglich auf die Luziensteig zu ziehen und hier sich zu befestigen; am 28. sollte das geschehen und zugleich die Rheinbrücke besetzt, die Vereinigung mit den beiden andern Bündner Regimentern, welche Rudolf von Schauenstein und Andreas Brügger führten, vollzogen sein. Alles vollführte sich ordnungsgemäß. Die Luziensteig war durch die Oesterreicher, welche einen Angriff gefürchtet hatten, schon geräumt und völlig verlassen. Eine Stunde nach Tagesanbruch war Salis an dem ihm bezeichneten Tage mit wehenden Fahnen und klingendem Spiele in Ragaz eingezogen, und wie der Paß an der Steig, wurden auch die Rheinbrücke und die Clus am Eingang des Prättigau besetzt. Die Befreiung schien, wenn auch nicht aus eigener Kraft, durchgeführt zu sein.

Aber noch einmal, im fünften darauf folgenden Jahre, kam es zu einem unerwarteten verderblichen Einbrüche der Kaiserlichen, für welchen nun die Luziensteig die einzige Eingangspforte bildete. Es war die Armee, welche Kaiser Ferdinand II. zum Eingreifen in den mautuanischen Krieg nach Italien warf, die ohne jede Ankündigung sich den Durchmarsch so erzwang.

Das kaiserliche Heer, welches Graf Merode befehligte, pochte zur gleichen Zeit an die Pforten des Landes, wo das ankündigende kaiserliche Schreiben in Cur erst übergeben wurde. In der Mitternachtsstunde des 26. Mai kam das Schreiben in Cur an, 1r mit der Ankündigung, daß der Graf mit den Bünden wegen des Durchpasses nach Italien zu unterhandeln wünsche: man möchte auf den folgenden Tag, den 27., einen bündnerischen Bevollmächtigten an die Grenze beim Katharinenbrunnen schicken. Aber der Einmarsch geschah so rasch in der Nacht vom 26. auf den 27.r daß die Nachricht sehr wahrscheinlich klingt, die bündnerischen Abgeordneten seien dem einbrechenden Heere, obschon sie Cur in den ersten Frühstunden des 27. verlassen hatten, schon an der Brücke über die Lanquart begegnet. Nach einer andern Erzählung hätten dagegen die Boten den Grafen von Sulz, an welchen sie gewiesen waren, auf. Schloß Gutenberg wirklich getroffen, wären dann aber absichtlich hingehalten worden, damit, während sie noch außerhalb der Landesgrenzen sich befänden, der Einmarsch in 's Werk gesetzt werden könnte. Wie dem nun immer sei, am 27. zogen 15,000 Mann, 51 Corn pagnien Fußvolk und 11 Schwadronen Reiterei, über den Paß in die Herrschaft Maienfeld ein und lagerten sich hier in der Nacht vom 27. zum 28. Darauf hielt Merode, welcher nach Cur vorwärts rückte, wie die Luziensteig, so auch die Brücken über den Rhein und die Lanquart in seiner Obhut. Allein die Kaiserlichen bewiesen durch die in 's Werk gesetzten Befestigungsarbeiten für Jeden, welcher sehen wollte, daß ein Teil der einmarschirten Truppen nicht bloß an die Sicherung eines raschen Durchzuges, sondern an eine bleibende Einlagerung im Lande zu denken habe. Der Ritter Fortunat Sprecher von Bernegg, welcher aus eigener Kenntniß in seiner Geschichte der bündnerischen Kriege und Unruhen diese Dinge schildert, zählt die Befestigungen auf, welche die Kaiserlichen mit dem im Mai sogleich mitgebrachten Werkzeuge ausführten, und wohin sie die mitgeführten Feldgeschütze stellten. Auf der Luziensteig bauten die Soldaten bis in den September die Adlerschanze. mit zwei Vorwerken von einer Seite des Berges zur andern, auf dem Fläscher Berge eine Traverse, welche sie „ Liebeshöhe " nannten, und ebendaselbst dem Rheine zugewandt eine Redoute, „ Schwalbennest " ge- heißen. Ebenso stellten sie an der Rheinbrücke die 1625 unter Cœuvres begonnene sogenannte französische Schanze, unter Beifügung von Erweiterungen, her und nannten sie „ die österreichische Stadt "; eine Redoute jenseits des Rheines hieß „ die heilige siegreiche Maria ", und unterhalb der Brücke stellten sie hier auf dem linken Ufer auch einige frühere Wälle her. Bei der bischöflichen Brücke über die Lanquart entstand eine Redoute mit dem Namen „ der Wächter ", allerdings nicht für lange Zeit, da der Fluß dieselbe bald wegriß l ).

Zwei Jahre dauerte von Neuem das grausame Geschick des Landes, von dem Zwange der Fremden abhängig za sein. In den eben genannten und in weiteren zur Bewachung des Landes auf den Straßen nach Italien angelegten Befestigungen blieben sechstausend Kaiserliche als Besatzung, und erst der Friede von Cherasco 1631 entschied, daß der Kaiser das Land Thalenge sperrenden Verschanzung zum Kirchlein. Hier ist auf der östlichen Straßenseite eine wohl angelegte Schanze eingezeichnet, und gleich südlich davon gegenüber der Kirche findet sich ein großes Lager angegeben. Bei Maienfeld liegt auf der Bündner Seite ein Kahn, welcher für die am Ufer abbrechende Straße die Verbindung über den Rhein nach dem jenseitigen Sarganser Ufer zu besorgen hat. Auf den Feldern um Maienfeld und gegen Malans hin aber sprengen einige Reiter und nähern sich dem Lager, welches, etwas landeinwärts von beiden Flüssen in der Ecke zwischen dem* Rhein und der Lanquart, auf die nördliche Seite ded letzterb Flusses hingestellt ist. Ans der Gegend dieses Lagers fahrt, gleich unterhalb der Einmündung der Lanquart, eine, offene Brücke über den Rhein, welche auf der rechten Seite de » Stromes durch eine Schanze bewacht ist; ebenso liegen jenseits des Flusses zwei kleinere Festungswerke, und von der Brücke weg abwärts hat die Straße nach Ragaz zwei parallele Befestigungamauern zu passiren. Die Lanquart selbst ist wenig oberhalb ihrer Mündung gleichfalls mit einer offenen Brücke überspannt, der „ Bìschoffabruck " ( der heutigen obern Zollbrücke ); auch hier liegt auf der nördlichen Flußseite eine Schanze. Endlich befindet sich noch vor der Clus, zwischen der von Malans nach dem Prättigau führenden Straße und der Lanquart, ein Sehanzwerk, welches den Eingang in das Prättigau sperren soll. Man sieht, daß auch wieder Anlagen, die erst in den nächsten Monaten entstanden, gleich zur Illustration des im Mai eingetretenen ersten Ereignisses herangezogen sind.

-r- e 7 m"i » ,'räumen lassen müsse.Vor ihrem Abzüge schleiften die Oesterreicher die Festungswerke an der Luziensteig und bei der Rheiribrttélte. Freilich wurde es Herbst, bis auch die Maienfelder Besatzung das Land verließ.

Allein Rätien hatte nochmals in der europäischen Kriegsgeschichte dieser Jahre nachdrückliche Nennung zu finden. Denn Cardinal Richelieu nahm die Bündner Pässe in Aussicht, um von da aus Spanien und den Kaiser kriegerisch zu beschäftigen, und in jeder Weise suchte nun Frankreich, in Graubünden wieder Boden zu gewinnen. Bündnerische Streitkräfte traten abermals in französischen Sold, und Herzog Heinrich von Rohan übernahm den Oberbefehl über dieses Heer. Sogleich wurde nun auch, obschon der Kaiser und die mailändische Regierung sich verwahrten, weil das dem Frieden widerspreche, an die Herstellung der niedergerissenen Festungswerke gegangen. An der Luziensteig erwuchs ein Viereck nebst zwei durch etfte Verbindungslinie in Berührung mit einander gebrachten Blockhäusern an jedem Bergabhang; die Rheinschanze, das Fort de France, war ein Viereck mit vier AuJßenwerken auf jeder Seite. Allerdings fielen nun die Hauptereignisse durchaus auf den Boden der abgerissenen italienisch redenden Unterthanenlande, innerhalb deren Grenzen Rohan 1635 vier Haupttreffen gewann. Aber es war daneben von dauernder Wichtigkeit, die Eingänge zur Herrschaft Maienfeld gut bewacht zu lassen, und so erschien besonders die Rhein-festung fortgesetzt als ein für die Franzosen wichtiger Platz.

Auch als sich 1637 die entscheidenden Fragen wegen der Wiedererlangung des Veltlin und der Unterthanenlande überhaupt zusammendrängten und durch die vieldeutige Handlungsweise des Georg Jenatsch über Rohan die Nothwendigkeit hereinbrach, auf seine Stellung in Graubünden zu verzichten, wenn er nicht über das Land einen neuen Bürgerkrieg heraufbeschwören wollte, bewegte Sich ein Theil der wichtigsten Entscheidungen abermals über die Rhein- schanze und die Luziensteig. Nachdem Rohan mit genauer Noth am 19. März vor den zum Abfall gebrachten bündnerischen Regimentern sich hatte retten können, schloß er sich mit dem unter dem Befehl des Obersten Kaspar Schmid stehenden Zürcher Regiment in der Rheinschanze ein, während zwei Tage darauf die abgefallenen Regimenter auf die Luziensteig rückten und hier den Rohan treu gebliebenen Obersten Andreas Brügger zwangen, den Befehl ab zugeben, worauf seine Mannschaft den Eid für Frankreich auf kündete und den Bünden Schwur. Nach diesem weitem Erfolge wurde die Rheinschanze völlig eingeschlossen und Rohan dazu gebracht, dieselbe zu übergeben. Der Herzog wies es ab, die Anerbietungen vieler Prättigauer und Davoser, sowie von Leuten aus den naheliegenden IV Dörfern, anzunehmen, welche ihm ihre Dienste entgegenbringen wollten, und er übergab die Rheinschanze auf den 27. des Monats durch förmlichen Vertrag an die Bünde; die in der Festung befindlichen Truppen, soweit sie nicht zum Regimente Schmid gehörten, sollten sofort abziehen. Aber auch die noch im Veltlin stehenden, W&ä -: - von Rohan's Obersten Lecques befehligten Truppen wurden nach diesem Vertrage angewiesen, ihre Stellungen zu räumen und den Marsch nach der Rheinschanze anzutreten, um hier gleichfalls das Land zu verlassen.

Eben die letzten Ereignisse, in deren Mitte die edle Erscheinung des „ guten Herzogs " hervortritt, fallen in die Umgebung des Fort de France und der Rheinbrücke. Einen Anschlag, welchen Lecques vorgelegt hatte, Cur zu überrumpeln und die abgefallenen btindnerischen Obersten blutig zu züchtigen, hatte Rohan von sich gewiesen, und so kam es zur vollen Durchführung des Vertrages vom 26. März.

Diese ergreifenden Ereignisse fallen in die ersten Tage des Mai.

Am 5. Mai verließ der Herzog Cur und gleich darauf überhaupt den Boden des Landes, für welches er so viel gethan hatte. Er befahl, auch die Rhein-feste, welche bis dahin noch von Oberst Schmid und dem Regimente desselben besetzt gewesen war, an Oberst Peter Johann Guler zu übergeben, welcher im Namen der Bünde davon Besitz nahm. Mithandelnde Graubündner geben eine anschauliche Schilderung der Vorgänge bei dem Abzüge. Sprecher von Bernegg weiß, daß die bündnerischen Häupter sich noch in Cur zu dem Herzoge begaben und ihm für seine heldenmüthige Hülfe bei der Eroberung der Unterthanenlande den Dank des Landes aussprachen, wobei sie zugleich dem Scheidenden die bündnerischen Angelegenheiten auch für die Zukunft empfahlen. Wohlwollend entgegnete Rohan, daß er das bündne- 20 risene Volk liebe und daß dieses stets ein Gegenstand seiner Sorge und derjenigen des französischen Königs sein werde. Er mahnte, das Land mit Klugheit Ztr verwalten und die Verträge zu hatten, meinte aber, seinen Kopf zum Pfände einsetzen zu sollen, daß die Spanier das Veltlin den Bündnern nicht lassen wurden; er wünsche — so schloß er —, Gott möge die Blindner wegen ihrer Unklugheit und Undankbarkeit nicht züchtigen. Ueber den Abschied bei der Landesgrenze am Rheine weiß Ulysses von Salis-Marschlins in seinen „ Denkwürdigkeiten " zu sagen, daß der Herzog über die Brücke hinweg und bis unterhalb derselben von Jenatsch und allen übrigen Obersten und Hauptleuten begleitet worden sei. Dann fährt er fort, Lecques sei mehr als einmal im Begriffe gewesen, Jenataeh niederzuschießen, und habe zu diesem Zwecke stets nach der Pistole gegriffen; aber der Herzog habe St b gebeten, sich um Gottes willen zu mäßigen, die Jenatsch in guten Treuen sie begleite. Bei der V abschiedung wollte Jenatsch auch Lemma dié reichen '; aber der Franzose zog seine Hand znrliE mit den Worten, die Hand eines Verräthers an seinem ftönige könne er nicht berühren, worauf Jenatsch erschrocken verstummte.

— Die Befestigungen an der Luziensteig sied, nach den Bedürfnissen der Zeit erneuert, noch heute vorhanden und regelmäßig der Schauplatz kriegerischer Uebungen der heutigen Bewaffnung der Eidgenossenschaft; denn die Nordpforte der Herrschaft Maienfeld ist nunmehr ein schweizerischer Grenz-eingang. Die Schanzanlage des Fort de France da- gegen ist in;d«rôegenwart rtto noèl » ffi schwachen Resten sichtbar 1 )! und von den übrigen in den wilden Kämpfen des siebzehnten Jahrhunderts im Gebrauche gewesenen Befestigungen ist vollends keine Spur geblieben.

TV.

In den letzten Wochen des Bestandes der alten Eidgenossenschaft, am Beginn des Jahres 1798, als die Heeresabtheilungen des französischen Directoriums sich bereit hielten, um den von General Bonaparte vorgezeichneten Plan der kriegerischen Ueberschwemmung der Schweiz mit allen Mitteln der Hinterlist und Gewalt durchzuführen und das von Paris dem neu zu gestaltenden französischen Vasallenstaate zu-gemuthete Verfassungsproject den Kantonen aufzu-nb'thigen, als die gesammte alte Ordnung der Dinge aus den Fugen wich, da erhielt auch das eidgenössische gemeinschaftliche Unterthanenland, die Grafschaft Sargans, die Freilassungsurkunde2 ).

l ) Das Siegfried-Blatt 415 verzeichnet „ Rohan's Schanze " zwischen der Tardisbrücke und Malans.

- ) Der letzte Landvogt war gin katholischer Glarner, Georg Anton Hauser von Näfels. Dessen Vorgänger, 1795 bis 1797 im Amte, Hans Ulrich Hofmeister von Zürich, muß zu Sargans die besten Beziehungen festgehalten haben, wie noch ein Vorfall von 1811 beweist. Am 8. Dezember dieses Jahres verbrannte nämlich das ganze Städtchen Sargans, 79 Häuser und 42 Nebengebäude, wobei eine Mobiliarschädigung Arim. Der Verfasser sprach, nhier dem Titel: Hans Konrad Escher von der Linth als politischer Friedensve'if-mittler, am 28. Februar 1890 vor der Section Uto über das Thema von IV.

Schon am 11. Februar baten die Sarganser um Befreiung von der bisherigen Oberherrlichkeit, sowie um den Anschluß der befreiten Landschaft an die Eidgenossenschaft, mit der feierlich zugesicherten Erklärung, daß sie und ihr Land es sich zur heiligen Pflicht machen werden, durch eine ohne fremde Einmischung frei einzurichtende, neue Landesverfassung unter Gottes Beistand zuerst den ungekränkten Bestand der Landesreligionen, ferner die Sicherheit der Personen und die Rechte alles und jeden öffentlichen und privaten, geistlichen und weltlichen, fremden und einheimischen Eigenthums mit vereinten Kräften zu schützen, sowie im Falle der Noth Gut und Blut zur Verteidigung des gemeineidgenössischen Vaterlandes einzusetzen. Die Repräsentanten der regierenden acht von 40,500 Gulden eintrat. An den Sammlungen für die Verunglückten welche im Ganzen mehr als 21,000 Gulden betrugen betheiligte sieh der in Sargans auch sonst noch im besten Andenken stehende ehemalige Landvogt zu Zürich aufs Eifrigste, so daß ihm nach dem bald darauf, 1812 erfolgten Tode der Walenstaader Dichter Bernold. der zu seiner Zeit wohl bekannte sogenannte „ Barde von Riva ", in einem schönen Nachrufe u. A. das Lab spendete: „ Du nicht Vogt des Landes, Du warst der Vater des Volkes, liebtest zärtlich Dein Volk, wieder geliebet von ihm ". Uebrigens war von Bern aus'auch eine frühere Landvögtin, Frau von Wagner, deren Gatte 1781 bis 1783 in Sargans gewaltet h atte, für die Hülfeleistung sehr hingebend thätig gewesen. Das Neujahrsblatt der zürcherischen Hülfsgesellschaft von 1813, welches von diesen Dingen berichtet, hat als Kupfer-blatt eine sehr gelungene, von dem ausgezeichneten Künstler Hegi gestochene Ansicht von Sargans, die etwa aus der Gegend des jetzigen Bahnhofs aufgenommen ist.

I % Orte sprachen darauf das Land von der bisherigen Unterthanenpflicht auf das Feierlichste frei und ledig, unter Uebertragung der bisherigen oberherrlichen Rechte auf die Landschaft selbst, und anerkannten diese letztere als ein für sich selbst bestehendes Glied der Eidgenossenschaft. Das wurde am 3. März auf dem allgemeinen Repräsentanten-Congreß zu Frauenfeld urkundlich bezeugt. Sechs Abgeordnete, der Amtslandammann, der Pannerherr des Landes, die Amtsschultheißen von Sargans und von Walenstaad, die Amtsvorsteher von Mels und von Wartau — die Männer tragen auch jetzt noch im Lande geachtete Namen: Bertsch, Good, Broder, Huber, Oberli, Sulser — empfingen die Zusicherung, und ebenso erhielt darauf eine Abordnung die gleichen Erklärungen hinsichtlich der Gemeinden Ragaz mit Pfävers, Vättis und Valens, vom Fürstabte und dem Convent von Pfävers. Jetzt gestaltete sich am 25. März auf einer Landsgemeinde zu Heilig-Kreuz bei Mels das Land als Freistaat und ernannte eine drei Mitglieder zählende provisorische Regierung, welche freilich das nöthige Geld, 1600 Kronenthaler, für die ersten Einrichtungen beim Stift Pfävers leihweise entheben mußte. Allein diese Sarganser Selbstherrlichkeit dauerte nur sehr kurze Zeit hindurch, gleich wie die in den benachbarten umgestalteten Gebieten, Rheinthal, Werden -berg, Gaster, Uznaoh, ja sogar auch in der wenige Dörfer zählenden früheren Herrschaft Sax und in Rapperswil erwachsenen kleinen, gesonderten Republiken sich nicht zu halten vermochten. Mit den ostwärts vordringenden französischen Waffen kam die Forderung zur Unterwerfung unter die neue in Aarau constituirte helvetische Einheitsrepublik. Zwar fochten auch Sarganser neben den Glarnern auf Sßhwyzer-Boden bei Wollerau in den ersten Maitagen gegen die Franzosen für ihre neue Unabhängigkeit. Doch gleich den Urfichweizer-Landsgemeinden mußten diese jüngsten Demokratien ihren Nacken gleichfalls unter das Joch beugen.

Allerdings war in dem ersten Entwurf der neuen Landeseintheilung auch ein Kanton Sargans in Aussicht genommen gewesen, der nördlich rheinabwärts zum Bodensee, westlich bis Rapperswil hätte .reichen Solleo. Aber jetzt hatte sich Sargans einem Kanton Linth einzufügen, der auch das Glarnerland und Stücke von Jjäehwyz in sich schloß; das Land machte yon den sieben Districten desselben denjenigen aus, dar nach Mels genannt wurde. Dann rückten, als der neu ausbrechende Coalitionskrieg sich ankündigte, im Spatberbfite des Jahres auch hier die Franzosen ein, und nachdem schon den ganzen Winter hindurch schwere Militärbelastung das Land gedrückt hatte, konnte man im Frühjahr 1799 aus nächster Nähe die Eröffnungskämpfe des Krieges um die Stellungen bei Maienfeld und bei Feldkirch beobachten. Freilich mußten, als die Kaiserlichen den Rhein überschritten hatten, die Franzosen das Land räumen; aber im Serbate kehrten sie nach dem Siege in der zweiten Schlacht bei Zürich bis an die Rheingrenze hin zurück.

In den nächsten Jahren des heftigsten Partei-gegensatzes und der allgemeinen Auflösung ging mit der ganzen helvetischen Republik auch der Kanton Linth seiner Zersetzung mit sicheren Schritten entgegen, und bis 1802 sanken die helvetischen Ein- richtungen gänzlich dahin. Schon war im Februar dieses Jahres in einem der sich rasch nach einander drängenden Entwürfe ein Kanton St. Gallen ganz in dessen späterer Begrenzung vorgeschlagen worden, dann aber mit dem ganzen Plane ohne Durchführung geblieben. Jedoch 1803, in der vom Consul Bonaparte der Schweiz als Landesgrundgesetz gegebenen Vermittlungsacte, war dieses Kantonalgebiet, dem als siebenter der acht Districte Sargans angehören sollte, endgültig aufgestellt. Zugleich hatte Bonaparte in trefflicher Wahl den Staatsmann beauftragt, welcher die so mannigfaltig zusammengesetzten Gebiete einheitlich ordnen und daraus den Staat erbauen sollte. Das war der frühere Beamte des St. Galler Stiftlandes, der auch in der helvetischen Zeit mehrmals hervorgetreten war, Karl Müller, welcher nach einem seinem Vater früher höchst willkürlich geschaffenen Adelstitel „ Müller von Friedberg " hieß1 ). Gegenüber den tiefgreifenden örtlichen, besonders aber confessionellen Gegensätzen, gegenüber den ganz ungleichen nationalökonomischen, politischen, durch Charakter und Unter- rieht bedingten Verhältnissen dieser vor 1798 in zehner-lei völlig von einander abweichenden staatlichen Ge-staltungenlebenden Bevölkerungen wußte der schöpferische Staatsmann, mehr durch gewandte Findigkeit, durch geschicktes Ausweichen, als mit einschneidender Thatkraft, aber überall fleißig, einsichtig, wohlerfahren und vor Allem klug, die aus Paris ihm vorgezeichnete Arbeit zu leisten. Seine Geschmeidigkeit trug auch den Sieg über den starren Widerstand des hartnäckigsten Vorfechters der alten Dinge, des aus der Ferne stets von Neuem auf die Herstellung seines Stiftes, seiner ehemaligen Hoheit arbeitenden früheren Fürstabtes Pankratius von St. Gallen, davon; durch keine geeignetere Kraft hätten die Ansprüche der neuen Zeit für den Kanton St. Gallen vertreten sein können.

Von den verschiedenen unleugbar großen Fort schritten, welche die etwas mehr als zehn Jahre der Mediation, einer ruhigen, unausgesetzten, arbeitsreichen Friedenszeit brachten, hatte auch das Sarganserland Genuß. Wie die neue Kantonsregierung insbesondere auch der Verbesserung der Straßenzüge ihr Augenmerk zuwandte, so gedachte sie die Rheinthaler-Straße, welche durch den starken Verkehr über die Tardisbrücke nach Cur wichtig war, für den Betrieb richtiger anzulegen, und eine hauptsächlich der Besserung bedürftige Stelle fiel auf Sarganser Gebiet, gleich unterhalb des Städtchens Sargans am Wege nach dem Wartauer Ländchen am Schollberg. War nämlich am Ende des Mittelalters die Anlage einer in die Felsen gehauenen Saumstraße von Trübbach her gegen Sargans, welche die bis dahin auf enge Bergpfade beschränkte, höchst beschwerliche Verbindung überflüssig machte, für jene Zeit ein wesentlicher Fortschritt gewesen, so genügte jetzt hinwieder diese Straße durchaus nicht mehr, und die sogenannte Hochwand sollte gesprengt werden. Die Regierung, in ihr zumeist der als Rheinegger für die Sache auch persönlich interessirte, thatkräftige Meßmer, schlug 1810 den Bau einer neuen horizontal geführten Strecke durch die Felswand am Rheine entlang vor, besonders auch, wie sie betonte, um zu zeigen, daß es nicht scheine, als hätte sich bloß der zunächst unter ihren Augen liegende Theil des Kantons der Sorgfalt von oben her zu getrösten, um vielmehr auch das* Oberland mit einer Gabe zu beschenken. Es war Alles umsonst; der staatswirthschaftlichen Commission des Großen Rathes erschienen die geforderten 100,000 Gulden als eine zu große Summe, und so wurde nur die bisherige Straße besser hergestellt. Noch bis 1822, wo dann in der tieferen Lage der Bau wirklich zu Stande kam, mußten die Fuhrleute auf dem höheren Straßenzug über den Berg hinweg sich abmühen. Dagegen wurde bekanntlich seit den Tag- Satzungsbeschlüssen von 1803 und 1804 und nach den endgültigen Anordnungen von 1807 der Bath durchgreifend entgegengearbeitet. Wo die alte Eidgenossenschaft mit ihren ganz fehlenden Com-petenzen einer einheitlicher gestalteten Leistung, bei allem guten Willen, wie er in Berathungen sich darlegen mochte, nicht hatte helfen können, da griffen nun die Mediationsregierung und der neu geschaffene Kanton St. Gallen ein. Zwar litten ja vom Sarganser Lande zunächst nur die unteren an den Walensee stoßenden Gebietstheile im vollen entsetzlichen Grade. Aber was der edle, hingebende Mann, der Zürcher Hans Konrad Escher, welchem nachher die Hülfe zu verdanken war, schon gleich in seinem 1807 verfaßten Rettungsaufrufe ausführte, hatte doch auch allmählich nothwendige Geltung für die Seez-Landschaft vom Walensee aufwärts gewonnen. Escher sagte da im Besonderen von Walenstaad und Weesen: „ Die Straßen sind im Sommer nur noch für Schiffe brauch- bar. Die Ueberschwemmung fluthet in die Erdgeschosse der Häuser, ersteigt schon da und dort die ersten Stockwerke, wo dann im zurückgelassenen Schlamm die Sommerhitze verpestende Dünste entwickelt und ekelhafte Insecten erzeugt. Daher kommt es, daß die Bevölkerung schon seit längerer Zeit unter ihren früheren Verhältnisse steht. In den schwächlichen, blassen und geistlosen Gestalten glaubt man wandelnde Schatten zu sehen, abgehärmt durch das Gefühl ihrer eigenen Abnahme, noch mehr aber durch den Anblick ihrer noch unglücklicheren Kinder. Da dann ferner der in dem trägen Moraste und faulenden Aus der Geschichte der Landschaften des Clubgebietes. 3fc5 Wasser erzeugte Krankheitsstoff sich endlich der ganzen zwischen hohen Gebirgen gefangenen Luftmasse mittheilt so werden durch die immer gefährlichem Wechsel- und Faulfieber nicht mehr bloß die bereits genannten Städte, sondern auch die großen Dörfer zwischen dem Walen- und Zürichsee betroffen. Selbst über diesen letztern schreitet schon die Seuche hinweg und erzeugt fern von ihrem Ursprung bisher unbekannte Krankheiten, die man aus keiner anderen Quelle herzuleiten weiß ". Eine Fällung des angeschwellten Seespiegels durch unmittelbare Einführung jtar: Linth in den See und die Aufhebung des stets zurückgestauten Maag-Auslaufes bei Weesen mußte also auch das Seezthal entlasten. Keineswegs aber vergaß Escher eine weitere, Sargan8 selbst betreffende, hohe Gefahr in sich bergende Veränderung natürlicher Bedingungen, nämlich die vom Rheine her eben der Sarganser-Fläche drohende Noth. Durch die Arbeiten an der Linth, durch seine häufigen Forschungsreisen in die Berge kannte er auch die hier vorliegenden Bedürfnisse, welche er einsichtig in den Worten beleuchtete: „ Der Rhein strömt in einem weiten, versandeten, unbestimmten Bette durch diese Ebene und hemmt den Abfluß der häufigen Berggewässei ', welche last keinen Fall mehr durch diese wagrechte Ebene gegen das sich immer mehr erhöhende Rheinbett haben. Beim hohen Wasserstande tritt daher der Rhein häufig aus seinen niedrigen, schwachen Ufern, vereinigt seine Gewässer mit dem der angeschwellten Bäche und überschwemmt die Thalfläche. Dieses Uebel nimmt allmählich mit der Erhöhung des Rheinbettes überhand; die tieferen Stellen der Ebene versumpfen sich, und bald dürfte die Ausdünstung dieser stehenden Wasser einen sichtbar nachtheiligen Einfluß auf die Gesundheit der Einwohner äußern. Aber eine noch weit bedenklichere Gefahr entsteht dadurch, daß der Rhein, wenn er mit seinen ungeheuren Sandlasten, die ihm aus den verschiedenen Bündnerthälern jährlich zugeschwemmt werden, sein Bett weiterfort er-höhet, endlich die Höhe erreicht, wo er durch sein eigenes Bett gegen das Walenseethal hingedrängt wird, dessen oberster Rand bereits nur noch 18 Fuß höher ist, als der gewohnte jährliche hohe Wasserstand des Rheines, und ganz aus aufgeschwemmtem Sande besteht, in das sich ein so mächtiger Strom sehr schnell einschneiden würde. Nähme aber der Rhein, bei unterlassener kräftiger Gegen vorkehrüng, einmal diese abgeänderte Richtung, so würden im ganzen Thal von Sargans zunächst, aber dann auch weiter hinab, durch 's Walenseethal, Linththal, Zürichsee- und Limmatthal und im Thal der Aare unterhalb Brugg nicht zu berechnende Verwüstungen entstehen !"

— Doch als 1813 mit dem Angriff des europäischen Widerstandes, welcher gegen das vermessen aufgethürmte Gebäude der kaiserlichen französischen Zwangsgewalt sich entwickelt hatte, auch die der Schweiz gegebene Ordnung der Médiations-Verfassung, nebst den für die einzelnen Kantone aufgestellten Einrichtungen, in sich zusammenbrach, drohte dem durch den Vermittler geschaffenen Kanton St. Gallen gleichfalls der Untergang. Regungen des Widerstrebens gegen die Zusammenfassung der früher auf gesonderten Wegen sich entwickelnden Bevölkerungen der einzelnen Landschaften verbanden sich mit eigensüchtigen, von außen herein gebrachten Versuchen, die schon eingetretene Spaltung in gefährlicher Weise zu verstärken. Der unermüdliche Fürstabt von St. Gallen, der noch lange nicht gewillt war, seine Anfechtung der schöpferischen Arbeiten Mttller-Friedberg's aufzugeben, bewegte sich für die nördlichen Abtheilungen des Kantonalgebietes auf ähnlichen Wegen, wie für den Süden die Regierungen der benachbarten Kantone Schwyz und Glarus, welche, allerdings nicht mit gleicher Entschiedenheit, darauf ausgingen, die oberländischen Gebiete vom Zürichsee aufwärts bis zum Eheine, wohin sie früher ihre Landvögte entsandt hatten, zu ihren Staatswesen hinüberzubringen. Das Jahr 1814 verging unter den heftigsten Erschütterungen für das St. Galler Staatsgebiet im Allgemeinen sowohl, als für Uznach und Gaster im Einzelnen, ganz insbesondere jedoch für den Bezirk Sargans. Diesen eine Zeit lang in bedenklicher Weise angewachsenen Störungen des öffentlichen ;, Friedens Ölr die Landschaft Sargans haben wir unsere Aufmerksamkeit vor-züglich zu widmen ' ).

3iG. Meper von Krumm.

In Organs statte sich ein deiner Abstammung nach dein Kanton GlaruS angehörender Mann, Johann Bapösi Gallati1 fon Näfels, an die Spitze der Bewegung. Im Beginn des Jahrhunderts war er ein eifriger Vorfechter der helvetischen Einheitsgestaltunjr der Schweiz gewesen, und er hatte damals selbst als Unterstatthalter in amtlichem DienBte für dieselbe gewirkt; auch 1802, als im Sarganserland der föderalistische Sturm gegen die helvetische Regierung im Gange gewesen, war er noch als ein heftiger Gegner der von Schwyz her geförderten Bestrebungen zur Herstellung der alteidgenössischen Dinge hervorgetreteB. Seither hatte er sich ganz in seinen Auffassungen der politischen Fragen verändert. Einmal war er der Sf. Galler Regierung persönlich abgeneigt, weil éé bei einem Anlaß, wo er in gewaltsamer Selbsthülfe sieh bei einer privaten Angelegenheit verfehlt hatte *}, von Dierauer. Escher's Vermittlungsarbeit findet sich in Hottinger ' » Biographie desselben ( 1852 ), S. 238 ff., beleuchtet; eine interessante, von Ëseher selbst angelegte Sammlung von Actenstücken liegt atif der Ztfrcner Stadtbibliothek.

DSfrdurcn O. Henae-Anwhynv Geschichte des Kantoa* St öäßen. S. 158, genannte Anlaß dieses Conflietes ist sehp bezeichnend für Gallati. Gallati's Bruder, Cassian, der im französischen Dienste Hauptmann gewesen war, auch ein Original, aber in anderer Art, war mit einer Reformirten verheirathet, und das Töchterehen der Ehe wurde durch die Gerichte dem Bekenntniß der Mutter zugesprochen. Da ent-ftoh Johann Baptist mit diesem Nichtchen in die Urschweiz und irrte mit dem Kinde lange umher, wobei er 1806 nahezu in den Bergsturz von Goldau gerathen wäre. Eben diese Eigenmächtigkeit bestrafte die Regierung mit Landjäger-Execution. Uebrigens blieb das Mädchen reformirt unä heirathete später einen Appensseller Pfarrer.

üM entschlossener Execution gegen ihn vorgegangen #*r. Dann aber trat in ihm nunmehr die naturwüchsige Stimmung des Sarganser Volkes zu Tage. Demokrat und Föderalist in einer Person, betonte Gallati mit seinem Anhang, daß die Regierungsweise des St. Galler Regiments zu theuer sei; man erinnerte sich an die volkstümlichen Gestaltungen, welche 1798 und wieder 1802 angestrebt worden waren. Es war eine Auffassung herrschend geworden, welche noch ein neuerer St. Gallen'scher Staatsmann, als er die Geschichte seines Landes schrieb, hervorhob, betreffend „ die augenfällige Unnatur der politischen Verbindung dieses Gebirgslandes mit dem entfernten, ihm ganz unbe- kannten, alten St. Galler Lande an der Grenze von Thurgau ": „ eine Unnatur, deren starkes Hervortreten damals noch nicht, wie seit mehr als einem halben Jahrhundert geschehen, durch Verkehrs- und andere Bande in Vergessenheit gebracht worden war ".

Mit dem Januar 1814 begann Gallati, der damals der Gemeinde SarganS als Gemeindeammann vorstand, die Dinge, welche ihn beschäftigten, öffentlich in das Werk zu seteen. Auf den Wunsch der Gemeinde Mels fyërféf- er auf den 25. des Monats eine Versammlung t AnofcehHftgen aus den Gemeinden, um ihr die Sache vorzulegen. Als Liebhaber alter Bücher und Urkunden kannte er die Landesgeschichte recht gut und beleuchtete dieselbe in seinem einleitenden Vortrage; darin führte er laute Klagen, da& Sargans „ unter die Vormundschaft eines Kantons dessen Re- gierungsform und Maximen das Land in zehn Jahren an den Rand des Verderbens brachte », gefallen sei ".

,j-vì; Zwar sah man zunächst von Abtrennung vom Kanton St. Gallen noch ab, wollte aber überhaupt die Frage noch nicht abschließen; immerhin sollte vorher noch der Versuch gemacht werden, St. Gallen einer wie man meinte, bessere, wohlfeilere, angemessenere Verfassung zu geben. Eine beschwichtigende Antwort der Regierung wies Gallati höhnisch ab'und veranstaltete trotz der Abmahnung eine zweite Versam Jung, welche zahlreicher als die erste besucht war. Schon war nun hier davon die Rede, ob man sich nicht an einen anderen Kanton anschließen könnte, und man fand, daß das angrenzende Graubünden sich am besten eignen würde, in welches Sargans als ein neues Hochgericht einzutreten hätte; Gallati erhielt ausgedehnteste Vollmachten für Alles, und er reiste nach Zürich, um hier bei dem Präsidenten der dort versammelten Tagsatzung, Bürgermeister Reinhard, seine Sache vorzubringen. Man hatte auf den Versammlungen in Sargans geträumt, daß, weil die alliirten Mächte die Volkssouveränetät anerkannt hätten, auch eine Schöpfung von demokratischen Kleinstaaten, wie sie I7.98 vorübergehend sich gebildet hatten, Billigung finden könnte. Sehr bald jedoch mußte der Sarganser Wortführer in Zürich erkennen, daß der Boden der Tagsatzung in der ganz überwiegenden Mehrheit für seine Absichten unfruchtbar sei, zumal da gerade die Vertreter der Mächte solchen neuen demokratischen Kleinstaaten ganz abgeneigt sich erwiesen. Indessen hielten ihn diese Erfahrungen durchaus nicht davon ab, am 23. Februar bei dem Präsidenten des Großen Rathes seines Kantons im Namen der Sarganser Ge- meindeabgeordneten einen Protest dagegen einzulegen, daß die Verfassungsrevision in St. Gallen an die Hand genommen werde. Als ihn darauf hin die Regierung mit Gefangennehmung bedrohte, kümmerte er sich durchaus nicht um die erneuerte Warnung.

So gingen die Dinge in gleicher Richtung vor- wärts; aber nicht nur in Sargans, sondern überhaupt im ganzen Lande traten Trennungsgelüste zu Tage. Die Regierung hatte förmlich Grund und Boden unter den Füßen verloren, und sie setzte nur noch auf den Großen Rath ihre Hoffnung, der am 2. Mai eröffnet wurde und von dem sie die Annahme des von ihr ausgearbeiteten Entwurfes einer neuen Verfassung erwarten zu dürfen meinte. Doch die Verhandlungen nahmen eine ganz unerwünschte Wendung, indem sich der Rath völlig freie Bahn vorbehielt und schon am folgenden Tage sich auf unbestimmte Zeit vertagte. Jetzt erst begann der Wunsch, sich abzutrennen, im Süden des Landes in deutlichster Weise hervorzutreten. Gleichwie die Uznacher ihre Begehren gestalteten, arbeitete auch Gallati von Neuem für seinen Landestheil.

Während in der Landschaft Uznach die Sonderungs-gelüste nach Schwyz hinzielten und während von dort aus schon öffentlich ausgesprochen wurde, daß nächstens die Vereinigung mit dem Schwyzer Gebiete geschehen möge, wurde am 20. Mai durch Sarganser Abgeordnete zu Glarus der Wunsch, sich diesem Kanton anschließen zu können, auch geradezu ausgesprochen; ebenso meldeten Ausschüsse der Landschaft Gaster und Weesen das Begehren, mit Glarus vereinigt zu werden. Eine 21 Flugschrift sollte bei den schweizerischen Kantonal-regierungen das Vorhaben der Sarganser begründen. Da wurde auseinandergesetzt, wie viel näher der Hauptort Glarus läge, als die entfernte Hauptstadt St. Gallen; zwischen den beiden Ländern sei reger, täglicher Verkehr, zwischen den Völkerschaften große Aehnlichkeit in Charakter und Sinnesweise. Den Glarnern wollte diese Beweisführung die Anfügung des Sarganser Landes gleichfalls aus allerlei Gründen genehm machen, wegen des besseren Handels mit Graubünden, wegen der Ausdehnung der wünschenswerthen Grundlage für die neubegründete kantonale Brandversicherung, ferner weil für die fremden Militär-capitulationen des Kantons das Sarganser Volk, das stets gerne in auswärtigen Sold getreten sei, einen größeren Werbungskreis darbiete.

Inzwischen hatte aber die St. Galler Regierung in Zürich Vorstellungen wegen der fortdauernden Bedrohung ihres Gebietes vorgebracht und die Zurückweisung der verschiedenartigen auf die Absonderung ausgehenden Abgeordneten gewünscht. Als Antwort war durch Bürgermeister Reinhard die Hinweisung darauf gegeben worden, man müsse durch eine Verfassungsrevision das Zutrauen der Kantonalangehörigen zurückgewinnen. Andererseits jedoch bestärkten die fremden Gesandten die St. Galler Regierung in den Versuchen, ihr Ansehen zu behaupten. Auch in Glarus wußte man, daß die alliirten Mächte die Integrität der bestehenden Kantonalgebiete bewahrt wissen wollten, und so suchte Landammann Heer beschwichtigend auf die Abordnungen einzuwirken. Immerhin faßte der Glarner Gemeine Rath am 24. Mai einen Beschluß, welcher zeigte, daß man sich gewisser Gelüste nur mit Mühe erwehrte. Es wurde darin angedeutet, daß für den Fall eines Abweichens von dem bisherigen Grenzbestande in anderen Kantonen, falls durch Beschlüsse oder Verkommnisse einzelne Landschaften sich abtrennen und anderswo vereinigen wollten, auch Glarus seine Convenienz sich vorbehalten müßte.

In Schwyz ging man im Juni stürmischer vor, und die Landsgemeinde beschloß förmlich am 26. des Monats, Rechtsansprüche auf die Grafschaft Uznach zu erheben und deren Vereinigung mit Schwyz zu verlangen. Am 27. Juni fragte der Schwyzer Landrath bei Glarus geradezu an, ob nicht von beiden Kantonen deren ehemalige gemeine Herrschaften Uznach und Gaster gemeinsam zurückbegehrt werden sollten, wobei dann nachher Schwyz auf Uznach, Glarus auf Gaster greifen würde. Aber ehe nur Glarus antworten konnte, hatte St. Gallen die Dazwischenkunft Rein-hard's als des Präsidenten der Tagsatzung und diejenige der Gesandten der alliirten Mächte erwirkt. Diese Letzteren erklärten rund und scharf in einer Note, daß es der bestimmteste Wille der Mächte sei, den Kanton St. Gallen in seiner bisherigen geographischen Gestalt ganz unverändert fortbestehen zu lassen. Gleich darauf wurde am 3. Juli wegen einer anderen Angelegenheit zu Glarus Landsgemeinde gehalten, welcher Graf Capo d' Istria, der Vertreter des Czaren Alexander I., selbst beiwohnte. Dabei wurde von der Landsgemeinde den durch einen glarnerischen Anwalt vorgebrachten Begehren von Gaster, Weesen und Sargans nicht entsprochen, obschon viele Stimmen sich dafür anmeldeten; sondern man überließ die weitere Behandlung der Sache der Obrigkeit, immerhin mit dem Auftrage, den Gegenstand nicht aus dem Auge zu verlieren.

Allein in Glarus hatte das Beispiel von Schwyz doch gezündet, und so erließ die Regierung am 24. Juli eine unmittelbare Zuschrift nach St. Gallen, in welcher sie neben den anderen südlichen Landschaften des Kantons auch Sargans förmlich forderte, aber für diese Angelegenheit den Weg freundschaftlicher Unterhandlungen zu betreten sich bereit erklärte. Eine ungleich geschickter abgefaßte ablehnende Antwort aus St. Gallen legte man in Glarus ohne Antwort zu den Acten..

Gallati hatte in der Zwischenzeit seine Anstrengungen unaufhörlich fortgesetzt. Das eine Mal wählte er seinen Aufenthalt für längere Zeit in Zürich, um da immer wieder seine Sache zu betreiben. Dann wühlte er in Sargans weiter, und die St. Galler Regierung sah sich veranlaßt, ihn als Gemeindeammann in allen seinen Amtsverrichtungen zu suspendiren und, freilich vergebens, die Verhaftung und Einlieferung des Agitators zu verfügen. Ein Bericht der St. Galler Regierung an die Tagsatzung entwarf ein geradezu betrübendes Bild der gänzlichen Gesetzlosigkeit, welche, noch mehr als in Uznach, in Sargans eingerissen sei. Hier wie dort — so wurde berichtet — sei von Bezahlung von Steuern und Abgaben keine Rede mehr; Gallati lasse sich durch bewaffnete Anhänger bewachen, wobei zuweilen mehrere Hunderte zur Nacht- zeit zusammenkämen; die Anhänger der Regierung seien Mißhandlungen ausgesetzt und mit blutigen Auftritten bedroht. So forderte St. Gallen von der Tagsatzung eidgenössische Intervention, und darüber kam es jetzt in Zürich zur Verhandlung. Natürlich wiesen die Gesandtschaften von Schwyz und Glarus die Vorwürfe von sich ab; sie suchten die Dinge nach Kräften als unbedeutend darzustellen und klagten die Behörden von St. Gallen an, daß sie nicht mit gehöriger Schonung und Vorsicht gehandelt hätten. Doch die Tagsatzung faßte am 16. August Beschlüsse, welche die Herstellung der gesetzlichen Ordnung und des Gehorsams für die Regierung von St. Gallen in Aussicht stellten. Zwei eidgenössische Repräsentanten sollten ernannt und nach St. Gallen abgeordnet werden, mit der Vollmacht, die erforderlichen kräftigen Maßregeln zu ergreifen, falls ihre Warnungen und Ermahnungen fruchtlos bleiben sollten. Allerdings erklärte die Tagsatzung am Schlüsse, daß diese nur zur Erhaltung von Ruhe und Ordnung bestimmten Vorkehrungen dem Entscheide über die von einigen Kantonen gegenüber Uznach und Sargans erhobenen Ansprüche und über das endliche Schicksal dieser Rechtsbegehren nicht vorgreifen sollten. Diese Clausel hing damit zusammen, daß die Tagsatzung die älteren Kantone aufgefordert hatte, ihre Ansprüche gegenüber Territorien der neuen Kantone nächstens, genau und im Einzelnen ausgeführt, einzugeben, worauf durch Vermittlung oder nach dem eidgenössischen Rechte über diese Ansprüche entschieden werden sollte. Darauf hatte Glarus am 25. August eine eingehende Erklärung dem Vororte Zürich eingeliefert, in welcher ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß ja die Bevölkerungen der in Frage kommenden Landschaften selbst ihre Einverleibung wünschten, in Anbetracht, daß sie nicht durch eigenen Willen dem Kanton St. Gallen zugetheilt worden seien. In ganz geschickter Weise wurden in dieser Zuschrift die verschiedenartigen Gesichtspunkte geltend gemacht, welche für einen solchen Anschluß sprechen müßten.

Unterdessen war der wieder versammelte St. Galler Große Rath mit der neuen Kantonsverfassung bis zum 31. August zu Ende gekommen; allein nur unter harten Kämpfen und unter Abwesenheit zahlreicher Mitglieder wurde dieses neue Grundgesetz veröffentlicht. Die Art und Weise des Zustandekommens der Verfassung war allerdings geeignet, vollends die Abneigung überall zum Ausdruck zu bringen. Denn über die Köpfe des Volkes hinweg war dieses Werk, welches als „ Sclaven- recht ", als „ Machwerk Weniger " im Lande herum ausgeschrieen wurde, geschaffen, und so wurde, als nach der Forderung der Verfassung die Erneuernngs-wahlen in den Großen Rath stattfinden sollten, der Regierung der Gehorsam offen gekündigt. Ging es nun schon in anderen Teilen des Kantons abermals wild zu, so tobte vollends Gallati gegen das auf-gedrungene Verfassungswerk und schüchterte solche Gemeinden, welche sich fügen wollten, ein. Eine am 18. September versammelte Landsgemeinde von Sarganser Gemeinden stellte sich an die Seite Gallati's und wies in einem Schreiben an die Regierung die dem Landesausschusse gemachten Vorwürfe zurück.

Aus der Geschichte der Landschaften des Clubgebietes. :!27 Aehnliche Weigerungen kamen aus Uznach, aus dem Rheinthale, aus anderen Theilen des Kantons. Die Stimmung unter dem Landvolke gestaltete sich immer drohender, und das Gerücht verbreitete sich in der Stadt St. Gallen, daß der Anmarsch der Bauern aus dem Rheinthal zu erwarten sei. Da wurde im Regierungsgebäude die Furcht so allgemein, daß fünf Mitglieder der Regierung in einer allerdings wenig ehrenvollen Weise geradezu die Flucht antraten, und unter ihnen war auch Müller-Friedberg. Er fuhr mit zweien seiner Collegen am späten Abend des 25. September in der Regierungskutsche über die Grenze in einen anstoßenden Theil des Kantons Thurgau.

Die beiden eidgenössischen Repräsentanten erschienen in dem gleichen Augenblicke in der Hauptstadt des Kantons, als diese, wie sich bald herausstellte, ganz unnothwendige, kleinmüthige, flucht-artige Abreise in das Werk gesetzt worden war. In der Frühe des 26. September kamen sie in St. Gallen an, und nun vollzog die Regierung, von ihnen geschützt, ihren Wiedereinzug in den Sitzungssaal.

Die Tagsatzung hatte diese ihre Vertreter zur Herstellung gesetzlicher Ordnung und des Gehorsams in den Districten Uznach und Sargans am 24. September bestellt und als solche den Gesandten von Appenzell-Außerrhoden bei der Tagsatzung, Landammann Jakob Zellweger, und das Mitglied des zürcherischen Kleinen Rathes, Johann Konrad Escher, ernannt. Die Bezeichnung Escher's schien dadurch von vorne herein angezeigt zu sein, daß dieser seit 1807 durch die großen Arbeiten an der Linth, welche bis 1811 bereits zur 3ä8G. Meyer von Knonau.

Eröffnung des Molliser Canales geführt hatten, die Landschaften, für welche seine Sendung bestimmt war, genau kannte, daß ferner billiger Weise auch eine günstige Stimmung bei der Bevölkerung für diesen eidgenössischen Commissär erwartet werden durfte. Zellweger war bereits seit 1801 mit den allgemeinen, öffentlichen Angelegenheiten, auch der damals noch geltenden helvetischen Republik, verbunden gewesen, und Escher kannte den um drei Jahre jüngeren Collegen schon von jener Zeit her. Als immer von Neuem erwählter Landammann seines Heimatkantons, als beinahe ständiger Vertreter desselben auf den Tagsatzungen, war Zellweger auf seine Aufgabe wohl vorbereitet. Freilich urtheilte ein Freund Escher's, welcher Zellweger in späteren Jahren zu beurtheilen gute Gelegenheit hatte, dieser sei rücksichtslos zu-fahrend gewesen und hätte feinerer Gefühle entbehrt. Immerhin war er jetzt für Escher jedenfalls ein erwünschter Theilnehmer an der schwierigen Arbeit, mochten auch auf der anderen Seite Volk und Regierung von Appenzell die Berufung ihres Landammanns zu dieser Amtshandlung sehr ungerne sehen.

Escher war mit einem Freunde eben auf einer Fußwanderung über das Grenzgebirge zwischen Zürich und Toggenburg an die Linth begriffen gewesen, als er in der Nacht vom 24. des Monats den Ruf der Tagsatzung erhielt. Gleich am frühen Morgen des zweitfolgenden Tages kam er, wie schon erwähnt, nach St. Gallen und traf die kantonale Hauptstadt in der bezeichneten Weise verwirrt, die Regierung aufgelöst. Aber er hatte schon einen Aufruf an das Volk entworfen und auch mit Zellweger sich dahin verständigt, daß -zuerst die gesetzliche Ordnung hergestellt, die neue Verfassung eingeführt, die Regierung zurückberufen und unterstützt werden müsse, und auf dieser Bahn gingen die beiden Männer vor.

Nachdem das Noth wendigste in St. Gallen geordnet worden war, begaben sich die Repräsentanten nach Rheinegg und erzielten bald so viel, daß am 2. October durch das ganze Rheinthal die vorher gehinderten Wahlen ordnungsgemäß stattfanden 1 ). Darauf gelang ihnen dasselbe, wenn auch mit mehr Schwierigkeit, im früher fürstäbtischen Gebiete zu Goßau und Wil. Doch noch blieb im südlichen Theil des Kantons der Rest der Aufgabe, die ansehnlichste Arbeit, übrig.

Escher und Zellweger kamen am B. October im Städtchen Sargans an, nur von einigen Cavalleristen begleitet, während Gallati mit seinen demagogischen Mitteln unzweifelhaft über die ganze erregte Umgegend gebot. Noch am Abend des gleichen Tages meldete sich zwar Gallati bei den Repräsentanten; aber er suchte sich als unschuldig darzustellen: er sei durch das Volk selbst, dessen Verlangen übrigens ganz gerechtfertigt werden müsse, zu den Schritten gezwungen worden, die er unternommen habe. Doch die Vertreter der Tagsatzung erklärten ihm, daß er durch seine Eigenmächtigkeiten und Auflehnungen sich in strafbarer Weise vergangen habe, und es wurde von ihm verlangt, daß er eine schriftliche Erklärung darüber ablege, er wolle sich von jetzt an solcher Schritte enthalten. Gallati weigerte sich, da er dem Volke, welches ihn an die Spitze gerufen habe, Rechenschaft schuldig sei, die Erklärung zu geben, und so erhielt er Zimmerarrest unter Androhung einer Ablieferung nach St. Gallen, wenn er sich nicht gehorsam zeigen werde. Zwar vermochte nun Gallati's Bruder, der ehemalige französische Hauptmann Cassian, ihn zur Unterzeichnung der gewünschten Erklärung zu bringen, so daß alsbald Freilassung erfolgte. Außerdem lieferte jetzt Gallati einige Schriftstücke aus, welche, wie er sagte, Beweise für ihn bringen und einige mildere Beurteilungen seiner Schritte bedingen sollten; dieselben wurden versiegelt.

Doch am nächsten Tage—es war ein Sonntag — stellte es sich heraus, daß das Ganze auf eine Täuschung abgesehen worden war. Das Volk tobte; die Nachricht wurde geflissentlich verbreitet, gewaltsam seien dem Vorkämpfer der Freiheit von Sargans die Papiere " des Landesausschusses entrissen worden. In dem benachbarten Mels wurden die Bauern während der Predigt aufgewiegelt, und massenhaft strömten jetzt die Leute der Umgebung nach Sargans hinein. In wildem Aufruhr stürmte die Menge auf das Wirthshaus zu, erfüllte das Zimmer der beiden Repräsentanten, wüthete und brüllte; die Forderung wurde gestellt, die Schriften sollten zurückgegeben werden. Die beiden arg bedrängten Männer verloren aber die Fassung nicht, und Cassian Gallati nebst einem Arzte aus Walenstaad suchte mit ihnen die Leute zu beruhigen. Da kam Gallati selbst mit einem anderen Volkshaufen herbei und bot jetzt zunächst eine Vermittlung an. Escher und Zellweger wiesen jedoch dieselbe ab und forderten vielmehr, er solle vor allem Volke offen erklären, wie die Dinge sich in Wahrheit zugetragen hätten. Darauf suchte er auszuweichen und führte dadurch noch heftigere Auftritte herbei. Es hieß, man müsse die beiden Herren festhalten, und wirklich warf sich einer aus dem Haufen auf Zellweger, um ihn am Hals zu fassen. Das erschreckte sogar Gallati, und er beschwor die Masse, sich an den Herren nicht zu vergreifen, lieber auf ihn zu schlagen^ wenn geschlagen werden müsse. Es gelang ihm auch, für die Repräsentanten Raum zu öffnen, so daß sie die Treppe erreichen konnten. Als er sie nun bat, seiner im Guten zu gedenken, erhielt er zur Antwort, das sei nun zu spät, und er selbst habe seine Sache verdorben. Noch ganz zuletzt, als Escher mit Zellweger den Wagen zur Abreise bestieg, warf sich einer der Wüthenden, ein Bauer aus dem benachbarten Dörfchen Ragnatsch, auf Escher, um demselben die zwischen Ober- und Unterkleid festgehaltenen Schriften Gallati's zu entreißen. Aber Escher war nicht minder kräftig und vermochte im Ringen mit seinem Gegner die Papiere zurückzugewinnen. So gelang endlich die Abfahrt, nachdem der Lärm mehr als drei Stunden gedauert hatte, im späteren Nachmittag, und am folgenden Tage, am 10. October, hielten zu St. Gallen, wohin der Weg genommen worden war, die beiden Vertreter Berathung mit der Regierung.

Von St. Gallen eilten die Repräsentanten nach Zürich, wo sie der Tagsatzung über den Ausgang der von ihnen besorgten Angelegenheiten Bericht ablegten. Die Tagsatzung beschloß einmüthig, daß nunmehr eine kriegerische Besetzung des im Widerstände verharrenden Sarganser Landes durchzuführen sei, und sie ertheilte an Escher und Zellweger den Auftrag, von Neuem nach den bezeichneten Gegenden sich zu verfügen und nun hier alle Mittel anzustrengen, um die gesetzliche Ordnung herzustellen und die neue St. Galler Verfassung zur Einführung zu bringen. Es war sehr bezeichnend, daß auch die Gesandtschaft von Glarus, um dem Ansehen der Tagsatzung keinen Aus der Geschichte der Landschaften des Clubgebietes. 383 Abbruch zu thun, hiebei zustimmte. Dagegen war Schwyz, welches sich schon seit dem B. September geweigert hatte, dem neuen Bundesvertrage der Tagsatzung seine Zustimmung zu geben, in Zürich überhaupt gar nicht mehr vertreten, so daß die Aufgabe der Repräsentanten gegenüber diesem Kanton, auf welchen die Unzufriedenen des Uznacher Landes fortwährend ihre Hoffnungen setzten, noch um so schwieriger war.

Dessen ungeachtet richtete Escher seine Reise auf den Schauplatz seiner Sendung nunmehr unmittelbar durch das Linthgebiet. Dabei traf er in seiner Amts-eigenschaft als Präsident der Aufsicht über die Linth-arbeiten in dem Schlosse Grinau einige Vertreter von Schwyz selbst neben Häuptern der Uznacher Bewegung, und es kam da zu Erörterungen von beiden Seiten, wobei Escher in seiner aufrichtigen Weise freimüthige Aeußerungen nicht zurückhielt. Er meinte, daß, wenn die von den Schwyzern geflissentlich betonten Verdienste der Väter glänzend waren, nur um so mehr von den Söhnen gefordert werden müsse, sowie, daß Enkeln, welche ausarteten, Tugenden der Vorfahren weit mehr zum Schimpf, als zur Ehre gereichen könnten. Escher erklärte übrigens dem Schwyzer, daß, ehe die Angelegenheit mit Sargans geordnet sei, gegenüber Uznach nichts geschehen werde.

Inzwischen waren bis zum 15. October die aufgebotenen Truppen theils im Wartauer Lande, vor der Sarganser Grenze am Schollberg, theils im Land Gaster eingetroffen. Da im unteren Glarner Gebiete eine aus Näfels ergangene Aufreizung Unruhen be- fürchten ließ, falls die Soldaten hier durchmarschiren würden, so wurde aus Zürich befohlen, daß die Einschiffung zu Weesen stattfinde. Escher sah, wie sie am Sonntag den 16. mit Gesang abfuhren, und beide Repräsentanten folgten am gleichen Tage nach Walenstaad nach. Ohne daß irgend eine Gegenwehr versucht wurde, vollzog sich die Besetzung des Städtchens Sargans und der übrigen Gemeinden, und daneben gingen die Einführung der Verfassung und die Einleitung der nothwendigen Wahlversammlungen zur Seite. Dagegen war Gallati nach Näfels entflohen und stachelte von da aus noch immer unaufhörlich durch Erregung unberechtigter Hoffnungen seine Hei-matsgenossen auf. So wich denn auch der Kanton Glarus nochmals von der in Zürich auf der Tagsatzung beobachteten regelrechten Bahn ab. Am 20. des Monats erschienen Landammann und Landshauptmann — der erste war selbst ein Näfelser — mit dem Weibel in der Standesfarbe als Abgeordnete der Regierung in Sargans und forderten von den Repräsentanten das Aufhören der kriegerischen Besetzung, die Unterbrechung der Verhaftungen und eine Einführung der Verfassung von St. Gallen in der Art, daß dem möglicher Weise eintretenden Anschluß der Landschaft an einen anderen Kanton nicht von vorne herein entgegengewirkt werde. Escher und Zellweger lehnten diese Zumuthungen bestimmt ab und wiesen ausdrücklich darauf hin, daß an der Gestaltung ihres Auftrages auch die glarnerische Gesandtschaft an der Tagsatzung sich betheiligt habe. Bei dem gemeinsamen Mittagsmahl wurden die Glarner auf die fort- gesetzte Unterwühlungsarbeit Gallati's aufmerksam gemacht, welcher mittelbar durch Glarus in Gewährung des Schutzes zu seiner Rolle eines Unruhestifters ermuthigt werde. Ebenso konnte auf einen ebenso dummen, als frechen Brief Gallati's hingewiesen werden, in welchem der flüchtige Agitator Escher und Zellweger mit Geßler und Wolfenschießen verglich.

Keinen Augenblick ließen sich die Repräsentanten durch die Einreden in der Erfüllung ihrer Aufgabe stören. Sie veranstalteten eine Verhandlung in Sargans, wozu sie die noch im Lande anwesenden Anhänger Gallati's selbst einluden, und hier wurde nun in ruhiger und ernsthafter Weise Aufschluß über die wahre Lage der Dinge ertheilt. Die Vertreter der Eidgenossenschaft legten an der Hand unabweisbarer Zeugnisse vor, daß die fremden Mächte niemals den Kanton St. Gallen zertrennen lassen würden, daß also ein fernerer Widerstand einzig den Trägern solcher Bestrebungen gefährlich werden könnte; dagegen wurde betont, wie eine Beschwichtigung der Aufregung dem Lande sogleich den Vortheil der Verminderung der Truppen bringen werde. So glückte es, die überwiegende Mehrheit der Versammelten zur Besonnenheit zurückzuführen, so daß sie sich von der Vergeblichkeit ihrer Pläne selbst überzeugten. Auch das mußte den Einsichtigeren klar werden, daß das stete Drängen und Treiben von Glarus aus durchaus nicht so sehr von der dortigen Regierung und dem gesammten Lande, sondern von den durch Gallati bearbeiteten engeren Kreisen in Näfels ausging. In solcher Weise stellte sich die Ordnung unter völliger Einführung der neuen Verfassung in Sargans her, und die Repräsentanten konnten, nachdem sie selbst eine allmählich sich vollziehende Verminderung der in Sargans liegenden Truppen angeordnet hatten, die Stätte ihrer bisherigen Wr ksamkeit verlassen. Sie legten in St. Gallen Bericht ab und stellten mit dem 11. November ihre Verrichtungen ein.

Länger noch dauerte die Verwicklung zwischen St. Gallen und Schwyz über Uznach. Eine Deputation aus Schwyz legte am 24. October geradezu der Tagsatzung in Zürich Pergamenturkunden aus dem Mittelalter über die Erwerbung dieser frühern gemeinen Herrschaften vor, um darauf die erneuerten Ansprüche zu stützen. Allein schon deßwegen war hier, trotz der längeren Dauer der Erörterung, die Angelegenheit weniger schwierig, da eine Persönlichkeit von der Rührigkeit Gallati's für Uznach fehlte. So ist denn auch die Repräsentantschaft in dieser andern Angelegenheit in diesem Male gar nicht mehr zur Amtshandlung gekommen. Zwar begab sich Escher als Präsident der Lintharbeiten wieder nach seinem gewohnten Arbeitsplatze in Schännis, doch nicht mehr in amtlicher Stellung als Repräsentant, sondern nur zum Behufe der Linthregulirung. Die Uznacher Angelegenheit wurde auf rein diplomatischem Wege in Zürich selbst geregelt.

Mttller-Friedberg arbeitete von St. Gallen aus wieder mit gewohntem Geschicke in diesen Fragen. Aber er nahm auch sehr gerne die ihm aus Zürich freiwillig gebotene Unterstützung eines Collegen Escher's im zürcherischen Rathe an. Ludwig Meyer von Knonau nämlich suchte in einer schnell hingeworfenen kleinen Schrift, welche anonym erschien — Müller-Friedberg ließ sie in St. Gallen mit dem Titel drucken: „ Sargans und üznach. Zürich, im November 1814 " —, die fremden Gesandten und die Mitglieder der Tagsatzung aufzuklären und zugleich die St. Galler Regierung zu unterstützen 1 ). Bis inDie kurze Schrift beleuchtet zuerst, sub I, die „ vorgebliche Rechtmäßigkeit " der von Schwyz und Glarus erhobenen Ansprüche. Da wird betont, daß, wenn auch für Schwyz Uznach gegenüber vielleicht gewisse Forderungen in das Gewicht fallen könnten, dagegen Glarus für Sargans die Ansprüche der sieben anderen bis 1798 über dieses Land mitherrschenden Orte ausschlösse. Aber noch viel bedenklicher sei, daß durch solche Begehren „ ein Dritttheil der Schweiz der Willkür der anderen Theile preisgegeben ist ", daß „ es von dem Gutdünken manches Kantons abhängt, ob er nicht mit gleichem Anscheine von Recht bis auf frühere Staatsverträge und Friedensschlüsse zurückgreifen und dadurch den jetzt schon halb aufgelösten Verband gänzlich zerreißen wolle ". Solle überhaupt von Rechten die Rede sein — fährt der Verfasser fort —. „ so hat wenigstens kein Kanton ein Recht, Landesgegenden, die nicht vorher aus-schließend ihm angehörten, ausschließlich sich zuzueignen, dadurch sich auf eine für die Ruhe angrenzender und entfernter Kantone höchst nachtheilige Weise zu vergrößern ". Unter II werden die für den Kanton St. Gallen und die ganze Schweiz nothwendiger Weise bedenklichen Folgen hervorgehoben, zumal da auch andere Theile des Kantons St Gallen, vor Allem die Landschaft Toggenburg, welche eine so geschlossene geschichtliche Entwicklung hinter sich habe, mit ähnlichen, ungleich besser belegten Begehren hervortreten könnten. Sehr fein führt der Verfasser aus, welche Gebrechen, neben dem unleugbaren geschichtlichen Interesse, den Einrichtungen der Landsgemeindekantone an- 22 den Beginn des nächsten Jahres kamen aber diese Dinge überhaupt zur Ruhe. Am 7. Januar 1815 entschied ein Mehrheitsbeschluß der Tagsatzung, daß die Verfassung von St. Gallen in Uznach einzuführen sei und die Vornahme der Wahlen erfolgen müsse. Escher und Zellweger trafen nun nochmals in ihrer Eigenschaft als Repräsentanten in Uznach ein; aber sie konnten bezeugen, den besten Willen für Ausführung der Beschlüsse der Tagsatzung gefunden zu haben. So ertheilte denn am 15. Februar die Tagsatzung, indem sie Lob und Dank für die geleisteten Dienste aussprach, Escher und Zellweger die gänzliche ehrenvolle Entlassung.

kleben, wobei Glarus sich noch immerhin bestimmt unter-scheideder mehr als andere calculirende, der speculative Giani er " wird hervorgehoben —, daß es also bedenklich sei, neue eidgenössische Staaten unter solchen Verfassungen erwachsen zu lassen. Als letzte Frage erörtert III den Punkt, ob eine Trennung von St. Gallen den betreffenden Gegenden „ wirklichen Vortheil " brächte, und verneint denselben, im Hinblick besonders auch auf die mit der Linthunternehmung gemachten Erfahrungen. Von dem größern kräftigem staatlichen Gemeinwesen St. Gallen werden die Sarganser ihre Straße am Schollberg ebenso sicher erhalten, wie die von Rhein und Tamina drohenden Gefahren zuverlässiger Abhülfe erfahren werden, während von dem Kanton Glarus derartiger Beistand weit weniger erwartet werden kann. Ueberhaupt ist bei der größern Abgelegenheit der Uznacher von Schwyz, der Sarganser von Glarus zu gewärtigen, daß die neu angeschlossenen Gebiete gar nicht zum Genuß der ersehnten hohen Freiheit kommen, sondern sich selbst „ in den Zustand einer immerwährenden Kindheit und Vormundschaft " setzen würden.

Sehr wohl verdient, aber äußerst düster waren die spätem Lebensschicksale des Mannes, der sich aus der Aufhetzung seiner Landsleute einen traurigen Beruf gemacht hatte.

Zwar wurde Gallati, als im October 1814 die Repräsentanten sowohl als die Regierung von St. Gallen das Auslieferungsbegehren in Glarus einreichten, rechtzeitig gewarnt, so daß er Näfels verlassen konnte. Aber er war nun ein heimatloser Flüchtling, und als sein Vermögen zur Deckung der auf ihn gelegten Strafsumme von viertausend Gulden mit Beschlag belegt wurde, folgte die Eröffnung des Concurses. Im September 1815 wandte sich der Unglückliche in unterwürfigster Weise an die St. Galler Regierung und erhielt die Erlaubnis zur Rückkehr; doch wurde er unter Aufsicht gestellt. Erst nach fünfzehn Jahren trat er 1830 und 1831 in der erneuerten innern Bewegung abermals vorübergehend handelnd auf. Aber nachher sank er noch viel tiefer. Er verarmte gänzlich, führte mit seinem in besseren Verhältnissen gebliebenen Bruder Cassian Processe und verlor schließlich auch noch das Augenlicht. Als Blinder wurde er von einem rohen und meist betrunkenen Steinsprenger herumgeführt und durch die Kinder verspottet. Erst 1844 starb er in einem armseligen Stübchen des alten gräflichen Schlosses von Sargans.

Die glückliche Beilegung des Zwistes innerhalb des Kantons St. Gallen, sowie zwischen der Regierung dieses eidgenössischen Landes und denjenigen benachbarter Kantonalgebiete war wohl nicht zum Mindesten der weisen Auswahl der Persönlichkeit des einen der beiden Repräsentanten von Seite der Tagsatzung zuzuschreiben. Dem Zürcher Escher waren schon bis 1814 Tausende von Einwohnern des Gebietes an der Linth zu nie aufhörendem Danke verpflichtet, und so ließ sich erwarten, daß gerade dieser Mann in jenen Landschaften einen wohlthätigen Einfluß ausüben könne. Allerdings war die dumme Wuth, welche sich ungebildeter Menschen in Augenblicken der Erregung bemächtigen kann, sogar gegen Escher in den Herbsttagen von 1814 zu Tage getreten. Als er mit Zellweger am 16. October bei seiner zweiten Reise nach Sargans den Moüiser Canal besuchte, jenes Werk, durch dessen Anlage er zumeist das untere Glarnerland errettet hatte, rief ein Haufe erhitzter Näfelser der Gesellschaft zu, der Präsident Escher sei der größte Schelm auf Gottes Erdboden. Aber das hielt den Wohlthäter der Landschaft keinen Augenblick ab, schon im nächsten Monat in das Land Ganter zurückzukehren und die Arbeit neu aufzunehmen, welcher er seine Gesundheit und sein Leben auf opferte. Zwar war Escher am 14. August 1823, als die sämmtlichen Canale durch die Tagsatzung an die drei Kantone übergeben wurden, schon nahezu ein halbes Jahr nicht mehr unter den Lebenden; aber er hatte bis zu seinem Tode das Auge über allen Einzelnheiten des Werkes offen gehalten. Als die Tagsatzung 1832 angesichts des Canales die monumentale Inschrift für Escher anbringen ließ, schloß sie die Worte mit dem Mahnrufe: „ Eidgenossen, Euch sei er Vorbild ".

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