Bergsportmaterial: ausgewählte neuere Entwicklungen
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Bergsportmaterial: ausgewählte neuere Entwicklungen

Auch beim Bergsportmaterial läuft die Entwicklung ständig weiter. Neuheiten werden von den Herstellern meist anlässlich von Messen vorgestellt. Eine von ihnen ist auch die OUTD00R in Friedrichshafen, die 1996 zum drittenmal stattfand.

Im klettertechnischen Bereich war das Angebot an Neuheiten besonders gross, weshalb hier nur auf ein paar ausgewählte Produkte eingegangen werden kann. Der zeitliche Abstand ermöglichte es gleichzeitig, die eine oder andere inzwischen gemachte Erfahrung einzubeziehen und sie als zusätzliche Information in den Bericht einfliessen zu lassen.

Zwei neue Karabiner Karabiner weisen noch immer Schwachstellen auf. Bei offenem Schnapper und bei Querbelastung kann noch jeder Karabiner brechen, und das möglicherweise schon bei einem zwei Meter hohen Sturz. Glücklicherweise bemühen sich die Hersteller, dieses Manko zu beseitigen. Die beiden nachfolgend aufgeführten und auf der OUTD00R vorgestellten Karabiner sind ein Versuch, einer Schnapper-offen-Belastung vorzubeugen.

 

Es handelt sich um einen Karabiner mit integrierter Kunststoffrolle im unteren Karabinerende und einer darin befestigten Expressschlinge ( vgl. Abb. 1 ). Bei senkrechter Karabinerlage blockiert der Schnapper in geschlossenem Zustand automatisch, das heisst, dass sich der Schnapper nicht mehr durch Vibration öffnen kann. Die Handhabung ist sehr gewöhnungsbedürftig und im entscheidenden Augenblick nicht immer ganz leicht zu bewerkstelligen: Der Schnapper lässt sich nur ausreichend leicht öffnen, wenn man den Karabiner in bestimmtem Winkel zur Expressschlinge ( vgl. Abb. 1 ) in der Hand hält. Leider lässt sich der Schnapper auch in geschlossen-blok-kierter Stellung mit etwas mehr Fingerkraft öffnen, das heisst, dass sich der Schnapper, obwohl geschlossen und blockiert, bei Andruck an den Fels öffnen kann. Damit ist die zweite mögliche Ursache einer Schnapper-offen-Belastung leider nicht beseitigt, und das Patent erfüllt nur zur Hälfte seinen Zweck. Rechnet man noch die sehr gewöhnungsbedürftige Handhabung hinzu, kann man nicht von einer empfehlenswerten Neuerung sprechen. Sollte der Karabiner mit einer Kraft von 12 kN ( ca. 1200 kp ) oder mehr belastet werden, deformiert sich die Kunststoffrolle; dies ist laut Hersteller ein Zeichen dafür, dass der Karabiner ausgesondert werden muss. Gut für den Hersteller - das fördert den Umsatz! Kein gewöhnlicher Karabiner muss ausgesondert werden, wenn er mit einer derartigen Kraft in Längsrichtung bei geschlossenem Schnapper belastet wird.

 

Ein Karabiner mit Drahtschnapper ( vgl. Abb.2 ). Diese Erfindung ist uralt. Schon im vergangenen Jahrhundert hat KONG solche Karabiner hergestellt, allerdings nicht für den Bergsport ( weil damals im Bergsport noch gar keine Karabiner verwendet wurden ); später, vor rund 40 Jahren, stellte KONG solche Karabiner auch für die Schiffahrt her. Dann hat Black Diamond ( USA ) dieses Patent übernommen ( oder neu erfunden ). Jetzt führt KONG sein eigenes Patent in den Bergsport ein. Der Vorteil des Drahtschnappers liegt auf der Hand: Die Masse des Schnappers ist erheblich kleiner als die normaler Schnapper; so kann sich der Schnapper bei Vibrationen nicht mehr öffnen. Die Querfestigkeit leidet nicht, die Normwerte werden ohne weiteres erreicht ( 7 kN, ca. 700 kp ). Der Federandruck ist ausreichend. Vom « windigen » Aussehen ( das manch einen abhalten könnte ) abgesehen, empfehlenswert. Gewicht etwa zehn Gramm weniger als vergleichbare Karabiner mit normalem Schnapper.

 

WILD COUNTRY hat seine Friends verbessert ( vgl. Abb. 3 ), ebenso HB ( Vertrieb vauDe ) seine Flexifix und seine Quadcams ( vgl. Abb.4 ), und zwar dadurch, dass der Anschlag der Segmente bei der grössten Segmentstellung verstärkt wurde. So können die Klemmgeräte jetzt auch mit grösstem Öffnungswinkel gesetzt, ja sogar wie ein Klemmkeil verwendet werden, ohne dass die Belastbarkeit verringert wird. Dies war bisher ein entscheidender Nachteil, auf den manch ein Unfall zurückzuführen ist ( u.a. ein 60 m hoher Sturz am Predigtstuhl im Wilden Kaiser ). Wir haben einen Quadcam auf der Zerreissmaschine überprüft: Es stimmt, die Segmente können nicht mehr « überschnappen », vorher reisst das Drahtkabel, das heisst: volle Ausnutzung von Material und Konstruktion. Besser als die bisherigen Ausführungen.

 

EDELRID bringt einen lumineszierenden Heim unter der Bezeichnung FLUOLIGHT auf den Markt ( mit CE-Zeichen ). Die Helmschale ist etwa 1 Stunden lang in der Dämmerung und Dunkelheit gut zu sehen ( danach lässt die Leuchtwirkung nach ). Aktivierung durch das tägliche Sonnenlicht. Bei diesigem Licht hält die Leuchtwirkung länger an. Der Heim entspricht mit seinen sonstigen Eigenschaften dem bekannten ULTRALIGHT ( der beim ALPIN-Test, Heft 11/95 und 5/96, hervorragend abgeschnitten hat ). Für den, der am Berg gesehen werden will oder gesehen werden soll ( Rettung ). Gewicht: 395 Gramm.

 

Der Twistlock- ebenso wie der Schiebeverschluss von Klettersteigkarabinern ist für viele Klettersteigbegeher schwierig zu handhaben, insbesondere für Kinder, Jugendliche und Frauen mit kleineren Händen. Zwei neue Karabiner sollen da Abhilfe schaffen.

 

PETZL bringt einen Twistlock-Karabiner mit einer neuartigen Arretierung des Twistlock-Verschlusses unter der Bezeichnung Ball Lock (Abb. 5) auf den Markt.

SALEWA zeigte zwei Exemplare eines Prototypen ( vgl. Abb. 6, ein entsprechendes Modell ist inzwischen im Handel) eines völlig neuartigen Klettersteigkarabiners mit der Bezeichnung ATTAC, der ( für jeden !) sehr leicht zu handhaben ist. Der Schnapperverschluss wird durch das normale Ergreifen des Karabiners-so, wie man einen Karabiner in die Hand nimmt, wenn man den Schnapper öffnen will - spielend leicht gelöst, und der Schnapper kann geöffnet werden; eine zusätzliche Dreh-, Schiebe- oder sonstige Bewegung des Verschlusses ist nicht erforderlich. Einfacher geht es wirklich nicht mehr. Die Neuerung für Klettersteigbegeher. Bruchkraft in Längsrichtung 32 kN ( ca. 3200 kp ). Dieser Karabiner verfügt damit über die höchste Bruchkraft der derzeitig erhältlichen Klettersteigkarabiner.

 

Wer hatte noch keine Schwierigkeiten, Hart- und Weichstahlhaken voneinander zu unterscheiden? ( Hartstahlhaken sind primär für Urgestein, Weichstahlhaken für Kalk und andere weniger harte Gesteine. ) GRIVEL hat sich etwas einfallen lassen, wodurch dieses Problem bei diesem Fabrikat endlich gelöst ist ( vgl. Abb. 7 ): Alle Hartstahlhaken sind dunkel ( schwarz, brüniert oder schwarzgebrannt ), alle Weichstahlhaken sind hell ( blank oder silbern ).

Ausserdem sind alle GRIVEL-Haken bereits nach der Europäischen Norm ( EN 569 ) geprüft ( CE-Zeichen ) und hinsichtlich ihrer Schaftlängegekennzeichnet. Die Schaftlänge ist am Hakenkopf eingestanzt, und zwar an einer Stelle, die von den Hammerschlägen normalerweise nicht beschädigt wird. Damit hat man endlich einen Hinweis darauf, wie tief der Haken im Fels steckt. Man muss die Setztiefe nicht mehr erahnen. Insgesamt eine wesentliche Neuerung auf dem Gebiet der Normalhaken.

 

Klettern ohne herkömmliches Seil und ohne Seilpartner - das ist jetzt möglich. An einem 5 mm dicken Drahtseil, das sich in einem Gehäuse ( das am Ende der Kletterroute befestigt ist ) selbsttätig aufrollt, klettert man gesichert nach oben. Bei Sturz schwebt man mit einer Geschwindigkeit von 1 m/s wie ein Engel zu Boden. Zwischensicherungen sind nicht notwendig. Gedacht für Kletteranlagen zum Sichern ohne Seilpartner. Drei besondere Vorteile bietet das Gerät: kein Absturz mehr, wenn der Sichernde nicht aufpasst ( sondern « schläft » ), sanfte Fangstösse in der Grössenordnung von 1 bis 1,5 kN ( ca. 100-150 kp, auch bei vielen Stürzen hintereinander gut körperverträglich ) und kein zeitlicher « Leerlauf » mehr für den Sichernden, der ja auch klettern möchte; man kann so lange klettern, bis einem die Finger aufgehen. Dieses Gerät kommt aus dem Industriebereich, wo Arbeiter, die Kesselwagen reinigen, damit vor Absturz gesichert werden.

Bezeichnung: TOPPAS ( vgl. Abb. 8 ). Vertrieb: SPORTTEC, Andreas Schöllhorn ( 85464 Finsing ). Drahtseilnutzlänge: 20 m, Gehäusegrösse: 57 x 30 x 15 cm, Gewicht: 23 kg. Preis: DM2750,zuzügl. MWSt.

Auszug aus Artikel

Bei diesem Beitrag handelt sich um einen Auszug aus dem zweiteiligen Artikel des Leiters des DAV-Sicherheitskreises, der publiziert wurde in Deutscher Alpenverein Mitteilungen/Jugend am Berg, 48. Jg., Heft 6/96 ( Dezember ), und 49. Jg., Heft 1/97 ( Februar ). Wir danken dem DAV und dem Autor Pit Schubert für die Abdruckbewilligung und das Bildmaterial.

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