Zeitschrift und Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins
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Zeitschrift und Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Redigiert von Heinrich Hess. Bd. XLII. Jahrgang 1911. München 1911. Verlag des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins. Hergestellt durch F. Bruckmann A.G. in München.

Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins. Eedigiert von Heinrich Hess. Neue Folge, Bd. XXVII. München/Wien 1911.

Die Zeitschrift enthält diesmal wieder eine Beilage, nämlich: Karte der Lechtaler Alpen. Maßstab 1: 25,000. Aufgenommen von L. Aegerter. Stich und Druck von G. Freytag & Berndt, Wien. Außerdem bietet sie, um einmal mit diesem anzufangen, an Illustrationen 26 Vollbilder in Lichtdruck und Autotypie, sämtlich von E. Bruckmann A.G. tadellos ausgeführt, und 62 Bilder im Text, die sich auf dem Kunstdruckpapier, auf welchem sie getrennt vom Text gedruckt sind, ebenfalls recht gut ausnehmen. Wenn dies schon eine Neuerung ist, die dem diesjährigen Band wohl ansteht, so ist dies auch die andere, daß zwei Damen als Autoren erscheinen, die eine sogar auf einem für die „ Zeitschrift " neuen Gebiet. Ich meine den sehr lesens- und in seinen Schlußsätzen auch beherzigenswerten Artikel von Margarete Große: „ Über Alpenluftfahrten " ( 4 Voll- und 11 Textbilder nach Ballonaufnahmen ). Den Artikel von Eleonore Hasenclever: „ Eine Besteigung des Bietschhorns " ( zur Erinnerung an Alexander Burgener ) kann man nicht ohne Rührung lesen. Von allen, welche A.* B. in Nekrologen gefeiert haben, hat niemand die zarten Seiten dieses rauhbeinigen Recken so herauszuheben verstanden, wie diese seine tapfere und feinfühlende Schülerin. Bei der Lektüre von, Dr. G. Freiherr von Saar: „ Über typische Wintersportverletzungen " hatte ich das melancholische Vergnügen, mich darüber zu freuen, daß mein Alter mir nicht mehr gestattet, einige dieser Typen, die mit zehn Zeichnungen schematisiert sind, am eigenen Leibe zu erproben. Eine Erweiterung der in der D. A. Z. erwähnten Skizze stellt die Monographie von Dr. A. Dreyer vor: „ Ludwig Steub, der Alpenwanderer und Alpenschilderer ". Diese Epitheta sind in dem Sinne zu nehmen, wie sie von J. V. Widmann gelten; denn „ ein Alpinist nach unsern heutigen Begriffen war Steub ebensowenig, wie die meisten Dichter vor ihm, die sich an der unvergleichlichen Pracht der Hochlandswelt weideten, Petrarka bis Rousseau und Goethe ". Wir wollen ihm das nicht übelnehmen, denn Steub hat diesen Manko durch seine alpine Schriftstellern wettgemacht. An der hübschen Schilderung von A. de Quervain und A. Stolberg: „ Fjord-, Berg- und Schneeschuhfahrten in Grönland " ( 1 Vollbild und 3 Textbilder ) wird unsere Leser auch das mit Genugtuung erfüllen, daß der erstgenannte Autor und sein Gefährte bei der Erstbesteigung des Hortjetakken, dem Versuch auf den Sadlen und bei einer Schneeschuhfahrt auf dem Inlandeis von Nordgrönland, Dr. Bäbler, Schweizer sind. Bedeutender als bei diesen im Verlauf einer wissenschaftlichen Expedition nebenbei gemachten „ Hochtouren " sind die bergsteigerischen Resultate in den beiden folgenden Aufsätzen von Dr. Walter Fischer, Dr. Gustav Kuhfahl und Oskar Schuster: „ Aus dem zentralen Kaukasus " ( 3 Vollbilder, 1 Kartenschema und 9 Textbilder ) und von Dr. G. Künne und Dr. H. Schmidt: „ Hochtouren in den Zentralpyrenäen 1908—1910 " ( 2 Vollbilder, 2 Kartenskizzen und 5 Textbilder ). Von den ersteren wurde das Becken des Midagravin-gletschers in der westlichen Kasbekgruppe durchforscht, der Suatisi-Choch und der Kaltber ( Adai-Choch-Gruppe ) zum ersten Male erstiegen. Von den letzteren wurden der Balaïtons, die Maladetta, der Pic Maudit, die Crête du Milieu, les Crabioules, der Cuje de Las Palas oder Pic de Mourrous, der Pic des Sarradets, der Taillon, der Mont Perdu, der Pic de Tuquerouye, der Quairat, der Intermédiaire, der Caperan de Ger, der Pic de Sesques occidental ( Erstbesteigung ), der Pic Ténèbre ( Erstbesteigung ), der Pic Ronglet ( Erstbesteigung ), der Pic Rouge de Pailla, Cylindre, Pic de Tuquerouye ( von Süden ), Col Maudit ( 1. Überschreitung ) gewonnen. In beiden Aufsätzen werden Land und Leute eingehend geschildert und die Besteigungsgeschichte der Gipfel notiert. Karl Steininger gibt in dem Artikel: Aus den Lechtaler Alpen ein „ Begleitwort zu der Karte ", das tatsächlich eine erschöpfende Monographie der ganzen Gruppe ist, mit 5 Vollbildern und 4 Textbildern. „ Schneeschuhfahrten in den Niederen Tauern " schildern J. Baumgärtner und Karl Sandtner ( 2 Vollbilder, 1 Kartenskizze und 3 Textbilder ). Die Monographie von Dr. A.J.äckh: „ Der zentrale Teil der Riesenfernergruppe " ( 5 Vollbilder, 4 Textbilder und 1 Kartenskizze ) bietet nach einer Übersicht über die orographisch-topographischen Verhältnisse eine Schilderung der von andern und dem Verfasser gemachten Besteigungen und Übergänge in dieser schönen Gruppe. Dagegen beschränkt sich Alfred von Radio-Radiis, unter Verweisung auf den 1909 durch Lothar Pathéra herausgegebenen „ Führer durch die Lienzer Dolomiten ", auf die „ Schilderung einer Anzahl der wichtigsten Bergbesteigungen, sowie einzelner neuer Touren " ( 4 Vollbilder ). Eine „ Lücke im alpinen Schrifttum auszufüllen ", ist das Bestreben Lothar Pathéras, wenn er im letzten Artikel des Bandes die Cavallogruppe der venezianischen oder der Premaggiorealpen Wäbers ( S.A.C.J.. X, pag. 515 ) in Angriff nimmt. Im allein vorliegenden ersten Teil wird die Geschichte der Erschließung dieser Gruppe von 1841 an dargestellt und historische Notizen über einzelne Namen wie Monte Cavallo und Bosco del Consiglio, die bis 1575 resp. 923 zurück verfolgt werden können, und andere geschichtliche Kuriosa eingeflochten. Beigegeben sind 1 Vollbild und 3 Textbilder.

In den Mitteilungen sind es die Tourenberichte und die nunmehr von Dr. Josef Moriggl sehr sorgfältig zusammengestellten und kritisch bearbeiteten „ Alpinen Unglücksfälle ", welche mir für meine Redaktionsarbeit am meisten Ausbeute liefern. Die übrigen Notizen über Weg- und Hüttenbauten, Führerwesen, Verkehr und Unterkunft, Ausrüstung und Verproviantierung, deren Benutzung durch einen Index erleichtert wird, eignen sich nicht zur Besprechung, und von den Aufsätzen haben manche für die Mitglieder des D. & Ö.A.V. mehr Interesse als für uns. Von allgemeinerer Bedeutung scheinen mir die folgenden zu sein: Auf die westliche Zinne, von Ingenieur Otto Langl; Überfliegung der Alpen im Freiballon „ Tirol ", von August Wil- helm Andernach; auf unbekannten Pfaden im Firnreich der Marmolata, von Guido Mayer; Campanile dei Camosci und Rocca di Vallesinella, von Robert Liefmann; eine hochalpine Wintermarkierung in der Sesvennagruppe, von Friedrich Berger; Wintertouren im Dauphiné, von Walter Deye; die Zehnerspitze in der Fanesgruppe, Erstbesteigung über die Südostwand, von Dr. v. Zimmeter; der Campanile di Val Montanaja, von Erich Leonhard; auf den Turnerkamp über den Südgrat, von Margarete Große; neue Touren in den Sextener Dolomiten, von Otto Oppel; zwei Klettertouren im Rofan, von Joseph Nieberl; im Ballon über die Zillertaler Alpen, von Dr. Heinz v. Ficker; Monte Rotondo und Monte d' Oro, von Hans Wödl. Ein ästhetisches Thema behandelt Dr. A. Dreyer in „ Martin Greif als Hochlandsdichter ", und brennende oder sollen wir sagen brenzliche Fragen die Kontroverse zwischen Franz Nieberl und Paul Preuß über künstliche Hülfsmittel auf Hochtouren, der Artikel von Dr. Richard Weizenböck: „ Zur ferneren Zukunft des Alpinismus " und der von Alfred Steinitzer: „ Über Höhenwege und andere alpine Entwicklungserschei-nungen ". In der Kontroverse neigt mein Verstand zu Herrn Nieberl, welcher, cum grano salis, dem System des laisser faire, laisser aller huldigt und bei dem nun schon fast zum guten alten gewordenen Betrieb des modernen Kletterns mit gewissen Einschränkungen bleiben will, aber mein Herz schreit doch mit Herrn Preuß, daß ein Frontmachen gegen die unfaire Verwendung solcher Hülfsmittel ein Postulat der alpinen Sittlichkeit sei. Und ich finde, auch Dr. Weizenböck mache es sich gar zu leicht, wenn er gegen die „ Jeremiade " des Herrn Planck in der Ö.A.Z., wonach dem Alpinismus die Gefahr drohe, zwischen dem Andrang der Verkehrsindustrie von außen und der Sportversimpelung von innen erdrückt zu werden, mit dem Satze zu Felde zieht: Schließlich gehen wir doch zu unserm Vergnügen in die Berge, und die Möglichkeit, das Bergsteigen so zu betreiben, „ wie ich es für gut und schön erkenne ", könne uns weder der innere noch der äußere Feind rauben. So einfach liegt die Sache leider nicht. Die Gesamtheit — und der Alpinismus ist heutzutage in essentia eine Vereinssache — kann sich nicht wie der einzelne in einen noch unverderbten Winkel flüchten, um dort nach ihrer Fasson selig zu werden. Sie muß gegen die Gefahr, die ihr droht aus den Dracheneiern Fremdenindustrie und Sportbetrieb, die sie höchstselbst ausgebrütet hat, reagieren, wenn diese ungeratenen Sprößlinge sie nicht schließlich auffressen sollen. Und darum soll man Stimmen wie die von Preuß und Planck nicht als vox clamantis in deserto verhallen lassen, solange es Zeit ist.

Redaktion.

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