Drei kleinere Bergfahrten in den Zinaler Bergen
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Drei kleinere Bergfahrten in den Zinaler Bergen

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Wer von den Lesern des Jahrbuches nur die ausführlichen Schilderungen hervorragender Hochtouren auf Gipfel ersten Ranges zu lesen pflegt, möge von vornherein davon absehen, nachfolgenden Zeilen Beachtung zu schenken; denn dieselben sind und sollen nichts anderes sein, als einige Notizen, die ich auf besondere Veranlassung der Redaktion schrieb, welche zum „ Panorama des Roc de la Vache " nachträglich als Ergänzung noch etwas Text wünschte.

Ich kam am 20. Juli 1895 in Begleitung der beiden Basler Studenten Gebrüder P., mit denen ich zuvor von Gesehenen über die Apiglenlücke nach der Furka gewandert war, von Siders durch das Eifischthal hinauf nach Zinal. Von diesem für großartige Exkursionen so ungemein günstig gelegenen Standpunkte aus hätte sich während der zwei Wochen, die ich daselbst zubrachte, gar manches „ machen " lassen, wenn nur die Witterungsverhältnisse bessere gewesen wären. Denn leider hatten wir in dem für Hochtouren sonst sehr günstigen Sommer jenes Jahres für unseren Aufenthalt in Zinal gerade eine mehr oder weniger ungünstige Zeit ausgewählt, so daß wir nur in der ersten Woche nennenswerte Touren unternehmen konnten, in der zweiten dagegen, wo ich überdies mehrere Halbtage zum Zeichnen des Panoramas verwendete, mußte ich mich auf Spaziergänge in die nächste Umgebung beschränken.

Unser erster Gang galt der Pointe d' Arpitetta ( 3140 m ). Von der Alp gleichen Namens ausgehend, zu welcher ein guter Weg von Zinal herauffuhrt, stiegen wir zunächst an der Südwestseite des Berges hinauf und wandten uns dann dem Sildgrat zu, über den wir die aussichtsreiche Spitze erreichten; der Abstieg wurde über die Westseite ausgeführt. Um ihrer Aussicht willen lohnt sich eine Besteigung der Pointe d' Arpitetta sehr wohl, dagegen bietet der Weg wenig Anregendes; der ganze obere Teil des Berges ist nichts als ein einziges ungeheures Chaos von Steinblöcken, die den Berg wie einen in sich selbst zusammengestürzten Trümmerhaufen erscheinen lassen; stundenlang über diese Steinwüste seinen Weg nehmen zu müssen, ist nichts weniger als unterhaltend, das Schreiten und Hüpfen von Block zu Block war uns insbesondere beim Abstieg an der der glühenden Mittagssonne ( wir waren erst um Va 7 Uhr von Zinal aufgebrochen !) ausgesetzten Westflanke des Berges, wo das Trümmerfeld gegen 700 Meter tief hinabreicht, bis zum Überdruß verleidet und wir waren froh, als wir wieder die Weiden der Alp Arpitetta erreichten.

Nicht so leicht wie unser Weg, aber jedenfalls interessanter, dürfte der Aufstieg über den Ostgrat sein, der die Pointe d' Arpitetta mit der Crete de Millon verbindet; ob er schon einmal gemacht wurde, weiß ich nicht.

Weit genußreicher als diese Bergfahrt war die Besteigung des Besso ( 3675 m ), die wir 4 Tage nachher, diesmal in Begleitung eines Führers und eines Trägers, ausführten. Von Zinal früh 21/* Uhr aufbrechend, verfolgten wir den guten Fußweg, der an der linken Thalseite zur Moräne des langgestreckten, sehr stark zurückgegangenen Zinalgletschers führt. Unter dem Ende des Felsgrates, der vom Bessogipfel in südwestlicher Richtung sich herabzieht, wurde der Gletscher verlassen und nach einer halbstündigen Rast zu dem kleinen Gletscher emporgestiegen, der sich südlich des eben genannten Felsgrates befindet; nahe dem Fuß desselben entlang gehend, verfolgten wir den Gletscher bis fast zu oberst, wo bei einer kleinen Eisgrotte, bei der abermals gerastet wurde, der Einstieg in die Felsen beginnt. Bald folgte ein kurzes Kamin, das ohne Schwierigkeit zu passieren ist, worauf uns eine leichte Kletterei über die sehr gangbaren Felsen rasch in die Höhe brachte. Auf dem den Besso mit dem Rothorn verbindenden Grat angekommen, zwischen Besso und Punkt 3670 ( in neuerer Zeit Pointe de Mountet genannt ), wo sich plötzlich ein großartiger Blick auf die Weißhorn- und Rothornkette eröffnet, betraten wir die Ostseite des Berges und erblickten schon ganz nahe das hölzerne Kreuz, das die Führer Baptiste Epinay und Joseph Vianin bei ihrer ersten Besteigung im Jahre 1862 in der Scharte zwischen den beiden Gipfelzacken errichtet hatten; nach einigen Minuten erreichten wir um Va 9 Uhr den Gipfel, die linke ( westliche ) der beiden Zinken. Bei völliger Windstille und in herrlichstem Sonnenschein konnten wir über eine Stunde lang in Hemdärmeln oben bleiben, wobei ich eine Skizze des Gabelhorns und Mont Durand mit dem dahinter aufragenden Matterhorn, sowie eine solche der Dent Blanche und des Grand Cornier aufnehmen konnte. Die Fernsicht vom Besso ist natürlich sehr beschränkt, da er auf drei Seiten von ihn weit überragenden Bergen umgeben ist; um so großartiger aber ist der Blick auf diese selbst, die, vom Fuß bis zur Spitze sichtbar, in nächster Nähe sich auftürmen; besonders mächtig tritt die Riesenpyramide des Weißhorns hervor, sowie das Gabelhorn und die etwas weiter entfernte, in schreckhaft steilen Wänden abschießende Dent Blanche.

Über die niedrigeren Partien dieses Gipfelkranzes und über die meisten Pässe hinweg tauchen entferntere Gipfel auf, so rechts vom Schall- horn der Dom, zwischen Rot- und Trifthorn Teile des Monte Rosa-Gebietes, über dem Firnrücken, der vom Gabelhorn zum Mont Durand hinüberleitet, die düstere obeliskartige Gestalt des Matterhorns, dann die Dent d' Hérens, über dem Col du Grand Cornier die Dent de Bertol, und zwischen Bouquetin und Grand Cornier der Grand Combin, und in weiter Ferne, aber trotzdem noch gewaltig imponierend, der runde Schneedom des Mont Blanc. Kaum daß man den nordwärts sich entfaltenden Berner Alpen Beachtung schenkt, so unscheinbar erscheinen sie bei ihrer großen Entfernung neben den uns in nächster Nähe umringenden Schneeriesen. Der Abstieg erfolgte bis zum kleinen Gletscher auf demselben Wege, wie der Aufstieg, dann wurde noch der Constantia-Clubhütte ein Besuch abgestattet. Meine beiden Gefährten blieben samt Führer und Träger in der Hütte, um am folgenden Tage den Bouquetin und die Pigno de l' Allée zu ersteigen, während ich noch am gleichen Tage nach Zinal zurückging, da ich tags darauf am Panorama weiter zeichnen wollte. Es sei beiläufig noch bemerkt, daß die Besteigung des Besso bei normalen Verhältnissen unschwierig ist und durchaus keine besondere Geübtheit im Klettern erfordert. Auch von Steinschlägen bemerkten wir am Besso nichts, wohl aber sahen wir gegenüber an den sonnenbeschienenen Wänden der Dent Blanche mehrere Schnee- und Steinlawinen zu Thal fahren.

Eine gleichfalls sehr lohnende Tour war die zwei Tage darauf unternommene Besteigung der Diablons ( 3612 m ). Die Tour wird von Zinal aus häufig gemacht und ist, auf dem gewöhnlichen Wege von Südwesten her, auffallend leicht; die ersten Ersteiger waren 1863 die Engländer Taylor und Whatmann mit den Führern Franz Andermatten und Jos. Vianin. Ich verließ mit dem einen der beiden Basler Studenten und dessen Schwester, einer passionierten Bergsteigerin, Zinal früh 4 Uhr und stieg über die Alp Tracuit zur Combasanahütte ( 2582 m ) hinauf, bis wohin ein guter Weg führt. Dann über die bis hoch hinaufreichenden Schafweiden ansteigend, gelangten wir zu der Stelle, wo der vom Südgipfel der Diablons herabsteigende Felsgrat mit einem bizarr geformten Turme endigt; indem wir denselben nach rechts umgingen und an der Ostseite des Hanges emporklommen, gewannen wir bald die Grathöhe und gelangten nach kurzer, leichter Kletterei auf das große Trümmerfeld, das in sanfter Steigung bis zum südlichen Gipfel ( 3540 m ) hinanreicht. Seiner Zahmheit und leichten Ersteiglichkeit wegen wird dieser Gipfel auch die „ Diablons des dames " genannt. Javelle schreibt von ihm in seinen „ Souvenirs d' un alpiniste ", er sei « d' un accès si facile, qu'un enfant y pourrait aller seul*. Wenn man auch diese Bemerkung nicht allzu wörtlich aufzufassen braucht, so ist doch immerhin die Tour thatsächlich für einigermaßen ans Steigen gewöhnte Leute sehr leicht und dürfen auch diejenigen Damen, die weder besonders geübte Gletscheramazonen noch besonders — jung sind, die Partie unbedenklich wagen.

Da der Himmel sich mittlerweile verfinstert hatte und aus dem Ei-fisch- und Turtmannthal Nebel aufzusteigen begannen, beeilten wir uns, noch den höchsten Gipfel zu gewinnen; auf dem anfänglich noch schneefreien, später firngekrönten Grat erreichten wir, gleichfalls ohne irgend welche Schwierigkeit, die höchste Spitze. Die Aussicht ist weniger großartig und malerisch als diejenige des Besso, aber immerhin sehr schön und abwechslungsreich.

Nach kurzem Aufenthalt kehrten wir auf demselben Wege, den wir gekommen, nach Zinal zurück, wobei ich noch einige Skizzen aufnahm. Einige Tage später bestieg mein Basler Gefährte den Berg nochmals, diesmal aber direkt von Westen her und in Begleitung eines Führers; diese Tour sei eine sehr interessante und teilweise schwierige Kletterei; gleichfalls schwierig soll die Besteigung vom Turtmannthal aus sein.

Die Diablonstour war die letzte nennenswerte Bergfahrt, die ich von Zinal aus unternahm, und einen großen Teil der übrigen Zeit verwendete ich auf das Panorama vom „ Roc de la Vache ". Es ist dies der nordwestliche, 2587 Meter hohe Ausläufer der Pointe d' Arpitetta, der eine äußerst günstige Aussicht auf das Gebiet des Morning- und Zinalgletschers gewährt und von Zinal in 2— 2 Va Stunden bequem zu erreichen ist. Ein ganzes Rundpanorama aufzunehmen, hätte keinen Sinn gehabt, ich beschränkte mich darauf, den schönsten Teil desselben aufzunehmen. Da es mir um mehr als um eine bloße Konturenzeichnung zu thun war, mußte ich mehrmals hinaufsteigen, ein Vergnügen, auf das ich namentlich im Interesse der Zeitersparnis und rascheren Förderung der Arbeit mit Freuden verzichtet hätte; zweimal hatte ich den Aufstieg ganz vergeblich gemacht, da ich, von Nebel und Regen überrascht, ohne auch nur einen Strich zeichnen zu können, wieder umkehren mußte: Als die Arbeit endlich beendet war, war auch meine Ferienzeit um und ich zog thalauswärts.0. Mœhly ( Sektion Basel ).

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