Deutlich mehr Unfälle
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Deutlich mehr Unfälle Bergnotfälle 2018

Letztes Jahr mussten in den Schweizer Alpen und im Jura 3211 Personen von der Bergrettung gerettet oder geborgen werden.(1) Beim Bergsport im engeren Sinne (2) sind 135 Menschen tödlich verunfallt, gut 30% mehr als im Jahr zuvor.

Der ausserordentlich schneereiche Winter, der sehr lange, trockene und heisse Sommer und der direkt anschliessende schöne Herbst erlaubten deutlich intensivere Tourenaktivitäten als im Jahr zuvor. Dies führte auch zu einem markanten Anstieg von Bergnotfällen mit insgesamt 3211 Beteiligten. Davon konnten 1021 Personen gesund oder nur leicht verletzt gerettet werden. Demgegenüber gab es auch deutlich mehr Bergtote: Einschliesslich der Todesfälle infolge einer Erkrankung (meistens infolge von Herz-Kreislauf-Problemen) haben insgesamt 207 Berggänger in den Bergen ihr Leben verloren. Das ist ein Drittel mehr als im Vorjahr. Auch beim klassischen Bergsteigen ist eine deutliche Zunahme zu verzeichnen: Hier fanden bei 117 Unfällen insgesamt 135 Personen den Tod (Vorjahr 103).

Skitouren: markant mehr tödliche Unfälle

Im Gegensatz zu den Wintern in den Vorjahren war der Winter 2017/2018 wieder einmal richtig schneereich. Im Januar fiel verbreitet sehr viel Schnee, dies allerdings nur in höheren Lagen; unterhalb der Waldgrenze regnete es häufig. Dementsprechend war an einzelnen Tagen die Lawinengefahr gross, in einigen Gebieten sogar sehr gross. Betroffen waren Anfang Januar die Vispertäler und das Simplongebiet. Im letzten Monatsdrittel herrschte dann während zweier Tage in vielen Berggebieten grosse bis sehr grosse Lawinengefahr, wobei wieder das Wallis am stärksten betroffen war. Dabei kamen die Schneesportaktivitäten ausserhalb der gesicherten Pisten praktisch zum Erliegen. Die meisten verzichteten aus Vernunft, für andere war das Wetter glücklicherweise zu garstig und die Neuschneemassen schlicht zu gross.

Erwähnenswert ist die Tatsache, dass sich nach Grossschneefällen die Schneedecke oft rasch stabilisiert. So konnten Ende Januar an den Südhängen der Voralpen bereits schöne Sulzschneeverhältnisse angetroffen werden. Der weitere Winterverlauf war eher hochdruckbestimmt, und im Februar war es sehr kalt. Erst Ende März gab es wieder intensive Schneefälle. Danach lag in den Schweizer Alpen auf rund 2000 Metern über Meer überdurchschnittlich viel Schnee. Auch die Gletscher waren sehr gut eingeschneit und boten günstige Bedingungen für hochalpine Skitouren.

Der Winter 2018/2019 begann mit ergiebigen Schneefällen ebenfalls vielversprechend: im November zunächst im Süden, ab Dezember auch im Norden, wo an Heiligabend die Lawinengefahrenstufe «gross» prognostiziert wurde. Die Schneemassen stabilisierten sich rasch, und bis zum Jahresende hin waren sehr gute Tourenbedingungen anzutreffen. Dies vor allem im östlichen Teil der Schweizer Alpen, im Westen hingegen lag in tieferen Lagen kaum Schnee.

Bei diesen Rahmenbedingungen waren die Tourenaktivitäten deutlich höher als im Jahr zuvor, wodurch sich auch mehr Notfälle ereigneten. Insgesamt 371 Tourenskifahrer (Vorjahr 281) gerieten in eine Notlage oder verunfallten. Wie in den Jahren zuvor waren mit 166 Betroffenen Sturzunfälle am häufigsten (Vorjahr 151). Meistens verursachen solche Unfälle mittelschwere Verletzungen, die eine Hospitalisation erfordern. Oft ereignen sie sich zudem im Aufstieg. Mit einer sicheren Gehtechnik («Die Alpen» 03/2018) und einem defensiven Verhalten würden sich solche Unfälle häufig vermeiden lassen. Tödlich abgestürzt sind 9 Tourenfahrer, 4 davon wegen eines Wechtenbruchs. Auch Lawinenunfälle waren zahlreicher als im Jahr zuvor. Betroffen waren 53 Personen bei total 34 Unfällen. Bei 11 davon kamen insgesamt 15 Tourengänger ums Leben. 7 dieser Unfälle ereigneten sich bei der Gefahrenstufe «erheblich» und 3 bei der Gefahrenstufe «mässig». Beim Unfall während der Steilabfahrt von der Lenzspitze zum Hohbalmgletscher im Juni war kein Lawinenbulletin publiziert.

Geprägt wurde das Unfallgeschehen im Skitourenbereich von der Tragödie vor der Cabane des Vignettes CAS. Dabei sind 7 Skitourengeher an den Folgen von Erschöpfung und Unterkühlung ums Leben gekommen. Zwei zunächst unabhängige Tourengruppen waren von der Cabane des Dix CAS Richtung Pigne d’Arolla unterwegs. Der Wetterbericht war schlecht, aber es gab am Morgen noch Aufhellungen. Im Aufstieg bei der sogenannten Mur de la Serpentine verschlechterte sich dann das Wetter. Die beiden Gruppen schlossen sich zusammen, und weil die Sicht bis auf wenige Meter eingeschränkt war, kamen sie allmählich von der klassischen Route ab. Beim Versuch, die Cabane des Vignettes zu erreichen, blieben sie einige Hundert Meter von der Hütte entfernt blockiert. Erst als am nächsten Morgen Alpinisten trotz immer noch sehr schwierigen Witterungsbedingungen von dieser Hütte aus versuchten, ihre Tour fortzusetzen, wurden die 14 Blockierten entdeckt. Mit dem Hüttentelefon wurde die Bergrettung alarmiert. Diese konnte in einer grossen Rettungsaktion alle Mitglieder der beiden Gruppen bergen. Eine Person war bereits tot, andere wurden in teilweise sehr kritischem Zustand in Spitäler geflogen. Trotz allen medizinischen Massnahmen starben weitere 6 Tourengänger an den Folgen von Unterkühlung. Dieses Unglück löste ein grosses mediales Echo aus, und leider fanden auch selbsternannte Experten eine Plattform, um ihre Mutmassungen und Vorurteile abzugeben. Wie konnte es zu einer solchen Tragödie kommen? Offensichtlich spielte die Verkettung von ungünstigen Umständen eine wesentliche Rolle. Zurzeit sind die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen.

Hochtouren: lange Saison, moderate Unfallbilanz

Der Bergsommer 2018 hatte es wahrlich in sich: Er dauerte von Mitte Juni bis Ende September, es gab nur einen bemerkenswerten Kaltlufteinbruch Ende August, und auch die Gewitteraktivitäten waren wegen der trockenen Luft weitaus weniger ausgeprägt als in anderen Jahren. Dies führte zu einer ausgesprochen langen Saison mit intensiver Tourentätigkeit. Das widerspiegelt sich auch in den Übernachtungszahlen der SAC-Hütten, die auf eine der besten Sommersaisons der letzten Jahre zurückblicken können. Der heisse Sommer war jedoch nicht nur im Flachland, sondern auch im Hochgebirge problematisch: Gletscherschwund und ausgeaperte Firnzonen erschwerten die Begehbarkeit vieler Hochtouren erheblich. Davon ausgenommen waren vor allem Gratrouten im Fels und die höchsten Gipfel im südlichen Wallis, wo sich eine gut begehbare Firnauflage beharrlich erhielt.

Entsprechend diesen Verhältnissen ist auch die Anzahl der von einem Notfall oder Unfall betroffenen Alpinisten mit 433 Beteiligten deutlich höher als im Vorjahr (367). Am häufigsten waren wiederum Blockierungssituationen, bei denen 186 Alpinisten meist wegen Überforderung oder Erschöpfung von der Bergrettung aus einer ausweglosen Situation befreit werden konnten. Demgegenüber ist die Zahl der tödlich verunfallten mit 21 Opfern im Vergleich zum Vorjahr konstant geblieben. 19 kamen bei einem Sturz ums Leben, davon 6 bei 3 Mitreissunfällen (auf dem Verbindungsgrat Lenzspitze–Nadelhorn, auf dem Weisshornostgrat und am Rheinwaldhorn westlich unterhalb des Adulajochs). Ein weiterer tödlicher Unfall ereignete sich am Mönch: Nach der erfolgreichen Durchsteigung der Lauperroute sind 2 Alpinisten im Abstieg im gleichen Sturm erfroren, in dem die 7 Skitourengänger vor der Cabane des Vignettes ums Leben gekommen sind.

Klettern: Blockierungen und Fehlmanipulationen

Aufgrund des langen und schönen Bergwetters waren auch beim Klettern im Fels die Aktivitäten intensiver als im Jahr zuvor. Mit insgesamt 144 Notfallopfern (Vorjahr 118) ist auch in diesem Bereich eine Zunahme zu verzeichnen. Deutlich zahlreicher waren mit 71 Personen jedoch Kletterer auf gut abgesicherten Mehrseillängenrouten (Vorjahr 50) betroffen, weniger Betroffene gab es hingegen auf alpinen Klettertouren und in Klettergärten.

Häufig waren auch 2018 Blockierungssituationen, aus denen die Beteiligten meistens unverletzt gerettet werden konnten. Drohende Gewitter und einbrechende Dunkelheit beim Fussabstieg waren wiederum zahlreich. Einige Interventionen der Bergrettung erforderten Abseilmanöver mit insgesamt 18 Beteiligten. Grund waren blockierte Seile, die sich nicht abziehen liessen oder sich nach dem Abziehen in den Felsen verfingen. In mehreren solchen Fällen konnten die Bergretter am Windenseil des Helikopters nahe an die Wand geflogen werden, die Seile lösen und den Kletterern zuwerfen. Die Kletterer konnten in der Folge ihre Abseilmanöver wieder selbstständig fortsetzen.

Durch einen Sturz verletzten sich 42 Kletternde, dies oft im Vorstieg und verbunden mit leichteren bis mittleren Verletzungen. Tödlich verunfallt sind sechs Kletternde. In einem Fall wollte ein Einzelgänger einen Klettergarten inspizieren und stürzte im steilen Waldgelände tödlich ab. Ein anderer tödlicher Unfall in einem Klettergarten ist auf ein Missverständnis beim Sichern zurückzuführen. Beim Stand angelangt rief der Vorsteiger «gut». Der Sichernde unten am Einstieg meinte, sein Kollege mache «Stand», und hängte das Seil aus dem Sicherungsgerät aus. Der Vorsteiger hingegen wollte abgelassen werden, hängte sich voll ins Seil und stürzte ungebremst bis zum Einstieg ab. Weitere 2 tödliche Unfälle ereigneten sich beim Abseilen. In einem Fall waren die Seile etwas ungleich lang eingezogen, und das kürzere Ende reichte nur ganz knapp bis zum unteren Stand. Die erste Person bemerkte dies und erreichte den Stand. Sie machte ihren Partner auf die Situation aufmerksam, aber es war schon zu spät: Das kürzere Seil glitt durch die Abseilbremse, fädelte oben aus, und der Kletterer stürzte mit den Seilen ab. Auch beim zweiten Fall kam es zu einem Ausfädeln der Seile: Offensichtlich waren sie nicht korrekt in das Abseilgerät eingelegt, wodurch nur ein Seilstrang belastet war. Auch der fünfte tödliche Kletterunfall ist letztlich auf eine Fehlmanipulation zurückzuführen: Zwei erfahrene Kletterer waren zusammen mit weiteren Seilschaften an einer langen, gut abgesicherten Route unterwegs. Beide waren am gleichen Stand höchstwahrscheinlich einen Moment lang völlig ungesichert. In diesem Augenblick muss einer das Gleichgewicht verloren haben, und beide stürzten angeseilt 200 Meter bis an den Wandfuss ab.

Bergwandern: Stürze und Erkrankungen

Auch in der Kategorie Bergwandern waren vor allem im langen und trockenen Sommer und Herbst die Aktivitäten intensiv, was auch hier zu mehr Notfallsituationen führte. Insgesamt gerieten 1445 Wandernde in eine Notlage (Vorjahr 1237). 57 davon verunfallten tödlich. Mit 657 Betroffenen waren Stürze am zahlreichsten, 52 Personen haben den Tod gefunden. Darunter auch ein Berggänger, der einem verletzten Wanderer zu Hilfe eilen wollte, der in ein Tobel gefallen war. Dabei rutschte er aus, stürzte ab und erlitt tödliche Verletzungen. Deutlich höher als bei anderen Aktivitäten sind beim Bergwandern Erkrankungen, die einen Einsatz der Bergrettung erfordern. 2018 waren es 293 Betroffene. Davon sind 29 Männer und 1 Frau verstorben, dies meist an den Folgen eines Herz-Kreislauf-Problems.

Weitere Bergsportaktivitäten

Im Vergleich zum Vorjahr waren beim Canyoning (20), während der Jagd (31) und beim Pilzesuchen (7) weniger Akteure von einem Not- oder Unfall betroffen. Mehr hingegen bei folgenden Disziplinen: erstens beim Variantenski- und Snowboardfahren (Freeride) mit 181 Betroffenen und 10 tödlich Verunfallten (je 5 durch Sturz und Lawinen), zweitens beim Schneeschuhlaufen mit 33 Betroffenen und 2 tödlich Verunfallten (Absturz) und drittens beim Mountainbiken mit 273 Betroffenen und 12 Todesfällen (8 Erkrankungen, 3 Stürze und 1 unklares Ereignis).

Fussnoten

1 Der Begriff «Bergnotfall» umfasst alle Vorkommnisse, bei denen Berggänger die Hilfe der Bergrettungsdienste beanspruchen. Dies betrifft auch Erkrankungen und Evakuationen von unverletzten Personen. «Bergunfälle» – als Untermenge der Notfälle – sind Ereignisse, die der allgemeinen Definition eines Unfalls entsprechen.
2 Als Bergsport im engeren Sinne werden in dieser Statistik vor allem die Ereignisse beim klassischen Bergsteigen verstanden, zu deren Ausübung kein Transportgerät verwendet wird. Deshalb sind bei den hier ausgewiesenen Zahlen die Todesfälle beim Canyoning, beim Delta- und Gleitschirmfliegen, beim Speedflying, beim Basejumping und beim Mountainbiken gesondert erfasst. Auf diese Weise sind die Zahlen des klassischen Bergsports auch über mehrere Jahre vergleichbar.

Quellen

Die Zusammenstellungen und Auswertungen dieses Berichtes stützen sich auf die Angaben und die Mitarbeit folgender Personen und Institutionen: Elisabeth Müller und Andres Bardill, Alpine Rettung Schweiz; Daniel Breitenmoser und Mario Tissi, Rega; Annick Charbonnet und Pierre-Alain Magnin, KWRO; Monique Walter, Mirjam Studer und Philip Derrer, bfu; Frank Techel und Benjamin Zweifel, SLF; Anjan Truffer, Bergrettung Zermatt; Rolf Trachsel, Bergrettung Saas-Fee, Marc Schertenleib, Rettungsstation Kandersteg; Urs Schäfer, Rettungsstation Lauterbrunnen; Paul Broger, Kapo Appenzell I.-Rh.; Andreas Brunner und Roger Pfiffner, Kapo St. Gallen, Sonja Thöni, Air Glaciers Lauterbrunnen; Marco Bomio, Bergführer Grindelwald; Corinna Schön, Institut für Rechtsmedizin, Universität Bern; Walter Maffioletti, FaKo Ausbildung/Sicherheit SAC.

Alle Daten zur Bergnotfallstatistik

Willst du es noch genauer wissen? Hier findest du die detaillierten Daten der Bergnotfallstatistik vorangehender Jahre.
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