Der SAC will mitreden
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Der SAC will mitreden Beschwerden gegen neue Wildruhezonen

Als Kompensation für neue Seilbahnen hat der Kanton Wallis zwei rechtsverbindliche Wildruhezonen erlassen. Dagegen wehrt sich eine Bergsport-Allianz, zu der die SAC-Sektion Monte Rosa gehört. Der Fall zeigt exemplarisch, dass Infrastrukturprojekte für Bergsportler gravierende Folgen haben können.

Seit Anfang dieses Jahres verbindet eine neue Gondelbahn die Skigebiete von Grimentz und Zinal. Über 800 Personen können pro Stunde transportiert werden. Die Konzession für diese Bahn hat das Bundesamt für Verkehr (BAV) im August 2012 erteilt. Allerdings unter der Bedingung, dass etwas für den Schutz der Wildtiere und des Waldes getan werde. Der Kanton Wallis ist dieser Auflage nachgekommen, indem er zwischen Grimentz und Zinal eine rechtsverbindliche Wildruhezone geschaffen hat. Er konnte damit auch die Vorbehalte von Organisationen ausräumen, die aus Natur- und Landschaftsschutzgründen gegen den Bau der Bahn opponiert hatten. In Nendaz präsentiert sich die Situation analog. Es geht dort um die Kompensation für eine neue Seilbahn von Télénendaz.

Gegen die neuen Wildruhezonen gibt es Opposition. Der Walliser und Schweizer Bergführerverband, die Sektion Monte Rosa des SAC und Einzelpersonen haben sich zur «Berg­sport-­Allianz» zusammengeschlossen. Die Beteiligten halten nichts von den neuen Einschränkungen für Wintersportler. Besonders ärgern sie sich über die grosse Wildruhezone bei Zinal, weil sie fast die ganzen, sehr beliebten Freeriding-Hänge des Gebiets Tsirouc-­Sorebois mit einem Federstrich sperrt. «Es kann nicht sein, dass die Rechte der Skisportler immer weiter eingeschränkt werden», sagt Pierre-André Veuthey. Er ist Vizepräsident der Sektion Monte Rosa und Rechtsanwalt der Allianz. Diese stellt Kompensationsmassnahmen nicht grundsätzlich infrage, wohl aber den Perimeter, der jetzt ausgeschieden worden ist, und die fehlenden Abfahrtsrouten. Das Gebiet umfasse auch Flächen, auf denen es gar keine Tiere zu schützen gebe. Ausserdem habe man nicht abgewartet, um zu sehen, ob die bereits bestehende empfohlene Wild­ruhe­zone nicht genügend wirksam gewesen wäre.

Alternative nicht berücksichtigt

Ein zweites Ärgernis ist für die Berg­sport-­Allianz die Art und Weise, wie die Schutzzone festgelegt wurde. «Wir wurden als Nutzer nicht in die Ausarbeitung einbezogen», sagt Veuthey. Ein alternativer Perimeter, den die Berg­sportler vorgeschlagen hatten, sei nicht berücksichtigt worden. Peter Scheibler, Dienstchef der Walliser Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere (DJFW), widerspricht. Aufgrund der Stellungnahmen der Bergführer und des SAC habe die Dienststelle ein zusätzliches Couloir geöffnet und die Zone in zwei Teile aufgeteilt. Ganz habe man die vorgeschlagene Änderung jedoch nicht übernehmen können, weil dies die Wirksamkeit der Wildruhezone infrage gestellt hätte. «Die Zone hätte in diesem Falle kaum noch als Kompensa­tions­massnahme im Sinne der Auflagen gelten können», sagt Scheibler. Veuthey bezweifelt dies. Ausserdem stört er sich daran, dass das BAV zusammen mit der DJFW Wildruhezonen praktisch verordnen könne. «Das ist undemokratisch und widerspricht dem gesetzlich verankerten Recht der Bevölkerung auf Mitwirkung.» Mit dem Rekurs wolle die Allianz erreichen, dass das künftig anders werde, sagt Veuthey. «Wir wollen echte Mitsprache.»

Das Walliser Kantonsgericht hatte für die Argumente der Bergsport-Allianz kein Verständnis. Es wies ihre Beschwerde im August des vergangenen Jahres ab. Begründung: Weder Freizeitsportler noch Bergführer seien direkt oder stark genug betroffen, um zur Beschwerde legitimiert zu sein. Sie könnten ohne Weiteres in andere Gebiete ausweichen. Veuthey hält diese Argumentation für unzulässig, weil sie es weitgehend verunmögliche, eine Beschwerdeberechtigung nachzuweisen. Es ist nun am Bundesgericht zu entscheiden, welche Argumente überzeugender sind. Bereits entschieden haben die höchsten Richter, dass die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat. Die Wildruhezonen in Zinal und Nendaz sind damit schon ab diesem Winter rechtsverbindlich.

Weniger ist mehr

Beim SAC-Zentralverband teilt man den Wunsch der Bergsport-Allianz nach Mitsprache und unterstützt sie auf ihrem Rechtsweg ideell und finanziell. «Als Bergsportverband stehen wir für einen weitgehend freien Zugang in die Berge ein», sagt René Michel, Ressortleiter Umwelt. Würden SAC und SBV frühzeitig einbezogen, könne dies zwar dazu führen, dass weniger und kleinere Wildruhezonen gewünscht und ausgehandelt würden. «Diese sind dann aber umso wirkungsvoller, da sie auch getragen und akzeptiert werden.» SAC und SBV gehörten zu den wichtigsten Multiplikatoren, die dafür sorgten, dass gemeinsam festgelegte Wildruhezonen auch respektiert würden. Mit der Kampagne «Respektiere deine Grenzen» setzt man sich seit Jahren dafür ein. «Unverhältnismässige Lösungen wie in Zinal haben aber keine Chance auf Akzeptanz und torpedieren den Support der Bergsportler für die Thematik.» Luc Germann von «Bad Amicale», einer Gruppe von Freeridern aus Zinal, die im betroffenen Gebiet jedes Jahr einen Free­riding-­Event organisiert, bestätigt diese Einschätzung. «Wir werden nie aufhören, am Tsirouc zu riden. Wenn das Gebiet wirklich gesperrt wird, richten wir einen Fonds ein, um die Bussen zu bezahlen.»

Doppelter Verlust

Der Konflikt in Zinal weist nach Ansicht von René Michel über den Einzelfall hinaus. Er zeige, wie wichtig es sei, sich für den Schutz der alpinen Landschaft und gegen weitere Erschliessungen einzusetzen. «Mit jeder neuen Bahn verlieren wir doppelt», sagt er (s. Grafiken unten). Ein Touren- oder Freeriding-Gebiet werde zur Piste, das andere zur Wildruhezone. «Wenn wir mitreden können, lässt sich dieser ‹Zwei-Berge-­Effekt› etwas a­bmildern.» Noch effektiver wäre es, Neuerschliessungen durch Mitsprache oder Einsatz des Verbandsbeschwerderechts zu verhindern, wie es die Umweltrichtlinien des SAC vorsehen. Dann blieben beide Berge als Tourengebiete erhalten. Allerdings ist Opposition gegen neue Infrastruktur in der unerschlossenen alpinen Landschaft innerhalb des SAC nicht unumstritten, obwohl die Umweltrichtlinien des SAC dies vorsehen. Pierre-André Veuthey von der Walliser Bergsport-Allianz jedenfalls steht voll und ganz hinter der neuen Gondelbahn zwischen Grimentz und Sorebois.

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