«Bergfahrt 2010» in Amden: Literarisch von England ins Bergell
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«Bergfahrt 2010» in Amden: Literarisch von England ins Bergell

Literarisch von England ins Bergell

Zum vierten Mal bot die « Bergfahrt 2010 » einen hochkarätigen Ausflug in die Welt der Alpinliteratur. Stars der Tagung Ende April waren der englische Extremkletterer Andy Kirkpatrick sowie – in Form einer Retrospektive – der russische Baron und treue Bergellbesucher Anton von Rydzewski.

Andy Kirkpatrick wirkt wie ein Rugby-spieler, der eigentlich ein Pub gesucht und stattdessen den Gemeindesaal in Amden gefunden hat, wohin ihn der Schriftsteller Emil Zopfi für seine « Bergfahrt », die Tagung für Alpinliteratur, gerufen hat. Niemand würde in diesem Mann mit Brille und leichtem Bauch-ansatz den Star des Tages vermuten. Bis der Engländer auf der Bühne steht.

Extremklettern mit Schalk Ein Star mit entwaffnendem Schalk, von Alpinautor Robert Steiner als « talentfrei, aber stur und ausdauernd » vorgestellt, zieht der englische Extremkletterer und Autor des Buches « Psychovertikal – wie Klettern zum Leben wird » den Saal in seinen Bann: Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, erzählt er von seiner Legasthenie ebenso offenherzig wie von seinen Extremklettereien in aller Welt. Eine Everestbesteigung bezeichnet er als « Spaziergang » und die Leistungen der Huberbuam als « langweilig ». Doch auch die Hubers selbst dürften ihm dies nicht übel nehmen. Zu entwaffnend ist sein Schalk, zu gewinnend sein Humor. Mit Baron von Rydzewski im Bergell Nach diesem Auftakt wird es schwierig, die Höhe zu halten. Aber nicht unmöglich. Die Auszüge der hiesigen Autorinnen Karin Steinbach Tarnutzer und Christine Kopp aus ihren jüngsten Büchern Ganz bei mir: Leidenschaft Achttausender -respektive Schlüsselstellen bringen die 180 Besucher in Amden, darunter auch den eigens angereisten Kulturbeauftragten der DAV-Sektion Berlin, auf ebenso unterhaltsame Weise von England in den Karakorum und zurück in die Alpen. Von dort führt der literarische Weg nachmittags weiter nach Südbünden, zum « ersten Fotografen des Bergells ». Wenn auch ohne britischen Humor dürfte dieser eine nicht minder spannende Person gewesen sein: Anton von Rydzewski, Baron aus Russland, Sohn eines zaristischen Generals. Bergkameraden wider Willen In den Ausführungen des Autorenpaars Ursula Bauer und Jürg Frischknecht zu ihrem minutiös recherchierten Buch Ein Russ im Bergell, welches das fotografische Schaffen Rydzewskis erstmals zusammenträgt, lebte dessen dokumentarische Arbeit im Bergell wieder auf. Und im gleichnamigen Theaterstück nehmen die Bündner Schauspieler Gian Rupf und René Schnoz das Publikum auf Bergtour mit dem russischen Baron und seinem Fextaler Bergführer Christian Klucker – zwei Männer, die sich über Jahre hinweg wohl zugleich geschätzt und gehasst hatten. Ein Wermutstropfen des Anlasses ist das Wetter: Weiss leuchten die Schneefelder vom Mürtschenstock in der Frühjahrssonne, und manch einer im Publikum mag sich nach einer Skitour sehnen. Zwei Umstände machen das Stillsitzen im Gemeindesaal jedoch erträglich: der Genuss der « Bergfahrt », die einmal mehr ein hochkarätiger Ausflug in die Alpinliteratur bildet, und – die Rollläden. Diese bleiben meist geschlossen und verwehren den Blick auf die lockenden Gipfel jenseits des Walensees.

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