Energetisch auf der Höhe
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Energetisch auf der Höhe Programm berechnet Energieverbrauch von SAC-Hütten

Berghütten stellen hohe Anforderungen an die Energieversorgung. Ein neu entwickeltes Programm hilft dabei, SAC-Hütten energetisch optimal zu sanieren oder zu erweitern.

Die Lämmerenhütte oberhalb von Leukerbad gehört zu den zehn beliebtesten Berghütten des SAC. Jährlich gehen 6500 bis 7000 Alpinistinnen und Alpinisten ein und aus. Der grosse Erfolg der Hütte hat jedoch eine Kehrseite: Die Abwasseraufbereitung der Toilettenanlage kann den Besucheransturm nicht mehr bewältigen. Immer öfter muss ein Dieselaggregat der Fotovoltaikanlage unter die Arme greifen. Das trübt die Umweltbilanz. Und auch punkto Komfort genügt der Bau von 1992 den Ansprüchen nicht mehr. Daher wird die Hütte derzeit ausgebaut und energetisch saniert.

In der Planungsphase hat der SAC zusammen mit dem Zentrum für Integrale Gebäudetechnik der Hochschule Luzern ein computergestütztes Energietool entwickelt und erprobt. «Mit dem Energietool kann man aus der grossen Vielfalt an energietechnischen Möglichkeiten für jede Hütte die optimale Variante identifizieren», sagt Jürg Nipkow, Energiefachmann in der zentralen Hüttenkommission des SAC. Er hat das von der Axpo und den Kraftwerken Oberhasli KWO finanzierte Programm mitentwickelt. Dieses soll künftig Energieberatern der Hütten-kommission, Hüttenchefs und Planungsbüros bei der Sanierung und dem Ausbau von SAC-Hütten helfen. «Mit dem Tool kann man auf fast spielerische Weise verschiedene Konzepte erproben», sagt Nipkow.

Komplexes Anforderungsprofil

Bei der Energieversorgung von Berghütten muss eine ganze Reihe von Faktoren berücksichtigt werden. Einer davon ist die Energiequelle. Brennholz muss meist mit dem Heli ­herangeflogen werden, was beträchtliche CO2-Emissionen verursacht. Gas braucht weniger Flüge und ist zum Kochen äus­serst praktisch, aber mit diesem Brenn­stoff entsteht mehr CO2. Dasselbe gilt für den Dieselgenerator, der nur im äussersten Notfall betrieben werden sollte.

Der mit Solaranlagen erzeugte Strom für Beleuchtung, Telefonanlage, PC, Geschirrspüler und Kühlschrank ist dagegen recht umweltfreundlich, aber erheblich teurer als im Tal. Schliesslich sollten die Anlagen auch nicht zu kompliziert sein, da das Hüttenteam in der Lage sein muss, den Betrieb zu gewährleisten. Insgesamt ergibt das ein komplexes Anforderungsprofil, das sich künftig dank dem Energietool leichter überblicken lassen sollte.

Mit welchem Brennstoff kochen?

Bei der Lämmerenhütte hat sich vieles um den bestehenden Holzkochherd gedreht: Kann er weiterverwendet werden, und wenn ja, in welchem Umfang? Nipkow und sein Hüttenkommis­sionskollege Benno Zurfluh haben mit dem Energietool verschiedene Varianten durchgerechnet. Das Re­sultat war eindeutig: Kochen mit Holz hat die beste CO2-Bilanz – trotz den Heliflügen. Damit hat sich das Architektur- und Energiekonzept als richtig erwiesen. Entwickelt wurde es von Bürgi Schärer Architektur und Planung aus Bern zusammen mit der Firma Esotec aus Innertkirchen. «Nun wird der bestehende Holzkochherd so saniert und ergänzt, dass er nach dem Umbau wieder für den Alltagsbetrieb taugt», sagt Nipkow. Die Abwärme des Holzkochherds wird über einen thermischen Speicher für das neue Heizsystem mit Radiatoren genutzt. In den Spitzenzeiten kommt zusätzlich ein neuer Gaskochherd zum Einsatz. «Die Kochstelle mit Holz und Gas bildet die zentrale Wärmequelle», sagt Architekt Hanspeter Bürgi. Ein Specksteinholzofen im Aufenthaltsraum und ein kleiner Ofen im Schutzraum vervollständigen das Wärmekonzept.

Betriebskosten sinken auf die Hälfte

Insgesamt soll Holz bei der sanierten und erweiterten Lämmerenhütte rund 40% der Energie fürs Kochen und 80% der Raumwärme liefern. Den Rest an Kochenergie liefert der Gasherd, für die Raumwärme und das Warmwasser wird unterstützend ein Gasbrennereingebaut. «Im Vergleich mit einem reinen Gasbetrieb ist der CO2-Ausstoss so viel tiefer, während die Betriebskosten nur leicht höher liegen», sagt Nipkow (siehe Grafik). Im Vergleich zur alten Hütte sinken aber auch die Betriebskosten auf rund die Hälfte, weil das besser gedämmte Gebäude erheblich weniger Holz zum Heizen und somit auch weniger Heliflüge braucht. Den Strom werden vergrösserte Fotovoltaikflächen liefern sowie eine Mikrowasserturbine in der neu angelegten Wasserfassung. Thermische Solarkollektoren unterstützen die Warmwasserproduktion. Im Erdgeschoss wird eine neue Wasch- und Toilettenanlage mit moderner Fäkalientrocknung und -kompostierung installiert.

Obwohl die Hütte vergrössert wird, können nicht mehr Gäste übernachten. Die 96 Betten sind neu auf mehr Zimmer verteilt und 70 statt 60 Zentimeter breit. Die beschränkte Möglichkeit zu duschen, der Trockenraum, der Skiraum und allgemein etwas mehr Platz sind für Hüttenwartin Barbara Wäfler weitere Neuerungen, die den Komfort steigern. «Mit der neuen Wasserversorgung dürfen wir zudem mit sauberem Wasser rechnen», sagt sie.

Jede Hütte braucht einen anderen Energiemix

«Je nach Lage, Dämmstandard und Architektur einer Hütte ist jeweils ein anderer Energiemix optimal», sagt Nipkow. Daher sind die Daten der rund 150 SAC-Hütten bereits teilweise im Energietool hinterlegt. Das Tool funktioniert dann so: Werte wie Ressourcenbedarf pro Fläche und Heizvarianten sind auf Basis von Erfahrungswerten im Tool festgelegt. Angaben für den Ausbau und die Sanierung müssen vom Nutzer eingegeben werden.

Neben dem Anteil der jeweiligen Energieträger, dem Strombedarf der Geräte und dem Dämmstandard gibt es noch viele weitere Parameter, die man im Tool einstellen kann. Einen recht hohen Einfluss auf den Energiebedarf und somit auch auf die Klimabilanz der Hütte hat zum Beispiel der Gastro­standard: Je aufwendiger die Menüs, desto höher der Energiebedarf fürs Kochen. Auf Basis der Eingaben berechnet das Tool für verschiedene Energievarianten die CO2-Emissionen und die Betriebskosten.

Keine vollständige Ökobilanz

Nicht berechnet wird aber eine vollständige Ökobilanz, bei der zum Beispiel auch die in den Materialien steckende graue Energie berücksichtigt wird. Sie wäre laut Nipkow zu aufwendig gewesen. «Wir wollten bewusst ein einfaches Tool kreieren, für dessen Nutzung man nicht erst eine 100 Seiten lange Anleitung studieren muss.» Ein Schwachpunkt des Tools sei die nur sehr grobe Berücksichtigung der Wasserkraft. Die werde aber in Zukunft interessanter. «Wir müssen uns überlegen, was wir da tun können», so Nipkow. Bei der Lämmerenhütte jedenfalls wird eine kleine Wasserturbine den Dieselgenerator ersetzen.

«Mitte November ist die Erweiterung abgeschlossen und die Gebäudehülle überall geschlossen», sagt Architekt Bürgi. Dann folgt der Innenausbau, und ab dem 9. Februar 2017 können die Gäste in einer komfortableren und erst noch umweltfreundlicheren Hütte nächtigen.

CO2-Emissionen und jährliche Betriebskosten

Mit dem SAC-Energietool wurden drei Energievarianten für das Kochen und Heizen der von 461 auf 637 Quadratmeter erweiterten Lämmerenhütte berechnet.

Bei Va­riante 1 (V1) wird auf den vorhandenen Holzkochherd verzichtet und nur mit Gas gekocht. Der Gasherd liefert zugleich 50% Energie fürs Heizen, die restlichen 50% Raumwärme liefert Holz (zusätzlicher Holzofen im Aufenthaltsraum). Durch den Einsatz von Gas resultiert ein sehr hoher CO2-Ausstoss. Die Betriebskosten sind allerdings tiefer als bei den Varianten 2 und 3, weil Gas relativ günstig ist und vor allem pro Energieeinheit weniger Flugkosten verursacht.

Bei Va­riante 2 (V2) wird der alte Holzherd saniert und auch für die Raumheizung (Zentralheizungseinsatz) genutzt, wobei in der Küche neben Holz (40%) auch Gas stark eingesetzt wird (60%). Der CO2-Ausstoss sinkt stark, die Betriebskosten steigen etwas. Holz liefert rund 80% der Raumwärme, Gas 20%.

Bei Va­riante 3 (V3) wird – bei gleicher Ausrüstung – der Holzeinsatz nochmals erhöht (Küche 65% Holz, 35% Gas), womit die CO2-Emissionen weiter sinken, aber die Kosten weiter steigen. Da ein so hoher Holzanteil fürs Kochen vom Personal nicht geschätzt wird (viel Handarbeit, langsame Aufheizung, zu viel Abwärme), dürfte die Variante 2 in etwa dem realen Betrieb entsprechen.

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