Abschiedsschmerz
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Abschiedsschmerz

Ich stecke im grünen Fass und schrubbe den Wassertank mit Bürste und Seife. Lasse meine Gedanken fliessen. Zum Garten-Altrocker mit seinem 70-Liter-Rucksack, vollgestopft mit Monster-Gurken, Mutanten-Zucchetti und Fussball-Kürbissen. Was für ein Genuss! Zum leckeren Honig von der Imkerdame. Ich liebe Honig. Zum Tipp unseres Amerikaners, den Restschnee doch mit Streusalz wegzukriegen.

«Helilinth, das isch de Maurice vom Chischtli. Mir sind ready. Wird aber schwär, satti 745 Kilo.» «Passt scho.» Marco, wie immer entspannt, souverän und klar. Und wie immer setzt er mir die Leine punktgenau in die Hand. «3, 2, 1, Kontakt. Chasch azieh, Marco.» Drei Tage einwintern. Auch unsere Hüttenmäuse spüren die Unruhe und bunkern sich doch tatsächlich die kleinen Schokoherzen in ihrem Nest, die wir jeweils für jeden Gast auf den Wolldecken bereitlegen.

Marco kämpft mit seinem «Eichhörnchen», dreht die Maschine gegen das Tal. Ich kämpfe mit den zwei riesigen Bigbags, versuche, sie in Bewegung zu bringen. Knapp einen Zentimeter über dem Boden. Marco muss die Unterlast über die Stahlseilabsperrung der Terrasse bringen. Seine Maschine dreht am Anschlag. Aus dem Fass, auf das Dach, den Kaminhut abschrauben, Abdeckung drauf, Solarpanels kontrollieren, Schrauben nachziehen. Ich rücke mir die Mütze zurecht. Die Mütze, die mir ein Grüppchen Gäste extra gestrickt und vorbeigebracht hat. Ich liebe Mützen. Die schwere Last lässt die Maschine hart absacken. Sie donnert zu Tal. Eng war das. «Danke vielmal, Marco, en guete Winter.» Wir verabschieden uns. Vom Berg. Von den Tieren. Vom Chischtli. Wir fliegen nicht. Wir wandern ins Tal. Denn die Seele hält sonst nicht Schritt.

Gschichte usem Chischtli

Maurice Caviezel war bis letzten Sommer Hüttenwart auf der hoch über dem Limmernstausee gelegenen Kistenpasshütte (2714 m). Er erzählt euch hier ein Jahr lang von Erlebnissen, wie sie sich wohl in jeder Hütte zutragen.

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