Als Profi arbeiten, als Mensch mitfühlen
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Als Profi arbeiten, als Mensch mitfühlen

Aussergewöhnliche Ausbildungs-sequenz bei den SAC-Bergrettern Den Abschluss des letztjährigen Zentralkurses « Winterrettung » bildete das Thema « Begegnung im Notfall ». Der verantwortungsvolle Umgang mit Betroffenen im Falle eine Unglücks ist etwas vom schwierigsten und wird sehr oft, auch von Bergrettungsleuten, auf die Seite geschoben. Jede Rettungsarbeit sollte von der Leitidee geprägt sein: Als Profi arbeiten, als Mensch mitfühlen.

Zu den ersten Reaktionen von Betroffenen in dem Moment, in dem sie vom Unglück erfahren, gehören Unsicherheit, Angst, Verdrängung, Hoffnung, Handlungsunfähigkeit, Ohnmacht. Wird die Vermutung zur Gewissheit, kommen je nach Ausgang des Unfalls Erschütterung und Trauer oder Erlösung und Erleichterung dazu.

Verhalten bei Katastrophen- und extremen Krisensituationen Wie sollen nun aber Retter mit diesen Reaktionen umgehen? Der Paar- und Familientherapeut Peter Fässler-Weibel aus Winterthur konnte aufgrund seiner grossen Erfahrung und durch seine engagierte Art die anwesenden Bergretter für dieses schwierige Thema sensibilisieren. Dabei schöpfte er aus seiner grossen praktischen Erfahrung, war er doch unter anderem bei der Betreuung von Angehörigen nach den Katastrophen von Luxor und Halifax engagiert.

Er informierte über die verschiedenen Phasen bei grossen Krisenfäl-len und in extremen Stresssituatio-nen. Anhand von selbst erlebten Beispielen zeigte er systematisch, wie es zu solchen Situationen kommt, wie sie sich in der Folge entwickeln und wie die betroffenen Personen ( Retter, Angehörige, Unbeteiligte ) reagieren, welche Muster ablaufen und wie man mit diesen umgehen kann. Fest-zustellen, wie positiv sich kleine Gesten, aber auch wie negativ sich unbedachte Äusserungen auswirken können, war eindrücklich.

Verschiedene Handlungsmuster Retter sollten Angehörigen und Betroffenen gegenüber eine Atmosphäre des Vertrauens schaffen, sie auf ihre Eindrücke ansprechen und über Teilschritte der Rettungsarbeit informieren. Hilfreich ist es für die Angehörigen, wenn sie an den Bergungsarbeiten teilhaben können, vielleicht sogar physisch, in dem z.B. einem Angehörigen je nach Möglichkeit eine Sondierstange in die Hand gedrückt wird. Angehörige sollten mit ihren Ängsten und Hoffnungen nicht allein gelassen und für ihr Verhalten auf gar keinen Fall kritisiert werden, denn « Massstab für die Ethik im Umgang mit Betroffenen sind allein die Betroffenen selbst !» Von Beruhigungsmedikamenten für aufgebrachte Involvierte rät der erfahrene Therapeut ganz ab, gehört doch das gefühlsmässige Durchleben von Stress- und Trauersituationen zum Prozess der Bewältigung. Solidarität und auch eigene Gefühle der Betroffenheit zeigen, niemanden allein lassen, ein kurzes persönliches Gespräch führen, all das ist gemäss seiner Erfahrung wirkungsvoller als Psychopharmaka.

Auch als Mann Emotionen zeigen Der Referent stellte Rollendenken und Konventionen in Frage, redete dem situationsgerechten Handeln abseits von Normen, Regeln und Paragraphen das Wort. Bergretter -meistens Männer- müssten Gefühle zulassen und auch zeigen. Daraus ergab sich konsequenterweise die Frage: « Wenn Sie als Mann erschüttert und traurig sind, weshalb weinen Sie nicht ?» Bergretter haben die zwischenmenschliche Pflicht, sich in einen Angehörigen eines Verunfallten oder eines Toten zu versetzen und ihn keinesfalls noch mit den eigenen Problemen zu belasten.

Vor allem Mensch sein In Krisensituationen kreativ zu werden bedeutet, Konventionen zu überdenken und im Notfall vor allem menschlich zu handeln. « Zeigen Sie sich in ihrer Menschlichkeit, mit Ihrer Herzlichkeit und Wärme », war sein Aufruf.

Mit den Reaktionen auf diese -zum Teil provozierenden und irritie-renden - Forderungen wurden die komplexen Zusammenhänge angesprochen, mit denen sich die Bergretter in der praktischen Arbeit, etwa auf dem Lawinenfeld, konfrontiert sehen, und wie schwierig es dabei ist. Regeln zu brechen. Letztlich aber ist der Grundton entscheidend. Es wird sicher noch einige Zeit dauern, bis Verhaltensmuster geändert sein werden, die Arbeit des SAC-Rettungs-dienstes hat aber durch diese Ausbil-dungssequenz zweifelsohne eine neue Dimension erhalten.

Peter Donatsch, Maienfeld Allein sein ist besonders nach dem Verlust eines Angehörigen schwierig.

Sicherheit, Medizin, Rettungswesen Fotos: Marco Volken Q.

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