Weniger tödliche Unfälle
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Weniger tödliche Unfälle Bergnotfälle 2016

2016 mussten in den Schweizer Alpen und im Jura 2828 Personen von der Bergrettung geborgen werden. Beim Bergsport sind 113 Menschen tödlich verunfallt: Das sind 20 Prozent weniger als im Jahr zuvor, aber ähnlich viele wie im Durchschnitt der letzten fünf Jahre.

Extreme Winterwärme, Nässe bis zur Jahresmitte, ein rekordwarmer Spätsommer: Das Wetter im Jahr 2016 blieb nicht ohne Auswirkungen auf den Bergsport. Über die erste Jahreshälfte hinaus bis im Juli waren die Tourenaktivitäten eher unterdurchschnittlich, ab August bis zum Jahresende mit häufigen Schönwetterphasen sehr intensiv. Verglichen mit dem Schönwetterjahr 2015 waren die Tourenaktivitäten 2016 aber stärker eingeschränkt. Dies schlägt sich auch in den Notfallzahlen nieder:1 So ist die Zahl der Todesfälle mit 178 (Vorjahr 213) deutlich gesunken. Dies gilt auch für die tödlichen Unfälle beim Bergsport im engeren Sinne:2 Hier sind 113 Berggänger tödlich verunfallt (Vorjahr 142). Im fünfjährigen Mittel sind es 111.

Die Zahl der von einem Bergnotfall betroffenen Personen ist mit insgesamt 2828 Beteiligten im Vergleich zum Vorjahr (2750 Personen) nahezu gleich geblieben. Wieder dürften viele Berggänger wegen ungünstiger Witterung oder schwieriger Verhältnisse in eine Notlage geraten sein.

Hochtouren: mehr tödliche Unfälle

Zum Beginn der Hauptsaison im Juli lag die Nullgradgrenze während mehrerer Tage über 4000 Metern. Noch nicht tragfähige Firnhänge erschwerten im Hochgebirge die Tourenaktivitäten. Dank anhaltendem Hochdruckwetter herrschten aber von Mitte August bis Mitte September mehrheitlich sehr gute Verhältnisse im Hochgebirge – mit entsprechend intensiver Tourentätigkeit. Dies führte zu einer ähnlichen Bilanz wie im Vorjahr: 2016 sind auf Hochtouren 400 Alpinisten in eine Notlage geraten, zwei weniger als im Jahr zuvor.

Zahlreicher waren Notfallsituationen aufgrund von Blockierungen. 175 Personen mussten deswegen evakuiert werden. Die häufigsten Ursachen sind, wie auch in den Jahren zuvor, unrealistische Zeitplanung, Überforderung oder unerwartete Schwierigkeiten im Abstieg.

Hochtouren: Mitreissunfälle bei aufgeweichtem Firn

Bei 23 tödlichen Unfällen sind insgesamt 31 Alpinisten ums Leben gekommen, 7 mehr als im Jahr zuvor. Bei acht Mitreissunfällen haben 13 Betroffene einen solchen Absturz nicht überlebt. Was genau zu den Unfällen führte, blieb meist unklar: Wird der Seilpartner mitgerissen, gibt es oft keine Überlebenden.

Ein Hinweis auf die Häufung solcher Unfälle im Sommer 2016 könnte die Wärme sein: Fünf Mitreissunfälle ereigneten sich an Tagen mit heissem Sommerwetter und dementsprechend aufgeweichtem Firn.

Um Mitreissunfälle zu vermeiden, ist es wichtig, stets abzuwägen, ob das Gelände ein gemeinsames Gehen am Seil ohne Sicherungspunkte erlaubt oder nicht. Wesentlich ist auch die Seilhandhabung: Damit ein Ausrutscher oder ein Stolpern des Seilpartners aufgefangen werden kann, ist eine kurze Anseildistanz erforderlich: Ist sie zu lang, ist es kaum mehr möglich, den Sturz des Partners aufzuhalten.

Schönes Wetter, mehr Leute, mehr Unfälle: Der Zusammenhang ist bei Hochtouren ausgeprägt und zeigt sich auch 2016 deutlich. Zwei Drittel der tödlichen Unfälle ereigneten sich im August bei guten Tourenbedingungen.

Bei Hochtourenunfällen ist der Anteil der ausländischen Alpinisten signifikant hoch: 2016 waren 20 Personen oder zwei Drittel der tödlich Verunfallten ausländische Staatsbürger.

Klettern: unterschiedliche Unfallursachen

Beim Klettern im Fels sind 130 Personen in eine Notlage geraten, 8 mehr als im Jahr zuvor. Diese Zunahme lässt nicht generell auf einen steigenden Trend schliessen: Beim Klettern sind die Zahlen im Vergleich zu den anderen klassischen Disziplinen kleiner, wodurch einzelne Ereignisse die Bilanz stärker beeinflussen. 2011 zum Beispiel waren es 151 Verunfallte.

In gut abgesicherten Mehrseillängenrouten im Plaisirbereich waren 41 Kletterer von einem Notfall betroffen, auf alpinen Touren 49, im Extrembereich 14 und in Klettergärten 26. Knapp die Hälfte der Beteiligten konnte gesund oder nur geringfügig verletzt gerettet werden. Drohender Wettersturz, einbrechende Dunkelheit oder Verirren beim Fussabstieg sowie verklemmte Seile beim Abseilen waren, wie auch in den Vorjahren, die häufigste Ursache solcher Blockierungen. Durch einen Sturz verletzten sich 50 Kletterer, dies zumeist im Vorstieg. Davon erlitten 40 Personen mittlere Verletzungen und mussten zum Arzt oder in ein Spital gebracht werden, 8 verletzten sich schwer.

Die Ursachen der insgesamt vier tödlichen Unfälle waren sehr unterschiedlich: ein Sturz bis auf den Boden in einem Klettergarten; ein Absturz beim Zustieg zu einer Route in heiklem Gehgelände; ein Steinschlagunfall, den die Betroffene trotz Helm nicht überlebte, und ein 50-Meter-Sturz ins Seil beim Ausstieg in einfachem Gelände während einer alpinen Klettertour.

Skitouren: deutlich weniger Lawinentote

Im Winter 2015/2016 kam der lang ersehnte Schnee noch etwas später als im Jahr zuvor: Erst in der ersten Januarwoche gab es erstmals seit Ende November 2015 grössere Niederschläge mit Schnee bis in tiefere Lagen. Auch während der folgenden Wochen fiel nach kürzeren Schönwetterphasen immer wieder Schnee, dazwischen aber regnete es mehrmals bis auf 2000 Meter oder kurzzeitig noch höher. Damit blieben die Schneehöhen in vielen Regionen unterdurchschnittlich. Nicht zuletzt wegen des schwachen Schneedeckenaufbaus entstand vor allem inneralpin wieder ein Altschneeproblem. Ein solches ist im Gelände schwierig zu erkennen. Erst im März zeigten sich allgemein günstigere Verhältnisse, bevor es ab der zweiten Aprilhälfte bis im Mai in höheren Lagen mehrmals starke Schneefälle gab. Dadurch lag nun genug Schnee für hochalpine Touren. Wegen des wechselhaften Wetters konnten viele derartige Touren aber gar nicht erst unternommen werden.

Aufgrund der ähnlichen Wetter- und Schneesituation wie im Jahr zuvor ergibt sich auch eine ähnliche Bilanz für Lawinenunfälle beim Schneesport: 2015 waren 101 Personen von einem Lawinenunfall betroffen, 2016 waren es 105. Es handelte sich dabei um 65 Tourenskifahrer und 40 Freerider (Vorjahr 68 Tourenfahrer und 33 Variantenfahrer). Mit 18 Opfern deutlich weniger zahlreich waren jedoch die tödlichen Lawinenunfälle. Im Vorjahr gab es 31 Lawinenopfer. Die Unfälle im Jahr 2016 ereigneten sich bei Skitouren (14 Tote) sowie beim Freeriden (4 Tote). Das im Vergleich zum Vorjahr günstigere Ergebnis dürfte auf unterschiedliche Faktoren zurückzuführen sein: 2016 gab es auf Skitouren nur einen Unfall mit zwei Opfern, 2015 hingegen vier Unfälle mit mehreren Toten, davon je einer mit vier beziehungsweise fünf Betroffenen. Wie weit hier Zufall und Glück eine Rolle gespielt haben, lässt sich nicht beantworten.

Beim Variantenskifahren dürfte die kleinere Opferzahl bei Lawinenunfällen vor allem mit dem fehlenden Schnee zum Jahresende zusammenhängen: Abseits künstlich beschneiter Pisten waren praktisch keine Abfahrten möglich.

Schneeschuhlaufen: verirrt, erkrankt, blockiert

Beim Schneeschuhlaufen gab es 2016 mit 42 Tourengängern (Vorjahr 28) deutlich mehr, die in eine Notlage gerieten oder verunfallt sind. Dies dürfte auf die nach wie vor stark zunehmende Popularität des Schneeschuhlaufens zurückzuführen sein. Hier sind die Notfall- und die Unfallmuster anders als bei den Tourenskifahrern: Lawinenunfälle sind selten; 2015 gab es einen Unfall mit einem Opfer, 2016 ist kein Lawinenunfall bekannt geworden. Hingegen haben sich 22 Personen verirrt oder waren durch Erschöpfung blockiert – das ist rund die Hälfte aller Beteiligten. Durch einen Sturz sind 14 Schneeschuhläufer verunfallt, einer davon tödlich. Wegen Erkrankung mussten sechs Personen gerettet werden, dies meistens wegen eines Herz-Kreislauf-Problems. Zwei davon sind verstorben.

Wandern: vereiste Wege und gefrorener Schnee

Das Wetter bestimmte auch beim Wandern die Tourenaktivität. Im Frühling und Sommer waren die Wetterverhältnisse bis in den Juli hinein unterdurchschnittlich, ab August hingegen gab es bis in den Herbst hinein sehr häufig ideales Wanderwetter. Ähnlich wie 2015 fehlte es auch 2016 im November und Dezember an Schnee, was die Wandersaison verlängert hat. Dies führte schliesslich zu einer nahezu gleichen Notfallbilanz wie im Vorjahr: 2016 mussten insgesamt 1196 Wandernde die Hilfe der Bergrettung in Anspruch nehmen, 3 mehr als im Jahr zuvor.

Die häufigsten Unfallursachen waren mit 539 Betroffenen Sturz oder Absturz. Hier konnten 122 Personen ambulant behandelt, 310 mussten mit mittelschweren, 66 mit schweren Verletzungen hospitalisiert werden. 41 Wanderer haben nicht überlebt. Neun Personen oder gut 20% aller getöteten Absturzopfer verunfallten im Dezember. Vereiste Wege oder hart gefrorene Schneefelder sind ihnen zum Verhängnis geworden.

Wandern: Risikogruppe Männer über 50

Wie auch in den Jahren zuvor war Erkrankung die zweithäufigste Notfallursache beim Bergwandern. Davon betroffen waren 228 Wandernde, annähernd gleich viele wie im Jahr zuvor. Dies häufig wegen Übelkeit, Atemnot, Beinkrämpfen oder Dehydrierung. Meistens war die Situation nicht lebensbedrohlich: Die Betroffenen konnten ambulant behandelt werden. Demgegenüber sind 29 Wandernde noch vor Ort oder kurz darauf im Spital verstorben, grösstenteils als Folge eines Herz-Kreislauf-Problems. Das Risikoprofil ist dabei unmissverständlich: Männer über 50 Jahre sind weitaus am häufigsten betroffen (siehe «Die Alpen» 07/2015: «Plötzlich steht das Herz still»).

Weitere Bergsportaktivitäten

Bei den weiteren Bergsportaktivitäten gab es vor allem während des Gleitschirm- und Deltafliegens sowie während des Mountainbikens zahlreiche Unfälle. Gleitschirm- oder Del­ta­flieger sind 169 verunfallt, rund ein Drittel davon konnte gesund oder nur leicht verletzt gerettet werden – meistens nach einer unglücklichen Landung in einem Baum oder beim Touchieren eines anderen Hindernisses. Etwas speziell war ein missglückter Beginn eines Tandemfluges: Noch am Boden löste sich beim Start eine Nassschneelawine, die das Team mitriss. Der Pilot blieb unverletzt, die Passagierin hingegen erlitt schwere Verletzungen.

Mit 198 Beteiligten waren Notfälle beim Mountainbiken häufiger als im Vorjahr (162). Vier Biker hatten sich verirrt oder waren in schwierigem Gelände blockiert. 145 hatten sich wegen eines Sturzes verletzt, 129 davon mussten in ein Spital gebracht werden, und 3 erlitten tödliche Verletzungen. Sechs Biker erlitten einen medizinischen Notfall, zwei davon sind an den Folgen eines Herz-Kreislauf-Problems verstorben.

Bei folgenden Bergsportaktivitäten sind weitere Personen verunfallt: Schneeschuhlaufen (42), Basejumping (32), Jagd (29), Begehen von Klettersteigen (24), Canyoning (19), Pilzesuchen (10), Eisklettern (10), Kristallsuchen (3) sowie Trailrunning (2).

Fazit: unterschiedliche Ursachen

In den letzten Jahren hat die Zahl der in Bergnot geratenen Personen leicht, aber stetig zugenommen. Dies zum einen, weil der Bergsport in all seinen Facetten nach wie vor sehr beliebt ist. Zum anderen, weil die Alarmierung per Mobiltelefon vielerorts problemlos möglich ist. Diese Möglichkeit sollte dabei nicht negativ bewertet werden: Sehr oft können die Rettungskräfte so eingreifen, bevor ein schwerer Unfall überhaupt passiert.

Die Bilanz von schweren und tödlichen Unfällen hingegen hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Wetter und Verhältnisse sowie die Verkettung weiterer Umstände haben auf das Unfallgeschehen einen erheblichen Einfluss. Manchmal aber ist es auch einfach nur das Pech, trotz guter Vorbereitung, günstigen Bedingungen und genügend Alpinkompetenz zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein, das einen Unfall herbeiführt. Schwere Unfälle in den Bergen sind immer tragische Geschehnisse. Das Bewusstsein, dass man sich beim Bergsteigen trotz allen Hilfsmitteln immer ungeschützt in der freien Natur befindet, ist sowohl bei der Planung wie auch bei den Entscheidungen vor Ort sehr wichtig.

Skitouren : Stürze häufiger als Lawinen

Beim Skitourengehen wie auch beim Freeriden steht das Thema Lawinenverschüttung im Vordergrund. Man sollte aber beachten, dass Unfälle durch einen Sturz oder Absturz deutlich zahlreicher sind. Beim Tourenskilauf waren 2016 insgesamt 145 Personen von einem Sturz betroffen, davon fanden 3 den Tod, 96 erlitten mittlere bis schwere Verletzungen. Beim Freeriden waren es 87, die einen Absturz hatten, und 60, die sich bei einem Sturz mittel bis schwer verletzten.

Auf Skitouren sind Abstürze auch im Aufstieg nicht selten. Verhindern lassen sie sich, indem man die Harsch­eisen bei harter Schneedecke nicht erst mitten im Hang montiert und die Orte für Spitzkehren an Stellen wählt, wo ein Abrutschen keine fatalen Folgen hat. Akrobatische Spitzkehrübungen können auch vermieden werden, indem man die Ski auf den Rucksack schnallt und ein Stück zu Fuss aufsteigt, wenn nötig mit Steigeisen.

Quellen

Die Zusammenstellungen und Auswertungen dieses Berichtes stützen sich auf die Angaben und die Mitarbeit folgender Personen und Institutionen: Elisabeth Müller und Andres Bardill, Alpine Rettung Schweiz; Daniel Breitenmoser und Mario Tissi, Rega; Pierre-Alain ­Magnin, KWRO; Monique Walter und Othmar Brügger, bfu; Frank Techel und Benjamin Zweifel, slf; Urs Schäfer, Rettungsstation Lauterbrunnen; Paul Broger, Kapo Appenzell Innerrhoden; Martina Zurschmiede, Air Glaciers Lauterbrunnen; Corinna Schön, Institut für Rechts­medizin, Universität Bern.

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