Bergnotfälle Schweiz 2002. Weniger Unfälle, weniger Tote
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Bergnotfälle Schweiz 2002. Weniger Unfälle, weniger Tote

Weniger Unfälle, weniger Tote

Die Zahl der Bergnotfälle hat im Jahr 2002 gegenüber dem Vorjahr deutlich abgenommen. Das gilt auch für die Todesfälle. Die 102 tödlich verunfallten Personen entsprechen einem Rückgang von 23 Prozent. Die Ursache für diese an sich positive Nachricht lässt allerdings keine nachhaltige Entwicklung erwarten, denn sie liegt in den Wetterbedingungen: Im Sommer 2002 waren die Verhältnisse in den Bergen aussergewöhnlich schlecht ( d.h. geringere Tourentätigkeit ).

Das Bergnotfall- und Bergunfallgeschehen in den Schweizer Alpen und im Jura wird mit zwei unterschiedlichen Statistiken erfasst und ausgewertet. Unter dem Titel « Bergnotfälle » werden alle Ereignisse zusammengefasst, bei denen die Bergrettungsdienste beansprucht wurden. Hier werden auch Erkrankungen und Evakuationen von nicht verunfallten Berggängern berücksichtigt. Die dazu notwendigen Informationen aus dem Unterwallis sind leider nach wie vor nicht vollständig. Trotzdem kann aus dem zur Verfügung stehenden Zahlenmaterial ein summarischer Überblick über das ganze Notfallgeschehen zusammengestellt werden. Die Statistik der tödlichen Bergunfälle – als Untermenge der Bergnotfälle – erfasst ausschliesslich die Ereignisse, die der allgemeinen Definition eines Unfalls entsprechen. Die Informationen dazu sind vollständig und in der Regel detaillierter. Deshalb kann hier das Unfallgeschehen auch ausführlicher analysiert und kommentiert werden.

Bergnotfälle 2002 1

Im Berichtsjahr 2002 waren in der Schweiz bei der Ausübung des Bergsports 1033 Berggänger von einem Notfall betroffen. Zusammen mit den in dieser Statistik ebenfalls berücksichtigten Ereignissen beim Delta- und Gleitschirmfliegen resultiert somit eine Gesamtbilanz von 1126 Personen, welche die Bergrettungsdienste beanspruchen mussten. Im Vorjahresvergleich entspricht dieses Resultat einem Rückgang von 14 Prozent. Vor allem die grossen Tätigkeitsgruppen Bergwandern ( –19% ) und Hochtouren ( –25% ) haben zu dieser günstigeren Bilanz beigetragen, wogegen beim Klettern ( +14% ) und bei den Variantenabfahrten ( +3% ) höhere Zahlenwerte zu verzeichnen sind. Auch bei den Ursachen liegen die meisten Zahlenwerte tiefer. Häufiger als im Vorjahr kam es zu Gletscherspalteneinbrüchen ( +17% ) und zu Unfällen infolge Blitzeinwirkung ( insgesamt 8 Personen ). In der Rubrik « Schwere der Schädigung bei den geretteten Personen » muss nur bei den leichteren Verletzungen, bei denen eine ambulante ärztliche Behandlung ausreichend war, eine Zunahme festgestellt werden. Von den tot geborgenen Personen ( NACA 7 ) erlagen wie im Vorjahr 17 Personen einem Krankheitsfall. Betroffen waren 16 Bergwanderer und ein Skitourenfahrer. Diese Todesfälle sind – soweit dies mit den zur Verfügung stehenden Unterlagen erfasst werden kann – wie auch in den Vorjahren zumeist auf Ereignisse im Zusammenhang mit Herzversagen zurückzuführen.

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, kann man die Summe der Bergnotfälle auf Grund der unterschiedlichen Erfassungskriterien und der nicht vollständigen Verfügbarkeit der regionalen Daten nicht vollumfänglich mit der detaillierten Statistik der tödlichen Unfälle vergleichen. Trotzdem lassen sich aus dem gesamten Zahlenmaterial der Notfallstatistik einige bemerkenswerte Zusammenhänge ableiten. Ein Blick auf Bergunfälle mit tödlichem Ausgang zeigt grosse Unterschiede in der Unfallursache: 40 Prozent aller geborgenen Personen bei Lawinenunfällen erlitten den Tod ( Vorjahr 31% ), der vergleichbare Wert bei Stein- oder Eisschlag hat sich dagegen von 7 Prozent ( 2001 ) auf 4 Prozent ( 2002 ) reduziert. Ebenso eindrücklich ist der Zusammenhang auch in Bezug auf die Tätigkeiten: Beim Eisfallklettern waren gut 16 Prozent aller geborgenen Personen tot, beim Felsklettern dagegen liegt dieser Wert bei lediglich 4 Prozent.

Tödliche Bergunfälle

Allgemeines Im Kalenderjahr 2002 sind in den Schweizer Alpen und im Jura bei 91 Ereignissen insgesamt 102 Personen tödlich verunfallt. Damit kann, nach dem

1 Diese Zusammenstellungen und Auswertungen stützen sich auf die Angaben und Mitarbeit folgender Personen und Institutionen: Hans Jaggi und Eva Meier, SAC; Robert Kaspar, Hans Jacomet und Paul Ries, REGA; Thierry Rätzer, KWRO Kt. Wallis; Marco Salis, Bergrettung Graubünden SAC; Thomas Stucki, SLF, René Hassler, GRISO Data AG 2 Eidgenössisches Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos Die SAC-Rettungsspezialisten gehören bei Gebirgseinsätzen zur Helikopter-Crew.

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ausgesprochen ungünstigen Verlauf des Vorjahres, mit gut 23 Prozent weniger Bergtoten wieder ein deutlicher Rückgang festgestellt werden. Dieses Resultat dürfte zur Hauptsache auf die häufig schlechten Witterungsbedingungen und die dementsprechend geringere Tourentätigkeit während des Bergjahres 2002 zurückzuführen sein. Nach wie vor hoch ist die Zahl der tödlich verunfallten Ausländer, deren Anteil am gesamten Unfallgeschehen mit 55 Prozent sogar deutlich höher ausgefallen ist als im Vorjahr ( 45% ). Die ausländischen Todesopfer verteilen sich wie folgt auf die Nationen: Deutschland 26, Italien 8, Frankreich 7, Österreich 3, Grossbritannien und Ungarn je 2 sowie Kanada, die Niederlande, Norwegen, Schweden, Slowakei, Spanien, Südkorea und Tschechien mit je einem betroffenen Staatsbürger. Diese Unfälle ereigneten sich vor allem während Hochtouren: Im Berichtsjahr 2002 waren 26 Personen oder knapp 90 Prozent aller auf Hochtouren tödlich verunfallten Personen ausländische Alpinisten ( Vorjahr 74% ). Auch bei allen anderen Tätigkeiten sind diese Werte im Jahresvergleich höher: So betrug der Ausländer-anteil bei den Variantenabfahrten 58 Prozent, bei den Skitouren 39 Prozent, beim Bergwandern 36 Prozent und bei den bergsportverwandten Tätigkeiten ( Rubrik « Anderes » ) 33 Prozent.

Betrachtet man hingegen die Gesamtwerte bei den einzelnen Tätigkeiten, so kann – ausser bei den Skitouren und beim Klettern – überall ein Rückgang der Unfallzahlen festgestellt werden. Deutlich zurückgegangen sind auch die Zahlenwerte der tödlich verunfallten Frauen und der betroffenen SAC-Mit-glieder: Bei den Frauen beträgt der prozentuale Anteil am gesamten Unfallgeschehen 16 Prozent ( Vorjahr 20% ) und bei den SAC-Mitgliedern 14 Prozent ( Vorjahr 20% ).

Hochtourenunfälle Rückgang wegen schlechter Witterung Die Hochtourensaison im Sommer 2002 war für hochalpine Unternehmungen alles andere als günstig. Die lange Schönwetterperiode im Vorsommer sorgte zwar für eine rasche Ausaperung, doch ab Beginn der eigentlichen Hochtourensaison im Juli wurde das Wetter ausgesprochen wechselhaft, und die Schneefallgrenze sank mehrmals unter 3000 m. So schrieb das SLF 2 in einer Mitteilung am 12. August von einer Neuschneemenge von 60–80 cm oberhalb 3000 m vom Jungfraugebiet bis zum Tödi. Auch die häufig günstiger gelegenen Walliser

Long-line-Rettungen erfolgen immer mit SAC-Rettern.

Fo to s: Pe te r D on ats ch ,SAC -A rc hi v Anzahl Notfälle 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 2002 2001 Bergwandern Hochtouren Skitouren Variantenabfahrten Klettern ( Fels ) Eisfallklettern Andere Bergsportarten Gleitschirm Delta Anzahl Notfälle 0 100 200 300 400 500 600 700 2002 2001 Sturz/Absturz Erkrankung Lawinen Spalteneinbruch Steinschlag/ Eisschlag Blockierung Verirren Blitzschlag Nicht definiert/ Anderes Anzahl Notfälle 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 Unverletzt Keine ärztl. Behandlung notwendig Ambulante ärztl. Behandlung Hospitalisation nötig Potenzielle Lebensgefahr Akute Lebensgefahr Wiederherstellen vitaler Funktionen Tod mit oder ohne Wiederbelebung 2002 2001 Grafik 1: Bergnotfälle 2001/2002 gegliedert nach Tätigkeiten Grafik 2: Notfallsituationen 2001/2002 gegliedert nach Ursachen Grafik 3: Bergnotfälle 2001/2002 gegliedert nach medizinischem Index d_22_29.qxd 15.8.2003 13:23 Uhr Seite 25 DIE ALPEN 6/2003

SICHERHEIT, MEDIZIN, RETTUNGSWESEN

Alpen wurden nicht verschont, wie das Beispiel Matterhorn zeigt. In guten Sommern ist es bei vernünftigen Verhältnissen während ca. 50 Tagen ersteigbar; im Sommer 2002 war dies nur an 11 Tagen möglich. Infolgedessen kann der Rückgang von 47 Hochtourenopfern im Vorjahr auf 29 Bergtote im Berichtsjahr 2002 durchaus als Indiz dafür gewertet werden, dass viele Alpinisten vernünftig gehandelt und auf riskante Touren verzichtet haben. Auf Grund der Zahlen dieser langjährigen Unfallstatistik muss man jedoch vermuten, dass nach einem schönen Bergsommer die Zahlen wieder markant zunehmen werden. Nach wie vor sind es fast immer die gleichen Ursachen, die zu Hochtourenunfällen mit Todesfolgen führen. Zum Beispiel Mitreissunfälle beim gleichzeitigen Gehen am Seil, was immer wieder zu Abstürzen mit zumeist mehreren Todesopfern führt. Im Berichtsjahr starben bei insgesamt 5 derartigen Ereignissen 9 Personen. Obwohl immer häufiger praktiziert, ist der Seilverzicht in der Regel keine empfehlenswerte Alternative: Alle 14 weiteren Absturzopfer auf Hochtouren waren zum Zeitpunkt ihres Sturzes nicht angeseilt! Nicht selten führen auch krasse Fehleinschätzungen der Verhältnisse oder der Situation zu Unglücksfällen mit tödlichem Ausgang. Als Beispiele dazu zwei Einsatzberichte der Rettungschefs Marco Salis, Samedan, und Kurt Amacher, Grindelwald.

Beispiel Piz Palü Vom Berghaus Diavolezza aus stiegen ein 13-jähriger Knabe und seine 63-jäh-rige Grosstante über den Ostpfeiler des Piz Palü. Sie kamen nur langsam voran und wurden am Nachmittag von einem Gewitter überrascht; in der Folge erreichten sie den Gipfel erst um 17 Uhr. Trotz nach wie vor schlechtem Wetter mit Schneetreiben und Wind wollten sie die Tour wie geplant bis zur Marco-e-Rosa-Hütte fortsetzen und überquerten bei schlechten Bedingungen den Piz Palü. Erst auf dem Westgipfel stellten sie fest, dass ein Weitergehen nicht mehr möglich war. Sie überquerten die drei Gipfel wieder in umgekehrter Richtung und stiegen nun über die Normalroute in Richtung Diavolezza ab. Um 22 Uhr erreichten die beiden die Fuorcla Trovat, von wo aus ein Pfad zum Berghaus Diavolezza führt. Die Frau war ermüdet und ging langsam. Der Knabe liess seine Grosstante zurück und wollte das Berghaus allein erreichen. Dabei muss er den gut sichtbaren Pfad verloren haben und stieg, andern Spuren folgend, bis zum Gipfel des Piz Trovat, von dem aus die Lichter der Diavolezza gut sichtbar sind. Beim Versuch, direkt zu diesen abzusteigen, geriet der Knabe in ein sehr steiles und unwegsames Gelände. Hier muss er den Halt verloren haben, stürzte über eine 150 Meter hohe Felswand ab und fand den sofortigen Tod. Seine Begleiterin erreichte das Berghaus am nächsten Tag um 10 Uhr. Die erst jetzt alarmierte Bergrettung fand den Knaben nach kürzester Zeit. Nach den Aussagen der Frau hatte sie nie das Gefühl gehabt, in Not geraten zu sein. Deshalb hatte sie das mitgeführte Mobiltelefon nicht benützt.

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Tabelle 1: Identität

2001 2002 2002 Anzahl Opfer 133 102 100 Männer 107 86 84 Frauen 26 16 16 Schweizer 73 46 45 Ausländer 60 56 55 SAC-Mitglieder 26 14 14 Altersstufen: bis 10 Jahre 1 0 0 bis 20 Jahre 17 5 5 bis 30 Jahre 25 28 27 bis 40 Jahre 26 16 15 bis 50 Jahre 27 18 18 bis 60 Jahre 15 17 17 bis 70 Jahre 11 10 10 über 70 Jahre 6 8 8 unbekannt 5 0 0

Tabelle 2: Tätigkeit

2001 2002 2002 Bergwandern 34 28 27 Hochtouren 47 29 28 Klettern 2 4 4 Skitouren 20 23 23 Variantenabfahrten 16 12 12 Anderes 146 * 6 Organisierte Touren 15 17 17 Private Touren 82 62 61 Alleingänger 36 23 22 * Base-Jumping = 2, Jäger = 1, Eisfallklettern = 1, Klettersteigbegeher = 1, Strahler = 1

Tabelle 3: Gelände

2001 2002 2002 Bergweg 17 18 17 Gras/Geröll 11 10 10 Felsen 31 16 16 Schnee/Firn/Eis 62 48 47 Gletscher 7 9 9 Anderes Gelände 5 1 * 1 Voralpen 57 51 50 Hochalpen 75 50 49 Jura 1 1 1 * unbekannt ( vermisst ) Grafik 4: Mortalität bei einigen Unfallursachen in Prozent Grafik 6: Primäre Ursachen bei tödlichen Skitourenunfällen Grafik 5: Primäre Ursachen bei tödlichen Hochtourenunfällen d_22_29.qxd 15.8.2003 13:23 Uhr Seite 26 DIE ALPEN 6/2003

Beispiel Eiger Am 8. August befanden sich zwei Seilschaften eines koreanischen Teams in der klassischen Nordwandroute des Eigers, und eine Partie wurde im zweiten Eisfeld infolge der sehr schlechten Verhältnisse blockiert. Die Wetterbedingungen liessen aber einen Rettungseinsatz nicht zu. Es gelang der Einsatzleitung, diese Seilschaft per Funk mittels « Coaching » bis zum Stollenloch der Jungfraubahn zu lotsen. Die zweite Seilschaft, die erst bis zum Schwierigen Riss gelangt war, stieg selbstständig bis zum Wandfuss ab.

Auf der Kleinen Scheidegg erfuhr ein Mitglied der Rettungsmannschaft von der Absicht des Teams, nun den Eiger über die Westflanke besteigen zu wollen. Doch auch hier herrschten durch die grossen Neuschneemengen sehr gefährliche Verhältnisse, und der Retter riet von diesem Vorhaben ab. Ohne Erfolg: Obwohl das Wetter schlecht blieb und der Neuschneezuwachs noch grösser wurde, bestiegen sechs Mitglieder dieses Teams vier Tage später den Eiger. Im Abstieg brach oberhalb des obersten Bergsteigers eine Lawine los und riss zwei Personen mit. Mit viel Glück blieb der eine Alpinist an einem Geländeab-satz hängen, der zweite hingegen wurde in die Tiefe gerissen und erlitt tödliche Verletzungen. Im folgenden mehrstündigen und durch die schlechten Sichtbedingungen gefährlichen Rettungseinsatz konnte die Gruppe evakuiert und die Verunfallten geborgen werden.

Kletterunfälle Erfahrungsgemäss sind Kletterunfälle mit tödlichen Folgen weitaus weniger häufig als bei den meisten anderen Bergsportarten. Ein Indiz, dass bei dieser Tätigkeit auch das « relative Todesfallrisiko » klein ist, zeigt der prozentuale Anteil der Todesfälle in Bezug auf die Zahl der geretteten oder geborgenen Personen, wie dies in Grafik 5 dargestellt ist: Dieser ist beim Klettern mit gut 4 Prozent noch kleiner als beim Bergwandern. Von den 4 tödlich verunfallten Kletterern starben 3 Personen in Klettergärten. Zwei Personen waren allein unterwegs, und man muss bei diesen Ereignissen eine Fehlmanipulation beim Sichern vermuten. Das dritte Opfer in diesem Gelände stürzte beim ungesicherten Klettern tödlich ab. Der vierte Kletterunfall mit Todesfolgen geschah nach dem Abseilen beim abschliessenden Fussabstieg.

Skitourenunfälle Diese Tätigkeitsgruppe ist im Berichtsjahr neben dem Klettern die einzige, bei der im Jahresvergleich die Zahl der Todesopfer zugenommen hat. Nach wie vor ist hier die « Lawinenverschüttung » als Unfallursache der entscheidende Parameter. Mit 14 Personen 3 ist dieser Wert im Jahresvergleich auf hohem Niveau konstant geblieben. Über die Problematik bei der Einschätzung der Lawinengefahr wurde im letztjährigen Bericht ausführlich berichtet. Ergänzend dazu sei auf eine interessante Studie des SLF 4 hingewiesen, die unter anderem

aufzeigt, dass im Skitourenbereich Lawinenunfälle mit schweren Unfallfolgen bei der Gefahrenstufe « mässig » des Lawinenbulletins am häufigsten sind. Diese Aussage hat sich auch im Berichtsjahr 2002 bestätigt, ereigneten sich doch 5 der insgesamt 10 Unfälle mit Todesopfern bei dieser Stufe. Trotzdem war die Zahl der Opfer bei der nächsthöheren Gefahrenstufe ( « erheblich » ) grösser, weil sich hier 2 Unfälle mit mehreren Todesopfern ereigneten. Dass bei den Unfallursachen die Lawinenverschüttungen und die daraus resultierenden Risiken nach wie vor sehr ernst zu nehmen sind, zeigt auch das in Grafik 6 dargestellte prozentuale Todesfallrisiko: Dieses ist deutlich höher als bei allen andern Unfallursachen und hat im Jahresvergleich sogar noch deutlich zugenommen. Anderweitig verur-

3 In dieser Statistik gilt die primäre Unfallursache als Hauptparameter. Im Berichtsjahr 2002 ereigneten sich im Skitourenbereich 2 Wechten-abbbrüche, die in der Folge eine Lawine auslösten. Diese werden hier mit der Unfallursache « Wechtenabbruch » klassifiziert. In der Statistik des SLF, das ausschliesslich auf Lawinenereignisse fokussiert ist, erscheinen die beiden betroffenen Personen als Lawinenopfer. 4 Stephan Harvey, SLF: Skifahrerlawinen und Lawinenbulletin in der Schweiz, November 2002 SAC-Retter bergen einen verunfallten Kletterer mit der neuen Motorwinde.

Fo to :Ha ns Ja ggi ,SAC -A rc hi v

Tabelle 4: Ursachen

2001 2002 2002 Sturz 83 65 64 Spalteneinbruch 7 5 5 Wächtenabbruch 0 3 3 Steinschlag 4 1 1 Eisschlag 0 0 0 Blitzschlag 1 0 0 Lawine 32 24 23 Blockierung/Er-2 3 3 schöpfung/Verirren Andere Ursache 4 1 * 1 * unbekannt ( vermisst ) d_22_29.qxd 15.8.2003 13:23 Uhr Seite 27 DIE ALPEN 6/2003

sachte Todesfälle beim Skitourenfahren sind weitaus weniger zahlreich: 4 Personen starben an den Folgen von Gletscherspalteneinbrüchen, 3 Tourenfahrer wurden durch Wechtenabbrüche in die Tiefe gerissen, und 2 Todesfälle entstanden durch Sturzereignisse.

Unfälle bei Variantenabfahrten Im Gegensatz zu den Skitouren hat bei dieser Tätigkeitsgruppe, in der alle Abfahrten ausserhalb der gesicherten Pisten zusammengefasst werden, die Zahl der Opfer mit 12 betroffenen Personen abgenommen ( Vorjahr 16 ). Lawinenverschüttung mit 8 Toten war, wie auch bei den Skitouren, die häufigste Unfallursache. Auch bei diesen Unfällen hat sich die genannte Studie des SLF bestätigt: Im Gegensatz zu den Skitouren ereigneten sich 6 der 7 Unfälle im Variantenbe-reich bei der Gefahrenstufe « erheblich ». Die anderen Todesfälle im Variantenbe-reich waren auf Stürze ( 3 Personen ) und auf einen Gletscherspalteneinbruch zurückzuführen. Insgesamt kamen 7 Skifahrer und 5 Snowboarder ums Leben. Das bereits im letztjährigen Bericht genannte Phänomen, dass es vor allem Männer sind, die das Abenteuer ausserhalb der Piste suchen oder dort zu hohe Risiken eingehen, hat sich auch im Berichtsjahr 2002 bestätigt: Alle 12 Opfer waren männlich.

Unfälle bei anderen Tätigkeiten In dieser Rubrik werden die Ereignisse zusammengefasst, die sich nicht den zuvor beschriebenen « klassischen » Bereichen des Bergsteigens zuordnen lassen. Im Berichtsjahr 2002 waren diese deutlich weniger häufig, und auch die Zahl der Opfer ist von 14 ( 2001 ) auf 6 ( 2002 ) zurückgegangen. Beteiligt daran waren zwei so genannte « Base-Jumping»-Springer, die sich mit einem Fallschirm über lotrechte Felswände stürzten. Eines dieser Opfer stürzte beim Zustieg zum Absprungort ab, und das zweite Opfer erlitt tödliche Verletzungen, weil es während des Sprunges zu einer Felsberührung und einem nachfolgenden Absturz kam. Im Weiteren starben durch Sturzereignisse ein Jäger auf der Pirsch, ein Berggänger auf einem Klettersteig, ein Bergführer beim Einrichten zum Eisfallklettern, und schliesslich fand ein

Glück im Unglück auf einer Skitour: Bei der Abfahrt über die Normalroute des Piz Palü stürzte eine Vierergruppe mit einer ca. 600 m 2 grossen Gletscherfläche ca. 15 m in die Tiefe. Eine Frau wurde dabei von den Firnmassen verschüttet, blieb jedoch, wie ihre Begleiter unverletzt. Sie konnten mit einem Mobiltelefon direkt aus der Spalte die Bergrettung alarmieren und wurden in der Folge gerettet.

Standort der Alpinisten nach der Überquerung der Brücke, unmittelbar vor dem Einsturz der ca. 20ϫ30 m grossen Gletscherfläche. Situation vor dem Befahren der Schneebrücke Fo to s Ma rc o Sa lis ,Sa me da n Abfahrt der 4 Skitourenfahrer d_22_29.qxd 15.8.2003 13:23 Uhr Seite 28 DIE ALPEN 6/2003

Kristallsucher ( Strahler ) durch Steinschlag den Tod.

Bergwanderunfälle Auch bei dieser Tätigkeitsgruppe kann im Jahresvergleich ein Rückgang bei der Zahl der tödlich verunfallten Personen festgestellt werden. Wiederum sind alle betroffenen Personen durch Sturzereignisse ums Leben gekommen. Dies war mit 18 Opfern auf Bergwegen am häufigsten. Auslösende Ursachen gemäss Unfallberichten waren zumeist Stolpern, Ausrutschen oder « das Gleichgewicht verlieren ». Eher ungewöhnlich ist die Unfallursache, wenn man zum Eintragen der neuen Militärschuhe einen steilen Bergweg hinunterrennt, wie dies einem jungen Mann zum Verhängnis wurde. Die 10 weiteren Opfer verunfallten im weglosen Gelände.. " " .Vier davon haben dieses Gelände offensichtlich nicht gesucht, sondern sind unbeabsichtigt vom Weg abgekommen. 13 Personen oder knapp 46 der betroffenen Bergwanderer waren als Alleingänger unterwegs. 16 Personen oder 57 Prozent aller Bergwanderer waren über 50 Jahre alt ( Vorjahr 50%). a

Ueli Mosimann, Alpine Rettung SAC

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