Das Wissen fliesst in die JO zurück
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Das Wissen fliesst in die JO zurück

Die dritte Staffel des SAC-Expeditionsteams ist Geschichte. Erstmals gab es ein Frauen- und ein Männerteam. Neue Profibergsteiger gibt es wohl keine, dafür bestens ausgebildete Leute für die SAC-Sektionen.

Lisa Pfalzgraf, mit 21 Jahren die Zweitjüngste im Expeditionsteam der Frauen, ist begeistert von dem, was sie in den letzten drei Jahren erlebt hat: «Ich habe mega viel gelernt von den Bergführerinnen und Bergführern, und auch von den Erfahrungen der anderen im Team habe ich profitiert.» Interessant fand sie nicht nur das, was sie über das Handwerk des Bergsteigens im engeren Sinn gelernt hat, sondern auch das, was ihr über Kommunikation, Sponsoring und Organisation vermittelt worden ist. Und nun? Eine Profikarriere als Bergsteigerin? Lisa Pfalzgraf winkt ab. «Die Berge bleiben wahrscheinlich ein Hobby für mich. Aber das Gelernte wird mir sehr nützlich sein in meiner Funktion als JO-Chefin», sagt sie. Dieses Amt hat sie im März 2018 in der Schaffhauser Sektion Randen übernommen.

Auch im Männerteam gibt es einen JO-Chef: Johannes Konrad engagiert sich seit vielen Jahren in der Sektion Gruyère, erst als Materialwart, dann als J+S-Coach und seit Anfang Jahr nun als JO-Chef. «Das mache ich weiter», sagt der 23-Jährige nach der Rückkehr von der Expedition auf die kanadische Baffin Island. «Mir macht es extrem Spass, mit den Jugendlichen in den Bergen unterwegs zu sein.» Mehrere andere Mitglieder der Expeditionsteams sind als Tourenleiter in der JO aktiv.

Engagement wird erwartet

Dass so viele in der JO aktiv sind, ist keine Ausnahmeerscheinung, weiss Silvan Schüpbach, Fachleiter Jugend- und Erwachsenensport beim SAC und verantwortlich für die Expeditionsteams: «Etwa ein Drittel der bisherigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer engagiert sich im Vorstand der eigenen JO.» Er freut sich, dass auf diesem Weg etwas vom dem, was der SAC in die Teams investiert, den Sektionen und namentlich den jungen Mitgliedern direkt zugutekommt. Das ist auch so vorgesehen. In der Vereinbarung, die die Mitglieder der Expeditionsteams unterzeichnen, steht, dass sie sich für den SAC einsetzen sollen. «Wir erwarten von allen zumindest eine Leitertätigkeit in der JO. Aber wenn jemand nicht will, dann verdonnern wir ihn nicht dazu», sagt Silvan Schüpbach. Stattdessen versuche man zu zeigen, dass es attraktiv sei, mit jungen Leuten draussen zu sein. «Wenn ein Drittel eines Lehrgangs zu motivierten JO-Chefs wird, sind wir zufrieden. Qualität ist wichtiger als Quantität.»

Einen Weg, den bisher viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer eingeschlagen haben, ist die Ausbildung zum Bergführer. Das ist beim nun abgeschlossenen Ausbildungsgang nicht anders. Die Walliserin Ramona Volken und Florence Nikles von der Sektion Gruyère haben sich für den Aspirantenkurs angemeldet. Zwei weitere Frauen überlegen es sich noch. Im Männerteam haben sich Louis Jaques und Mathias Ulrich bereits für die Bergführerausbildung entschieden. Louis Jaques unterbricht dafür sein Studium der Materialwissenschaften an der ETH Lausanne, will es aber im Herbst 2020 wieder aufnehmen, um den Master zu machen. Er stellt sich eine Zukunft als Ingenieur und Bergführer vor.

Erlebnisse vor Profikarriere

Für einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer steht das Studium vorerst ganz im Vordergrund. Anne Flechsig, mit 20 Jahren das Küken im Frauenteam, studiert wie Louis Jaques Materialwissenschaften, aber an der ETH in Zürich. Für sie bleiben die Berge vorläufig «die wichtigste Nebensache». Ähnlich geht es Lisa Pfalzgraf, die an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) Maschinenbau studiert. Und Johannes Konrad hat im September sein Masterstudium an der Westschweizer Fachhochschule HES-SO begonnen. Daneben arbeitet er 50% an der Ingenieurschule in Freiburg, wo er seinen Bachelor gemacht hat. Ob er später einmal Bergführer wird, ist noch nicht entschieden. «Erst möchte ich noch ein paar persönliche Expeditionsziele verfolgen», sagt er.

Für Pierre Bétrisey hat zurzeit das Medizinstudium an der Universität Freiburg Priorität. Bis er seinen Traumjob – Notarzt bei der Rega – antreten kann, wird aber noch manches Semester ins Land ziehen. Im vorlesungsfreien Sommer möchte er das, was er im Expeditionsteam gelernt hat, auf längeren oder kürzeren Expeditionen in den Alpen und in anderen Weltgegenden anwenden.

Als künftige Profibergsteigerin oder künftigen Profibergsteiger sieht sich niemand unter den Absolventinnen und Absolventen der dritten Staffel. Auch das überrascht Silvan Schüpbach nicht: «Ich denke, die meisten suchen eher Erlebnisse als eine Karriere in den Bergen.» Die Ausbildung könne zwar ein Sprungbrett sein, um Profi zu werden. Das sei aber ein harter Weg, der viel Marketing und Klinkenputzen verlange. In jedem Fall könnten nicht alle, die in den Expeditionsteams ausgebildet werden, eine solche Laufbahn beschreiten: «Es gibt in der Schweiz nicht genug Platz und Sponsorengelder für so viele Profis.»

Viel positives Echo auf das Frauenteam

Drei Fragen an Silvan Schüpbach, Fachleiter Jugend- und Erwachsenensport beim SAC und verantwortlich für die Expeditionsteams.

Welche Bilanz ziehst du für die Expeditionsteams 2017–2019?

Wir hatten erstmals ein Frauenteam am Start. Das hat sich sehr bewährt. Die Frauen waren froh darum. Sie haben sehr viel gemeinsam unternommen und sind sogar zusammen in die Ferien gegangen. Das finde ich extrem cool und nicht selbstverständlich. Schliesslich haben wir die Gruppe «künstlich» zusammengestellt. Auch von ausserhalb bekam ich viele positive Feedbacks: Leute, die «unsere» Frauen getroffen haben, haben von deren guter Ausstrahlung erzählt. Das ist sehr wertvoll.

Gibt es nächstes Mal wieder zwei Teams?

Ganz sicher. Im Grossen und Ganzen wird die nächste Ausbildung ähnlich ablaufen wie die bisherigen. Wir werden aber mit den letzten Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch eine Auswertung machen und dann entscheiden, ob und welche Anpassungen wir machen könnten.

Was könnte sich denn ändern?

Zum Beispiel der Schauplatz der Expeditionen. Aus ökologischen Gründen werden wir den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nahelegen, ein Abschlussprojekt in den Alpen zu machen. Vorschreiben können und wollen wir ihnen das aber nicht. Schliesslich organisieren und zahlen sie alles selbst. Für viele ist es zudem die erste Chance, auf einem anderen Kontinent in die Berge zu gehen. Die Frauen haben dieses Jahr die Alpen in Betracht gezogen. Aber dann fanden sie, dass es ein falsches Signal wäre, wenn sich ausgerechnet das erste weibliche Team nicht «getraut» hätte, weiter wegzufahren.

Expeditionsteams 2020-2023: Anmeldung offen

Im Februar 2020 startet das Ausbildungsprojekt SAC-Expeditionsteam zum vierten Mal. Ein Frauen- und ein Männerteam mit je sechs Mitgliedern werden im klassischen alpinen Gelände ausgebildet. Der dreijährige Lehrgang wird mit einer Expedition abgeschlossen. Bis am 20. Dezember 2019 können sich 17- bis 23-jährige Frauen und Männer aus der Schweiz anmelden, die in einer JO des SAC aktiv sind. Sie müssen motiviert sein, abseits der Zivilisation alpin zu klettern, viel zu trainieren und sich in ein Team zu integrieren.

Infos und Anmeldung bis 20.12.2019: www.sac-cas.ch → SAC-Expeditionsteam

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