
© Anita Bachmann
Knochenarbeit für die Sicherheit Routensanieren
Viele Kletterrouten sind in die Jahre gekommen und müssen saniert werden. Einige Erstbegeher nehmen sich dieser aufwendigen Arbeit an. In den Gastlosen lassen sich Peter Gobet und Gérald Buchs bei ihrem Handwerk über die Schultern schauen.









Hoch über dem Boden hängt Peter Gobet in einer imposanten Kalkwand. Mit der Akkubohrmaschine bohrt er ein Loch in den Fels und bläst es kurz aus. Er nimmt einen Bohrhaken aus einem Säckchen, das wie das Werkzeug an seinem Klettergurt baumelt. Mit einem Dutzend präzisen Schlägen versenkt er nun den Bolzen. Das Stielende des Hammers ist zugleich Schraubenschlüssel, damit zieht Peter Gobet die Schraubenmutter an. Mit ein paar weiteren geschickten Handgriffen entfernt er den alten, rostigen Haken. Das Ganze dauert vom Ansetzen der Bohrmaschine bis zum Schluss keine drei Minuten. Doch Kletterrouten sanieren ist aufwendig. «Je nachdem braucht man für eine Seillänge einen ganzen Tag», sagt Gérald Buchs, Kletter- und Saniererkollege von Peter Gobet.
Heute mussten die beiden nur gut zehn Minuten zusteigen, um den Sektor «Grand Orgue» an der Wandflue in den Gastlosen zu erreichen. In anderen Klettergebieten kann ein Zustieg auch mal eine Stunde oder mehr in Anspruch nehmen. Aber auch schon im Vorfeld ist einiges an Arbeit nötig. «Man muss immer die Erstbegeher fragen, ob und in welcher Art sie eine Sanierung gutheissen, sonst gibt es Probleme», sagen die zwei Sanierer. Je nach Situation, zum Beispiel, wenn der Erstbegeher nicht mehr lebt, sind auch Gespräche mit der lokalen Klettergemeinde nötig.
Vereine besorgen Material
Bevor es dann ans Bohren geht, klettert einer der beiden die Seillänge hoch, während der andere ihn sichert. «Manchmal trauen wir uns nicht einmal mehr, die Route zu klettern», sagt Peter Gobet. Die Haken in den Routen hier unter der Wandflue haben zwar schon Rost angesetzt – das kann man von blossem Auge sehen –, sind aber noch ohne allzu grosses Risiko kletterbar.
Dort, wo die neuen Bohrhaken hinkommen sollen, markiert Gérald nun die Stellen mit etwas Magnesium, das sonst gegen feuchte Hände beim Klettern hilft. «Das eigentliche Sanieren ist Handarbeit, das Markieren der Punkte das Kunsthandwerk», sagt er. Zum einen wollen die beiden Sanierer den Charakter der Route erhalten, zum anderen gilt es, diese möglichst sicher und für viele kletterbar zu machen.
Sie achten darauf, dass die beiden ersten Haken nicht zu hoch angesetzt werden, weil sich die Kletternden bei einem Bodensturz ernsthafte Verletzungen zuziehen könnten. Damit auch kleiner gewachsene Leute die Routen sicher klettern können, setzen die zwei durchschnittlich grossen Männer die Haken auf der Höhe ihrer Ellbogen und nicht so hoch oben wie möglich.
Routensanieren ist aber nicht nur mit viel Arbeit verbunden, sondern auch mit Kosten. Lange haben die Saniererinnen und Sanierer das Material wie die Erstbegeher aus dem eigenen Sack bezahlt. Muss man Bohrhaken und Kletterstände für Mehrseillängenrouten im Sportgeschäft kaufen, kostet die Ausrüstung für eine Seillänge bis zu 130 Franken, rechnen Gérald und Peter aus. Und Gérald hat mit verschiedenen Seilpartnern allein letzten Sommer 40 Seillängen saniert. In diesem Punkt bringen nun die Vereine Unterstützung, die in den letzten Jahren gegründet wurden: Rebolting, Eastbolt und Plan Vertical, die auch vom SAC unterstützt werden, versorgen die Sanierer mit Material (siehe Kasten S. 53). «Es wird viel mehr und vor allem qualitativ besser saniert, seit das Material bezahlt ist.»
Ein eingespieltes Team
Gérald Buchs hat bereits in den 1980er-Jahren Artif-Routen saniert, «um bei freien Begehungen nicht Kopf und Kragen zu riskieren», wie er sagt. Im freiburgischen Jaun am Fuss der Gastlosen aufgewachsen, hat er schon als Kind in den 1960er-Jahren die damals wagemutigen Kletterer bewundert. Peter Gobet hat vor 40 Jahren mit einem Cousin aus Jaun angefangen zu klettern. «Das Freiheitliche an diesem Sport hat mir gefallen», sagt er. An irgendeiner Wand beim Klettern in den Gastlosen haben sich Peter und Gérald kennengelernt. Und bald haben sie auch angefangen, selbst Routen auszurüsten. «Es gab damals noch sehr wenige Freikletterrouten», sagt Peter Gobet.
Seit vielen Jahren sanieren die beiden auch zusammen, und sie sind ein eingespieltes Team. Als am Ende der Seillänge erst nicht klar ist, welcher Stand zur Route gehört, diskutieren sie kurz, und bald ist die Lösung gefunden. Auch beim eigentlichen Handwerk, beim Bohren und Schrauben, arbeiten sie mit viel Routine und Umsicht. «Man muss darauf achten, dass das Seil gut läuft», sagt Peter Gobet.
Die scharfen Kanten der Wasserrillen, die hier typisch sind, könnten ein Seil beschädigen. Auch das Plättchen muss gut ausgerichtet sein. Wenn es bei einem Sturz rotieren würde, könnte sich die Schraubenmutter lösen. Abgesehen von solchen Fehlern, gibt es für sie aber kein Richtig oder Falsch beim Sanieren. Beim Material hingegen gehen sie keine Kompromisse ein: «Man sollte nur noch absolutes Spitzenmaterial benutzen», sagt Gérald Buchs.
«Harter Job ohne Kick»
Bei vielen Routen, die sanierungsbedürftig sind, hängt dies mit dem verwendeten Material zusammen. Reepschnüre, Kabel aus dem Baumarkt oder andere nicht der Norm entsprechenden Materialien haben je nachdem nur eine beschränkte Lebensdauer. Umlenker sind vom vielen Abseilen irgendwann eingeschliffen. Die Lebensdauer von Bohrhaken hängt auch von der Felsart ab. «Kalk, Granit oder Konglomerat kreiert jeweils ein anderes Korrosionsklima», sagt Peter Gobet.
Mangels Wissen oder aus Spargründen wurde manchmal auch falsches Material verwendet. «Es gibt Routen und Sektoren, die schon nach kurzer Zeit saniert werden mussten, weil das Material vermischt wurde», sagt Gérald Buchs. Wenn verzinktes Material mit Chromstahl kombiniert wird, kann Ersteres wegen der sogenannten galvanischen Korrosion sehr schnell rosten. Werde das richtige Routenmaterial verwendet, könne dieses in den Gastlosen praktisch unbeschränkt halten.
Sanieren sei ein «harter Job, ohne den Kick einer Erstbegehung», sagt Gérald Buchs. Ihm sei es aber ein Anliegen, seine alten Routen punkto Sicherheit à jour zu halten, vergessene Routen und Sektoren aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken und ganz allgemein die Sicherheit zu erhöhen. Für die ehrenamtliche Arbeit wünschen sich die beiden manchmal ein bisschen mehr Anerkennung. «Wir sind immer wieder erstaunt, dass die meisten Outdoorkletternden noch nicht bereit sind, für ihre Sicherheit auch nur einen kleinen freiwilligen Beitrag an die Vereine zu spenden.»
Am Schluss das Putzen
Und immer noch ist die Arbeit nicht fertig. Zwar glänzen jetzt neue Bohrhaken und ein neuer Stand in der Sonne, die immer wieder mal zwischen den aufkommenden Wolken hervorlugt, aber geputzt ist die Route noch nicht. «Meist gibt das Putzen mehr zu tun als das Auswechseln der Bohrhaken.» Gerade in einfacheren Routen gibt es Spalten, Risse und Löcher. Wenn eine Route nicht mehr begangen wird, sammelt sich darin rasch Erde an, und es wuchern Pflanzen. Auch lose Steine müssen entfernt werden. Peter Gobet sichert, Gérald Buchs hängt am Seil und arbeitet mit Pickel, Kratzer und Bürste. Bis die beiden mit dem Resultat zufrieden sind.