G. Studer: Über Eis und Schnee. 2. Auflage
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G. Studer: Über Eis und Schnee. 2. Auflage

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Als im Jahre 1893 der erste Band des ostalpinen Fundamentalwerkes, „ Die Erschließung der Ostalpen"-, erschien, beschlich wohl manchen Alpenclubisten ein gerechter Neid gegenüber den geistigen Kräften und den großen Mitteln, welche dem D. u. Ö.A.V. zur Verfügung stehen und ihm erlauben, derartige durch Inhalt und Form hervorragende Arbeiten zu publizieren. Wohl mochte es uns mit Stolz erfüllen, wenn dann im Vorwort zu lesen war, daß unser Nachbarverein in diesem Werke seiner Domäne, den Ostalpen, ein Denkmal setzen wolle, wie G. Studer in „ Über Eis und Schneea das Stammbuch der Schweizeralpen geschrieben hat. Und dieses letztere Buch bildete wirklich, so bescheiden auch sein Titel lautete und auch sein Format war, ein einziges Kompendium über die Geschichte der Besteigungen schweizerischer Hochgipfel und würde es wohl, wenn auch in beschränkterem Maße, noch längere Zeit geblieben sein. In beschränkterem Maße insofern, als ja eigentlich mit dem ersten Erscheinen dieses Werkes der großartige Aufschwung im Bergsteigen gekommen ist, und der edle Bergsport, früher ein Privilegium von einigen wenigen Bemittelten, heute für viele Nationen gleichsam ein Gemeingut der Gebildeten geworden ist und in der Schweiz, wo die Nähe den Besuch des Gebirges erleichtert und verbilligt, die Bergfahrten volkstümlich geworden sind. Diese Zunahme der Bergbesteigungen brachte von selbst viel Neues. Bisher unerstiegene, ja für unersteiglich gehaltene Gipfel unterlagen kühnem Wagemut; manche gut bekannte Spitze wurde auf neuem Wege erreicht, und das Bestreben, Neues zu leisten, verleitete oft zur Überschätzung neugefundener „ Varianten " und zu Unternehmungen, bei denen der Leichtsinn und der Mut einander die Wage hielten.

Es ist nun in höchstem Grade verdankenswert, daß der frühere und der jetzige Redaktor des Jahrbuches des S.A.C. die so überaus umfangreiche und schwierige Arbeit unternommen haben, Studers „ Über Eis und Schnee " ergänzend und berichtigend und bis in die neueste Zeit fortführend umzuarbeiten und in zweiter Auflage herauszugeben. Wer auch nur einigermaßen das Anschwellen alpiner Litteratur während der letzten Jahrzehnte hat beobachten können, mag gut begreifen, daß die Arbeit der beiden Herausgeber die größere war als diejenige, welche unser Altmeister bei der Abfassung der ersten Auflage zu leisten hatte. Und gewiß hätte er selber die alleraufrichtigste Freude an der Wiedergeburt seines Lebenswerkes, denn die beiden Verfasser haben es so gut verstanden, das Neue dem Alten anzupassen, daß man meist nicht unterscheiden kann, wo der alte Text aufhört und der neue beginnt. Es war eine sehr glückliche Idee, das alte Brauchbare und das Neue ineinander zu verschmelzen; so ist ein Werk aus einem Guß entstanden, und man muß sich jedesmal nur wundern, wie zwei Menschen unter sich und einem dritten so konform arbeiten konnten, daß man kaum erraten kann, ob der eine Artikel von Herrn Wäber, der andere von Herrn Dübi stammt, bis die Initialen am Ende Aufschluß geben. Nicht minder wichtig, als die Fortführung der Ergebnisse der touristischen Alpenforschung bis auf die neueste Zeit, erscheinen uns die Ergänzungen, welche die 2. Auflage bietet. Studer hatte nur die Gipfel über 3900 Meter in den Kreis der Erörterung gezogen, Dübi und Wäber gehen auf 3600 Meter herunter, da und dort noch tiefer, und damit gelangt eine stattliche Reihe von Spitzen zur Behandlung, die es oft nicht minder verdienen, als jene allerhöchsten. Schon aus praktischen Gründen ist diese Ausdehnung des Rahmens sehr zu begrüßen, denn „ Über Eis und Schnee " ist bei allem idealen Wert, den die anspruchslosen, so viel Mut und Kühnheit, so viel trauriges Geschick wie reine Freude verratenden Schilderungen auch besitzen, vor allem ein praktisches Buch, das der Bergsteiger stets zu Rate ziehen muß, wenn er über irgend ein Ziel sich orientieren, wenn er Pläne für den Sommer schmieden will.

Der I. Band enthält außer einer kleinen Biographie Gottlieb Studers, in der seine liebenswürdige Persönlichkeit wie seine Verdienste um die schweizerische Alpinistik eingehende Würdigung erfahren, sowie einer „ Einleitung ", unter welch bescheidenem Titel eine historisch - kritische Arbeit über die Einteilung der Alpen sich verbirgt, den ersten Hauptabschnitt, die Nordalpen, und es haben dabei auch die den großen Gletschergebieten vorliegenden vergletscherten Bergmassen minderer Höhe, wie Damma-, Tödi-, Titlis- und Wildhorngruppe, um nur einige zu nennen, Platz gefunden.

Der II. Band führt uns ins Mont Blanc - Gebiet und die Walliseralpen. Für schweizerische Leser überaus wertvoll ist in ersterem Abschnitt die „ Einleitung ": eine zusammenfassende Besteigungsgeschichte des Mont Blanc, sowie derjenigen Gipfel, welche außerhalb der Schweizergrenze liegen. Bei dem Reichtum hoher Gipfel im Gebiete der Walliseralpen konnte an der Höhengrenze von 3600 Metern strenger festgehalten werden als bei den Nordalpen.

Der III. Band behandelt den Schluß der Südalpen, die Lepontischen und Adulaalpen, beide Abschnitte größtenteils neu, gemäß dem Interesse der Bergsteiger, das sich, da an den „ Hauptspitzen " nicht mehr viel Neues herauszukriegen ist, nun auch den Gipfeln zweiten und dritten Ranges zuzuwenden begonnen hat. Der dritte Abschnitt, Ostalpen, behandelt diejenigen Gebirgsgruppen ( Bernina, Albula, Silvretta ), welche einerseits, nach der heute geltenden geographischen Einteilung der Alpen, den Ostalpen zugeteilt werden, andrerseits als offizielle Domäne des S.A.C. während des letzten Jahrzehnts touristisch gehörig abgesucht worden sind. Endlich bringt dieser III. Band als Nachträge und Berichtigungen die Fortführung der Besteigungsgeschichte der gesamten Nord- und Südalpen bis zum Datum des Abschlusses des ganzen Werkes ( 1899 ).

Alles in allem, ist der neue Studer für unsere Zeit wieder das geworden, was die alte Auflage für die ihrige war, dasjenige Buch, das jeder Bergsteiger, der irgendwie mit den Centralalpen in Verbindung tritt, viel und gerne zu Rate zieht, ein Kompendium und ein Extrakt alles dessen, was in den verschiedensten alpinen Zeitschriften über das Gebiet der Schweizeralpen Neues gebracht worden ist, ein unentbehrliches Nachschlagewerk. Und der S.A.C. kann insofern stolz auf diese Arbeit sein, weil sie von Männern stammt, die er mit seinem höchsten Vertrauen beehrt, und er ist ihnen zugleich Dank schuldig, daß sie vielleicht mit Hintansetzung eigener Neigungen ihre Liebe und ihre Kraft dafür einsetzten im Sinn und Geist des alten G. Studer, sein Erbe der Nachwelt zu erhalten und zu mehren.

Dr. B. Zeller ( Sektion Bern ).

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