Der Piz Buin
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Der Piz Buin

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3327 Meter = 10,242 P. F. Von J. J. Weilenmann.

JJer Leser erinnert sich, dass ich vor'm Jahr den P. Roseg erstieg, ohne jedoch die südliche, höhere Spitze zu erreichen, und dass es nachher Herrn J. A. Speckt aus Wien nicht besser erging. Kälte und Wind, die ungünstige Beschaffenheit des Schnees hielten mich hauptsächlich davon ab; warum aber mein Nachfolger nicht zum Ziel gelangte, konnte ich nicht recht begreifen, hatte er doch auch Pöll zum Führer, der mir, als wir uns trennten, dringend anempfohlen, die Besteigung noch einmal zu versuchen, indem €r der festen Ueberzeugung sei, dass sie uns gelinge. Nur damit, dass die Witterung eben so ungünstig gewesen, schien sich das abermalige Misslingen erklären zu lassen. Mit Spannung sah ich daher dem Schreiben Freund Specht's entgegen, das mir den gewünschten Aufschhiss bringen sollte. Demselben war zu entnehmen, dass er die Partie am 10. September unternahm und Morgens 4 Uhr erst von der Alpe Misaun aufbrach. Im Ganzen ging er den Weg, den ich genommen, nur hie und da etwas abweichend, im Glauben abzukürzen. Statt dessen aber brauchte er zwei volle Stunden mehr denn ich.

„ Keine zwanzig Schritte vom Gipfel entfernt, " berichtet Specht, „ wollte uns noch eine Kluft den Weg versperren. Diese Kluft, ein ganz gleichmässiger Riss, war sehr tief, aber glücklicher Weise nur so breit, dass wir sie zwar quer nicht tiberspringen, aber auf den quer übergelegten Bergstöcken rutschend passiren konnten.

Nach Pöll's Aussage wäre bei Ihrer Besteigung auch nicht die geringste Spur davon vorhanden gewesen. Als wir bei dem Fahnenstock angekommen waren, der von den ersten Besteigern eingeschlagen wurde, war es bereits 11/2 Uhr vorüber. Die Temperatur war angenehm, die Aussicht nach Norden und Osten ziemlich rein? jedoch war Alles in der bekannten eigenthümlichen dunkeln Beleuchtung. Nach Westen war nur ein Meer von weissen Wolken zu sehen.

„ Ich hatte kaum diese flüchtige Umschau gehalten, als ich bemerkte, dass Pöll am Herausnehmen des Fahnenstockes arbeitete, um ihn auf der gegenüberstehenden höchsten Spitze aufzupflanzen, auf dem „ „ Bankenet, wie er sie nannte. Wir stiegen nun auf der Südseite unseres Gipfels abwärts der schmalen Einsattelung zwischen beiden Gipfeln zu und da überlegte ich, ob es denn nicht zu spät sei, um zu dieser Stunde noch den zweiten Gipfel zu ersteigen und noch in die Alpe hinab zu kommen. Ich theilte Pöll diese Bedenken mit, die er auch ganz richtig fand; er fügte aber bei, er werde thun, was ich wünsche, „ „ denn hinaufkommen werden wir sicherDarauf hin hiess ich Pöll ganz auf den die zwei Gipfel verbindenden Eisgrat hinuntersteigen, um den Uebergang und Aufstieg genau zu untersuchen. Er kam mit der Mittheilung zurück, dass ihm die Ueberschreitung des Grates bei dem vielen weichen Schnee nicht schwierig vorkomme, ob wir aber an dem zweiten Gipfel nicht öfter würden das Beil benützen müssen und zum Auf- und Abstieg nicht ziemliche Zeit brauchen würden, vermöge er nicht zu bestimmen.

* ) Bajonett.

„ Unterdessen war es wieder später geworden und in Anbetracht dieses Umstandes und im Gefühl der Befriedigung, am nämlichen Tage schon Hinreichendes mit einem einzigen Führer geleistet zu haben, überwand ich die dem Bergsteiger selbst verzeihliche Schwäche für den „ „ first elimb " " und kommandirte, umzukehren.

„ Ich muss gestehen, dass ich bei so günstigen Wit-terungs- und anderen Verhältnissen nicht gerne umkehrte, und Pöll erst recht ungerne; er sagte immer, er wäre wegen der Engadeiner gar so gern auf das Bankenet gestiegen. "

„ Wir waren bald wieder auf der Spitze, wo wir die mitgenommene Stange am alten Ort einschlugen und uns noch eine Zeit umschauten. Grossartig ist der Einblick in die Bernina-Gruppe, von Ortschaften sieht man nur Bevers heraufschauen.

„ Um 1/23 Uhr verliessen wir den Gipfel, überschritten in gedachter Weise die Spalte unterhalb derselben und waren in kurzer Zeit wieder an den Felsen, wo wir hin-aufgeklommen waren. Es ging von da an wieder langsam, doch waren wir vor Einbruch der Nacht von den Felsen herunter und gingen diesmal auf dem Gletscher neben der Moräne fort, wo wir einige Zeit schnell vorwärts kommen konnten; dann überraschte uns die Nacht und zugleich ein Donnerwetter. Es war ein grossartiges Schauspiel. Wir hätten es aber gerne entbehrt, denn wir konnten jetzt nur mit Mühe auf dem Gletscher fortkommen. Pöll brachte mich jedoch um 9 Uhr glücklich nach Misaun.

„ Ich glaube, dass beide Roseg-Gipfel im Frühsommer am leichtesten zu ersteigen sind, und dieser Ansicht ist auch Pöll. Er hat mir erzählt, dass nur der heftige Nordwind, der Einen ganz verwirrt machen könne, und der brüchige, pulverige

Schweizer Alpen-Club.«

Schnee sie verhindert haben, auf den hinteren Roseg-Gipfel zu kommen. "

Kam Specht so schon tief in die Nacht hinein, wie wäre es ihm erst ergangen, hätte er die höhere Spitze erstiegen, wozu er im günstigsten Falle einige Stunden gebraucht hätte Ï Wahrscheinlich wäre er schon auf dem Koseg-Kamme, in einer Höhe von über 11,000'von Nacht und Gewitter ereilt worden.

Um noch einmal vereint dem Berge zu Leibe zu gehen, hatten Specht und ich auf den 10. Juli 1865 uns Rendez-vous nach Galthür* ) gegeben. Pöll sollte abermals uns begleiten und für den Fall, dass wir eines zweiten Führers bedürften, glaubten wir in jener Gegend am ehesten unseren Mann zu finden.

Um auf einem neuen Wege nach Paznaun zu gelangen, verfügte ich mich abermals nach St. Anton, am jenseitigen Abhang des Adlerberges, und stieg, wie ich 's vor'm Jahr schon im Sinne hatte, da mir der Uebergang viel zu versprechen schien, nach dem Moos-Thal hinauf, aus dessen Hintergrund ich nachlschgl hinüber zu dringen beabsichtigte. Die Partie fiel so gelungen aus, dass ich nicht umhin kann, in Kürze ihrer zu gedenken.

Im Hinansteigen nach dem Moos-Thal entfaltet sich ein reizender Rückblick auf den von dunkler Waldesnacht erfüllten Hintergrund des Rosana-Thals, nach der herab sich windenden Adlerberg-Strasse, nach den obersten Ortschaften und dem zackigen grauen Felsgebirge, das nordwärts auf sie

K>.

* ) Anm. d. Redaktion. Die Herren Coaz und Weilenmann schreiben diesen Namen verschieden. Wir lassen einem Jeden seine Schreibart.,.

herabschaut. Und betritt man das in enger Schlucht mündende Seitenthal, so erlabt sich das Auge am feuchten Grün des westlichen Abhanges, das um so wohlthuender und überraschender, als draussen in der Tiefe nur noch versengter Rasen zu sehen war. Ein schwellendes Polster von Moosen und Alpenrosen, bei dessen Anblick man ordentlich Lust darin zu waten kriegt, deckt dort Alles mit seinen vollen, rundenden Contouren. Im Hintergrund des Thales strebt in schroffen Felswänden, ihre weniger steile Ostseite mit einem wuchtigen Gletscher behangen, eine mächtige Kuppe auf, an der das Auge mit Bewunderung haftet. Die Generalstabs-Karte nennt jenen Gletscher den Gr. Kartei-Ferner und so hörte ich ihn auch im Thale nennen.Gegen Sonnenuntergang, in etwa 2 Stunden von St. Anton aus, wurde die Ross-fall-Hütte erreicht, wo mir von den hier wirtschaftenden paz-nauner Sennerinnen ein recht gutherziger Empfang wurde, so dass es einen mannhaften Entschluss brauchte, um in der Frühe nach der mir fremden, unbewohnten Gebirgswelt aufzubrechen.

Nach einer Weile Ansteigens über einen Vorsprung sieht man zur Linken eine kleine Seitenmulde sich öffnen, durch die man hinüber nach Kappel gelangt. Es soll ein leichter Weg sein. Meine Absicht aber ist, direkte nach Ischgl zu kommen, und so steige ich südwärts durch das sich verengende trümmerbedeckte Thal hinan, wo jede Spur von Weg verschwindet. Wahrscheinlich hätte ich weiter unten den Strom überschreiten sollen, denn man sieht dem jenseitigen Ufer entlang den Pfad führen. Mit etwas Geduld wird indess auch dieser ödeste Theil des Thales überwun-

) Specht behauptete in der Folge, die Kuppe heisse Sulzberg und der Gletscher Sulzferner.

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den. Man gelangt zum Ausgang einer Kluft, aus der wild-tobend der Thalbach bricht, steigt ihr entlang über Felsplatten und Rasenbänder hinan und sieht sich überrascht am Eingang eines weiten herrlichen Gebirgskessels, über dessen friedlich vom Strome durchschlängelten Triftengrund allgewaltig die schon gedachte schwarzgefleckte Gletscherkuppe thront. Eine unbewohnte Hütte ist Alles, was die weite Trift belebt. Ostwärts öffnet sich abermals ein kleines Seitenthal, dessen Bach die Karte Weissbach nennt; es soll durch dasselbe leicht nach dem bei Ulinich mündenden Fatlar-Thal hinüber zu kommen sein. Allem Anschein nach ist die Partie eine lohnende.

Mein Weg führt in das südwestwärts sich erschliessende letzte Seitenthal hinein und über seinen schuttbedeckten Grund hinan. Der Kamm, der von der gedachten Kuppe au bis zu seinem Hintergrunde es vom paznaun'schen Matt-lein-Thal trennt, strebt in hoher, wildgezackter Mauer bald kahl, bald schneebehangen vor mir auf. Wo ich da hinüber soll, ist mir noch nicht recht klar und guter Rath theuer. Keine Seele, die mir ihn geben könnte! Auch zu St. Anton und Rossfall unten wusste Niemand den Uebergang genau zu bezeichnen. Höher im Thale werde ich indess eine bessere Umsicht haben und mich eher orientiren können.

Indem ich die Rasenhügel zur Rechten überschreite, geht es rascher und um 8 Uhr habe ich die oberste Thalstufe gewonnen, wo wieder ein wildschönes Gebirgsbecken sich entfaltet, wie man es hier hinten nicht suchen würde. Jenseits der Felsspitzen, die es westwärts beherrschen, und hinter der horizontalen Einsenkung, die ihnen zur Rechten sich weitet und einen Uebergang zubieten scheint, muss das Fasul-Thal liegen. Zu Fussen jener Spitzen, auf hoher Terrasse, lagert Piz Buin.53.

ein Gletscher* ) und dehnt sich bis zu einem begletscherten Gipfel dem Kamm entlang aus, der mich von Mattlein trennt, während ostwärts des Gipfels, von einem hohen Joch herab, ein anderer Gletscher sich windet. Da ich keinen Landeskundigen bei mir hatte, so kann ich leider nicht benennen, was ich vor mir sah. Es ist dies eine Schattenseite des Alleingehens in Gegenden, von denen keine genauen Karten existiren. Um sich verständlich zu machen, muss man zu mühsamen Umschreibungen greifen.

Die Frage: Wo hinüber? tritt nun dringend an mich heran. Was ich soeben über die Umgebung geäussert, war damals nur Muthmassung, von zuverlässiger Orientirung keine Rede; dazu fehlte mir das westwärts an 's Moos-Thal sich reihende Blatt der Karte, auf dem das Seitenthal ist, in dem ich bin, und fehlte mir ferner der Kompass. Indess scheint Alles darauf hin zu weisen, dass über einen der beiden Gletscher, die zur Linken und Rechten des beeisteu Gipfels herabsteigen, über eines der zu ihren Raupten sich öffnenden Joche mein Weg gehe, wenn schon der Führer im Rossfall unten, der freilich nie den Uebergang gemacht, mich versicherte, man komme gar nicht über Schnee. Wahrscheinlich ist an beiden Orten hinüber zu kommen. Hätte ich einen Gefährten, ich zöge den östlichen Uebergang vor, der etwas höher und weniger eingeschlossen scheint und daher einen

* ) Specht nannte ihn Vergress-Kar. Auf Blatt Nr. 10 derDufour-schen Karte, die die österr. Generalstabs-Karte copirt hat — es kam mir erst in der Folge zu Gesicht — wird er „ kl. Kartei Fr. " genannt. Nach ihr ist, was ich für ein Seitenthal des Moos-Thales ansah, nur die etwas südwestw&rts sich wendende Fortsetzung desselben. Mein " Weg muss genau über das abgekürzte Wort Ferner geführt haben. Der Gipfel zu seiner Rechten kann kein anderer sein, als der gedachte Gletschergipfel.

freieren Umblick verspricht. Doch mag man dort länger über Gletscher zu gehen haben und sieht die Sache gefährlicher aus. Desshalb und weil der Schnee schon weich sein muss, bleibt mir, allein wie ich bin, nur das scheinbar leichtere westliche Joch.

Ueber Schneehänge, an denen spärlich der schwarze Rasen zum Vorschein kommt, nahe dem östlichen Rande des Gletschers, der von der obersten Thalterrasse herabsteigt, geht es sehr stotzig hinan. Fels und Eisblöcke, vom Gipfel zwischen den beiden Jochen herabgestürzt, haben tiefe Furchen in den Schnee gegraben. Will man sich nicht von deren einem ereilen lassen, so mag man sich hier sputen. Eine halbe Stunde anhaltenden Steigens brachte mich auf die Terrasse, wo es der Westseite des beeisten Gipfels entlang sanft hinanging über den Firn. Bald finde ich mich zu Fussen der zum Joch aufstrebenden, von Klippen überragten Schneehänge. So abschüssig sie sind, habe ich sie, Dank der Neugier, die mich treibt, und dem weichen Schnee, der zwar mühsam zu durchwaten, bald erobert, und betrete zu meiner hohen Befriedigung um 9 Uhr schon das 8—9000'hohe Joch. „ Wieder einmal dich gut herausgebissen und eben so gut es errathen !" musste ich mir sagen, als ich, wie es bei weitem nicht auf allen Uebergängen der Fall, eine weite herrliche Gebirgswelt, von Duft und Sonnenglanz umwoben, vor mir sich aufthun sah. Mit einem Schlage bin ich vollkommen orientirt! Denn eine ganze Fronte bekannter Bergformen, der Gebirgszug, der Paznaun vom Unter-Engadin und Ober-Juthai trennt, entrollt sich gegenüber. Als mächtige Pyramide, so dominirend wie er mir von keiner anderen Seite vorgekommen, entsteigt der Muttier der duftblauen Thaltiefe, während das Fluchthorn zum Misskennen verkümmert erscheint. Hinter ihnen ragen schneegekrönt die Häup- ter der südlichen engadiner Kette, taucht der Silberdom des Ortler auf.

Die Silvretta-Gruppe versteckt sich hinter dem schneebehangenen, mit einer ansehnlichen Felskuppe* ) « ndenden Grat, der westwärts das zu Fussen sich öffnende Mattlein-Thal umschliesst. Nach dem fernen Osten hemmen schon Wolken den Blick.

Ein Leichtes wäre es nun, über den klippigen Grat hinan die hohe Felsspitze zu erklimmen, die westwärts aufsteigt, und noch leichter wäre wohl auf den Gipfel zu kommen, der mich vom Östlichen Joch trennt. Der zusehends sich umwöl-kende Himmel, die Gewissheit, dass dort oben nicht viel mehr zu sehen, so unbegrenzt sonst der Umblick sein mag, Gewogen mich jedoch, so frühe es war, das Thal zu suchen. Freund Specht kann schon angekommen sein, und mich drängt 's, ihm die Hand zu drücken.

Ueber jähe Erd- und Rasenhänge geht es auf den mit gewaltigen Trümmerblöcken besäeten, mühsam zu überschreitenden Hintergrund von Mattlein hinab. Vergebens suche ich den Quellen beizukommen, die unter dem Getrümmer murmeln, um den brennenden Durst zu löschen. Die Hitze, seit acht Tagen eine ganz ausserordentliche, wird mit jedem Schritte bergab lästiger. Die nördliche Thalwand überschauend, sehe ich, dass auch dem östlichen Joch — wahrscheinlich das eigentliche Mattlein-Joch — von dieser Seite, die ganz schneelos, leicht beizukommen ist. Endlich betrete ich die obersten Weiden, wo aber nur Galtvieh geht, und tiefer unten, wo einige Hütten stehen, regt sich gar nichts mehr, so dass meine Hoffnung auf Milch zu nichte geht. Noch weiter unten, am brennenden, dünnbewaldeten Abhang ist 's kaum mehr auszuhalten vor Hitze. Rock und Hemd an ein Tännchen

* ) Grasspitz nach Dufour's Karte..

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Weüenmann..

zum Trocknen hängend, nehme ich an einem Kanal, der dem Abhang entlang führt, eine erfrischende Waschung vor und bald darauf, um Mittag schon, sitze ich in Ischgl unten beim Glase Meraner und den köstlichsten Forellen, die je des Menschen Herz erfreuten. Specht aber ist noch nicht durchgekommen, sonst wäre er hier sicherlich zugekehrt; die Wirthin erinnerte sich seiner von seinem ersten Besuche her. Nachdem die grösste Hitze vorüber, schlendere ich thalan, um, wenn das Donnerwetter losbricht, das bei dieser Schwüle kaum ausbleiben wird, an meinem Ziele zu sein. In Mathan suche ich Pöll, finde ihn aber nicht in seiner alten Wohnung. Auf meine schriftliche Anfrage, ob er Lust habe, noch einmal mit uns auf den Roseg zu gehen, hatte ich eine Epistel erhalten, unter der zwar sein Name stand, deren Handschrift, Styl und grosses Wachssiegel aber, auf dem von einer Glorie überstrahlt Kelch, Kreuz und Sanduhr prangen, schliessen lassen, sein Seelsorger habe sich seiner angenommen. Nur das anerkennenswerthe, mit verwegenen Schnörkeln ausstaffirte Franko schien von seiner Hand gemalt. Indem Schreiben hiess es: „ Obgleich ich mit den Vorbereitungen zur Erbauung einer eigenen Wohnung für meine Familie sehr beschäftigt bin, so kann ich doch nicht umhin, Ihrer ehrenden Einladung zu folgen. " Vergebens nun spähte ich im Dorfe nach irgend welchen baulichen Vorbereitungen,die mir zu Pöll's Wohnung hätten verhelfen können, und ich begann zu vermuthen, er habe Seiner Wohlehrwürden und mir was vorgemalt, bis man mir zu oberst im Dorf eine alters-geschwärzte Hütte wies, wo er wohne. Doch war sie geschlossen, und von den Nachbarn, die mich aus Pöll's Mittheilungen kennen und haarklein wissen, was der Wiener Herr und der Schweizer geschrieben, vernehme ich mit Vergnügen, dass Specht ohne Fehl morgen eintreffen werde und

dass Pöll, z.T.h. um mir gefällig zu sein, heute früh nach dem Prättigau hinübergegangen. Ich hatte ihm nämlich geschrieben, wenn er in die Nähe der Silvretta- Gruppe komme oder von einer Höhe in seiner Nähe Gelegenheit habe, sie zu übersehen, so solle er aufpassen, ob und auf welchen ihrer Gipfel schon Siegeszeichen aufgepflanzt, und sich erkundigen, ob in Sardasca hinten die Club-Hütte fertig und schon Club-Ge-nossen angerückt seien. Nun ist er meinem Wunsche mehr als nachgekommen, indem er auf einem Wege, wo er Gelegenheit hat, alles dies zu erfahren — über diePieler-Höhe und durch 's Kloster-Thal — nach der Schweiz gegangen. Um ihn zu sprechen, werde ich bis morgen mich gedulden müssen^ da er erst gegen Mitternacht zurück sein wird. Wenn die Umstände günstig, will er mit der Partie ein kleines Geschäft in Kaffee oder Tabak verbinden, zu dessen Gelingen die Nacht sich besser eignet, als der Tag.

Etwas höher im Thale hat Pöll's Vater, ein rüstiger Greis, dem man die Achtzig nicht ansieht, angesichts des schön sich entfaltenden Gebirgsthales sein Heimwesen. Da traf ich seine Kleine, die bei meinem Anblick mit Zetergeschrei die Wiese hinanfloh zur Mutter, die mit Anderen dort am Heuen war und mir das eben Vernommene bestätigte.

Sonst ist 's ein reizender Gang über die stillen Matten nach Galthür; heute aber hat ihn der dunkelnde, schon Regen entsendende Himmel und der Schneewind, der kalt das Thal hinab bläst, verdorben.

Früh Nachmittags des folgenden Tages — es war Sonntag — begann jene furchtbare Regenfluth, die in der Taminaschlucht und anderwärts so grossen Schaden gethan. Der Jam-Bach fluthete wild daher und erreichte eine bangen-erregende Höhe.

Montags frühe brachte ein Mann die Nachricht, Specht sei gestern Nachts 11 Uhr, mausnass und übelzugerichtet von den schlechten Gebirgspfaden, mit einem Führer von St. Anton nach Mathan herübergekommen, also so dass wir — ein eigenthümlicher Zufallohne irgend welche Verabredung wahrscheinlich denselben Weg gemacht haben.

Und später berichtete ein Anderer, Specht sei desshalb so tief in die Nacht gekommen, weil er erst nach der Messe, die der Führer nicht versäumen durfte, von St. Anton aufgebrochen und weil dieser den Weg nicht gekannt und irre gegangen sei. Zu dieser Nachricht bemerkte der Wirth: Auch Specht habe ohne Zweifel die Messe besucht, worauf ich erwiederte: Das glaube ich nicht — und mit diesen simplen, von keinerlei Commentar begleiteten Worten einen formi-dablen Sturm heraufbeschwor.

Man muss nämlich wissen, und Jedem, der nicht blos momentan in Galthür weilt, sondern vielleicht auf Tage dahin gebannt wird, thut es zu wissen gut, damit er sich danach richte, dass der Wirth, der zugleich Gemeindevorsteher und als solcher omnipotent, ein Religionsfanatiker der gefährlichsten Sorte ist. Seiest du noch so wenig zu Controversen aufgelegt, er reisst jede Gelegenheit vom Zaune, eine solche anzuregen, dir sie aufzudrängen, und arbeitet sich dabei in eine blinde Wuth hinein. In seinen Augen sind die Protestanten das niederträchtigste Gesindel, das auf Gottes Erdboden herumläuft, und jeder Unthat fähig. Hinterrücks und offen äussert er sich dir gegenüber in diesem Sinne. Und hältst du an dich, kann sein Gebahren dir höchstens ein Lächeln abzwingen, so ist 's gerade diese Ruhe, die seinen Zelotismus zum Aeusserten bringt. Vergebens suchte ich ihm begreiflich zu machen, dass das Exemplar von Protestant, das er eben vor sich habe, ein sehr missrathenes sei, höchstens ein Taufscheinprotestant — er ist nicht zu beschwich- tigen.

In seiner ganzen Amtshöhe dicht an mich hintretend, die Fäuste geballt, das Gesicht wuthverzerrt kreischt er mich an: „ A Protestant glaubt weniger als a Hund !" und nur dem Dazwischentreten seiner Frau und ihrem Bitten „ Thua doch net gar so wüasthabe ich 's wahrscheinlich zu danken, dass er nicht handgreiflich wurde. Freilich dauerte es nicht lange und er war wieder der seines Interesses sich erinnernde kriechende Wirth. Einige Fortschritte in der Kultur hat dieser Ex - Jugend bildner, seit ich ihn kenne, immerhin gemacht; das beweist ein Item für „ S.chuhsehmirbe ", das heuer zum ersten Mal auf meiner Rechnung figurirt.

Hätte es nicht den ganzen Tag so arg geschüttet, ich wäre längst zu Specht hinabgegangen, da ich herzliche Langeweile litt. Von einem Nachmittagsschlafchen erwachend, hörte ich unten in der Wirthsstube mehr als gewöhnliches Leben und als ich hinabstieg und die Thüre öffnete, siehe... da sassen die sehnlichst Erwarteten schon beim Glase Wein. Von Specht vernahm ich nun ausführlich, was für Irrfahrten und Strapazen er durchgemacht, wie er aus dem Moos-Thal nach Fasul und dann erst nach Mathan hinüber gekommen und wie sein nichtsnutziger, des Weges unkundiger Führer in der finstern Nacht zuweilen förmlich über den Abhang hinabgekugelt sei. Pöll berichtete, dass noch keine Siegeszeichen auf den Höhen der Silvretta-Gruppe flatterten und zwar die Club-Hütte fertig, aber keine Clubisten angelangt. Darob staunte ich billig, fand es jedoch erklärlich, da selbst Ende der ersten Woche Juli's ihnen weder Excursions-Kartellen noch Itinéraire zugekommen war.

Specht ist auch der Meinung, dass wir, obschon Beide vor'm Jahre den Fermunt-Pass überstiegen, doch keinen lohnenderen Uebergang wählen können und dass wir bei dem Anlasse den Piz Buin ersteigen, den dritthöchsten Gipfel Weilen mann.

der Silvretta- Gruppe, insofern man das Fluchthorn auch dazu rechnet.

In gehobener Stimmung — denn gegen die erregende Morgenfrische, den klarblauen Himmel, die im frischen Schnee prangenden Höhen hätte selbst ein noch intoleranterer Wirth, eine noch ranzigere Geissbutter, als die, die uns den Kaffee verbitterte, nicht aufzukommen vermocht—schritten wir am nächsten Morgen über die regengetränkten Fluren thalein und hinauf durch tirolisch Fermunt. Nach einigen Stunden rüstigen Ausschreitens wurde die Pieler Höhe betreten, wo wir uns zu langer Rast auf den Rasen streckten, um an dem Anblick des wunderbar schönen Gipfelrundes uns zu weiden, das in seltener Frische und Schärfe, wie es nur nach starken Regengüssen der Fall, uns umgab. Denn zu eilen brauchten wir nicht. Für den Buin waren wir heute jedenfalls zu spät. Ein passenderes Unterkommen, denn die Hütte von Gross-Fermunt gab es für uns nicht, und diese sahen wir ja, kaum eine Viertelstunde entfernt, westwärts uns zu Füssen liegen.

PölL, der längst einen Schnapsduft um sich her verbreitete, langt die Flasche, die er in der Seitentasche seines Wammses geborgen hielt, heraus, treibt den Pfropfen tiefer ein und stellt sie, damit ihr nichts geschehe, in den Schatten des Felsstückes, an dessen Sonnenseite wir gelagert.

Zur Linken von der stolzen Felspyramide der Radspitze ( 2906 M. ) eingerahmt, die verlockend schön aus dem topfebenen Grunde des Ochsenthaies sich aufschwingt, zur Rechten von den Felswänden der Schatten- und Lobspitze, ragt silberstrahlend aus Firn und Eis der Beherrscher des Thales, Piz Buin, zum lichten Mittagshimmel auf. In Tirol wird er Albain, in Vorarlberg Albuin-Kopf geheissen. Während die anderen Höhen noch im Morgengrau liegen, glüht seine Stirn schon im Frühroth; Abends leuchtet er am längsten über dem dämmerden Thal.

Ihre schwache Seite wird aber die jungfräuliche Schöne, kalt und spröde wie sie auf uns herabschaut, auch haben, und Pöll, der gefährliche Gebirgsstratege, hat mit seinem Acolyten schon den Angriffsplan geschmiedet.

Eine Strecke weit werden wir über den Hauptstrom des Ochsenthal- oder Fermunt-Gletschers, dann durch die Mulde des Seitengletschers hinansteigen, der vom Signalhorn, dem Gross- und Klein- Buin herabkommt. Ein zackiger Felsgrat, am Fusse des Buin zu sehen und gegen uns mit einem sanftgerundeten Schneerticken endend, trennt ihn vom Hauptgletscher, der von den mehr östlichen Partien des Buin, dem Fermunt-Pass und den an Jam grenzenden Höhen, herab-driugt. Bevor der Grat auf den Schneerücken ausgeht, bildet der Seitengletscher einen raschen vielzerklüfteten Absturz, während darüber, bis zum Fusse der beiden Buin, sanft und ungebrochen das Firnfeld sich erhebt. Finden wir uns über den Absturz hinauf, so wird dies der geradeste Weg und unser nächstes Ziel dann die tiefe Lücke zwischen den Tbeiden Gipfeln, die Fuorcla dils Buin, sein.

Oder wir ersteigen vom Seiiengletsclier aus den gerundeten Schneerücken, überschreiten die östlichen Schneehänge des Felsgrates, passiren ihn an geeigneter Stelle und gelangen über das erwähnte Firnfeld ebenfalls in jene Lücke.

Was dann weiter zu thun, ob wir, ohne die Lücke zu betreten, die sehr steil scheinenden Schneehänge erklimmen, die zur Linken des kleinen Felsgipfels oder Vorsprunges aufstreben, in den westwärts absteigend der Rücken des Buin endet, oder ob wir hinter dem Vorsprang an seiner Südseite leichteres Thun haben, lässt sich von hier aus nicht sagen. Immerhin sind wir, entgegen der in Guarda und Steinsberg herrschenden vorgefassten Meinung, die Besteigung sei ein Hexenwerk, nach wie vor der besten Zuversicht, leicht da- mit fertig zu werden.

Der Einwand, den man hier machen könnte, es komme eben darauf an, von welcher Seite der Angriff geschehe, wird im Verlaufe dieses Berichtes widerlegt werden.

Auf morgen prophezeit Pöll indess schlechtes Wetter, weil der Schnee auf den Höhen auch gar so abnorm stäube und wirble. Und ich komme, ob auch auf anderem Wege, zu demselben Schlüsse: der Himmel hat sich gar zu schnell aufgethan und ist so überaus durchsichtig.

Während wir so Unheil brüteten gegen den keuschen Buin, liess sich plötzlich hinter uns durch das Blasen des Windes ein Laut hören, wie von etwas Platzendem. Pöll mit einem „ Oha !" fahrt auf, beguckt seine Flasche, will sie ergreifen — sie zerfällt in Scherben!

„ Einen Blick nach dem Grabe seiner Habe " sendet Pöll, lässt sich aber vom Spott nicht anfechten, legt sich auf den Bauch, schlürft auf, was der zum Theil noch gefrorene Boden nicht eingesogen, und fügt sich als Philosoph in 's Geschehene.

Dann geht 's nach der Alphütte hinab, um den knurrenden Magen zu befriedigen. In der geschäftig ein- und ausgehenden Figur mit den blendend weissen Aermeln und eben so weisser Schürze, die längst und um so mehr unsere Aufmerksamkeit erregt, als in hochgelegenen Alphütten solche Reinlichkeit selten herrscht, begrüssen wir die muntere, immer gut aufgelegte, rastlos thätige Kathi, eine junge Montafonerin, mit klugen, lebendigen Augen, in denen Muthwille lauert. Sie ist das belebende Element und nebst dem Passeirer, dem Pächter der Alpe, der mit seinem zottigen Hund und einem Viehhändler über die Weide naht, die Seele dieser Gebirgs-wildniss. Uns wurde ein Willkomm, wie man ihn gastfreundlicher nicht wünschen kann. Der Passeirer hat sich kürzlich ein kleines Hüttchen gebaut, das an die Sennhütte stösst und eine gutverschlossene Stube mit Bretterboden, Ofen und einem Fensterchen an jeder Seite enthält.

Diese Stube und das gewaltige Bett darin wird uns überlassen und den Tisch deckt bald Alles, was eine Alphütte, in der eine geschickte Hand waltet, des Guten bieten kann. Damit aber der Leser keinen falschen Begriff von der Kathi bekomme, erwähnen wir, dass sie mit ihrem Bruder hier wirth-schaftet. Gedenken wir ferner des Schafhirten, der beiden Küher und eines Küh erjungen s, so ist die ganze stabile Sommer-Bevölkerung des Thalhintergrundes aufgezählt.

Wie erwartet kam in der Nacht der Regen, so dass wir unbesorgt bis in den hellen Tag uns dem Schlaf überlassen konnten, und bald wurden wir sogar von Schneegestöber heimgesucht. Ohne Aussicht auf besseres Wetter ging auch dieser Tag zu Ende. Mit anbrechender Dämmerung war die Bevölkerung der Alphütte unversehens auf 18 Personen angewachsen, die, so gross das allgemeine Lager, nicht alle eine leidliche Schlafstätte finden konnten. Und als es vollends Nacht war, da kam die ganze Bande vor der ungewohnten Kälte in unser Stübchen geflüchtet. Etwa ein Dutzend bemächtigte sich liegend und hockend unseres Bettes, Andere setzten sich auf den Ofen und fast Jeder qualmte seinen Knaster, so dass einem beinahe das Sehen verging.

Ob die Anwesenheit der beiden Touristen, die in der Ecke hinter'm Tisch vielleicht allzu würdevoll sich geben, die Unterhaltung lähmt, oder wo es happert, weiss ich nicht. Zwar die beiden Schwestern der Kathi, die in der Umgebung Enzian-Wurzeln graben, scheinen sich blutwenig um sie zu kümmern; Auge und Ohr, ihre Sinne alle sind anderswo, sind von dem Zauber befangen, den des Passeirers feuriges Auge, der herzbestrickende Wohlklang seiner Stimme auf sie übt.

Die Eine an seine Linke, die Andere an seine Rechte geschmiegt, beide im Sturm seine Gunst zu gewinnen suchend, hängen sie an jedem seiner Blicke, lauschen ihm jeden Laut ab, indess er eine Ruhe bewahrt, die zum Verzweifeln, als wäre es nicht der erste Sturm, den sein Herz zu bestehen hat.

Und der Entwickelung der kleinen Scene, die dort am Ofen zwischen dem einen Küher und der Kathi spielt, scheinen wir auch nicht hindernd im Wege zu sein. Eine Herzens-Affaire ist 's nicht, bei keinem der Betheiligten. In solche lässt sich der Küher, ein seltsamer Kauz, ein psychologisches Räthsel-, den Mutter Natur in einer ihrer wunderlichsten Launen schnurstracks ihren Gesetzen zuwider geschaffen hat, nicht ein; er hat sonst was auszufechten mit dem neckischen Mädchen. Wer würde glauben, dass hinter dem blondlockigen Hirten, dessen Wangen noch jugendliches Roth färbt, dessen Gesichtszüge viel Ebenmaass zeigen, der dazu berufen scheint, auf der Spur einer liebebedürftigen Doris zu wandeln, ein ein leibhaftiger Weiberhasser steckt? Als solcher hat der Bedauernswerthe viel zu hören und zu dulden von seiner männlichen und weiblichen Umgebung.

Um dem Abend die Krone aufzusetzen, begannen die drei Schwestern zu singen. Es hatte der Ueberredungskünste viel gebraucht, sie dazu zu bewegen und der Erfolg rechtfertigte nicht die verschwendeten Worte. Einmal aber angefacht, war die Sanglust nicht wieder zu dämpfen, Lied folgte auf Lied. So arg indess mit ihren gefühllos kreischen-* den, schmetternden Stimmen die beiden Wurzelgräberinnen und die Kathi das Ohr verletzten, so gottserbärmlich falsch, einem schwärmenden Kater gleich, der an Leib und SeeP sonst so harmonisch ausgestattete Passeirer d'rein heulte, gerade das Uebermaass des Unschönen, verbunden, wie es war, mit viel Komischem, liess nicht zu, dass man sich ärgerte.

Mich ergriff vielmehr eine masslose unbändige Lachlust, so dass ich Freund Specht, in dem Aehnliches vorzugehen schien, gar nicht mehr anzusehen wagte, aus Furcht, in beleidigender Weise herauszuplatzen.

Nachdem das Eis gebrochen, wollte Alles singen, ein allgemeiner Cantus wurde angestimmt, der draussen durch die stürmische Nacht eigenthümlich geklungen haben mag. Selbst Pöll, den ich nie einen Ton habe singen hören, hat die Macht des Liedes erfasst. Verborgen hinter den Anderen auf unserem Bette, lässt der Bescheidene seinen Gemüth und Gehör verrathenden Sekund hören, ja vertritt sogar allein die Stimme.

Wir hatten längst den Rachechor zum Kuckuck gewünscht, es wurde aber beinahe Mitternacht, bevor Jemand Miene machte, sich zu drücken. Dann, als wir allein waren, hiess es erst Thüre und alle Fensterschieberchen geöffnet, um vom kalten Schneewinde den Dunst und Qualm heraus-fegen zu lassen.

Schon schliefen wir den Schlaf der Gerechten, als die Thüre aufging und zwei Männer eintraten, in deren einem wir den Weiberhasser erkannten. Drüben ausgestossen als unnützes Glied der menschlichen Gesellschaft, sucht er Zuflucht bei uns ledigen Knaben, in denen er wohl Gesinnungsgenossen wähnt. Unser Bette mit einem Dritten und Vierten zu theilen, fällt uns aber nicht ein, und so bleibt den Beiden nichts übrig, als sich auf den harten Boden zu legen. Decken haben sie mitgebracht, aber kein Kopfkissen. Da muss fataler Weise gerade über ihren Köpfen der schwarze rotli-verbrämte Gala-Unterrock der Kathi hängen und ihre begehrlichen Blicke auf sich ziehen. Der Weiberhasser, behaglich schmunzelnd und nicht ohne einen gewissen Hohn, langt

Schweizer Alpen - Club.5

ihn herunter und improvisirt daraus ein Kissen. Kaum aber in der Frühe erwacht, erhebt er — der Undankbare, Unverschämtenachdem er die ganze Nacht gut darauf geruht, die empörendsten Anklagen gegen das Kleidungsstück, die ich der Kathi zu lieb und von wegen Naserümpfens unerörtert lasse. Es war das einzige Mal, dass wir die Kathi recht in Harnisch gerathen sahen, als ihr von boshafter Zunge das eben Erzählte hinterbracht wurde. Erst nach heftigem Klopfen und Schütteln hielt sie den Unterrock vom Contacte mit dem Weiberhasser gehörig gesäubert.

Unsere Geduldprobe geht endlich zu Ende. Regen und Schnee haben aufgehört, wild stürmt zwar der Nebel noch um die frischbeschneiten Höhen, blauer Himmel schaut aber auch herab, uns mit bester Hoffnung belebend.

Schon als wir hier ankamen, meinte Specht, wir würden vielleicht gut thun, für den Fall, dass wir im Ober-Engadin sonst noch etwas unternehmen wollten, den Passeirer mitzunehmen, wenn er sich dazu bereden lasse. Die Sache war schon der Ueberlegung werth, denn mit einem Manne wie er, der in ganz Paznaun der kühnste Jäger, und mit Pöll waren wir sicher, auszuführen, was im Bereich des Möglichen lag. Sonst gibt sich eigentlich der Passeirer nicht mit Führen ab, da er 's sonst gut genug hat und das Otium cum dignitate der Alm nicht gerne für die Mühen des Bergsteigens aufgibt. Höchstens aus Gefälligkeit geleitet er etwa einen Fremden über den Fermunt-Gletscher oder auf eine der nächsten Höhen. Kann er sich entschliessen mitzukommen, so erweist er uns einen grossen Gefallen, sind wir ihm zu Dank verpflichtet. Als Specht ihm den Vorschlag machte, wies er ihn nicht eben ab, ja er betrachtete es, als Freund und Landsmann PöU's, gleichsam als Nationalsache, dass sie uns endlich auf die höchste Spitze des Roseg führen. Nur kann er nicht weg, bevor er mit dem St. Gallischen Viehhändler, mit dem er seit einigen Tagen in Verhandlung steht, abgemacht hat.

Nun dies geschehen — er hat ihm „ auf einen Klapf " 900 Schafe verkauft — ist er bereit, uns zu begleiten, und seine grösste Sorge ist nunmehr, in was für Hosen und Stiefeln er seine langen Beine stecken solle, um sich der Schweiz würdig zu präsentiren und ob er den Regenschirm mitnehme, in welch'heikein Fragen er hoffentlich bis morgen, dem Tage des Aufbruches, zu einem Entscheid gelangen wird. Draussen hatte sich 's unterdess vollkommen aufgeklärt. Verführerisch schön zeichnete sich auf dem klaren Himmel die Radspitze, so dass wir in Versuchung waren, ihr einen Besuch zu machen. Nur der neue Schnee und die Befürchtung, wir möchten uns zu sehr darin ermüden und nicht die gehörige Frische mehr für den Buin haben, hielt uns davon ab. Dafür erstiegen wir Nachmittags den nahen Vorsprang der Lobspitze. Man geht südwärts über das Moor zur 111 hinab, dort über den Steg und an den jenseitigen Weidhängen unweit der Bachschlucht hinan. Thalauf und ab, ringsum öffnet sich da überraschend schön das Gebirge. In seiner schimmernden Firnpracht, unter diesem wonnigen Himmel bietet der Buin und der gewaltige Eisstrom, der vor ihm in 's Thal hinabreicht, ein Bild von überschwänglicher Schönheit, das viel vollkommener, denn jenes von der Pieler Höhe. Man wird des Schauens nicht satt, die Sohlen brennen dir ordentlich vor Lust, in jener flimmernden Gletscherregion dich zu tummeln. Auch die himmelhohen Wände und der wilde Kamm der Schattenspitze treten uns hier überwältigender entgegen. Von den höhern Weideplätzen herabgestiegen, gesellte sich der Schafhirte zu uns. Selten habe ich den rauhen Gebirgssolin mit so inniger Liebe und Anhänglichkeit, fast möchte ich sagen Poesie, über seine Berge, über

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das Hirtenleben sich auslassen hören, wie er es that. Pöll und er sind nicht ganz einig, wo da unten auf dem Thalboden einst das Wirthshaus und wo die Branntweinhtttte gestanden. Nur dessen ist Jener sicher, dass accurat dort „ wo dieKuah gäbt ", nahe dem immer mehr vom Weideland wegfressenden Strome, der Tanzboden war. Damals, als noch die grossen Viehmärkte hier abgehalten wurden, mögen wilde ländliche Orgien hier gefeiert worden sein. Es heisst auch, unsere streit- und raubsüchtigen Ahnen seien auf der Ebene uns zu Fussen mit den Paznaunern einst zum Handgemenge gekommen. Erst wollten sie über den Zeinis nach Paznaim einfallen, vernahmen jedoch, dass der Pass, da man ihr Nahen gewittert, besetzt sei. Dann versuchten sie über die Pieler Höhe einzudringen, wo man ihnen aber auch zuvorgekommen. Statt Fidel und Waffengeklirre hört man jetzt nur das wiederhallende Muhen der Rinder und zuweilen das Dröhnen einer Lawine das ernste Schweigen des Alpthales stören.

Wieder die Tiefe suchend, kamen wir zu einem klar spiegelnden Seelein, „ im Gleck " geheissen. Es ist zum Theil von warmen sonnigen Rasenhängen geschützt und bietet mit seiner Umgebung ein so reizendes, behagenathmendes Bild, dass wir, allesammt stillschweigend damit einverstanden, an seinem Bord uns lagerten und eine Viertelstunde verträumten. Auf dem Grunde funkelten kleine Wasserkäferr am Rande schwamm todt manch'zierlicher kleiner Schmetterling. Specht, der etwas höher sass, wollte wissen, wie kalt das Wasser sei. Etwa 12 Grade, meinte ich; worauf er nichts Eiligeres zu thun hatte, als nach der flachufrigen Seite des Seeleins zu gehen, sich auszukleiden und hinein zu springen. Die Hand ist indess kein zuverlässiger Wärmemesser und nachdem mein Gefährte einige Züge geschwommen und vor Kälte gepustet, beeilte er sich, eben so schnell wieder an 's Land zu kommen, kroch eiligst in 's Hemde und begann so, fast kugelrund wie er ist, krebsroth vom Bade, über Stock und Stein, in, die Kreuz und Quere zu springen, wie ein Besessener, welche unsäglich komischeu aber zugleich brillanten Evolutionen uns Zuschauern einen lebhaften Beifallssturm entlockten.

Kennte ich nicht Specht als bewährten Bergsteiger, die Behendigkeit, die er entfaltet, wäre ein gutes Prognostikon für die uns bevorstehenden Partien.

Die Gletscher des Hennebergs und der Pielthaler Spitze leuchteten grell aus der schwarzen Nacht ihres Felsrahmens, milde schimmerten im Monde die Schneehänge der Lobspitze über ihre geheimnissvoll in Duft und Schatten gehüllten Feisund Rasenwände herab, die Krisper Wand, uns im Norden aufsteigend, und die westwärts das Thal schliessenden Höhen lagen klar, alle ihre Einzelheiten zu erkennen gebend im Mondenlichte, als wir um 2 Uhr frühe des 14. Juli die ostwärts sich dehnende Weide und das wasserreiche Moor überschritten. Die wenigen Laute, die durch die, feierliche Stille dringen, hier das leise Klingeln einer einsamen Glocke, von einem wiederkäuenden Rinde bewegt, das auf dem bereiften Rasen liegt, dort ein murmelnder Quell, weiterhin das verschwommene Rauschen der Bäche, sind in harmonischem Einklang mit dem ergreifenden Nachtbilde. Du wagst es nicht, mit trivialem Geplauder so viel Weihe zu stören. Nur im Stillen ergötzest du dich an der drolligen Figur, die vor dir, mit Siebenmeilenstiefeln ausholend, in der Rechten den Alpstock, in der Linken den Regenschirm, unser gewaltige Nimrod schneidet. Er hat sich für jene „ Unnenn-baren " entschieden, die überall, wo starke Abnutzung zu befürchten, mit schwarzem Leder belegt und express für Rutsch-Partien erfunden zu sein scheinen.

Unsere Sektion St. Gallen hat sich, zwar nicht ohne eine Masse geistigen Aufwandes, einen verdienten Namen erworben durch ihre Schnhstiidien.

Mit eben so viel Glück dürfte sie sich in das ebenberührte Thema < vertiefen und damit den Dank der Club - Genossen ernten. Vollkommenheit zu erlangen ist ja das Ziel alles menschlichen Strebens!

Es ist ein widerwärtig Wandern über das Moor. Pfützenr Gräben, kleine Raseninseln wechseln trügerisch im Ungewissen Mondenlichte und nöthigen dich, scharf vor dich hinzusehen, willst du nicht hineinpatschen. Einmal die trockene ungebrochene Weidebene erreicht, geht man sicher, die Umgebung lässt sich geniessen. Denselben Weg verfolgend, den wir vor'm Jahr gegangen, sind wir'mit Tagesgrauen schon nahe dem Ende des Ochsenthal-Gletschers. Dort verlassen wir unsere damalige Richtung, gehen hinüber nach dem westlichen Thalhang, überschreiten noch eine Strecke weit steinigen Boden und betreten dann den Gletscher, über den es rasch hinangeht, so rasch, dass Freund Specht, dessen „ Blasbalg ", wie er ts nennt, stark in Anspruch genommen, zfti-weilen in energischem Imperativ den Voraneilenden Mässigung gebietet. In diesem feierlichen Moment, wo die Sonne nahtr wo die ganze Schöpfung ihres Leben bringenden Strahles harrt, ist 's aber auch, als triebe es dich, ihr entgegen zu eilen,. der Erste sie zu begrüssen.

Wir sind bald so weit über den bei Anlass des Rastes auf der Pieler Höhegedachten.Seitengletscherhinangestiegenr dass wir den Schneerücken, in den der Grat endet, der vom Buin herabkömmt, nahe zur Linken haben und für eine der dort angedeuteten Richtungen uns entscheiden müssen. Jene über den Schneerücken und Felsgrat gewährt ohne Zweifel einen schönen Gesammtüberblick des Haupt- und Seitengletschers, scheint aber weiter zu sein. Und da es uns drängt, unser Ziel zu erreichen, so geben wir der über den nicht mehr fernen Gletscherfall den Vorzug.

Voraussichtlich werden wir ihn ohne Mühe überwinden. Er wird uns zwar weniger Ausblick, in seiner wilden Zerrissenheit aber grossartige Scenerie bieten, wie sie dort nicht vorkömmt.

Vom Grate uns entfernend, d.h. eher westwärts uns haltend, stiegen wir durch das Klüftelabyrinth empor, als uns plötzlich hoch oben zur Rechten, wo seit einiger Zeit nur Eiswälle herabstarrten, ein brennendes Roth überraschte. Es war ein wenig vorragender Felsgrat, der zwischen und über den noch in Dämmerlicht liegenden crenelirten Eisbastionen herabsah und mit ihrem zarten Meeresgrün in magischem Kontraste stand. In solchen Momenten ist das Herz übervoll; man fürchtet durch ein Wort den Zauber zu brechen; höchstens in entzücktem Ah und Oh macht sich dein Inneres Luft!

* ) Auf dem Excursions - Kärtchen ist nicht die Spur davon zu sehen.

Etwas vor 6 Uhr schon haben wir die Lücke erreicht, wo sich ein beengter Blick auf Höhen des Unter-Engadin öffnet. Doch ist 's einstweilen noch so wild und schattig hier und bläst der Wind so grimmig kalt durch, dass wir nur eiligst an einen Haufen legen, was wir oben nicht brauchen, um schnurstracks den uns vor der Nase aufragenden Buin anzugreifen.

Wir sind nun südwärts seines kleinen westlichen Felsgipfels oder Yorsprunges. Unser nächstes Ziel ist die Einsenkung zwischen ihm und der Hauptmasse des Berges. Fast sicher, wie wir sind, hier leichter hinaufzukommen, haben wir der nordwärts zu ihr emporführenden Schneehalde keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Das Bedürfniss, uns warm zu gehen, beschleunigt unsere Schritte über den steilen Schneehang und das vortretende Gestein, und die Einsenkung ist bald gewonnen.

So weit war eigentlich die Partie nur Kinderspiel und auch jetzt mag 's noch eine Weile leicht hinangehen. Doch wissen wir nicht, was der Felsabsturz dort oben am aufsteigenden Rücken bringt, und finden für gut, die Steigeisen anzuschnallen. Mehr rechts, oder seiner südwestlichen Abdachung zu, fänden wir vielleicht einen leichteren Aufstieg. Unsere beiden Männer sind aber nicht gewohnt, viel Federlesens zu machen, und schlagen den direktesten Weg ein, der dicht unter dem Absturz des Rückens über die Nordwand führt, nicht zwar über ihre abschüssigsten Partien, sondern durch eine Art Couloir, das an sie grenzt und jäh-anstrebend sie beherrscht.

Etwas krausig sah das zum Theil beeiste Couloir mit seinem widerhaarig vortretenden Gestein schon aus und erschreckend rasch tieften sich unter uns die Schneehalden ab. Als wie mit eiserner Klammer packte des Passeirers Rechte meine Linke, und im Sturm, so dass Funken sprühten, wo seine Eissporen das nackte Gestein angriffen, klommen wir zusammen hinan.

Dann, als er mich auf dem Bücken

geborgen sah, half er auch meinem Gefährten hinauf

und die einzige heikle Passage bei dieser Besteigung war überwunden. Ueber das sanftgeneigte Schuttfeld und die etwas steileren Schneehänge der südwestlichen Abdachung, die folgten, könnte jede Dame gehen. Erst kurz bevor man den fast horizontal laufenden scharfen Gipfelkamm erreicht, wo die Abdachung eine streng südliche wird, das Gefälle zunimmt, die ungebrochenen Hänge in Terrassen übergehen, sieht man sich wieder auf den Rücken des Berges angewiesen, der nach dem Ochsenthal-Gletscher zu schwindliger Tiefe abstürzt.

Fünf Stunden nach dem Aufbruch, um 7 Uhr, betraten wir, so frisch, als wären wir kaum gegangen, das nordwestliche Ende der Gipfelschneide, den höchsten Punkt des Berges, wo wir behutsam uns auf Schnee und darunter erscheinendem lockerem Gestein lagerten; denn des Raumes ist nicht eben viel. Auch hier nicht die geringste Spur früherer Besteigung! Die Umschau übertraf in jeder Hinsicht unsere Erwartungen, die — warum, kann ich kaum sagen, vielleicht weil uns der Berg nicht dominirend genug schien — ziemlich bescheiden waren. Denn nicht nur ist sie von gewaltiger Ausdehnung, nicht nur reicht der Blick in endlose Weiten, sondern ( was von den umfassendsten Panoramen oft nicht gesagt werden kann ) auch für malerische Ausstattung, insoweit eine Gipfelausschau das Malerische zulässt, ist darin gesorgt. Begünstigt von einem Himmel, wie er uns heute lächelt, verfehlt wohl kaum eine Rundschau ihren günstigen Eindruck. Das Auge schwelgt im Anblick der rings am Himmelssaum funkelnden Firne, das Herz fühlt sich ergriffen von der feier- liehen Stimmung, die durch den unermesslichen Raum weht, indess bei weniger günstiger Beleuchtung die reich ausgestattete Rundsicht dich kalt lässt.

Wie auf den andern bedeutenderen Höhen der Silvretta-Gruppe bilden auch hier das weitgedehnte Oezthaler-Gebirge, der Ortler mit seinen Verzweigungen und hauptsächlich die Bernina -Kette durch ihr imponirendes massiges Auftreten, durch die Schönheit ihrer Umrisse, durch ihr blendend reines Schneegewand die fesselndsten Momente im endlosen Berggewimmel. Dann wieder ist es die kühngegipfelte, tiefdurchschluchtete jenseitige Wand des Unter-Engadin, die das Auge anzieht. In ihrer das Ober-Engadin begleitenden Fortsetzung verfolgen wir sie bis zur Bernina-Kette, die bis fast zu ihrem dem Corner See nahenden Ende, wo sie statt zierlicher Schneekuppen starre Felszacken weist, zu erkennen ist. Ebendort, wo sie zu Ende geht oder dem Blicke sich entzieht, wird sie vom Kegel des Linard eingerahmt, der riesig aus den Tiefen von Val Lavinuoz sich aufschwingt. Ueber einem ihrer Gipfel, dem Captitschin, sieht man den Monte dellaDisgrazia auftauchen. Den Gebirgszug, der nordwärts das Ober-Engadin beherrscht, haben wir grösstenteils in gedrängtem Profil und der Linard, breit davor hingepflanzt, trägt auch dazu bei, seinen Anblick zu verkümmern. Den unerquicklichen Knäuel kahler Gräte und Zacken zu entwirren, die zwischen ihm und der duft-erfüllten Flucht des Vorder-Rheinthales sich zeigt, dazu bedarf es genauerer Kenntniss jenes Gebietes, als wir sie besitzen, die wir es nur auf den begangensten Pfaden betreten haben. Wenig zur Linken der schwarzen Gipfel der beiden dominirenden Plattenhörner, die westlich vom Linard aufragen, begrüssen wir das Tambohorn. Ihnen zur Rechten ist, in allen seinen Einzelnheiten als compacte Gletscher- insel dem dunkeln Gebirgschaos entsteigend, das Adula-Gebirge zu erkennen.

Was uns aber dicht über jenen Hörnern und dem Zapport-Gletscher entgegenleuchtet, in jenem matten Gold, das entfernte Schneeberge färbt, ist nichts weniger, als ein Stück Monte-Rosa-Kette — der Saasgrat! Erkennten wir nicht deutlich unter den sechs durch tiefe Einschnitte getrennten Gipfeln die oft gesehenen mehr charakteristischen Formen des Alphubels, Täschhornes und Doms, wir trauten unseren- Augen kaum, und zwar nicht allein der Entfernung wegen, die etwa 40 Stunden beträgt, sondern weil der Buin auch gar so verborgen steht hinter den vielen Gebirgszügen, die dazwischen liegen. Mehr nordwärts am Horizont, auch immer noch etwa 33 Stunden entfernt, rückt das Berner Oberland mit seinen würdigsten Kämpen in 's Feld, geführt vom Finsteraarhorn. In der Vorhut sehen wir den Galenstock. Stattlich, obwohl etwas gedrängt, tritt die Gipfel-Colonne auf, die nordwärts den Vorder-Rhein begleitet. Tödi erhebt seinen ehrwürdigen Silberscheitel dicht hinter der den Strela-Pass beherrschenden Weissfluh, die nicht umsonst so heisst, und daneben flimmern die Clariden, der Vorab-Gletscher, weist uns der Hausstock seine Stirn. Selbst Glärnisch, Wiggis, Mi.irtsch.enj wagen sich schüchtern hervor. Fast verloren in Dunst und Dunkel erspäht man die vümrisse des Schäniser Berges, sieht zu seiner Linken das Becken des Zürich-Sees sich öffnen, nicht aber seinen Spiegel. Und der gezahnte Kamm der Kurfürsten hebt sich auch nur schwach von der trüben Ferne ab, während des Falknis ditrehschluchtete Wände schon schärfer hervortreten. Unseren Herzensfreund, den Säntis, glauben wir ganz verstohlen, kaum sein Haupt zeigend, zur Linken des Scesaplana winken zu sehen. Aus den duftigen Tiefen des Prättigan weht Thalleben heimelnd zu uns herauf.

Ein Glas Rebensaft ist indess Alles, wonach wir von dort unten uns sehnen. Das Lied, das den Schnaps verherrlicht, ist eine Lüge, und mir ist ohnehin, kurz nachdem ich über Pöll's Malheur mich lustig gemacht, fast dasselbe begegnet, nur dass das Fläschchen ganz blieb und in 's Ränzel auslief. Hätten wir nicht bei der Kathi etwas Kirsch gefunden, wir wären ohne alle Spirituosen. Auch aus Vorarlberg, den daran grenzenden Thälern Tirol's, auf Bayern's Grenzmarken ragt zahllos das Gipfelheer auf. Doch sind es meist nur Pygmäen neben dem Titanengeschlecht, das in Ost, Süd und West uns umgibt. Kaum dass irgendwo noch ein erhebliches Eis- oder Schneefeld das monotone Grau und Braun, die Oede dieses Fels-gewirres belebte. Wo es deren noch hat, liegen sie meist an der Nordseite verborgen. Zimpa, Rothe Hand, Hoch-Maderer, Kalter Berg, Platriol-Spitze, Mädelegabel, Hochvogel, aus den ihnen nördlich gelegenen Thälern gesehen fast lauter ganz respectable Kumpane, vermögen sich kaum mehr über den grossen Haufen zu erheben. Von duftum-florten Bergeshängen glänzen einige Dörfer des Bregenzer Waldes hell und freundlich zu uns herauf. Was noch mehr nordwärts selbst dem bewaffneten Auge nur wie da und dort ein Funkeln aus chaotischem Dunkel erscheint, das mögen Ortschaften sein des bayerischen und zunächstliegenden würtembergisehen Hügellandes. Nach dem Bodensee gucken wir uns fast die Augen aus, zuweilen wähnend, was davon zu sehen und wieder nicht. Seine näheren Partien mögen durch Berge verdeckt sein, die entfernteren aber, die man vielleicht sehen könnte, werden im Dunkel der Ferne aufgehen. In hohen Schneehalden und Felsterrassen dicht vor uns aufstrebend hemmt der kleine Buin den Fernblick zwar nicht, entzieht uns aber einen Theil des Glet-

scher-Circus, der im Hintergrund von Lavinuoz sieh weitet. Das Gipfelrund, das ihn umgibt, und die oberen Partien seiner West- und Nordseite übersehen wir, während die westlichen Thäler der Silvretta-Gruppe und das vorarlbergische Klosterthal* ) uns verborgen liegen. Weitaus den erhabensten Anblick in unserer nächsten Umgebung gewährt der vielfach von wildem Felsgeklippe umgebene Ochsenthal-Gletscher, der in seiner ganzen gewaltigen Ausdehnung, wie kein anderer dieser Gruppe sie hat, in all seiner schimmernden Pracht uns zu Fussen liegt. Funkelnder Schnee und schwarze Klippen contrastiren grell auf dem Kamme, der Jam von ValTasna scheidet. Den Abzweigern entsteigend, die er nord- und südwärts sendet, sehen wir das eisumgürtete, wilde, zackige Fluchthorn, den zahmeren Fatschalo und zwischen ihnen, wieder dem ostwärts ziehenden Hauptkamm angehörend, Stammerspitz und Muttier aufragen.

Unser Rundbild ist weniger arm an Ausblicken in 's be-wohntev Land, auf grüne Thaloasen, als manche andere Höhen. So taucht nordwärts der Blick in die duftblaue Tiefe des Ochsenthaies, öffnet sich ihm südwärts fast in seiner ganzen Länge das V. Tuoi oder Guardner Thal, wie unsere Tiroler es nennen.

Während des 3 V2 stündigen Aufenthaltes auf dem hohen Rücken war die Luft immer angenehmer, das Rundbild immer brillanter geworden, so dass es uns eigentlich schwer ankam, den Abmarsch in die Tiefe anzutreten.

Wie wir in der Folge vernahmen, kam man erst durch

* ) Auf dem Excursions - Kärtchen wurde im Klosterthal für Gletscher das Wort Kees angewandt, das meines Wissens näher westlich denn die Tauern-Kette nirgends im Gebrauch ist.

7SWeilenmanti.

das Steininannli, das wir errichtet, in Klosters unten darauf, dass der Buin, der eben weit zurücktritt und unbedeutend vorragt, dort sichtbar ist.

Kann die steile Runse umgangen werden, die im Absteigen noch misslicher war, dann ist der Berg für Jedermann leicht zugänglich. Unten in der Lücke empfing uns eine lästige Wärme, ein intensives Widerstrahlen des Schnees.

Der nächste und bequemste Weg nach Unter-Engadin hätte nun über die steile Schneehalde, die zwischen beiden Buin sich absenkt, auf den Gletscherarm hinabgeführt, den die Dufour-Karte Cronsel* ) nennt, und hinaus durch V. Tuoi. Da wir aber durch dieses Thal schon gegangen, wollen wir den unseres Wissens von Touristen nie gemachten Uebergang nach V. Lavinuoz versuchen, der viel interessantere Scenerie, namentlich einen grossartigen Anblick des Linard zu bieten verspricht und zudem eine gute Strecke weiter oben aufs Hauptthal mündet.

An's Seil gebunden, schreiten wir in tiefaufgeweichtem Firn dem Nordabhang des kleinen Bain entlang und erreichen, allmälig ansteigend, die weite Firneinsenkung zwischen seinem westlichen Kamm-Ende und dem Signalhorn ( früher Eckhorn ), die wir vorschlagen, Fuorcla dil confin zu nennen. Wenige Schritte nordwärts darüber, auf dem schwach vortretenden Felskamm, lagern wir uns angesichts einer wunderbar schönen, vom glanzvollsten Mittagshimmel verherrlichten Gebirgslandschaft. Im Rückblick, zur Rechten von den beiden Buin begrenzt, ist 's eine Welt licht- und duftumwobener Spitzen, grösstenteils dem Gebiete des

* ) Cronsel heissen aber nur die Guff'erhalden unterhalb des Gletschers.

Inn angehörend, über die das Auge schweift. Südwärts über dem in sanfter Neigung weit vor uns sich dehnenden Firnfeld und dicht zur Linken des finstergewandeten Linard prangt im vollsten Sonnenlichte die Bernina-Kette, ein Bild von überschwänglichem Glanz und Glorie.

Ueber festen, spaltenlosen Firn ging es dann rasch hinab bis dort, wo, von schroffen Felswänden eingezwängt, der Tiatscha-Gletscher furchtbar wild geborsten zu Thale stürzt. So gar nicht hatten wir gezweifelt, leicht darüber hinab zu kommen, dass wir auf dem Zeddel, den wir auf dem Buin gelassen, vorausgesagt, wir giengen da hinab. Nun sehen wir, dass wir die Rechnung ohne den Wirth gemacht. Wie andere Gletscher, mag auch er diesen abnorm heissen Sommer mehr zerklüftet gewesen sein als gewöhnlich. Nachdem der Passeirer ein Stück weit hinabgestiegen und berichtet, wie es aussehe, zweifeln wir zwar auch jetzt nicht an der Möglichkeit des Hinabkommens, nur mögen wir die Zeit nicht darauf verwenden, die es braucht, und ist keine Lust vorhanden, die Strapaze durchzumachen; denn in diesem eingeschlossenen Gebirgswinkel brennt die Sonne noch ärger, als weiter oben, und der blendende Schnee trägt mit dazu bei, uns abzuspannen, gleichsam zu demora-lisiren.

Einige Momente waren wir recht verlegen, was thun. Den Gang durch das wildschön zu Fussen sich öffnende Thal gaben wir zu ungerne auf. Mein Vorschlag, den Felsgipfel zu umgehen, der westwärts den Eisabsturz beherrscht, und der Schneehalde entlang, die zwischen ihm und den südlicheren Felsterrassen sich absenkt, auf den tieferen zahmeren Theil des Gletschers hinabzusteigen, fand wenig Anklang, weil man in der That nicht wusste, wie es hinter jenem Gipfel aussehe und ob uns dort nicht eben so Schlim- mes bevorstand, wie hier.* ) Zuletzt entschlossen wir uns für den sichersten und leichtesten Ausweg, für den Uebergang über das mit 2937 M. bezeichnete Firn-Plateau** ), das wir im Hinabsteigen zur Linken hatten, nach V. Tnoi.

Beim Ueberschreiten des Fermunt-Passes hat Pöll gesehen, dass auf der Ostseite leicht hinab zu kommen. Verdriesslich ist es schon, wenn 's auch nicht steil geht, bei dieser Hitze wieder hinan zu waten, und der Passeirer zumal kann es nicht verwinden, dass wir diesen Umweg machen sollen. Vom Seile sich losmachend, ersteigt er allein den Firnhang des hohen Kammes, der in jähen Felsabstürzen den Tiatscha-Gletscher ostwärts überragt, und sieht nach, ob auf der anderen Seite nach Lavinuoz hinabzukommen sei. Uns war bange für den Prachtskerl. Wir riefen ihm nach, wohl Acht zu haben auf verdeckte Spalten, die seinem öfteren Sondiren nach häufig waren. Unglaublich rasch und sicher jedoch kam er hinauf, sah sich um und rief hinab, er glaube, wir thaten besser, in der eingeschlagenen Richtung fortzusteuern, er werde uns wieder treffen, indem er der Nordseite des Kammes entlang absteige. Dann sich setzend, genoss er in aller Seelenruhe der ohne Zweifel prachtvollen Umschau.

Wir Anderen schlenderten unterdess langsam davon, Pöll voran, dann Specht und ich, durch eine ziemliche Strecke Seiles, das ich zum Theil aufgewunden in der Hand trug, von meinem Vormann getrennt. Das Nachschleppen des Seiles war mir lästig und ich hatte eben noch die leicht-

* ) Von Herrn Forstinspector Coaz, dem gründlichen Kenner dieses Gebietes, vernahm ich in der Folge, dass wir dies hätten ausführen können.

In der Karte mit Plan Rai ( Königs-Ebene ) benannt.

fertige Frage gethan: Ob wir nicht Alle uns losbinden wollten. Da — ich schaute statt auf den Boden in die Höhe und verfehlte die Fusstapfen der Anderen — fand ich mich mit Blitzesschnelle, nur fähig, im Sturz einen Schrei zu lassen, in eine dunkle Kluft versenkt, darin baumelnd im Leeren zwischen Leben und Tod, soweit das Seil mich hatte fallen lassen, vielleicht etwa 20'tief.

Es war ein Moment des intensivsten Schreckens für alle Betheiligten. Mancher, dem ein Gram das Leben verbittert, wähnt, sie seien nur schwach, die Bande, die ihn noch an 's Leben ketten, ein Nichts könnte sie zerreissen. Tritt aber urplötzlich der Sensenmann drohend an ihn heran, dann regt sich instinktiv der Erhaltungstrieb und trotz alle und alledem wehrt er sich tapfer um seine Haut.

So war es mein Erstes, dass ich, mit der Linken über dem Kopf, des Seiles mich versicherte, mit der Rechten des schon ihr entgleitenden Alpstocks. An den spiegelglatten Eiswänden suchte ich umsonst Halt mit den Fussen, sie glitten überall ab. Ganz unfähig, selber etwas für meine Rettung zu thun, blieb ich einen Moment hängen. Specht, der Wackere, hatte indess oben festen Stand behalten. „ Turnen Sie !" rief er hinab was aber nicht Avohl ging. Dann jedoch, als Pöll auch zu Hülfe kam, fühlte ich, wie energisch sie oben um mich sich mühten. Es ging rasch hinan, so rasch, dass ich, an Knieen und Ellbogen heftig geschürft von den nun kommenden Unebenheiten, hinaufschrie, sie sollten doch nicht so unbarmherzig ziehen! Auf einem Gesimse fand ich meine Gletscherbrille hängen es wurde heller zwischen den grünblauen Wänden einbrechender Schnee überschüttete mich zuweilen, so dass mir Hören und Sehen verging. Doch endlich erfasse ich den Stock, den meine Gefährten quer über die Spalte gelegt, ich werde gepackt von

Schweizer Alpen - Club.

IVeilenmann.

ihren Fäusten und herausgezogen an den lieben warmen Sonnenschein.

Erst jetzt, als wir uns recht umsahen, wurden wir gewahr, auf was für äusserst gefährlichem Terrain wir standen. Schrund folgte auf Schrund. Während ihrer Bemühungen um mich hätten meine Gefährten eben so leicht dem verrätherischen Gletscher zur Beute fallen können. Wenn ich, gelähmt von Schreck, matt vom Ringen, ihnen in jenem Augenblick für ihr aufopferndes Benehmen nicht den Dank wusste, der ihnen gebührte, so sei er ihnen hiemit aufs Wärmste gebracht.

Entfernt nicht ahnend, was vorgegangen, sass unterdess der Passeirer immer noch gemüthlich auf der hohen Zinne und gab dem wiederholten Mahnen Specht's, herab zu kom- men, erst dann Gehör, als er ihm zu verstehen gab, dass wir seiner dringend bedürften. Wir verfolgten ängstlich jeden seiner Schritte und athmeten leichter, als er endlich glücklich bis zu uns sich durchgefunden.

Merkwürdiger Weise hatte ich beim Sturz in die Kluft nichts verloren als Hut und Schleier, die, noch tiefer als ich gerathen, zu erspähen waren. Pöll wurde nun an die beiden Seile gebunden und vom Passeirer, der den Schrund über-spreizte, sachte hinabgelassen. Von dem, was Freund Specht soeben bemerkt: wie unheimlich die menschliche Stimme aus dem Gletscher herauftöne, konnte ich mich jetzt selber überzeugen. Nur war Pöll's Ruf, als er den Hut mit seinem Pickelstock heraufgeangelt und wieder heraufgezogen sein wollte, kein Angstruf.

Gehörig angebunden, bei jedem Tritte aufpassend, beständig sondirend, schritten wir schweigsam über das Plateau und jenseits hinab. An mir war die soeben erhaltene Lection nicht verloren. Aus eigener Erfahrung weiss ich nun, dass die Gletscher nicht mit sich spassen lassen, und überlege, wie oft auf meinen einsamen Fahrten mir Aehnliches hätte widerfahren können, ohne jede Aussicht auf Rettung.

Wahr ist freilich auch, dass man allein gehend sich grösserer Vorsicht befleisst. Begegnete mir ein Unfall, so war es meist, wenn ich Führer bei mir hatte.

Immer wilder und mächtiger wuchsen jetzt uns zur Linken die Felsmassen des Piz Buin auf. Die gelbliche Schneehalde, die ihn vom kleinen Buin trennt, ist ganz ungebrochen und muss leicht zu erklimmen sein. Wir überzeugten uns, dass von Guarda her und durch V. Tuoi, wo man bis zum Fusse des Berges fast immer auf guten Pfaden oder auf Rasen geht, dann über Schutthänge, Gletscher und jene Halde hinauf der leichteste und sicherste Weg auf den Buin führt. Auf jedem anderen Wege, als von der Fuorcla dil Buin aus, wäre allem Anscheine nach die Besteigung des Gipfels mit viel Mühe und Gefahr verbunden.

An Länge kömmt der Weg auf der Schweizer Seite jenem von Gr. Fermunt ungefähr gleich, wogegen dieser weit mehr Abwechslung bietet, ungleich reicher ist an erhabener Scenerie.

Von Schrunden war auf dieser Seite bis hinab nicht die Spur. Uns kam es vor, als wäre die Neigung dem Gletscher-Ende zu nicht so stark, wie das Excursions-Kärtchen sie angibt. Ueber nicht endenwollende Schutthänge erreichten wir um 2% Uhr die hintersten Weidegründe von V. Tuoi, wo eine lange Rast am Rande des Glozza- Baches zu Fuss-nnd Strumpfwäsche benutzt und der letzte Speck aus der Vorrathskammer des Wirthes zu Gaithür vertilgt ward, indem wir ihn entweder innerlich an uns oder als Schmiere auf die Schuhe applicirten.

In finsterer Majestät, als fechte es ihn wenig an, was

6* IVeüenmwin.

wir ihm, heute angethan, schaut der Buin aus milden Himmelshöhen auf unser Treiben, auf den an uns vorbeirauschenden Gletscherstrom, auf das sonnenwarme Rasengrün nieder. „ Tu faulem Schritt, in munteren Trab " gehts dann thalab und frühe schon rücken wir in Lavin ein, das wir, Dank einem guten Tropfen, eine Stunde später am andern Ende gehobener Stimmung wieder verlassen. Pöll ist in die rechte Ader gerathen und hält vor sich her einen brillanten Diskurs, links und rechts die Hände verwerfend, so das » wir unsere helle Freude daran haben. Nur zu bald jedoch trat eine Reaction ein, sein stürmischer Schritt nahm ab und die traurige Wahrheit drängte sich uns auf, dass er auf gewöhnlichen Pfaden nach wie vor derselbe nichtsnutzige Gänger ist, der beständig zu jammern hat, mögen die Schuhe sein, wie sie wollen. Und am Passeirer machen wir dieselbe Erfahrung. Es ist, als ob er seine langen Beine kaum mehr nachzuschleppen vermöge. Aber nicht nur regt sich in uns kein Mitleid für die beiden Helden, die in unverblüm- tester Weise heute ihre Geringschätzung über unsere Leistungen als Bergsteiger kund gegeben, die mehr als einmal geäussert: „ Da gianga mer aufi, da gianga mer wenn mer alloa wära !" Nein! Rache, ja süsse Rache nehmen wir an ihnen, indem wir sie weit, weit zurücklassen. Immerhin war es noch heller Tag, als wir, allesammt mit etwas steifen Gliedern, in Zernetz die ersehnte Ruhe fanden.

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