Katherine Choong stärker denn je
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Katherine Choong stärker denn je

Als das innere Feuer nicht mehr brannte, plünderte die Spitzenkletterin ihr Sparschwein und reiste um die Welt, um echten Fels zu spüren.

«Es gibt nicht nur das Klettern in meinem Leben!» Die Aussage von Katherine Choong ist klar, ja radikal, wenn sie von ihrer Leidenschaft spricht. Widersprüchliche Worte angesichts der letzten zehn Jahre, die sie praktisch ausschliesslich mit Klettern verbracht hat. In der Schweizer Nationalmannschaft reihte sie Training an Training und Podest an Podest und vollbrachte den Spagat zwischen Spitzensport und Jus-Studium.

Mit 23 Jahren brauchte die Jurassierin eine Atempause. «Im Wettkampf war ich immer mehr frustriert darüber, immer in einer Kletterhalle eingeschlossen zu sein und nur an künstlichen Griffen zu klettern. 2014 merkte ich endgültig, dass mir die Motivation abhanden kam.» Katherine wurde immer öfter nur Zweite in den Wettkämpfen, zweifelte an ihren Fähigkeiten und hatte nicht mehr das Selbstvertrauen, das ihr zuvor stets zum Siegen verholfen hatte. «Ich wurde den Eindruck nicht los, dass ich alles gesehen hatte, was mir das Klettern bieten konnte, und mehr noch, dass es mich von dem abhielt, wozu ich wirklich Lust hatte.»

Um sich wiederzufinden, musste Kathy zurück an den Fels. «Ich wollte in der Natur sein und mich an legendären Wänden messen, von denen ich nur die Namen kannte.» Die Idee, zu reisen, erschien ihr logisch: «Ich wollte die Stoppuhr anhalten, mir Zeit nehmen und die Länder entdecken, die ich viel zu flüchtig besucht hatte, wenn ich nur für einen Wettkampf anreiste.» Im November 2014 brachen sie und ihr Freund Jim auf. Sie starteten in China. Und Kathy knackte gleich schon ihr persönliches Limit:«In der chinesischen Provinz Guangxi wimmelt es von Karstformationen mit grossartigen Linien. Dort kletterte ich auch meine erste 8c. Bis dahin schien mir dieser Grad unerreichbar!»

Von Japan in die Red River Gorge

Es folgten Thailand und Laos. Aber für Katherine war der Höhepunkt der Reise Japan: «Nach zwei Blitzaufenthalten für Wettkämpfe hatte ich mir geschworen, dass ich wiederkommen würde. Ich wollte die vulkanischen Küstenfelsen von Jogasaki kennenlernen: Der Fels ist dort schwarz, und die Wellen branden an die Felsen.»

Nicht weniger faszinierend fand sie die Kletter­szene: «In Japan ist Klettern sehr populär. Es gibt dort Kletterer, die sind über 60 und klettern die härtesten Routen!» Weiter ging es an die Westküste der USA. Mit jeder Route traf Katherine neue Leute und nahm die Ratschläge der Cracks auf, die ihr über den Weg liefen. Sie lernte, ihre Züge besser zu verwalten und Kraft zu sparen, nichts dem Zufall zu überlassen. «Ich gewann an Sicherheit, und schliesslich gelang mir Southern Smoke, eine 8c+ in der Red River Gorge in Kentucky.»

Noch ein Abstecher nach Südafrika, dann war sie Mitte 2015 wieder zurück in der Schweiz. «Diese paar Monate Reisen haben mich reifer gemacht. Nach und nach merkte ich, wie die Zweifel verflogen und meine Motivation zurückkehrte», sagt Katherine, «ich bin wegen des Wettkampfkalenders sogar früher nach Hause gereist!»

Zurück in die Halle

Provisorisch im Elternhaus in Glovelier im Jura untergebracht, hat sie soeben ihren Master in Medizinalrecht gemacht. Später möchte sie in diesem Bereich arbeiten, denn «es ist in der Schweiz sehr schwierig, als Profi ausschliesslich vom Klettern zu leben». Im Moment hat die Sportlerin aber wieder den Weg in die Trainings- und Wettkampfhallen der Elite gefunden. Immer noch Mitglied der Schweizer Nationalmannschaft, in der sie sich als «Mama inmitten des Nachwuchses» fühlt, trainiert sie für die Weltmeisterschaft 2016. «Die Reise hat meine Leidenschaft fürs Klettern neu entfacht. Jetzt klettere ich wieder mit ganzem Herzen», sagt sie glücklich.

Wenn sie nicht in einem «no foot» in einer abdrängenden Route hängt, wirkt die lächelnde, klein gewachsene Frau mit den braunen Haaren graziler als auf den Fotos, die ihren muskulösen Körperbau betonen.

Ein weiter Pullover verhüllt die Unterarme und die breiten Schultern, aber der feste Händedruck beim Abschiednehmen verrät, wie viel Energie in dieser willensstarken, jungen Sportlerin steckt.

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