Arnika, Gamswurz und andere Korbblütler
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Arnika, Gamswurz und andere Korbblütler Doppelgänger in der Natur

Könnte es sein, dass der liebe Gott recht müde war, als er die Blumen der Alpen erschaffen hatte? Denn während wir Biologen versuchen, die Arten zu identifizieren, müssen wir feststellen, wie viele von ihnen sich doch recht ähnlich sind. Nehmen wir beispielsweise die Familie der Korbblütler und davon die drei gelben Schwestern unserer Alpen: die Arnika, die Grossblütige Gamswurz und das Gamswurz-Greiskraut. Natürlich sind alle drei schöne Blumen, aber sie sehen sich furchtbar ähnlich: Sie haben die gleiche Grösse sowie die gleichen goldgelben Blütenkörbchen und Blütenblätter. In der ganzen Schweiz gibt es mehr als 120 Arten dieser Familie, die für Nichteingeweihte kaum zu unterscheiden sind. Weltweit hat diese fast allgegenwärtige Familie so viele gelbe Doppelgänger erfunden, dass unsere englischsprachigen Kollegen, wahrscheinlich ein wenig verwirrt ob der Zuordnungsschwierigkeiten, sie DYC oder «Damned Yellow Composite» (verdammte gelbe Korbblütler) nennen.

Ein bewährtes System

Das Gesetz im biologischen Universum heisst Vielfalt. Wie ist demnach das Fortbestehen der genannten Gleichartigkeiten zu erklären? Hier sei daran erinnert, dass die Blüten den Pflanzen als Apparate zur Samenherstellung dienen. Und dies wiederum funktioniert sehr oft nur mit der Unterstützung von geflügelten Insekten. Die Blüten bestehen im Inneren aus Fortpflanzungsorganen, und die Blütenblätter bilden das Signalfeuer, das die geflügelten Helfer anlocken soll. Dieses Locksystem wird in der Natur nur deshalb so oft wiederholt, weil es sehr erfolgreich ist.

Und was diese drei wunderbaren Blumen in unseren Bergen betrifft, so sind sie ein lebendiges Beispiel für einen weiteren evolutionären Mechanismus. Er hat die Pflanzen dazu gebracht, sich untereinander zu helfen. Bei den Korbblütlern haben sich die Blüten derselben Pflanze zu einer Art Superblume zusammengeschlossen. In diesem speziellen Fall zeigt eine sorgfältige Betrachtung des Korbes – so nennen wir den Blütenkopf – das Vorhandensein von mehreren Hundert winzigen Blüten. Die Blüten in der Mitte haben die Form von kleinen, symmetrischen Vasen mit jeweils fünf Blattlappen (Rohrblüten). Jene am Rand hatten anfänglich ebenfalls fünf Blütenblätter, die aber zu einem einzigen, langen Blütenblatt (Zungenblüte) verschmolzen sind und so extrem asymmetrische Einzelblüten bilden. In einer Umgebung, die von sehr kurzen Vegetationsperioden und einer Knappheit an Bestäubern geprägt ist, erhöht dieser Korb mit seiner enormen Signalwirkung die Chancen der Blume auf Samenproduktion.

Doppelgänger

Es gibt sie nicht nur unter den Menschen, sie sind in der Natur auch sonst vorhanden. In dieser kleinen Serie, die dem Pflanzenreich gewidmet ist, lädt uns der Biologe, Bergführer und Wanderleiter Bertrand Gentizon ein, einige überraschende und manchmal gefährliche Ähnlichkeiten zu entdecken.

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