J. Jegerlehner: Am Herdfeuer der Sennen
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J. Jegerlehner: Am Herdfeuer der Sennen

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Dr. J. Jegerlehner beschenkt uns wiederum mit einem weiteren Bruchteil der von ihm angelegten Sammlung von Märchen und Sagen, die nach seiner Aussage über 500 Stück umfaßt. Ich habe mich über die Art, wie der Verfasser bei dieser Publikation verfährt, im letzten Jahrbuch ( siehe Vol. XLII, pag. 382 ) ausgesprochen und muß gewisse Vorbehalte meiner Kritik wiederholen. Es ist für mich undenkbar, daß diese 34 kleinen Erzählungen, so wie sie hier gedruckt sind, „ aus dem Volksmunde " direkt „ gesammelt " wurden, wie die Versicherung auf dem Titel lautet. Man mißverstehe mich nicht. Ich vermute nur, daß der Herausgeber auch diesmal der Versuchung nicht widerstanden hat, den Rohstoff, wie er ihn vorfand, belletristisch zu glätten und auszugestalten. Daß er von verschiedenen Varianten der gleichen Erzählung, deren er gelegentlich in einem Tage drei aufzuschreiben hatte, diejenige erzählt, die ihm am besten gefällt, ist in der Ordnung, obschon wir nicht in jedem Falle sicher sind, daß Herr J. die autoch-thonste Form gewählt hat. Denn es unterliegt mir keinem Zweifel und ich könnte es mit Beispielen, die nicht aus Dr. Jegerlehners Büchern geschöpft sind, belegen, daß man heute noch in den literarisch tätigen Kreisen des deutschsprechenden Wallis das Märchengut nimmt, wo man es findet, selbst aus gedruckten Büchern und aus fremder Provenienz, es mit naiver Selbstsucht im Wallis lokalisiert und akklimatisiert und dem Publikum dann als Eigengewächs wieder abgibt. Auch diese Vorgänge bieten für den Sagenforscher Eeiz, aber man darf es dem Kritiker nicht übel nehmen, wenn er angesichts dessen keinem blinden Köhlerglauben huldigt. Dem großen Lesepublikum freilich — und mit diesem ist dem Autor wie dem Verleger wohl besser gedient als mit dem gelehrtesten Kritiker — wird diese süße Speise glatt eingehen, und es wird sich wenig darum kümmern, ob es mit dem echten Honig auch etwas Zuckersirup vorgesetzt bekommt. Von den Märchen und Sagen im Titel nicht unterschieden sind die Volksschwänke und Spotterzäh-lungen, deren es mehrere hat. So gehört zu dieser Kategorie größtenteils die Erzählung vom „ Prior und seinem Knecht " und vom „ Aggag-spun ". Daß man es hier und an ähnlichen Stellen mit verhältnismäßig modernem Volksgerede zu tun hat, zeigen die von den Erzählern ( oder von dem Herausgeber ?) nur leicht entstellten Personen- und Ortsnamen. Das echte alte Märchen ist in solchen Dingen immer ganz antik unbefangen. Von mehr oder weniger alpinem Gepräge sind folgende Erzählungen: „ Die Alpspende im Lötschentalzur Einführung " bestimmt; erinnert an das Vorwort des letztjährigen Bandes als Erzählung, wie und bei wem Dr. J. „ sammeltdie armen Seelen des Langgletschers; der Märjelensee; wie der Lötschengletscher entstanden ist. Ein gutes Specimen eines alten Märchens ist „ Vogel Strauß ", und sehr interessant war mir das Märchen vom Krämerlital ( bei Leuk ) wegen der Ähnlichkeit mit einer in Alagna und Gressoney umgehenden Sage. Eins ins andere gerechnet, möchte ich also auch in meiner wissenschaftlichen Bibliothek das neueste Buch von Dr. Jegerlehner nicht gerne missen. Die Illustrationen von Hannah Egger sind recht originell, haben aber doch auch, wie manches im Text, einen kleinen Stich ins Erzwungene.

Redaktion.

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