Behandlung des Höhenlungenödems. Neue Perspektiven
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Behandlung des Höhenlungenödems. Neue Perspektiven

Behandlung des Höhenlungenödems

Das Höhenlungenödem ist keine Lungenentzündung, sondern eine Form von Überdruck in den kleinen Blutgefässen der Lunge. Präventiv wirkt eine gute Akklimatisation an grosse Höhen. Medikamentös zeichnen sich neue Wege ab.

Hin und wieder findet man bei Bergsteigern, die in grosse bis extreme Höhen – von 2500 bis über 5300 m – aufsteigen, beim Abhören des Brustkorbs so genannte feuchte Rasselgeräusche, als ob mit einer Zellophan-Tüte geraschelt würde. Die Betroffenen können dabei völlig beschwerdefrei sein, und im Verlauf einer guten Höhenakklimatisation kann das Rasseln auch wieder verschwinden. Ist die Anpassung des Körpers an die Höhe jedoch gestört, kann sich ein Höhenlungenödem entwickeln, das ohne Therapie unter Umständen tödlich endet.

Definition und Behandlung Bis vor wenigen Jahren nahm man an, dass es sich beim Höhenlungenödem um eine Art Lungenentzündung handelt. Durch intensive Untersuchungen auf der Capanna Margherita, 4559 m, konnte das Forscherteam um Marco Maggiorini und Peter Bärtsch im Jahr 2001 jedoch nachweisen, dass das Ödem durch einen Überdruck in den kleinen Blutgefässen der Lunge hervorgerufen wird. 1 Das Höhenlungenödem ist eine krankhafte Flüssigkeitsansammlung in der Lunge, hervorgerufen durch den niedrigen atmosphärischen Sauerstoffpartialdruck ( pO 2 ) bei raschem und nicht akklimati-siertem Höhenaufstieg. Die Krankheits-zeichen sind Atemnot, Husten, Enge-gefühl im Brustkorb, Schwäche und am Ende auch Fieber. Meistens entwickelt sich das Höhenlungenödem – international als High Altitude Pulmonary Edema, HAPE bezeichnet – in der zweiten Nacht bei nicht akklimatisiertem Aufenthalt in grossen und extremen Höhen.

Die Therapie besteht bislang in der sofortigen Evakuation in tiefer gelegene Regionen, der Verabreichung von Sauerstoff und der Gabe eines Medikamentes, das den hohen Blutdruck in der Lunge senkt ( Adalat® ). Momentan werden auch Studien durchgeführt, welche die Wirkung von Sildenafil, besser bekannt unter dem Namen Viagra®, auf den Lungenblutkreislauf untersuchen.

Ursachen und Krankheitsentstehung Die der Erdoberfläche anliegende Troposphäre reicht in unseren Breiten bis etwa 11 000 Höhenmeter. Das Gewicht dieser Atmosphärenschicht verursacht Druck an der Erdoberfläche, der auf Meereshöhe etwa 1013 mbar beträgt. In Höhenlagen nimmt dieser Druck und damit auch die Dichte der Luft exponentiell ab. Dies trifft auch für den Sauerstoff ( O 2 ) zu, der im Gasgemisch einen Anteil von 21% hat: Auf 5500 m bedeutet dies eine O 2 -Reduk-tion um die Hälfte, auf dem Mt. Everest steht nur noch ein Drittel O 2 für unseren

Körper zur Verfügung. Da wir die Umgebungsluft einatmen, verringert sich auch der O 2 -Druck in der Lunge, was die kleinen Blutgefässe, die Kapillaren, in der Lunge verengt. Diese Verengung bezweckt unter normalen Bedingungen ein « Abklemmen » schlecht belüfteter Lungenregionen, um den Blutstrom in besser mit O 2 versorgte Gebiete der Lunge umzuleiten. Wenn dagegen in grossen Höhen in der gesamten Lunge niedrige O 2 -Drücke vorliegen, werden alle Kapillargebiete der Lunge verengt. Das führt zu einer katastrophalen Druckerhöhung im so genannten kleinen Kreislauf. Diese Druckerhöhung kann das 2- bis 3fache des Normalwerts betragen. Zudem kann eine durch Kälte hervorgerufene Blutverlagerung in die inneren Körperbereiche den Lungen-blutdruck noch weiter steigern.

Die Lungenkapillaren liegen als dichte Netze um die Lungenbläschen – Alveolen – und gewährleisten so den Gasaustausch zwischen Blut und Luft. Normalerweise ist der Blutdruck im Lungenkreislauf sehr niedrig, die Lungenkapillaren können daher Druckanstiege schlecht verkraften. Den hohen Blut-druckbelastungen unter O 2 -Mangel und den damit entstehenden Druck- und Scherkräften sind sie nicht mehr gewachsen, was zum Zerreissen der Gefäss-wand führt. Die Barriere zwischen Alveolen und Kapillaren wird damit zerstört,

1 Vgl. ALPEN 8/2001 DIE ALPEN 11/2004

und es kommt zum Übertritt von Flüssigkeit, Eiweissen und roten Blutkörperchen ins umliegende Gewebe und in die Alveolen selbst. Bei Lungenspülungen von Betroffenen hat man daher einen erhöhten Gehalt an Eiweissen und roten Blutkörperchen in der Spülflüssigkeit gefunden.

Normalerweise pumpt unser Körper beständig Flüssigkeit aus den Alveolen ins Blut. Untersuchungen haben gezeigt, dass dieser Pumpmechanismus bei besonders lungenödemanfälligen Personen schon im Tiefland beeinträchtigt ist. Dies könnte auf eine zusätzliche genetische Komponente bei der Entstehung des Lungenödems hinweisen. Lungen-ödembegünstigende Faktoren sind auch körperliche Anstrengung in Verbindung mit Pressatmung, vermehrter Kältereiz der Lunge sowie eine liegende Körperposition. Bei Kindern fand man zudem eine erhöhte Anfälligkeit, wenn gleichzeitig Atemwegsinfekte vorliegen. In den späteren Krankheitsphasen entstehen Entzündungen und Blutungen in der Lunge. Diese Entzündungspro-zesse sind jedoch nicht die Ursache, sondern die Folge der angeführten Veränderungen, insbesondere der Kapillarrisse. Sie könnten auch für den Temperaturanstieg verantwortlich sein.

Krankheitszeichen Atemnot sowie ein plötzlicher und uner-klärbarer Leistungsabfall sind wichtige Alarmsignale für ein Höhenlungenödem. Die Atemnot tritt zunächst bei geringer körperlicher Belastung mit verzögerter Erholung auf, später auch in Ruhephasen. Es entsteht das Gefühl einer Enge im Brustkorb, so als hätte man einen Gürtel darum geschnallt. Im Weiteren leiden die Betroffenen unter Appetitver-lust. Bei fortgeschrittenem Ödem entwickelt sich ein anfänglich trockener Husten, der später schaumig-blutigen Auswurf haben kann. Hinzu kommen ein Fröstelgefühl, rasender Puls und eine hohe Atemfrequenz von bis zu 70 Atemzügen pro Minute. Die Lippen verfärben sich möglicherweise bläulich. In späteren Phasen findet sich auch ein Anstieg der Körpertemperatur bis auf 39 °C. Eine Flachlagerung ist in der Regel wegen der sich daraufhin verstärkenden Atemnot nicht möglich.

Beim Abhören des Brustkorbes finden sich in den meisten Fällen feinblasige Rasselgeräusche, die später auch frei, also ohne Stethoskop, hörbar sein können. Oft realisieren die Betroffenen ihren lebensgefährlichen Zustand nicht, da das Höhenlungenödem häufig gleichzeitig

Luftdruck ( p ) in Abhängigkeit von der Höhe über dem Meer ( h ). Der Druck wird ausserdem durch die molare Luftmasse ( m ), die Erdbeschleunigung ( g ), die Temperatur ( T ) und die molare Gaskonstante ( R ) beeinflusst. p 0 ist der Luftdruck auf Meereshöhe. Der O 2 -Gehalt in der Lunge korreliert mit dem Luftdruck.

Die mikroskopisch kleinen Lungenbläschen ( Alveolen ) werden durch dichte Blutgefässnetze überzogen. Der blaue Doppel-pfeil kennzeichnet die Luftbewegung, der schwarze Pfeil den Blutstrom. Das Rechteck markiert den Ausschnitt für die Abbildung rechts. Die Blutdruckerhöhung bei Höhenexposition findet im Lungenstrom-gebiet, dem so genannten kleinen Kreislauf, statt, welcher hier rot unterlegt ist.

Schematische Darstellung der Höhenlungenödem-Entstehung: Die Kapillare kann dem erhöhten Blutdruck nicht standhalten und reisst, wodurch Flüssigkeit, Eiweisse und rote Blutkörperchen in das umliegende Gewebe und die Alveole übertreten. ( Ausschnitt aus Abbildung links ) Abb ild ungen :Ec keh art Sc höll DIE ALPEN 11/2004

mit der akuten Bergkrankheit auftritt, welche die Urteilsfähigkeit beeinträchtigen kann. Hinzu kommt vielfach eine Bagatellisierung der Problematik, aus Scham vor anderen Gruppenmitgliedern oder aus Angst, nicht mit auf den Gipfel genommen zu werden.

Diagnostik und Therapie Neben den oben genannten Krankheits-zeichen findet man auf Röntgenaufnahmen des Brustkorbs fleckförmige Ver-schattungen vor allem in den mittleren Lungenbereichen. Es gibt einige andere Erkrankungen, die ein ähnliches Bild zeigen. Diese müssen bei der ärztlichen Diagnostik daher in Betracht gezogen werden. Hierunter fallen insbesondere Atemwegsinfektionen, eine Lungen-embolie, Bronchialasthma und Herz-muskelschwäche. Sofern die Betroffenen noch selber gehen können, sollten sie in Begleitung absteigen. Hierdurch verläuft die Krankheit sehr schnell rückläufig, da in tieferen Höhenlagen ein grösserer O 2 -Druck der Blutgefässverengung im Lungenkreislauf entgegenwirkt. Ebenso wirkt auch Flaschensauerstoff, der an Ort und Stelle verabreicht wird.

Bislang galt Adalat® ( Freiname Nife-dipin ) als Standardmedikament zur Behandlung und zur Vorbeugung des Lungenhochdruckes. Im täglichen medizinischen Gebrauch wird es eigentlich zur Therapie der Herzkranzgefässveren-gung und des Bluthochdruckes im ( grossen ) Körperkreislauf verwendet. Der Überdrucksack, der wie ein überdimensional grosser Plastikschlafsack aussieht, wird auf professionellen Höhenexpeditionen mittransportiert ( 6–8 kg ). Man legt den Betroffenen hinein, ver-

Urs Hefti beim « Verpacken » eines Patienten im Überdrucksack auf 3500 m Höhe Dank verschiedener Studien weiss man heute, dass das Höhenlungenödem keine Lungenentzündung ist. Lager eines Gebirsgmedizinerkurses Der Überdrucksack wird aufgeblasen.

Fo to s: Ec keh art Sc höll

schliesst den Überdrucksack luftdicht und pumpt ihn auf. Damit wird im Inneren ein höherer Druck als der Umge-bungsluftdruck aufgebaut, was ebenfalls den O 2 -Druck erhöht. Diese Behandlung sollte aber nur überbrückend eingesetzt werden und ersetzt in keiner Weise den Abstieg, zumal die Beschwerden bereits bei geringsten Anstrengungen nach der Überdrucksackbehandlung wieder zunehmen, z.B. beim Verlassen des Überdrucksackes zum Wasser lassen. Einen neuen Therapieansatz bietet Sildenafil, besser bekannt unter dem Han-delsnamen Viagra®, mit dem im Rahmen von klinischen Studien sowie bei einem Einsatz einer deutschschweizerischen Expedition an den Mt. Everest gearbeitet wird. Ersten Vorträgen zufolge konnte unter Sildenafil eine Senkung des Lungen-gefässdruckes sowie ein verbesserter Gasaustausch nachgewiesen werden. a

Eckehart Schöll, Schweizerische Gesellschaft für Gebirgsmedizin 2 2 Korrespondenzadresse: Dr. med. Eckehart Schöll, Hauptstr. 50, CH-4302 Augst/BL, E-Mail schoell(at)forum-alpinum.ch DIE ALPEN 11/2004

as in Brienz verblüfft, ist das Türkis seines Sees – schön für ein Bild in grellen Farben, aber in der Realität fast ein wenig übertrieben! Erhabene Gletscher, Schwindel erregende Berge, dunkle Wälder, wilde Wasserfälle: Hier hat die Natur alles gegeben und das Berner Oberland mit der « schweizerischsten Landschaft der Schweiz » ausgestattet. Die kleinen Chalets, die Bergbähnchen und Strässchen lassen einen vergessen, dass dieses Gebiet einmal wild war. Die Bären sind heute nur noch bildlich dargestellt: Man trifft sie geschnitzt auf den Stegen am See an, als Schirmträger, Teddybären oder Gaukler.

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T E X T / F O TO S André Girard, Les Ponts-de-Martel

Die aus dem 12. Jahrhundert stammende, auf einem Hügel liegende Kirche von Brienz

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