Der Arme-Leute-Kaffee
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Der Arme-Leute-Kaffee

Früher war Kaffee für die meisten Menschen im Alpenraum unerschwinglich. Um trotzdem in den Genuss eines bitteren Heissgetränks zu kommen, suchte man nach Alternativen. Zum Beispiel Süsslupinenkaffee.

«Kafi, Thee und Leckerli, bringed de Bur ums Äckerli.» Dieses alte Schweizer Sprichwort stammt wohl aus dem 18. Jahrhundert. Damals war echter Kaffee aus gerösteten Kaffeebohnen für viele Menschen unerschwinglich. Die Obrigkeit befürchtete deswegen sogar, dass sich die Unterschicht mit dem Kauf von Kaffee verschulden würde. Deshalb wurde den ärmeren Leuten laut dem Wissenschaftspublizisten Heini Hofmann nicht nur das Ausschenken und Trinken des Luxusprodukts verboten, sondern selbst der Besitz von Kaffeegeschirr.

Sprach man früher also von Kaffee, so meinte man höchst selten das Original. In der Regel handelte es sich um Surrogate, also Ersatzprodukte, die man aus Rüben, Karotten, Nüssen, Gerste, Roggen, Hülsenfrüchten oder Zichorien herstellte – oder aus Lupinen.

Herkunft der Lupine ungeklärt

In einer kleinen Südtiroler Gemeinde blüht noch heute eine alte Kaffeesurrogatkultur: Im 400-Seelen-Dorf Altrei auf 1200 Metern über Meer pflanzen Bauernfamilien seit Jahrhunderten das zu den Hülsenfrüchten gehörende Lupinengewächs an. Aus dessen Samen stellen sie einen kaffeeähnlichen, bitter schmeckenden Frühstücks- und Nachmittagstrunk her. Weil die Lupine nicht frostempfindlich ist, wagt man es, sie schon im März anzupflanzen. «Wenn sie früh angebaut wird, beschleunigt die vorhandene Bodenfeuchtigkeit des Winters die Keimung», lässt sich eine Altreierin in einer Studie über die Geschichte des alten Kaffee-Ersatzes zitieren. Wenn die Samen früher in den höheren Lagen bis im Herbst dennoch nicht ausreifen konnten, zog man die Stauden aus der Erde und lehnte sie an eine Steinmauer, um sie nachreifen zu lassen.

Übrigens: «Wie die Lupine nach Altrei kam, weiss man nicht», erklärt Ludwig Depaoli vom Verein Altreier Lupinenkaffeeanbauer. Denn die Altreier Lupine stellt botanisch eine eigene Sorte dar. «Das verunmöglicht es, einen Bezug zu anderen Anbaugebieten herzustellen.» So wird die Herkunft der Altreier Lupine wohl für immer ein Geheimnis bleiben.

Der Geschmack der Alpen

Kurze Vegetationszeiten, spärliches Land für den Ackerbau und verstreute Siedlungen prägten früher den Speiseplan der Menschen in den Alpen. Dieses kulinarische Erbe ist heute wegen der Entvölkerung der Alpen und wegen der Globalisierung gefährdet. Es zeichnet sich durch eine Mischung aus regional vorhandenen Rohstoffen, spezifischen Zubereitungsarten, Haltbarmachungsmethoden und rituellen Bräuchen aus. In dieser Serie machen wir Lust auf inzwischen fast vergessene Speisen.

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