Anouk Piola: das Klettern im Blut. Kinder prominenter Bergsteiger
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Anouk Piola: das Klettern im Blut. Kinder prominenter Bergsteiger

Wie lebt man mit der Tatsache, die Tochter eines berühmten Bergsteigers zu sein? Das ist die Frage, die wir Anouk Piola gestellt haben, die versucht, in die Fussstapfen ihres illustren Vaters Michel zu treten. Obschon sie in die Kletterszene hineingeboren wurde, kam die Leidenschaft nicht einfach von selber.

Anouk Piola, 19 Jahre alt, lebt mit ihren Eltern in der Nähe von Genf. Die grossen Glasfronten des schmucken Einfamilien-hauses öffnen sich gegen Südwesten zu den felsigen Versprechungen des Salève und bieten damit eine Aussicht, die nach Abenteuer ruft. Offen und entspannt erzählt uns Anouk von einigen Etappen in ihrem noch jungen Leben als Kletterin und Mitglied einer Schweizer Bergsteigerfamilie, die in diesem Gebiet zu den aktivsten gehört. Auf den Chromosomen der Familie Piola muss ein besonders aktives Klettergen vorkommen. Der Name ihres Vaters Michel Piola, eines unermüdlichen Eröffners und Reisenden, ist insbesondere mit zahllosen grossen Felsrouten in den Alpen, im marokkanischen Atlasgebirge oder auf Madagaskar verbunden. Doch er ist nicht allein für das Thema Klettern zuständig, denn dieses hat in der Familie Piola auch eine weibliche Komponente: Muriel, Anouks Mutter, ist ebenfalls eine erfahrene Bergsteigerin und hat in der Karriere der Wettkampfkletterin Anouk eine bedeutende Rolle gespielt. Zur Familie gehört ausserdem Stéphanie, Anouks Halb-schwester, die eine der aktivsten Spitzen-kletterinnen des Landes ist.

Die Liebe zum Fels wurde Anouk aber nicht in die Wiege gelegt. « Anfänglich war das nicht mein Ding », sagt sie, « ich hatte den Zirkus lieber. » Im Alter von vier Jahren besuchte sie Kurse in einer Genfer Truppe und machte bei verschiedenen öffentlichen Auftritten mit. Das Training in jungen Jahren, zum Beispiel am Trapez, erlaubte ihr, körperliche Fähigkeiten und Kraft zu entwickeln, die ihr in der Folge ganz bestimmt förderlich waren.

Der Durchbruch

Die ersten Kontakte mit der Welt der Vertikalen hatte sie im Alter von neun Jahren, als sie die Trainings besuchte, die ihre Mutter für die jungen Talente in Genf im Rahmen des von Anouks Eltern gegründeten Vereins « Genèveescalade » organisierte. Sie liebte die Gesellschaft Konzentriert aufwärts: Anouk Piola ( 19 J. ) am diesjährigen ersten Wettkampf der Swiss-Cup-Serie. Sie wurde Vierte.

Die junge Anouk mit ihrem Vater Michel auf einem Weg über dem Mer de Glace Foto: Collection personnelle d' Anouk Piola Foto: David Schweizer von Gleichaltrigen, fand Gefallen am Klettern an künstlichen Griffen und begann, die familiäre Leidenschaft auch für sich zu entdecken.

Dann ging es schnell: Anouk stieg ins Wettkampfklettern ein, wo sie auf nationaler wie internationaler Ebene Erfolge feierte. Bei der Ausübung dieses Sports schätzt sie neben dem Wettkampf an sich insbesondere die Stimmung in der Mannschaft. Die Beziehungen zu den Trainern wie unter den jungen Kletterern seien anregend. Sie erlebte in diesem Team viele « unvergessliche Momente », vor allem auf den zahlreichen Reisen zu den Wettkampforten.

Mit der Familie on the road

Michel Piola und seine Frau reisten häufig, als Anouk noch kleiner war, und nahmen dabei ihre Tochter oft mit. Diese Familienreisen sind mit ein Grund, dass Anouk vom Klettervirus infiziert wurde. Mit elf Jahren zum Beispiel verbrachte sie unvergessliche Ferien auf Madagaskar, wo ihr Vater mehrere Sektoren mit Kurzklettereien an den Kalkwänden am Meer eröffnete. Sie kehrte mit 14 und 16 Jahren zusammen mit der Familie nochmals dorthin zurück. Anouk findet die Landschaften in dieser Gegend wunderbar, aber sie hat nicht nur gute Erinnerungen an diese Zeiten: « Es war nicht immer lustig, meine Eltern zu begleiten und am Wandfuss auf sie zu warten. Manchmal habe ich mich sehr gelangweilt. » Aber nach und nach fand Anouk Gefallen am Klettern. Bei ihren Ausflügen in den Felsen der Welt messen sich in der Zwischenzeit Vater und Tochter immer öfter an gleich schweren Routen. Sie diskutieren zusammen technische Belange und geben sich gegenseitig taktische Ratschläge, wenn es darum geht, eine 8a zu klettern.

Michel, der erfahrene Experte, hat immer einen Trick auf Lager, den er seiner Tochter beibringen kann. Diese Komplizenschaft mit ihrem Vater führt allerdings noch nicht dazu, dass Anouk in eine der Lieblingsdomänen ihres Vaters vorstösst: die Eröffnung von langen Routen. « Mein Vater hätte mich gerne in seine Leidenschaft eingeführt, aber das war mir doch ein bisschen zu ‹bergle-risch› », sagt sie und präzisiert, dass Höhe sie immer noch sehr beeindrucke. Eine gewisse Skepsis mag auch daher rühren, Kleine Bouldersession am Rande des Meeres auf einer Insel im Norden Madagaskars 1999 interessierte sich die kleine Anouk mehr für den Zirkus als für das Klettern. Hier eine Trapeznummer von ihr während einer Vorstellung Anouk Piola Ihre ersten Titel Anouk Piola wird Schweizer Meisterin in der Disziplin « Speed » in den Jahren 2002, 2003, 2004 und 2007. Den gleichen Titel er- ringt sie in der Kategorie « Bouldern » 2004 und im gleichen Jahr in der Kategorie « Difficulty ».

Erste 8a Daniboy in Kalymnos 2004 Ihr Vorbild Christina Schmid. « Sie ist eine sehr gute Freundin, ich liebe ihre Persönlichkeit, und sie stellt für mich den Inbegriff der moder- nen Kletterin dar. » Das beeindruckendsteDie internationale Everest-Expedition, an der er 1982 teilnimmt. Abenteuer ihres Vaters Einer der Expeditionsteilnehmer ist seither auf der chinesischen Seite verschollen.

dass gewisse Erzählungen der Eltern sowie einige bange Momente an der Seite ihrer Mutter Muriel, wenn sie zusammen darauf warteten, dass ihr Vater von einer Expedition zurückkehrte, Anouk nicht immer von der Leidenschaft ihres Vaters überzeugt haben.

Fauler als ihr Vater

Anouk ist stolz auf ihren abenteuerlustigen Vater, zählt sich selber aber zu einer eher phlegmatischeren Generation. Ihr Interesse gilt mehr der Schwierigkeit an sich, und so verbringt sie Stunden damit, die gleichen Züge zu wiederholen. Ihre Art des Kletterns gleicht derjenigen ihrer Schwester Stéphanie. Mit ihr hat Anouk übrigens einen Bouldertrip nach Tanks in Texas unternommen, wo sie ihren ersten 7b-Boulder, New religion, schaffte. Wenn man sie nach ihren Träumen fragt, erweist sich aber die Genferin als Pragmatikerin. Wegen ihrer Ausbildung verzichtet sie im Moment darauf, eine « Superchampionne » werden zu wollen. Sie will sich auf die Ecole d' éducation physique et de Sport in Genf konzentrieren, was sie dazu zwingt, die Intensität des Trainings zu reduzieren. Sie hofft, einmal Unterricht erteilen und im Sportmanagement arbeiten zu können. Ihr Interesse für den Lehrerberuf hat bereits konkrete Folgen: Im Rahmen von Genèveescalade gibt sie Kurse für Kinder. Genauso fand ja auch sie vor zehn Jahren Gefallen am Klettern.

Anouks Blick schweift von ihrem Elternhaus wieder Richtung Süden in die Während einer Madagaskar-Reise findet Anouk einen neuen Freund, einen Lemuren.

Fotos: Collection personnelle d' Anouk Piola Berge. Man ahnt, dass die bereits jetzt beeindruckende Tourenliste sich maximal verlängern wird. Das ist es auch, was man dieser jungen Frau voller Tatendrang wünscht. a François Nicole ( ü )

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