Der Quell des Vergessens
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Der Quell des Vergessens

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Von Wolfgang Schwab

In einsam-entlegenem Kare, umschlossen von mächtigen Wänden, Die nur des Kletterers Fuss in schwerem Kampf mag erklimmen, Sprudelt — die Sage erzählt es — der Quell des Vergessens.

Leise murmelnd und spärlich spendet er kostbares Gut.

Friedlich äset im Kar das scheue, zierliche Bergwild, Seltene, duftende Blumen sind farbige, blühende Zierde.

Der Quell — so sagt man — berget noch manches Geheimnis.

An sommerlich freudigem Tage, als rings der hellgrauen Mauern Silberweisses Gewand in der Glut der Sonne erstrahlte, Durchklang ein tastender Ton die tiefe Stille der Wände; Ein Klett'rer rang sich empor, entwand sich behutsam der Tiefe.

So erreicht er die Stelle, wo Lücke sich öffnet zum Kare Inmitten der sperrenden Wände.Von brennendem Schmerze Sucht er Vergessen, von bitterem Leide, Das ihm die herbe Nied'rung bereitet.

Er schreitet ins Kar. Sacht ist sein Gang, Von Blumen umsäumt, zum rieselnden Quell.

Dort neigt er sich nieder. Verhaltenen Atems Setzt er die Lippen ans köstliche Nass.

Und siehe, der Quell, der leis nur geronnen, Sprudelt jetzt lebhaft und flink. Des Wanderers Seele Ward aufs Tiefste erfüllt von lichter, heiterer Ruhe.

Schweigend starren die Wände, in blanker Schroffheit sich türmend.

Hastig und unstet ein Mensch erzwingt sich verwegenen Zutritt Am widerstrebenden Fels. Hart und gewaltsam Schuf er sich keuchend empor, des richtigen Durchstiegs nicht achtend.

Schier noch verstiegen, gewahrt er verborgene Lücke Und ersichtet das Kar. In fieberhaft stürzender Eile Sucht er den Quell und mit ihm Vergessen Von schwerer, lastender Schuld, mit der er peinvoll beladen.

Er findet endlich den Quell. Mit der Gier der Verzweiflung Wirft er sich nieder. Doch die spärliche Spende Zerrinnt ihm unter den Lippen, die Quelle versiegt.

Rings ehernes, steinernes Schweigen.

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