Begleitworte zum Tödipanorama
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Begleitworte zum Tödipanorama

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Blatt III und IV.

I.

Nachdem im Jahrbuch des S.A.C. 1911 die Blätter I und II des Tödipanoramas von Albert Boßhard — das sind die nach der S-Seite gerichteten zirka 60° der Rundsicht — in mächtig wirkendem Bilde erschienen sind, liegt heute die Fortsetzung mit Blick gegen SW und W vor uns, die Blätter III und IV.

Der Vordergrund der beiden Blätter wird ganz eingenommen von den Bergen des Aarmassives und wir blicken von dem dem Aarmassiv auf seinem Rücken aufgesetzten Tödiklotz gegen WSW über seine Scheitellinie hinaus. In reicher Gliederung und mehrfachen Reihen türmen sich hier alle die Berge, aus steil südlich abfallenden Schiefern und Platten von Gneisen und Graniten bestehend, in zackigen Profilumrissen hintereinander auf. Zunächst im Vordergrund sind es Acletta, Cambriales bis zum Catscharauls, darüber ragen Crispalt, Oberalpstock, Bristenstock, Düssistock, Als hinter dem Reußtal zurückliegende höhere Kulisse, in der Entfernung entsprechend blaueren Schatten und gelblicherem Schneeschimmer, ragen empor Spitzliberg, Galenstock, Dammastock, die auffallend gerade Sägenkante des Göschen-talerkessels, Sustenhorn und Fleckistock, die Meientaler- und Gornertalerkämme bis an die Krönte. Alles das wird endlich überragt von dem höchsten hintersten Profil des Aarmassivs mit Bietschhorn, Finsteraarhorn, Schreckhörnern, Wetterhörnern. Kein Berg ist so trefflich gelegen wie der Tödi, um dieses in Kulissen übereinander aufgebaute Querprofil des Aarmassivs so gewaltig zur Anschauung zu bringen. Die uns vorliegenden Blätter des Panoramas bringen den zusammenhängend durchgreifenden Gebirgscharakter des Aarmassives deutlich zum Ausdruck.

Diese Mittelmasse von Gebirgen in unserem Bilde wird links begleitet von Alpen-zonen, welche zwar auch vorherrschend aus geschieferten krystallinen Silikatgesteinen bestehen, allein in diesen südlicheren Massiven ist die Steilstellung der Platten nicht mehr überall vorhanden, die Grate sind weniger gezackt, die Bergformen von glatteren Umrissen. Da erscheint links auf Blatt III als Vertreter der Tessiner Gneisregion noch der Basodino, rechts darüber die höchsten Gipfel der penninischen krystallinen Massive mit Monte Rosa, Mischabel, Weißhorn. Die Kalk-schieferzüge von Bedretto, Nufenen, Ofenhorn, Mt. Cistella verlieren sich zwischen den mächtigen Gneisbergen. Genau über dem Oberalpstock erscheint, hoch aufragend, die westliche geologische Wiederholung des Aarmassives, der Mont Blanc mit der gleichen Art zackiger Grate, bedingt durch die gleiche Steilstellung der Gneis- und Granitplatten. Während links von den die Mitte des Bildes der zwei Blätter einnehmenden Aarmassivbergen lauter andere krystalline Massive sich anschließen, zeigt sich der nördliche — im Bilde rechtsseitige — Rand des Aarmassives von ganz anderem Bau. Da steigt der sedimentäre Mantel des Aarmassives zu hohen begleitenden Bergkanten empor. Er hatte einst das ganze Massiv überwölbt. Noch einige 1000 m höher ist er über das Finsteraarhorn hinweggegangen, er ist abgewittert. Der Tödi, auf dem wir stehen, ist noch ein Fetzen des Mantels auf dem Rücken des Massives. Der kräftigste Stoff des zerrissenen und vielfach gefalteten Sedimentrandes des Aarmassives ist der Hochgebirgskalk ( Malmkalk, Ober-Jurakalk ).

Er bildet in unserem Bilde rechts von vorne nach hinten Kalkschye, Großen Kuchen, Windgällen, Schloßberg, Titlis, Gadmenflühe, Wetterhorn und Eiger. Am Fuß des Tödi steigt der Sedimentmantel mit seiner gelbroten Unterlage von Röthidolomit noch in den Catscharauls hinauf; ein Fetzchen Köthidolomit als Eest des einstigen Mantels ist noch auf dem Nordgipfel des Piz Cambriales haften geblieben; dem Tödi ähnliche, nur kleinere Reste der Hochgebirgskalkdecke sind die horizontal-geschichteten, vertikal durchklüfteten Spannörter. Nur wenige Berge erscheinen noch auf Blatt III und IV, die nicht zum Nordrand des Sedimentmantels des Aarmassives gehören: Es ist die Faulhorngruppe, sichtbar über der Lücke Sustenpaß-Gadmental und rechts des Schloßberges eine Kante der Urirotstockgruppe, über welche man noch die flache Schrattenfluh am Horizonte erkennt.

Die Blätter III und IV schließen an I und II als Fortsetzung an. Alle vier Blätter zusammengeheftet ergeben ein überwältigendes Bild der Alpen. Wir können uns nun leicht denken, wie das Tödipanorama von Alb. Boßhard sich ausnehmen wird, wenn erst die anderen Blätter hergestellt und der Umkreis der Alpenansicht ringsum geschlossen sein wird. Möchte es gelingen, Mittel und Wege zur Vollendung des großen Werkes zu finden. In der östlichen Hälfte der Schweizeralpen ist kein anderer Gipfel so beherrschend wie der Tödi. Kein anderer Berg verdient es so sehr, daß auch diejenigen, die nicht hinaufsteigen konnten, seine Aussicht im Bilde genießen und studieren können, und diejenigen, die oben waren, am Bilde die Erinnerung stärken. Ich selbst war einst bei Glanzwetter auf dem Tödi. Ich war zum Zeichnen eingerichtet und vorbereitet. Ich fing an. Allein bald sank mutlos die Hand vom Papier. Auf solcher Höhe, nach strengem Aufstieg, ist das Zeichnen viel schwieriger als weiter unten. Das Bild ferner Gipfel scheint vor dem Auge zu schwanken, Sinne und Hand werden unsicher. Das ungeheure Meer der Berggipfel, wo alles von so hoch oben so nichtig, klein und ineinander gedrängt erscheint, wirkt verwirrend. Imfeid hatte auf dem Mont Blanc mit den gleichen Störungen der Sinne, der Hand und der Energie zu kämpfen. Ich kann meine Hochachtung demjenigen nicht versagen, der alle diese Schwierigkeiten durch festen Willen und zähe Ausdauer überwindet und immer wieder hinaufsteigt, bis die edle Aufgabe, die er sich so hoch gestellt hat, glücklich durchgeführt ist.Albert Heim.

IL Nicht nur einmal war ich Zeuge, daß, wenn ein heftiger eisiger Westwind wehte, der Führer seinen Touristen auf die Frage, ob es sich lohne, vollends den Sttdgrat des Piz Rusein hinanzusteigen, zur Antwort gab: Nein, denn hier haben Sie das Schönste gesehen, was auf dem Tödi zu sehen ist. Auf diese tröstliche Antwort hin fiel den Touristen die Resignation gewöhnlich leicht; warum sollten sie sich nicht mit der Herrlichkeit, die sie bereits hatten schauen können, zufrieden geben y In der Tat bedeutet für den Neuling die Ankunft auf dem Grate zwischen Piz de Dor und Piz Rusein nach dem nicht nur Ausdauer, sondern auch ein erhebliches Maß von Geduld erfordernden Aufstiege von der Fridolinhütte aus eine der freudigsten Überraschungen in der gesamten Alpenwelt. Wem das Glück beschieden gewesen ist, an einem klaren Morgen, zwischen 7 und 8 Uhr, jene Stelle zu betreten, wo der Südgrat des Piz Rusein in großzügiger Linie anzusteigen beginnt, der wird gerne die Aussagen des Führers, sowie des Verfassers dieses Artikels bestätigen. In der Tat, was kann das Auge in der Alpenwelt Erhabeneres sehen, als die höchsten Berge Europas und dazu noch in der prachtvollen Paradeaufstellung, wobei sich jeder Tödibesteiger als Inspizient betrachten kann. Hierzu kommt, daß es nicht die Schönheit des Anblicks allein ist, was unser Herz höher schlagen läßt, sondern auch das Bewußtsein, außer den höchsten Bergen unseres Vaterlandes auch den vom Zentrum unseres Planeten entferntesten Punkt in unserem Erdteil sehen zu können. Man darf füglich behaupten, daß für einen beträchtlichen Teil der Tödibesteiger sowohl der Anblick des Mont Blanc wie auch derjenige der Walliser Alpen den Reiz des Neuen in sich schließt. Zwar muß sich der Monarch unter den Bergen Europas nicht wenig- vor seinen bedeutend näher dem schauenden Auge gelegenen Nebenbuhlern zur Linken und zur Rechten ducken, läßt ihm doch die hier besonders deutlich zum Ausdruck kommende Erdkrümmung — 2829 m auf 190 km Luftdistanz, wobei 368 m Refraktion abzuziehen sind — nicht obenauf schwingen. Die gewaltige Entfernung wird übrigens in besonders schöner Weise durch die Färbung bekundet; stets ist es am Morgen ein prachtvoller goldener Glanz, der die schneeigen Steilhänge des Mont Blanc, der Grandes Jorasses und der verschiedenen Aiguilles zur Rechten umstrahlt. Schon weniger intensive Gelbfärbung weisen die Walliser Alpen auf; bei den Berner Alpen ist es nur noch ein leichter goldener Hauch, immerhin ohne besondere Aufmerksamkeit wahrnehmbar. Desgleichen bei der Gotthard- und Dammagruppe, während der direkt vor dem Mont Blanc sich auftürmende Oberalpstock in blendendem Weiß uns entgegen leuchtet. Wenn zum Beispiel der Dammafirn, namentlich in seiner tieferen Partie, eine verhältnismäßig weit stärkere, mehr ins Bräun-liche gehende Gelbfärbung aufweist, als ihm gemäß seiner Entfernung zukommen würde, so ist diese Erscheinung dem stets im Reußtale lagernden Rauch der Gotthardbahn zuzuschreiben. Ich habe auf Blatt III diese Trübung der Luft nicht in entsprechender Stärke zur Darstellung gebracht, wird dieselbe doch nach erfolgter Elektrifizierung der Strecke Erstfeld-Biasca ein Ende nehmen. Die mit der Entfernung zunehmende Goldtönung des in vollem Sonnenlichte leuchtenden Schnees beruht auf dem Prinzipe, daß unsere Atmosphäre auf größere Distanz vor weiß stets gelblich erscheint, während schwarz oder schwarzgrau, wie z.B. Felsen, eine intensive Blaufärbung annimmt, die oft bis zum prachtvollsten Violett variieren kann. Nie hatte ich zuvor dieses wunderbare Violett der entfernteren Berge so intensiv wahrnehmen können wie anläßlich meiner letzten Tödibesteigung am 23. September 1915, einem außergewöhnlich klaren Tage bei zumeist vollständiger Windstille, indessen sich aber bereits die Anzeichen des am folgenden Tage eintretenden Föhnsturmes von seltener Heftigkeit bemerkbar machten. Besonders auffallend war an jenem Tage der Kontrast zwischen den violetten Schattenpartien der Walliser Alpen und dem mehr grünlich nuancierten Blau des Himmels. Da die Farben für das Tödipanorama mehr für dekorative Wirkung berechnet sind, so war es mir bei den beschränkten technischen Mitteln natürlich nicht möglich, diese feinen Unterschiede in vollkommen befriedigender Weise zum Ausdruck zu bringen. Wer über die so interessanten Färbungen der Atmosphäre genau unterrichtet sein will, dem ist vor allem das Studium der sehr instruktiven, mit vortrefflichen Reproduktionen ausgestatteten Publikation von Professor Albert Heim zu empfehlen 1 ). Weder Künstler noch Alpinisten sollten sich diese Lektüre entgehen lassen, da sie nicht nur infolge größeren Verständnisses für die mannigfaltigen atmosphärischen Erscheinungen den Genuß beim Bergsteigen steigert, sondern auch in bedeutendem Maße zu eigenen Beobachtungen und Neuentdeckungen anregt. Es läßt sich zur Demonstrierung der Heimschen Theorie wohl kaum eine günstigere Aussichtswarte als Tödi denken. Die vielen Ketten hintereinander und manche einzelne Berge scheinen wie speziell für diesen Zweck angeordnet zu sein. Allerdings darf das dem Jahrbuche beigelegte Panoramasegment nicht etwa als mustergültig- hinsichtlich der Färbung angesehen werden; hierzu hätte es » ) Prof. Dr. Albert Heim: Luftfarben der Landschaft. Hofer & Co. A.G., Zürich. Mit 6 schwarzen Textbildern und 19 Tafeln in Farbendruck. Fr. 6..

außer des Ockertones noch eines reinen leuchtenden Gelbes und eines zarten reinen Kosas bedurft. Es war mir lediglich möglich, die Abstufungen zur Darstellung zu bringen. Dank dieser geradezu wunderbaren Anordnung der Berge erhält der Beschauer bei Sonnenaufgang auch einen packenden Begriff von der Kugelgestalt der Erde; ist es doch nicht der König der Alpen, welcher als erster vom Morgenstrahl der Sonne geküßt wird, sondern das trotzige Finsteraarhorn und sodann flugs darauf die anderen Viertausender der Berner Alpen. Die weit höheren Walliser Berge erglühen erst nachher im Morgenlichte und erst eine geraume Weile nach Tödi und Monte Rosa erhält der ersteren um 1200 m überragende Mont Blanc als letzter das volle Sonnenlicht. Vielleicht ließe sich anhand einer Präzisionsuhr, die auch den Bruchteil einer Sekunde messen läßt, und peinlichst genau gemessener Distanzen Erdkrümmung und Refraktion nachprüfen, gewiß ein interessantes Rechenexempel. Ob wohl Eudoxus und Aristoteles auf Grund dieser Beobachtung auf die Idee der Kugelgestalt der Erde gekommen wären, wenn sie von einem Berge mit ebenso günstig gestalteter Aussicht diese Erscheinung hätten wahrnehmen können?

So verblassen demnach die ferneren Berge nicht mehr ganz, nachdem sie vom Purpur der Morgenröte überhaucht worden sind. Wie leicht angenommen werden kann, ist die so charakteristische Gelbfärbung nicht an jedem klaren Tage gleich intensiv, bei besonders reiner Luft erscheinen auch die Walliser Alpen nur schwach getönt. Dies gehört jedoch zur Ausnahme, nicht zur Regel. Hinwieder kommt es vor, daß die Durchmengung der Atmosphäre mit Staubpartikelchen eine außergewöhnlich starke ist. So erschien z.B. am 3. August 1913 der Schnee der Medelserberge gegenüber dem blendendweißen Firn des Piz Urlaun in einer auffallend bräunlichgelben Färbung; am ausgeprägtesten aber war dieser bräunliche Ton an jenem Tage am Dammafirn zu beobachten. Es schien, wie wenn die gesamte Luftschicht von Rauch durchschwängert gewesen wäre.

Und nun kommen wir zu dem Punkt, wobei wir die Frage aufwerfen, ob das Angeführte allein genüge, daß die Touristen auf dem Grate stets bewundernd stehen bleiben. Es ist eben die überaus günstige Morgenbeleuchtung, welche die Schönheit, den Zauber, all das Charakteristische der im Westen sichtbaren Berge zur vollen Wirkung kommen läßt. Am Nachmittag oder gar gegen Abend, wenn die höheren Berge sich meistens hinter den tagsüber aufgestiegenen Nebelwolken verbergen, ist diese Wirkung bei weitem nicht mehr so ergreifend, wenn es auch vom malerischen Standpunkt aus nicht an packenden, poesievollen Stimmungsbildern mangelt. Aber diese Reinheit, diese wunderbare Frische, diesen unbeschreiblichen Zauber, der die Stillung einer in der Brust gehegten Sehnsucht in sich schließt, diese Reinheit, nach der jeder gut geartete Mensch selbst sich bemüht, die findet er nur auf solchen Höhen, und um die überwältigende Wirkung so recht voll auszukosten, bedarf es des frühen Vormittags. Im September 1912 konnte man auch an hellen Tagen von dieser Pracht keinen richtigen Begriff bekommen; der Himmel war stets bleiern, das Blau, der Schatten, der Goldglanz der fernen Berge, das Weiß der näher gelegenen Firne, alles dies war matt und ließ eine drückende Stimmung auf dem Gemute lasten.

Was nun die rein malerische Wirkung der Blätter III und IV des Tödipanoramas betrifft, so wird z.B. bei Blatt III mancher das künstlerisch Abgerundete, den wuchtigen Vordergrund, den das Ganze nach vorn abschließenden Standpunkt vermissen. Nun, alles läßt sich eben bei einem Panoramaausschnitt nicht vereinigen. Hauptsache ist die topographisch wie wissenschaftlich wahrheitsgetreue Darstellung, das rein künstlerische Moment kommt erst in zweiter Linie. Das Hauptgewicht liegt bei Blatt III im Hinter- und Mittelgrund und es ist dieses Blatt seiner Unzahl von sichtbaren Gipfeln wegen namentlich von großer geographischer Bedeutung. Es wird deshalb dem Alpinisten als Orientierungsmittel besonders wertvolle Dienste leisten. Für eine beträchtliche Zahl von zwischen dem Tödi und den Walliser Alpen gelegenen Gipfeln wird es zu Rate gezogen werden können. Es ist überraschend, wie z.B. die Walliser Alpen stets dieselbe markante Form bewahren, so das Weißhorn von der Furka, der Monte Rosa von den Bergen der Gotthardgruppe, vom Basodino u.a. Genau dieselbe Ansicht wie vom Tödi aus haben wir vom Monte Rosa vom Monte Moro oder vom St. Joderhorn, allerdings nicht mehr im verklärenden Goldglanze, dafür in erschreckender Nähe und Deutlichkeit aller Einzelheiten. Um auch diese auf dem Tödi so recht genießen zu können, bedarf es nur eines guten Fernglases. Allerdings wird der Genuß nach Westen hin sehr oft durch heftigen Westwind beeinträchtigt. Im Gegensatz zu Blatt I und II, wo kein einziger Berg den mathematischen Horizont erreicht, wird derselbe auf Blatt III von einigen Bergen überragt oder beinahe berührt. Der am höchsten emporragende Berg der ganzen gewaltigen Tödirundsicht ist das Finsteraarhorn. 6,12 mm erhebt es sich auf der Panoramazeichnung bei einem Radius von 118,6 cm über den mathematischen Horizont; die Erdkrümmung, Refraktion bereits abgezogen, beträgt bei einer Distanz von 67 km 306.4 m. Ihm am nächsten kommt das Große Schreckhorn ( Blatt IV ) mit3 mm bei einer Distanz von 65 km, während das dem Finsteraarhorn an Höhe am nächsten kommende Aletschhorn ( 4182 m ) mit 80 km Distanz und 434,8 m Erdkrümmung und Refraktion ( Erdkrümmung allein 502 m ) nur noch 1,9 mm über die Horizontlinie emporragt. Der Eiger und das Große Wannehorn, also die Höhen über 3900 m, sinken bereits unter den mathematischen Horizont. Von den Walliser Alpen ist es einzig der Dom, welcher die Horizontlinie noch mit 0,80 mm überragt ( Distanz 112 km, Erdkrümmung mit Refraktion 855 m ). Die Dufourspitze sinkt bereits 0,38 mm unter den Horizont ( Distanz 124,4 km, Erdkrümmung mit Refraktion 1055 m ). Weißhorn — 0,83 mm ( Distanz 119,5 km, Erdkrümmung mit Refraktion 973.5 m ), Mont Blanc7,83 mm. Grandes Jorasses — 10,61 mm ( Distanz 179 km, Erdkrümmung mit Refraktion 1602,2 m ). Leider mußten nachträglich eine ganze Anzahl Namen auf Blatt III ausgemerzt werden; es wäre unmöglich gewesen, dieselben ohne allzu große Verunstaltung des Panoramas anzubringen.

Weit mehr als Blatt III vermag vom künstlerischen Standpunkt aus Blatt IV zu befriedigen. Hier haben wir die einfachere, klarere Gruppierung der Massen. Da haben wir einmal die große Linie, welche sich vom ungemein charakteristischen Nordgipfel des Cambriales über den auf der Siegfriedkarte noch unbenannten und unquotierten, zu Ehren von Professor Heim von Dr. Brun so benannten Heimstock zum Catscharauls hinüberzieht. Als unvergeßliche Prachtsgestalt erhebt sich aus dem wirksam den Hintergrund vom Vordergrunde trennenden Maderanertale der Düssistock.

Großer Ruchen und Große Windgälle sind in der Natur noch schwieriger als auf dem Panorama zu unterscheiden; nur stete Beobachtung bei wechselnder Beleuchtung ließ eine genauen Kontur zustande kommen. Noch größere Schwierigkeiten begegneten mir bei der Trennungslinie von Fleckistock und Großem Sustenhorn. Als eine Merkwürdigkeit in der Gebirgsbildung, wahrscheinlich ohne Parallelerscheinung in der Alpenwelt, ist die fast horizontale, nur wenig bewegte Kammlinie, welche sich vom Dammastock gegen das Sustenhorn hinzieht. Leider begegnen wir auf diesen Blättern auch zwei wunden Punkten der Tödirundschau: die zwei berühmtesten Berge der Schweiz sind nicht sichtbar. Das Matterhorn verbirgt sich hinter dem Nadelhorn und die Jungfrau berührt wohl nach meiner Berechnung genau den Horizont, nämlich die tiefste Stelle der Einsattelung zwischen Großem Schreckhorn und Großem Lauteraarhorn, was aber praktisch wertlos ist, da auch mit dem schärfsten Fernglase nichts von einer Spitze zu entdecken ist.

Wenn also nur das Betreten der Stelle bei Beginn des Südgrates schon allein den fünf- bis sechsstündigen Aufstieg von der Pridolinhütte aus lohnt, um so mehr darf noch die letzte Gratpartie, und sollte es auch stürmisch sein, gewagt werden, um eine der instruktivsten und umfassendsten Rundsichten der Alpenwelt vollends genießen zu können. Wenn ich zum Schlüsse noch die herzliche Bitte an alle Klubgenossen vom S.A.C. hinzufüge, mir die Herausgabe der Blätter V und VI, deren Aufnahmen zum größten Teile vorbereitet sind, ebenfalls zu ermöglichen, so wird man mir dies hoffentlich nicht als Unbescheidenheit auslegen.

Winterthur, März 1916.Albert Boßhard ( Sektion Winterthur ).

Das diesem Artikel beigegebene Vollbild habe ich am 3. September 1911, zwischen 10 und 11 Uhr, aufgenommen. Es ist eine Vergrößerung nach dem Negative im Format von 9X12 cm. Verwendet wurde eine Chromoisolarplatte mit Gelbscheibe. Der Hin-wie der Rückweg von der Fridolinhütte zur Scheibenrunse erfordert je zwei Stunden.

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