Alpine Rettung 2003. Deutlich mehr Einsätze – war das Wetter schuld?
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Alpine Rettung 2003. Deutlich mehr Einsätze – war das Wetter schuld?

Deutlich mehr Einsätze – war das Wetter schuld?

Alpine Rettung 2003

Während seit Jahren die Einsatzstunden konstant zurückgehen, nahmen die Rettungsaktionen des SAC im Jahr 2003 deutlich zu. Überwiegend in den Sommermonaten wurden extrem viele Einsätze geleistet. Unverändert blieb der Anteil von bergsportfremden Einsätzen, die in den Bereich der öffentlichen Sicherheit gehören.

Die Summe der Einsätze hat gegenüber dem Vorjahr um 17,. " " .5% ( von 434 auf 510 ) zugenommen. Die Anzahl der vom SAC geretteten oder geborgenen Personen stieg um 34%.

Saisonale Unterschiede Die Entwicklung bei den Einsatzstunden für Bergrettungen und bei den Suchaktionen läuft dem Trend diametral entgegen. Immer mehr Patienten werden mit weniger Einsatzstunden gerettet. Der Wert der Einsatzstunden hat sich im langjährigen Mittel um 16,. " " .5% verringert. Im Bericht der Schweizerischen Meteorologischen Anstalt SMA ist Folgendes nachzulesen: « Die aussergewöhnlichen Klimabedingungen des Jahres 2003 waren die Folge einer veränderten Grosswetterlage – Hochdruckeinfluss dominierte. … Deutlich wärmer als normal waren im Jahr 2003 auch die Monate März und Mai. » Und: « Im Februar fielen in den östlichen Voralpen extreme Schneemengen. » Diese Aussagen zum Klima im Jahr 2003 widerspiegeln sich alle in den Einsätzen des SAC. Im Februar und in den Sommermonaten Juni bis August wurden noch nie so viele Einsätze registriert.

Einsatzarten und Gerettete Wie die Tendenz aufzeigt, nehmen auch die Anteile der bergsportfremden Rettungen und Bergungen zu. Immer öfter müssen SAC-Retter für Totenbergungen oder für Spezialeinsätze ausrücken. Dies wird regional sehr unterschiedlich gehandhabt und hängt stark von der Zusammenarbeit mit den kantonalen Poli-zeikräften ab.

Bei den Bergunfällen ist immer noch das Bergwandern an der Spitze der Ein-satzhäufigkeit. Erstaunlicherweise liegen die Zahlen bei Bergwanderunfälle im Jahre 2001 höher als 2003 – offenbar war der heisse Sommer langen Wanderungen abträglich, und es wurden andere Tätigkeiten bevorzugt. So verzeichnen Hochtouren, Klettern und Gleitschirmfliegen starke Unfallzunahmen.

Noch nie seit der Erfassung der Berg-unfalldaten wurden so viele Schweizer und Deutsche vom SAC gerettet. Dabei liegt der Anteil der geretteten SAC-Mit-glieder ( inkl. JO ) dieses Jahr mit 10% etwas tiefer als im Vorjahr. Der Wert befindet sich im Bereich des langjährigen Mittels. Rettungstätigkeit in den Zonen Die Anzahl der Rettungseinsätze stieg ausser in der Romandie und im Tessin überall gleichmässig an. Einzig im Berner Oberland ( Zone 6 ) wurde eine markante Steigerung von 23% gegenüber dem Vorjahr registriert. Vor allem bei Einwohnern der grossen Kantone AG, BE, GR, SG TI, VD und ZH wurde eine erhebliche Zunahme der Bergunfälle vermerkt.

Auf Grund der Einsätze nach Kantonsgebiet zeigt sich, dass im Kanton Bern am meisten Personen gerettet wurden, gefolgt vom Gebirgskanton Graubünden. Im Tessin ist die Anzahl seit drei Jahren rückläufig.

Kommentar Es zeichnet sich schon seit einigen Jahren die Tendenz ab, dass der Zeitaufwand für die Einsätze abnimmt. Demgegenüber wächst die Zahl der Einsätze ständig an. Der schneereiche Winter 2002/03 und der sehr heisse Sommer mit wenig Niederschlägen haben diesen Trend noch verstärkt. Dank des anhaltend schönen Wetters waren sehr viele Einsätze mit dem Helikopter möglich. Grosse zeitaufwändige Suchaktionen waren selten.

In der Lawinenrettung zielt die Einsatztaktik auf kurze, aber effiziente Einsätze hin. Dies führt dazu, dass immer weniger Einsatzstunden vom SAC verrechnet werden können – was für die Finanzen der Alpinen Rettung SAC nicht ohne Folgen ist. Aus der Sicht des Patienten ist diese Entwicklung jedoch positiv.

Rettungseinsätze Beteiligte 0 100 200 300 400 500 600 700 800 2003 2002 2001 2000 1999 2003 1999 2000 2001 2002 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Dez. Nov. Okt. Sept. Aug. Juli Juni Mai April März Feb. Jan.

Anteil Std. für Suchaktionen Einsatz-Std.

Ø 43 Std/ Einsatz Ø 26 Std/ Einsatz Ø 30 Std/ Einsatz Ø 22 Std/ Einsatz Ø 22 Std/ Einsatz 0 2000 4000 6000 8000 10000 12000 14000 16000 18000 20000 2003 2002 2001 2000 1999 Grafik 1 Anzahl Beteiligte und Rettungseinsätze 1999–2003 Grafik 2 Anzahl Einsätze nach Monaten Grafik 3 Aufteilung der Einsatzstunden DIE ALPEN 6/2004

Einen weiteren Einfluss dürfte die weltweite politische und wirtschaftliche Lage haben. Seit dem Terroranschlag vom 11. September in New York besinnen sich viele Reisende wieder auf die sicheren Werte in der Nähe und machen Ferien in den Bergen. Dort scheint die Welt noch in Ordnung zu sein.

Die Gründe für den massiven Anstieg der Einsätze sind vielfältig, können aber hauptsächlich dem klimatischen Aus-nahmesommer 2003 angerechnet werden. Für die Alpine Rettung SAC heisst es, sich dem stetig sich verändernden Umfeld anzupassen und darauf mit geeigneten Massnahmen zu reagieren.

Bergnotfälle Andere Notfälle 0 60 120 180 240 300 360 420 480 540 600 2003 2002 2001 2000 1999 Andere ( Canyoning ) Eisf allkl ett ern De lta Varian ten Sno wb oard Glei tsch irm Varian ten Sk i Kle ttern Sk ito ur Ho ch tou r Wandern ( A lpin ) 0 50 100 150 200 1999 2000 2001 2002 2003 2003 Zone 10 Jura Zone 9 T ici no Zone 7 R om an die Zone 6 B erner Ob erl an d Zone 5 Zen tra lsc hw eiz Zone 4 G laru s Zone 3 E ng ad in Zone 2 G rau bü nd en Zone 1 Alp ste in 0 20 40 60 80 100 120 140 160 1999 2000 2001 2002 2003 Die verschiedenen Bergsportarten – so auch das Eisfallklettern – stellen die Retter zunehmend vor technische Probleme. Rettungsdemonstration anlässlich der IKAR-Tagung 2004 im Engadin Fo to :S us anne Bon aca Grafik 4 Anzahl Bergnotfälle und andere Notfälle Grafik 5 Nach Tätigkeit unterteilte Notfälle Grafik 6 Einsatz nach Zonen

Jugend-Infos,Berichte,Aktivitäten

Attività dei giovani

Activités jeunesse

Fallbeispiel 1: Blockierung infolge Ausaperung Zwei Bergsteiger sind von der Glecksteinhütte in Richtung Dossenhütte unterwegs. Auf dem Rosenlauigletscher merken sie, dass sie dem steilen Couloir in Richtung Dossenhütte nicht gewachsen sind. Ein Rückzug kommt aber nicht mehr in Frage. Mit dem Natel alarmieren sie die Rega und werden kurze Zeit später vom SAC-Rettungsspezialisten am Helikopter geborgen. Dieser Vorfall ist typisch für die Situation im Sommer 2003: Infolge Ausaperung waren viele Routen nicht mehr sicher oder sehr schwer begehbar. Präventiv wurden viele Bergsteiger evakuiert, um grösseres Unheil zu vermeiden.

Fallbeispiel 2: Tragisches Ende eines Neujahrstreffens Eine Gruppe von zehn Personen bucht Neujahrsferien im Berner Oberland. Da sie am Silvester früher ankommt als geplant, unternimmt sie noch eine kleine Entdeckungstour. Eine Person hat Tourenski, die anderen sind mit Schneeschuhen ausgerüstet. Schon bald wird die Steigung für die ungeübten Schneeschuhläufer zu steil. Nur die Person mit den Tourenski steigt weiter. Dieser Mann trägt seinen zweijährigen Sohn huckepack mit. In dem Moment, in dem er umkehren will, löst sich ein Schneebrett, das ihn und das Kind ca. 50 m mitreisst.

DIE ALPEN 6/2004

Beide werden von den Schneemassen begraben. Die restlichen Teilnehmer können sehr rasch die Rettung alarmieren, und bereits 9 Minuten später wird ein Hundeführer mit dem Helikopter an der Winde in den sehr steilen Hang abgeseilt. Der Lawinenhund zeigt schon bald einen Fund an, und die beiden können geborgen werden. Leider sterben der Vater und das Kind an den Folgen des Lawinenniedergangs.

Fallbeispiel 3: Familie mit Kindern in steilem Gelände blockiert Eine Schweizer Familie, die in einem Engadiner Kurort Ferien verbringt, begibt sich auf eine Bergwanderung. Um 15 Uhr trennt sich die Mutter von der Familie und kehrt allein ins Tal zurück. Der Vater steigt mit seinen drei Knaben im Alter zwischen 10 und 14 Jahren weiter auf in absolut unwegsames Gelände. In einem sehr steilen Gerölltobel können sie weder auf- noch absteigen. Mit Hilfe eines SMS – es gibt keine Natelverbin-dung – können sie die Mutter alarmieren, die dann die Rettungsstation benachrichtigt. Die Rega kann die um Hilfe Rufenden lokalisieren und mit einer vom RSH des SAC geleiteten Windenaktion retten. Leider ist dieser Vorfall kein Einzelfall. Rettungen von Familien in ausweglosen Situationen sind keine Seltenheit, und oft sind sogar Kleinkinder dabei. a

Hans Jaggi, Rettungskommission SAC Arbeitsgruppe Statistik Bergsportaktivitäten sind für Kinder ein spezielles Erlebnis, erfordern aber eine angepasste Tourenwahl.

Der Gletscherschwund der letzten Jahre bringt für den Alpinisten neue Gefahrenmomente mit sich. Zustieg zur Konkordiahütte, bei dem jährlich zusätzlich Leitern angebracht werden müssen Foto: zvg Foto: Markus Aebischer

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