Das Auf und Ab des Achters
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Das Auf und Ab des Achters Nach wie vor vertrauen einige auf das Sicherungsgerät

Auch wenn viele Alpenclubs von ihm abraten: In Frankreich ist der Achter als Sicherungsgerät in der Jugendausbildung immer noch beliebt. Bei uns wird er für seine Mängel stark kritisiert. Viele ziehen den Halbmastwurf, den Tuber oder das Grigri vor.

Der Achter steht in der Schweiz nicht mehr hoch im Kurs. Er wird zwar noch für das Abseilen eingesetzt, doch für das Sichern des Vorsteigers verwenden ihn nur noch ein paar Nostalgiker. «Ich brauchte ihn als Abseilgerät, als ich mit dem Bergsteigen Ende der 1990er-Jahre begann», erklärt Raphaël Coquoz, ein junger Kletterer aus Bex, «aber nie zum Sichern. Ich ziehe das Grigri oder den Halbmastwurf vor.» Claude Remy, Einrichter zahlreicher Routen in der Schweiz und in der ganzen Welt, bestätigt die Tendenz: «Der Achter wird in der Schweiz zum Sichern wirklich nicht mehr gebraucht; man sieht ihn jedoch hie und da noch in französischen Klettergärten und -hallen.» Gemäss Bruno Hasler, Fachleiter Ausbildung beim SAC, «hat sich der Achter als Sicherungsgerät in der Schweiz nie richtig durchsetzen können und wird in den aktuellen Lehrbüchern nicht aufgeführt. Im Gegensatz dazu ist er im Canyoning sehr verbreitet.» Halten können – auch wenn heute der Tuber grossen Erfolg verzeichnet – hat sich bei uns der Halbmastwurf, der nach seiner Einführung in das Bergsteigen durch den Schweizer Werner Munter, Bergführer und Lawinenspezialist, grosse Beliebtheit geniesst.

Der französische Sonderfall

Eine 2009 durch den Deutschen Alpenverein (DAV) durchgeführte Umfrage¹ ergab, dass 15% der Kletterer dem Achter treu geblieben sind gegenüber 56%, die mit dem Tuber und 25%, die mit dem Halbmastwurf sichern.

Scheint die deutsche Situation jener ähnlich, die man in der Schweiz beobachten kann, so ist die französische komplexer. Der Achter ist gestorben – so die einhellige Meinung der Vertreter der Fédération française des clubs alpins et de montagne (FFCAM) und der Fédération française de la montagne et de l’escalade (FFME), jener zwei Verbände also, die in Sachen Bergsteigen und Klettern in Frankreich den Ton angeben. «Meines Wissens empfiehlt seit zehn Jahren niemand mehr den Achter zum Sichern des Vorsteigers», erklärt Pierre Faivre, technischer Berater für die Ausbildung in der FFCAM.

Doch die Wirklichkeit sieht etwas anders aus: «Bei uns werden die Jungen in das Sichern mit dem Achter eingeführt», erfährt man von Claude Estienne, dem Präsidenten des Kletterclubs von Avranchin in der Haute-Normandie. Ein Vorgehen, das von Pierre Faivre bestätigt wird, «der Achter kann Anfängern das Erlernen der Sicherungstechnik erleichtern, bevor diese zu anderen Geräten übergehen wie z.B. zum Tuber.»

 

Zuerst nur fürs Abseilen

Der Achter, in Europa seit den 1980er-Jahren beliebt, war zuerst für das Abseilen vorgesehen. Neben seiner ursprünglichen Funktion als Abseilgerät wurde er dann als dynamisches Sicherungsgerät eingesetzt und dabei vor allem für seine Vielseitigkeit, seine Einfachheit im Gebrauch und den Preis gelobt, der auch heute noch einer der tiefsten auf dem Markt ist. Doch man zeigte auch mit dem Finger auf ihn – auch in Frankreich und zwar wegen seiner Tendenz, die Seile krangeln zu lassen, und wegen seiner reduzierten Bremskraft, vor allem bei grossen Stürzen.2 In diesem Fall riskiert die sichernde Person, sich die Hände zu verbrennen und das Seil loszulassen – mit schweren Folgen.

 

Seildurchmesser beachten

Man trifft den von neuen Sicherungsgeräten zusehends verdrängten Achter nach wie vor im Gebirge, in Kletterhallen und Klettergärten an. Für viele Kletterer und Alpinisten, die ihn seit seiner Einführung benutzen, steht er neueren Sicherungsgeräten in nichts nach. «Manipulationsfehler sind beim Achter nicht möglich, im Gegensatz zum Tuber», erklärt Ueli Mosimann, Bergführer und Mitglied der Fachgruppe für Sicherheit im Bergsport. Gemäss Claude Estienne vom Kletterclub Avranchin «ist der Achter nicht gefährlicher als ein anderes Gerät, wenn man ihn korrekt verwendet». Aber aufgepasst: Gilt dies für Seile mit grossem Durchmesser, so verändert die immer häufigere Verwendung von dünneren Seilen die Ausgangslage. In diesem Fall liegt die Bremskraft des Achters massiv unter jener des Tubers oder des Halbmastwurfs.3

 

Vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen

Wie auch immer, es geht hier nicht darum, dem einen oder anderen Sicherungssystem den Prozess zu machen. Chris Semmel, Leiter der Sicherheitsforschung beim DAV, schrieb 2010, es gebe an sich kein schlechtes Sicherungssystem – das schwache Glied in der Sicherungskette sei der Mensch.4 Zur Häufigkeit der Unfälle je nach Sicherungssystem befragt, meint auch Sandrine Van Landeghem von der Ausbildung bei der FFME, dass der Achter nicht gefährlicher sei als andere Sicherungsgeräte. Als nur scheinbar sicherer hingegen gelte das inzwischen verbreitete Grigri. Zwar wird dieses halbautomatische Sicherungsgerät von vielen Kletterern als absolut sicher gepriesen; aber es haben sich damit schon etliche Unfälle durch Manipulationsfehler ereignet. Pascal Burnand, Bergführer und J+S-Verantwortlicher für das Bergsteigen, ist sich dessen bewusst und empfiehlt ein regelmässiges Üben der Seilhandhabung: «Welches Sicherungsgerät man auch immer wählt, man muss es perfekt beherrschen und seine Grenzen kennen. Die raffiniertesten Geräte sind nicht unbedingt eine Garantie für erhöhte Sicherheit.» Auch wenn der Achter als Sicherungsgerät heute zu verschwinden scheint, so dürfen er und seine Mängel nicht die sprichwörtlichen Bäume sein, die den Blick auf den Wald verdecken.

Ursprung des Abseilachters

Mit dem Aufkommen des Sportkletterns entwickelte sich auch die Palette der Sicherungsgeräte – mit einigen exotischen Auswüchsen. Ein Beispiel war der Vorgänger des Abseilachters, den Anfang der 1960er-Jahre Dr. Hopf, ein Zahnarzt in Thun, erfand. Das Gerät hiess «Hopfring», unter den Kletterern verbreitete sich aber rasch der Begriff «Ente». Das Gerät war eigentlich nur zum Abseilen gedacht. Es war aus Aluminium und hatte laut Ueli Mosimann nur eine Bruchkraft von ca. 400 daN, etwa einem XX der heutigen UIAA-Norm Das war auch zum Abseilen sehr knapp.

Ende der 1960er-Jahre begannen Kletterer, die Technik der dynamischen Sicherung zu entwickeln. Werner Munter war hier federführend und entwickelte und vermarktete die «Munterbremse». Diese funktionierte ähnlich wie die Ente. Nur war Letztere leichter und billiger. Findige Anwender verwendeten darum die Ente zum Sichern. Dazu war das Gerät aber von der Festigkeit her definitiv nicht geeignet. Laut Ueli Mosimann von der Fachgruppe Sicherheit im Bergsport tobte zeitweise ein «Glaubenskrieg» darüber, ob man nun mit der Ente sichern dürfe oder nicht.

Es war wiederum Werner Munter, der den Halbmastwurf (HMS oder VP) auf einer UIAA-Tagung 1971 in Trient vorstellte. Den Knoten hat er zwar nicht selber erfunden, wohl aber dessen Einsatz als «Sicherungsgerät». Der Erfolg des HMS und die Entwicklung des stabileren Abseilachters besiegelten schliesslich das Ende der Ente.

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