Oskar Erich Meyer: Jacques Balmat und der Mont Blanc
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Oskar Erich Meyer: Jacques Balmat und der Mont Blanc

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Vortrag gehalten in der Sektion Breslau des D. & O. A. V. am 26. April 1907 ( Beilage zum X. Jahresbericht derselben ). Breslau 1908.

Ich bin dem Verfasser für die Übersendung dieses Vortrages zu großem Danke verpflichtet. Seine Lektüre hat mir eine vergnügte halbe Stunde — denn mehr braucht es für die 20 Seiten nicht — bereitet. Und wenn ich einmal über das nämliche Thema schreiben sollte, was ich weder verschwöre noch verspreche, so würde ich als Einleitung-Sprechen: von der „ Macht des Feuilletons ". Denn ein Feuilletonartikel mit allen Tugenden und Lastern dieser Literaturgattung ist die Erzählung von Alexandre Dumas père über sein Interview mit dem alten Jacques Balmat im Jahre 1831, welche Herrn Oskar Erich Meyer als Hauptquelle gedient hat, und ein Feuilleton ist darum seine eigene Arbeit geworden. Zu den Tugenden rechne ich den flotten, zügigen Stil, den Schwung der Phrasen und Empfindungen und die Begeisterung für die Sache, die gekränkte Unschuld Balmat. Es ist gleichsam der in bunten Farben schimmernde Einschlag des Gewebes, und ich kann mir denken, daß die „ Damen und Herren ", die so angerednert wurden, sich sehr delektiert haben. Zu den Lastern des Feuilletons rechne ich die Unkenntnis der dem Streite Balmat v. Paccard zu Grunde liegenden Tatsachen und die daraus entspringende völlige Verdrehung von Recht und Unrecht, die unrichtige Perspektive und falsche Verteilung von Licht und Schatten. Oder, um beim vorigen Bilde zu bleiben, der Zettel ist morsch und fadenscheinig und das Gewebe reißt, sobald man es ein bißchen fest anfaßt. Ich kann es nicht über mich bringen, zu schweigen und die von Herrn M. wieder in Schwung gebrachte Legende von dem unfähigen Touristen Dr. Paccard, dem „ Monsieur ", der von seinem Führer, dem Mann von Stahl und Eisen, nolens volens auf den Gipfel geschleift und „ wie ein blindes Kind " wieder zu Tal gelotst wird, Boden gewinnen zu lassen, nachdem Autoritäten, wie Ch. Durier, C. E. Mathews, D. W. Freshfield und A. Gex, zum Teil aus Balmats eigenen handschriftlichen Notizen nachgewiesen haben, daß die Initiative zur ersten Ersteigung des Mont Blanc mindestens so sehr von Dr. Paceard als von Balmat ausgegangen ist und daß alles, was der letztere Dumas gegenüber geäußert haben soll, um die Rollen umzukehren, geflunkert ist. Und wohlverstanden, diese Ansicht steht bei allen Kennern seit 1903 fest, und Herr M. hätte es leicht gehabt, sich darüber zu orientieren. Um ihm und andern dies klar zu machen, verweise ich auf meine Bemerkungen im Jahrbuch S.A.C. XXXIX, pag. 412 und 416, wo die Quellen angegeben sind. Wenn ich also bedaure, daß Herr M. sich durch den Reiz des Feuilletonstoffes hat verführen lassen, so muß ich doch, der Wahrheit zuliebe, hinzufügen, daß im übrigen sein Vortrag nach Sprache und Inhalt tüchtig ist, daß sein eigener Fahrtbericht interessant ist, daß seine Ansichten über Naturgenuß und -gefühl, die Führerfrage, das Alleingehen u.a. im ganzen gesunde sind. Freilich auch hier spielt ihm das Pikantseinwollen schlimme Streiche, so pag. 13, wo er von der „ Dolomitenwelt der Aiguilles in 3500 m. Höhe " spricht. Auch die Phrase, pag. 18: „ Zwischen beiden Gräten ( Mur de la Côte und Bosses du Dromadaire ) setzt die steile Gipfelwand unmittelbar in die riesige Kluft ab, in der wohl die meisten der zahlreichen Opfer des Mont Blanc ruhen. In langsamer Fahrt führt sie der Gletscher hinab, bis nach etwa 45 Jahren die Sonne ihre Gebeine unten im Tal aus der Zunge nagt ", hält historischer Kritik in keinem Punkte stand.

Redaktion.

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