Berg- und Skiunfälle: Die Haftpflicht des Tourenleiters
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Berg- und Skiunfälle: Die Haftpflicht des Tourenleiters

Die Frau oder der Mann, die eine Gruppe aus Liebe zur Natur, aus Freude am Entdecken oder aus Hingabe in die Berge führen, machen sich im allgemeinen kaum Gedanken über rechtliche Probleme, die bei einem Unfall plötzlich auftauchen können. Im folgenden, auf die einzelnen Fragen nur kurz eingehenden Beitrag versucht der Autor, ohne Angst verbreiten zu wollen, die Aufmerksamkeit wieder einmal auf gewisse Aspekte der Haftpflicht im Gebirge zu lenken.

Die Beteiligten Als Beteiligte werden im vorliegenden Text nur Teilnehmer/innen einer SAC-Tour wie Wanderer, Kletterer, Hochtourengänger oder Skifahrer in Betracht gezogen. Allfällige Dritte, das heisst zu einer anderen Gruppe gehörende Personen, werden nicht berücksichtigt. Es geht also um den eventuell engagierten Bergführer oder Skilehrer, den SAC-Tourenleiter, der die erforderlichen Kurse absolviert hat, sowie um die Tourenteil-nehmer/innen.

Die Versicherer Bei einem Unfall muss sich in erster Linie der Versicherer des Verletzten oder des Todesopfers einschalten, d.h. die Krankenkasse, die private Unfallversicherung oder bei den meisten Arbeitnehmern ihre obligatorische Unfallversicherung gemäss dem gleichnamigen Bundesgesetz ( UVG ). Fehlt ein solcher Versicherungsschutz, kann die Zürich-Versicherung beigezogen werden, sei es direkt, sei es ergänzend zu den zuvor erwähnten Versicherern im Rahmen eines Vertrags, der die Teilnehmer an vom CC'Das Thema wurde bereits einmal in einer Artikelreihe in den ALPEN in ausführlicherer Form behandelt: Jürg Nef, « Die Haftpflicht des Tourenleiters », 1992, Seiten 386ff., 445ff., 490ff. und 534ff. ( Anm. d. Red. ) beobachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist. » Nach Artikel 117 StGB wird mit Gefängnis oder Busse bestraft, wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht. Diese beiden Arten von Fehlverhalten werden von Amtes wegen verfolgt. Schliesslich wird gemäss Artikel 125 StGB auf Antrag mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt.

Aufgrund der Bestimmungen des StGB wird ein Strafgericht eingeschaltet. Zu bemerken ist, dass ein eventuelles Strafrechtsurteil einen Einfluss auf den Zivilprozess haben kann: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit gibt auch einen Hinweis auf die Verletzung der Sorgfaltspflicht des Täters. Ein Beispiel: die Teilnehmer durch ein Couloir aufsteigen lassen, das für seine offenkundigen objektiven Risiken ( sehr häufiger Steinschlag ) bekannt ist. Die durch das Strafgericht ausgesprochene Verurteilung hat auch einen zivilrechtlichen Schadenersatz zur Folge.

Wie kann man die Haftung beschränken?

Die veränderte Mentalität und die ungeheure Zunahme der Berg- und Skitouren führen leider immer häufiger zu zivilrechtlichen Forderungen, ja sogar zu strafrechtlichen Folgen. Es ist kaum möglich, eine Liste der möglichen Situationen aufzustellen, die zu einer Haftung des Tourenleiters führen könnten. Es lässt sich hier nur unvollständig aufzählen, was er in jedem Fall tun muss, damit er gar nicht haftpflichtig wird oder die Haftung zumindest beschränken kann.

Hier muss der Einfachheit halber auf die Richtlinien des SAC vom Juli 1975, auf die Europäische Lawinengefahrenskala sowie auf die Liste der notwendigen Ausrüstung verwiesen werden ( siehe auch Dokumentation am Ende des Beitrags ). Der Tourenleiter, der grundsätzlich für die ordnungsgemässe Durchführung der Tour verantwortlich ist, muss die erforderliche Ausbildung absolviert haben. Weiter muss er die Tour gewissenhaft vorbereiten, die Teilnehmer über Art, Schwierigkeit und Dauer informieren und die Schwierigkeit nicht durch die Wahl einer anderen Route erhöhen. Dann muss er je nach Tour die Teilnehmerzahl festlegen, die Ausrüstung der Teilnehmer überprüfen, ihr Können und ihre Erfahrung einschätzen; bei der Wahl des Marschtempos und der Route muss er sich immer nach dem Schwächsten richten. Er muss überdies den Wetterbericht und das Lawinenbulletin verfolgen, das Anseilen überwachen, die Sicherungsvorkehrungen überprüfen ( z.. " " .B. das Abseilen an zwei Punkten ) usw.

Beispiele von Sorgfaltspflichtsverletzungen des LeitersDas Mitnehmen eines Teilnehmers, dessen Schuhe und Kleider für die vorgesehene Tour ungeeignet sinddas Mitnehmen eines Teilnehmers, der für eine Gletschertour weder Steigeisen noch Pickel dabei hatAbseilen ohne zu sichernkein Überprüfen des Anseilenskeine Kontrolle der Lawinenver-schüttetensuchgeräteVernachlässigung der elementaren alpinen Sorgfaltspflichten, beispielsweise Aufstieg mit Ski über einen sehr steilen Hang ohne genügende Abstände zwischen den Teilnehmern.

In der 1993 publizierten Dissertation Die strafrechtliche Beurteilung von Bergunfällen von Gregor Benisowitsch sind überdies viele Fälle erwähnt, die zu Gerichtsurteilen geführt haben. Wir verweisen auch auf die Entscheidungen des Bundesgerichts zu der gleichen Materie sowie auf die Dissertation von Jürg Nef Haftpflicht und Versicherungsschutz des Bergsteigers.

In gewissen Fällen ist der Tourenleiter natürlich nicht haftpflichtig: etwa bei einem Autounfall, der sich auf der Anfahrt zur Besammlungs-stelle für eine Tour ereignet, beim Versagen einer Bahn oder Anlage, bei einem Lawinenunglück auf einer geöffneten Piste, bei den Folgen eines Erdbebens, bei einem Schlangenbiss usw.

Fazit Wir können natürlich nicht in einem so kurzen Beitrag die bereits existierenden Gerichtsurteile durchgehen. Wir halten nur fest, dass die meisten Fälle, die zu einem Urteil führten, mit Skiunfällen und dabei besonders mit Lawinenunglücken zu tun hatten, das heisst mit der Einschätzung der Situation. Dies ist ein heikler Bereich, denn die Einschätzung muss von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der gesamten Umstände gemacht werden. Ein Entscheid kann sich im einen Fall als falsch, im anderen Fall, wo er das Abwenden einer potentiell viel grösseren Gefahr ermöglicht, als richtig erweisen.

Schliesslich ist es nicht das Ziel des vorliegenden Beitrags, die Tourenleiter und alle anderen Alpinisten aus dem Konzept zu bringen! Er will nur zum Nachdenken anregen. Wir hof- Auch scheinbar « harmlose » Stellen können sich zu heiklen Gefahrenherden entwickeln, wenn sich zu grosse Gruppen auf kleinem Raum bewegen müssen. Hier ist deshalb besonders auf alle Vorsichtsmassnahmen zur Vermeidung von Mitreissunfällen zu achten.

fen, dass der Sport, so wie wir ihn unter Beachtung der nötigen Sorgfaltspflicht ausüben wollen, nicht immer stärker reglementiert wird. Dadurch würde nämlich die Freiheit des Einzelnen eingeschränkt, und die ganze Fantasie, die Anstrengung und der Einsatz, den wir im Gebirge suchen, kämen abhanden.

Jean-Pierre Martin, Le Vaud ( ü ) Dokumentation51 Tips für sichere Bergerlebnisse; 1993 von der SUVA publizierte und von den Versicherungen verteilte BroschüreMonatsbulletin DIE ALPEN, 1975, Seiten 156ff. ( und 1992, Seiten 386ff., 445ff., 490ff., 534ff ., vgl. Anm. 1 Aktuelle Merkblätter zur Lawinen-problematik und -gefahr, erhältlich beim Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, 7260 Davos Dorf, oder bei der Schweiz.. " " .B.era-tungsstelle für Unfallverhütung, BfU, Laupenstrasse 11, 3001 Bern.

Gregor Benisowitsch, Die strafrechtliche Beurteilung von Bergunfällen, ADAG Administration & Druck AG, Zürich 1993 Jürg Nef, Haftpflicht und Versicherungsschutz des Bergsteigers, Schulthess Fachbücher, Zürich 1987 c a Die Gefahren des Gebirges sind nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Doch die technische Ausbildung, die Aufklärung und die Vorsicht tragen viel zur Verhütung von Unfällen ( und ihrer möglichen rechtlichen Folgen ) bei, die durch ein Fehlverhalten des Alpinisten verursacht werden.

Sicherheit, Medizin, Rettungswesen

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