Das Beste ist nicht immer das Beste
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Das Beste ist nicht immer das Beste Chemikalien in Outdoorkleidern

Trocken und «atmungsaktiv» in der heilen Natur: ­Outdoorsportler schätzen moderne Hightechtextilien. Ohne umweltbelastenden Chemieeinsatz lassen sich diese aber kaum herstellen. Die Branche steht in der ­Verantwortung, der Ausstieg aus der Fluorchemie ­gestaltet sich aber schwierig.

«Frei und draussen in der Natur»: Die Outdoorbranche wirbt mit unberührter Natur und suggeriert so emotionale Nähe zu Umwelt und Ökologie. Wenn es um Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit geht, leidet die Branche selber jedoch an einem tendenziell schlechten Ruf. Verschiedene Studien belegen, dass Hightechtextilien wie atmungsaktive Bergjacken oder Hosen nur dank problematischen Chemikalien auf Fluorbasis die gewünschten Effekte bringen. «Ein heisses Thema», bestätigt Marcel Halbeisen, Textiltechniker bei der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt EMPA der ETH Zürich.

Dafür verantwortlich sind indirekt die einlaminierten, mikroporösen und deshalb atmungsaktiven Membranen. Von aussen wasserdicht, von innen her aber dampfdurchlässig, ermöglichen sie im besten Fall den Feuchtigkeitsaustausch. «Im besten Fall», wie Marcel Halbeisen betont. Denn die Membranen erfüllen ihren Dienst nur, wenn die Aussenschicht der Kleider eine hervorragende Schmutz- und Wasserabweisung aufweist. Und genau da liegt das Problem: Den besten Wasser-, Fett- und Schmutzabweisungseffekt bieten auch heute noch per- und polyfluorierte Chemikalien, kurz PFC. Sie werden zur Imprägnierung von Outdoortextilien zwar nur hauchdünn aufgetragen. In der Summe sind es aber nach wie vor grosse Mengen.

Luft in Outdoorläden stark belastet

Problematisch sind diese Chemikalien, weil sie als Fluor-Kohlenstoff-Verbindungen sehr stabil sind und in der Umwelt nicht abgebaut werden. PFC entweichen schon bei der Produktion auf direktem Weg oder durch die Verwendung und Entsorgung von PFC-haltigen Produkten in die Umwelt. Die Chemikalien gelangen in Lebensmittel, in das Trinkwasser und in die Atemluft und schliesslich in den Körper von Mensch und Tier. Eine Rolle spielt dabei nicht nur die Verdunstung, sondern auch der Abrieb bei sportlichen Aktivitäten.

Richtiggehend elektrisiert wurde die auf Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit sensibilisierte Outdoorgemeinde durch eine neue Studie von Greenpeace: Die Umweltorganisation hat sich in ihrem Outdoor Report 2013 den flüchtigen PFC gewidmet, die bisher nur von wenigen Laboren gemessen werden können. Zum ersten Mal wurde geprüft, ob und wie viel flüchtige PFC aus Kleidungsstücken verdunsten. Unter anderem wurde die Luft in Outdoorläden gemessen. Greenpeace stellte fest, dass die Luft in den Läden besonders stark mit PFC belastet ist. Daraus schloss Greenpeace, dass die Schadstoffe aus den Produkten in die Raumluft abgegeben werden.

Zwar bestätigte die Studie auch, dass die bisher verwendeten und als schädlich bekannten PFC nicht mehr ganz so häufig wie früher eingesetzt werden. Für einen Persilschein für die ganze Branche reicht dies jedoch nicht: Die Umweltorganisation hat nämlich auch herausgefunden, dass statt dessen Chemikalien verwendet werden, deren Wirkung noch nicht gut erforscht ist. Die Verunsicherung bei den Konsumenten wird dadurch nicht kleiner.

Appell an die Eigenverantwortung

Für den Empa-Forscher Marcel Halbeisen ist der Ausstieg aus der «Chemiefalle» alles andere als einfach. Trotz grossen Anstrengungen fehle es der Textilindustrie an einer praktikablen Alternative. Ökologisch unbedenkliche Oberflächen- und Imprägnierprodukte verfügen nach heutigem Stand der Wissenschaft nicht über die Abperleigenschaften, die nötig sind, um die in die Jacke eingebaute Membran trocken zu halten und so die Atmungsaktivität auch im Extremfall sicherzustellen. Nur als theoretische Alternative nennt Halb­eisen den auch bei Textilien möglichen Einsatz von Plasmatechnologie, die bei Glasbeschichtungen oder Antihaftbeschichtungen angewendet wird. Der Hemmschuh bei dieser Lösung sei der Preis. Die Plasmatechnologie ist extrem teuer.

Halbeisen appelliert deshalb an die Eigenverantwortung der Outdoorsportler. «Brauchen wir wirklich in jedem Fall Hightechjacken? Wenn es Katzen hagelt, gehen wir im Normalfall gar nicht nach draussen oder suchen einen Unterschlupf. Und im Normalfall tuts ein Regenschirm auch», meint der outdoorerprobte Wissenschaftler. Hier gelte es, dem «Markendenken» vermehrt wieder die Vernunft entgegenzustellen. Er meint zudem: «Der Einsatz der Chemikalien lässt sich schon nur dadurch halbieren, dass die eigene Hightechbekleidung gut gepflegt und doppelt so lange getragen wird.»

Das Ziel ist der Ausstieg

Halbeisen attestiert der Outdoorbranche durchaus grosse Anstrengungen bei der Lösung dieser Probleme. Produzenten und Handel hätten das Imageproblem erkannt und scheuten keine Anstrengungen, um aus der Kritik zu kommen. Greenpeace ihrerseits will den Druck aufrechterhalten. Die Organisation hat sich mit 17 grossen Textilmarken zusammengetan. Das ehrgeizige Ziel: bis 2020 aus der Fluortechnologie auszusteigen und bis dann fluorfreie Alternativen anzubieten.

Zwar komme die Greenpeace-Kritik etwas gar pauschal daher, aber die ganze Branche arbeite wirklich hart daran, problematische Stoffe vom Kreislauf fernzuhalten, erklärt Mammut-Markenmanager Adrian Huber. Aber auch Huber bestätigt, dass noch keine guten Alternativen auf dem Markt seien. Wenn bei Outdoorkleidern der Wasserabperl­effekt nicht wie früher sichtbar sei, seien die Kundenreklamationen vorprogrammiert», sagt Huber. Damit zielt der Mammut-Manager auch auf das nicht immer konsequente Verhalten der Endverbraucher. Am effektivsten sei die Ökobilanz der Outdoorkleider immer noch mit einem sinnvollen Umgang mit den Kleidern zu verbessern. Das lange Tragen von langlebigen und qualitativ hochwertigen Kleidern sei im Moment der effektivste Beitrag für eine verbesserte Nachhaltigkeit, so Huber.

Ins gleiche Horn stösst auch die Textilproduktionsfirma Schoeller: «Wir sind bereit, in diesem Bereich einen grossen Schritt zu tun», erklärt Sandra Hilty von der Kommunika­tionsabteilung von Schoeller Textiles AG. Für einen Durchbruch bei den ökologisch unbedenklichen Produkten brauche es aber auch ein Umdenken bei den Konsumenten. Der Wunsch, sich bewusster zu kleiden, sei aber vermehrt spürbar. Auch Hilty betont, dass langlebige und hochwertige Produkte per se eine bessere Ökobilanz aufwiesen. Man verfüge über erste fluorcarbonfreie Alternativen, die im Freizeitbereich sinnvoll seien und höchsten Ansprüchen genügten, aber der endgültige Durchbruch sei noch nicht geschafft.

Die Kleinen haben die Nase vorn

Noch etwas zuversichtlicher ist der Geschäftsleiter der Sherpa-Outdoor AG, Bruno Ruedisueli. Er ist überzeugt, dass 2015 branchenübergreifend ein grosser Schritt getan werden kann und neue, PFC-freie Textilien auf den Markt kommen. Sherpa hat diesen Schritt bereits getan und kann dank kurzen Distributionswegen als erste Marke bereits seit ein paar Monaten eine PFC-freie 3-Lagen-Jacke bewerben. Das neue Produkt erfülle die aktuell hohen Leistungserwartungen bezüglich Atmungsaktivität sowie Wasser- und Scheuerfestigkeit vollumfänglich. Einzig bei einem Kontakt mit Fett und Öl entspreche die Imprägnierung nicht ganz dem PFC-haltigen Pendant. Dieser Bereich sei aber für Normalverbraucher nicht von grosser Bedeutung, so Ruedisueli.

Hier gelte es, nicht immer nur das absolute Maximum, sondern vielmehr eine sinnvolle Balance zwischen Zweck und Möglichkeiten anzustreben. Es sei nicht immer alles sinnvoll, was technisch mit grossem Aufwand möglich sei. Die Nase vorne hat bei ökologisch unbedenklichen Outdoorkleidern auch noch ein anderer «Kleiner» in der Branche. Die Schweizer Firma Radys wurde kürzlich von Greenpeace für die erste PFC-freie Outdoorkollektion gelobt.

Schon lange angekündigt

Verantwortungsbewusst gibt man sich auch bei Schöffel Schweiz. Geschäftsführer Peter Jud liess kürzlich verlauten, die interne Verbotsliste belastender Substanzen werde laufend aktualisiert. Es werde intensiv an der Entwicklung PFC-freier Textilien gearbeitet. Es sei das erklärte Ziel, die bei der Textilherstellung entstehenden Substanzen in den Herstellungsländern auf null zu reduzieren und schnell Lösungen zu finden, um total aus der Fluorchemie auszusteigen.

Der Ausstieg aus der Fluorchemie scheint also beschlossene Sache zu sein. Wie lange es dauert, bis die Hersteller ihr Versprechen einlösen können, bleibt indes offen. Angekündigt wurde der Umstieg auf umweltfreundliche Materialien bereits vor drei Jahren («Die Alpen» 11/2011), getan hat sich seither wenig. Den allseits abgegebenen Empfehlungen, Jacken möglichst lange zu gebrauchen und so die Umweltbelastung gering zu halten, stehen die immer aufwendigeren Werbekampagnen für neue und modernere Kollektionen gegenüber. Diese Strategie und der Kampf um Marktanteile machen den Konsumenten den Verzicht auf das neueste und noch bessere Modell nicht einfacher.

Weitere Infos

Mehr Infos in älteren Artikeln in «Die Alpen»:

«In die Berge mit oder ohne Erdöl? Innovationen gegen die Abhängigkeit vom Rohstoff», 09/2013

«Wers lange trägt, der handelt richtig: Alte Funktionskleidung gehört nicht in den Kehricht», 11/2011

«Wie fair ist meine Winterjacke? Komplexe Produktion bei nachhaltigen Outdoorkleidern», 11/2011

«Nanotechnologie für Outdoortextilien: Kleider, die nie nass werden», 10/2010

Auch die Entsorgung macht Probleme

Dass zu einem umweltbewussten Umgang mit Outdoorkleidern auch die Entsorgung gehört, versteht sich von selbst. Wie aber kann man ausgediente und in ihrer Zusammensetzung problematische Kleidungsstücke umweltgerecht loswerden? Der Gang zum herkömmlichen Altkleidercontainer bewährt sich in diesem Fall nämlich nicht. «Wir möchten in unseren Sammelstellen keine Laminat- und GTX-Jacken», heisst es zum Beispiel bei der Altkleidersammlerin Texaid. Der Grund: Man weiss nicht, was aus ihnen wird, wenn sie in Entwicklungsländer weiterverschoben werden. ausrüstungsgegenstände (aller Marken) wie Jacken, Hosen oder Schuhe, aber auch Seile und andere Hardware abgegeben und kostenfrei deponiert werden. Hollenstein ist froh, den Recyclingbereich damit an einen professionellen Partner ausgelagert zu haben. Die Firma I:co (www.ico-spirit.com) ist eine der weltweit grössten Textilrecyclingfirmen und verspricht ein umweltgerechtes und ressourcenschonendes Recycling. Aber auch diese Firma leitet gemäss Hollenstein intakte Kleider zur Weiterbenützung in die Dritte Welt weiter. Auch da bleibt also noch etwas zu tun.

Als «beste Lösung» proklamiert Peter Hollenstein, Umweltbeauftragter von Mammut, die speziellen Sammelcontainer, die in eigenen und auch vielen anderen Verkaufsstellen aufgestellt sind. Dort können sämtliche Outdoor

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