Berühmte und andere Gipfel
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Berühmte und andere Gipfel

Ein Berg, was ist das? Jeder Schweizer würde sofort das Matterhorn zeichnen, stolze 4478 Meter hoch, eine einsam stehende Pyramide. Dieser Berg ist wohl weltweit der Prototyp eines Berges. Daneben verblassen andere Gipfel, wie der Piz Buin zum Beispiel. Der ist auch eine hübsche Spitze, aber nicht einmal 3500 Meter hoch. Die beiden verbindet etwas: Beide wurden am 14. Juli 1865 erstbestiegen, wie rund 65 andere Gipfel auch. Und sie sind Grenzgipfel. Was trennt sie? 1100 Höhenmeter, die Geschichte und das Marketing.

Unbestritten: Alpinistisch sind die beiden kaum zu vergleichen. Ihre Erstbesteigungen unterscheiden sich darum auch fulminant. Unspektakulär und solide jene auf den Piz Buin (S. 21), ein dramatischer Wettlauf mit Todessturz jene auf das Matterhorn (ab S. 36).

Aber vor allem gibt es heute wenige Berge, die so viel Aufmerksamkeit geniessen wie das Matterhorn. Jede Runse, jede Falte, jeder lose Stein fast, ist unter ständiger Beobachtung – von Geologen, Touristen und Bergführern. Kein Bergfotograf kommt am Gipfel vorbei (S. 42). Alpinisten registrieren das Tun am Berg, auch aus der Ferne. Und sogar Nichtalpinisten können heute bis auf wenige Meter an den Berg heran – virtuell. Die Zermatter, einst arme Bauern und zähe Bergler, sind darob gewiefte Geschäftsleute geworden. Sie verzeichnen heute am drittmeisten Logiernächte in der Schweiz, nach Zürich und Genf. Der Touristenstrom hat seinen Preis: An keinem anderen Schweizer Berg sind so viele Menschen umgekommen wie hier: rund 600 in 150 Jahren.

Das monumentale Erbe wiegt schwer in Zermatt. Wie den 150. Tag der Erstbesteigung begehen? Mit Pomp und ­einer Sternbesteigung? Die Zermatter haben eine radikalere Lösung: den Gipfel sperren, den Toten gedenken. Sie wollen Bussen verteilen, sollte doch jemand eine Besteigung wagen.

Auf den ersten Blick eine stimmige Lösung. Und doch hinterlässt sie einen schalen Nachgeschmack bei mir. Statt auf die Selbstverantwortung zu vertrauen, also auf der Basis des Bergsteigens aufzubauen, gehen die Zermatter den anderen Weg: Sie erklären die Matterhorn-Aspiranten indirekt zu unmündigen Kindern, denen man auf die Finger klopfen muss. Ist das der Preis der Berühmtheit?

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