«Wir hoffen auf eine breite Diskussion über den Klimawandel»
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«Wir hoffen auf eine breite Diskussion über den Klimawandel» Der SAC und die Gletscherinitiative

Der Zentralvorstand des SAC will die Gletscherinitiative unterstützen, die in diesen Tagen lanciert wird – wenn die Abgeordneten grünes Licht geben. Im Interview erklärt René Michel warum der SAC sich für den Klimaschutz einsetzen soll.

Der Zentralvorstand des SAC will die Gletscherinitiative unterstützen. Warum?

Der Mensch ist für die rasante Klimaerwärmung verantwortlich, der Alpenraum ist vom Klimawandel besonders stark betroffen und damit auch der SAC und der Bergsport. Unsere Tourengebiete verändern sich, die Schneesicherheit nimmt ab und der Betrieb der Hütten wird schwieriger. Die Gletscher schmelzen, der Permafrost taut, und es kommt vermehrt zu Steinschlag. Aber klar, der Bergsport trägt auch zu den CO2-Emissionen bei.

Der SAC unterstützt selten Initiativen, letztmals 1974, da ging es ums Wanderwegnetz. Wird der SAC politisch aktiver?

Der SAC hat sich in den letzten Jahren oft politisch eingesetzt, etwa für den Landschaftsschutz oder für verhältnismässige Schutzbestimmungen im Zusammenhang mit dem freien Zugang zur Natur. Es wurde viel Arbeit im Hintergrund geleistet. Eine Initiative erregt mehr Aufmerksamkeit, es ist ein Leuchtturmprojekt. Die Wichtigkeit des Anliegens rechtfertigt aber, dass wir auch einmal eine Initiative unterstützen.

Aber auch inhaltlich ist der Schritt bemerkenswert. Mit dem Thema Klimaschutz betritt der SAC ein neues Feld.

Das Thema ist nicht neu. Es gibt einige Sektionen, die in ihrem Mobilitätsverhalten sehr klimaaffin sind. Vor zwei Jahren hat die Abgeordnetenversammlung zudem die SAC-Richtlinien Umwelt und Raumentwicklung mit nur zwei Gegenstimmen verabschiedet. Darin haben wir uns zum Klimawandel geäussert und Ideen formuliert, wie wir aktiv werden wollen.

Entspricht ein solches Engagement den Statuten des SAC?

Ja, für den Zentralvorstand ist völlig klar, dass die Statuten dies zulassen. Da es aber ein grosses Projekt ist, wollen wir es der Abgeordnetenversammlung vorlegen. Damit wollen wir die Diskussion in den Sektionen anregen und die Legitimation bei der Basis abholen. Wir wollen den Sektionen nichts aufzwingen, was nicht erwünscht ist. Das haben wir in der Vergangenheit gelernt. Das Thema Heliskiing etwa hat den SAC fast gespalten.

Wie schätzt du die Basis ein? Wird sie die Unterstützung der Gletscherinitiative gutheissen?

Der SAC hat 150 000 Mitglieder, die einen werden es toll finden, die anderen nicht. Gut ist an dieser Initiative, dass sie nur das Ziel vorgibt und nicht den Weg dorthin. Diesen sollen die verschiedenen Institutionen inklusive unser Verband selber aushandeln. Wenn wir am Ende des 21. Jahrhunderts noch einen Rest Gletscher in den Alpen haben wollen, müssen wir zumindest die Klimaziele von Paris ernst nehmen. Im Moment nimmt die politische Schweiz diese Klimaziele nicht sehr ernst. Es schadet deshalb nicht, wenn ein Bergsportverband sich dazu äussert.

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Der SAC hat 150 000 Mitglieder, die einen werden es toll finden, die anderen nicht.

Mit Kritik der SAC-Mitglieder muss der Zentralvorstand aber rechnen. Einige würden den SAC lieber als reinen Bergsportverband sehen, andere werden argumentieren, fürs Klima setzten sich schon genug andere Organisationen und Parteien ein. Wie will man dieser Kritik begegnen?

Die Alpen sind für den Bergsteiger der wichtigste Ort. Ich gehe seit 45 Jahren in die Berge und sehe sehr gut, was sich verändert hat. Wenn wir uns als Bergsportverein für den Schutz der Berge einsetzen wollen, sind wir eigentlich dazu verpflichtet, auf dieses Problem hinzuweisen. Lösen müssen wir das Problem als Gesellschaft, aber die Bergsportler können sich als Teil der Gesellschaft engagieren.

Du hast die klimaaffinen Sektionen erwähnt. Es sind aber erst sehr wenige, die zum Beispiel ein klimaneutrales Tourenprogramm haben …

Wir erhoffen uns, dass das Thema Klimawandel und das Verhalten der Bergsportler nun im SAC breit diskutiert werden. Das bringt weitere Sektionen dazu, über die CO₂-Bilanz ihrer Touren nachzudenken. Aber auch im Bereich Hütten könnten zusätzliche Diskussionen darüber entstehen, was man noch verbessern könnte. Es ist nicht so, dass heute nichts gemacht wird. Der SAC macht Sensibilisierungsarbeit und unterstützt verschiedene Projekte wie den Bus alpin oder den Schneetourenbus.

In der Konsequenz müssten die Bergsportler aber ihr Verhalten ändern. Ist es noch legitim, mit dem Auto für eine Bergtour anzureisen, wenn der SAC sich für die Senkung des CO2 einsetzt?

Ich denke schon. Es kommt immer darauf an, wie lange ein Aufenthalt in den Bergen dauert und wie aufwendig die Anreise ist. Vielleicht werden künftig mehr Mehrtagestouren unternommen, oder es gibt mehr Fahrgemeinschaften. Aber es gibt Skitouren, deren Ausgangspunkt man mit dem ÖV nicht rechtzeitig erreicht. Es wäre sektiererisch, den Leuten detaillierte Vorschriften zu machen. Die Sektionen und der einzelne Bergsteiger sollen die Möglichkeit haben, eigenverantwortliche Entscheide zu fällen. Wir im SAC sind nicht Musterknaben, und wir müssen auch nicht sofort alles realisieren. Wir sind Bestandteil der Gesamtgesellschaft, die sich bewegen muss.

Die Initianten der Gletscherinitiative gehen davon aus, dass die Klimaziele nur mithilfe technischer Mittel erreicht werden können, indem man der Atmosphäre CO2 entzieht und dieses irgendwo lagert. Könnte der SAC zu solchen Massnahmen stehen?

Der Zeithorizont ist 2050. Wir wissen heute nicht, wie die Lösungen aussehen könnten. Ob wir dann dahinterstehen würden, hängt davon ab, wie sie im Detail aussehen. Aber auch die Förderung erneuerbarer Energien wird ein Thema sein. Das ist eine weitere Krux, denn das erzeugt Druck auf die Landschaft. Wenn der SAC die Initiative unterstützt, könnte er aber darauf hinweisen. Denn der SAC will nicht, dass der Druck auf die geschützten BLN-Gebiete steigt.

Der SAC wurde ja nicht nur für die Unterstützung der Gletscherinitiative angefragt, sondern auch für die Doppelinitiative Biodiversität und Landschaft. Dabei geht es auch um den Schutz der BLN. Warum unterstützt der SAC nicht diese Initiative?

Diese Initiative ist leider ein Konglomerat von drei Themen. Der Teil Landschaft ist für den SAC unterstützungswürdig. Auch den Teil Biodiversität finden wir zwar nötig, aber die Instrumente entsprechen nicht unserer Idee. Um die Biodiversität zu fördern, sollen neue grosse Flächen unter Schutz gestellt werden. Wir befürchten Zugangsbeschränkungen, das widerspricht unserer Idee, den Zugang zur Natur zu erhalten. Deshalb machen wir bewusst nicht mit.

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Lösen müssen wir das Problem als Gesellschaft, aber die Bergsportler können sich als Teil der Gesellschaft engagieren.

Aber Klimaschutz zulasten der Landschaft, diese Gefahr nimmt der SAC in Kauf?

Wir können nicht den Fünfer und das Weggli haben – das ist meine persönliche Meinung. Den einen oder anderen Stausee braucht es vielleicht noch. Gletscher sind herausragende Merkmale vieler BLN-Gebiete. Mit dem Wegfall von Eis und Firn werden sie nicht schöner. Sie werden zu unwirtlichen Gebieten mit Potenzial für zusätzliche Naturgefahren. Klimaschutz ist also auch Landschaftsschutz.

Was ist, wenn die Abgeordnetenversammlung Nein sagt?

Dann nehmen wir das zur Kenntnis. Dann wissen wir, dass der SAC sich nicht zum Thema Klimapolitik exponieren will. Wenn sie Ja sagt, werden wir mit einem Vertreter ins Unterstützungskomitee gehen. Aber selbst wenn die Basis die Unterstützung der Initiative ablehnt, gibt es vielleicht einigen Sektionen den Anstoss, etwas zu machen.

Autor / Autorin

Anita Bachmann

Zu den Initiativen

Der Verein Klimaschutz Schweiz lanciert in diesen Tagen die Initiative für ein gesundes Klima, die von den Initianten auch Gletscherinitiative genannt wird. Die Unterschriftensammlung soll im Mai starten. Ziel der Initiative ist, den Klimaschutz in der Verfassung zu verankern. Damit soll erreicht werden, dass die Schweiz das Übereinkommen der Klimakonferenz in Paris 2015 einhält. Das Ziel des Pariser Übereinkommens lautet, die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. «Die Schweiz ist diesbezüglich nicht auf Kurs», hält der Verein Klimaschutz Schweiz in den Erläuterungen zur Initiative fest. Wie genau die Schweiz die Klimaziele erreichen soll, will die Initiative nicht vorgeben. In der Bundesverfassung soll aber festgehalten werden, dass ab 2050 in der Schweiz keine fossilen Brenn- und Treibstoffe mehr in den Verkehr gebracht werden dürfen. So weit ab diesem Zeitpunkt weiterhin Treibhausgasemissionen anfallen, müssten sie durch sichere Senken dauerhaft neutralisiert werden. Das heisst, die Treibhausgase müssten der Atmosphäre entzogen werden. Weiter möchten die Initianten, dass bis 2050 ein mindestens linearer Absenkpfad der zulässigen Emissionen festgelegt wird.

Bereits Ende März gestartet ist die Unterschriftensammlung für die Doppelinitiative Biodiversität und Landschaft. Sie wurde von den Verbänden Pro Natura, BirdLife Schweiz, Schweizerischer Heimatschutz und Stiftung Landschaftsschutz Schweiz lanciert. Die Initianten wollen den Schutz der Biodiversität, der Landschaft und der Baukultur auf Ebene Bundesverfassung konkretisieren. Nötig sei dies, weil unzählige Versuche gestartet worden seien, die Gesetze abzuschwächen, die den Schutz von Natur und Landschaft regelten, so die Organisationen. Zudem hinke die Schweiz im internationalen Vergleich hinterher.

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