Die 3-Kreis-Methode. Mehrfachverschüttetensuche auf engem Raum
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Die 3-Kreis-Methode. Mehrfachverschüttetensuche auf engem Raum

Die 3-Kreis-Methode

Bei Lawinenopfern sind zwei Drittel aller ganz Verschütteten in Mehrfachverschüttungen verwickelt. Darum ist es wichtig, dass Schneesportler nach mehreren Verschütteten suchen können. Für die Mehrfachverschüttung auf engem Raum empfehlen der SAC sowie Jugend+Sport die vom Deutschen Alpenverein DAV entwickelte 3-Kreis-Methode. 1

Jeder Schneesportler kann von einer Lawine verschüttet oder plötzlich in die Rolle eines Retters hineingedrängt werden. Die Mehrheit der Schneesportler ist sich dessen bewusst, und es wird auch hie und da die LVS-Suche geübt. Diese Übungen beschränken sich aber in der Regel auf die Suche eines einzelnen, nahe der Oberfläche vergrabenen Geräts. Nach den Zahlen des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF sind ein Drittel aller Lawinenunfälle mit ganz Verschütteten Mehrfachverschüttungen. Zwei Drittel aller ganz Verschütteten sind in eine Mehrfachverschüttung verwickelt. Gerade das Orten von mehreren, nahe beieinander liegenden LVS ist bekanntlich ungleich schwieriger als das Auffin-den eines einzelnen Geräts. Regelmässi-ges Üben wäre unabdingbar. Doch Hand aufs Herz, wer übt schon jeden Winter schwierige Lawinenrettungen mit mehreren Verschütteten?

Geschichte der LVS-Geräte

Bis zirka 1994 gab es nur analoge Lawi-nen-Verschütteten-Suchgeräte ( LVS ). Arbeiteten sie anfänglich noch mit unterschiedlichen Sendefrequenzen, senden heute dank einer internationalen Regelung alle LVS auf einer einheitlichen Frequenz. Alle Geräte basierten anfänglich auf derselben Technik mit nur einer Empfangsantenne sowie der gleichen Suchmethode. Die Suchmethode eignete sich sowohl für Gerät A als auch für Gerät B, unterschiedlich waren lediglich die Reichweite und die Lautstärkeregelung. Mit dem Einzug der Signalverarbei-tung mittels Mikroprozessoren begann bei den LVS-Geräten eine stürmische Entwicklung. Die « digitalen » Geräte verfügen über zwei oder drei Empfangsan-tennen, die es ermöglichen, dem Sucher 1 Quellen: Stopper Dieter, Semmel Chris: DAV-Sicherheitsforschung. 3-Kreis-Methode. Bergundsteigen 4/2004, S. 62–65 Winkler Kurt, Brehm Hans-Peter, Haltmeier Jürg: Bergsport Winter. SAC-Verlag, Bern 2005. ISBN 3-85902-241-5.

Fotos: Stephan Har vey optisch die Suchrichtung anzuzeigen. Die Lautstärke wird automatisch geregelt, und im Nahbereich eines Senders werden weitere Sender ausgeblendet, was die Ortung eines Verschütteten vereinfacht.

Folgen für die Ausbildung

Jeder Gerätehersteller entwickelte für die Lösung einer Mehrfachverschüttung eigene Suchstrategien, die geräteabhängig und zum Teil nicht auf andere Geräte übertragbar waren. Die grosse Zahl an Suchmethoden verunmöglichte in der Folge eine vernünftige Ausbildung, konnten doch weder verschiedene Suchmethoden gleichzeitig gelehrt werden noch die Ausbilder alle Suchstrategien und Spezialfunktionen der verschiedenen Geräte bis ins letzte Detail beherrschen. Daraus ergab sich die Notwendigkeit einer einheitlichen Suchmethode, die mit allen LVS-Geräten in der Grundeinstellung möglich ist. Damit eine Suche überhaupt erfolgreich ist, muss der Sucher die Bedienung seines LVS-Geräts beherrschen und auch fähig sein, eine Einfachverschüttung effizient zu lösen. Er beherrscht auch das Punktorten mittels Einkreuzen sowie das systematische Sondieren. Der Sucher erkennt ausserdem eine Mehrfachverschüttung auf engem Raum und kann die Kreisradien ungefähr einhalten. Als Voraussetzung für eine einheitliche Suchmethode gilt weiter, dass sie von allen LVS-Geräten angewendet werden kann, immer den gleichen Suchablauf hat, einfach zu instruieren sowie leicht erlernbar ist und im Stress nicht versagt.

Mehrfachverschüttung

Ist bei einer Mehrfachverschüttung nur ein Retter beteiligt, sucht der Retter den ersten Verschütteten. Sobald er diesen ausgegraben hat, kontrolliert er die lebenswichtigen Funktionen, schaltet dessen LVS-Gerät aus und setzt die Signalsuche dort fort, wo der Retter das Suchmuster der Primärsuche ( Markierung ) verlassen hat. Liegt eine Mehrfachverschüttung vor, bei der die Verschütteten weit auseinander liegen, beeinträchtigen die Signale den Suchenden nur unwesentlich, d.h., dass der Retter bei der Suche nach weiteren Verschütteten vorgehen kann, als ob nach mehreren einzelnen Verschütteten zu suchen wäre, während weitere Retter die georteten Opfer ausgraben.

Oft genügt für eine Lawinenauslösung eine kleine Änderung der Hangsteilheit oder -exposi-tion. Drusatscha-Lawine Schneeablagerungen durch Windverfrachtungen in Mulden und unterhalb von Buckeln sind besonders gefährlich.

Geschichte der 3-Kreis-Methode

Bis zur heutigen 3-Kreis-Methode war es ein langer Prozess. Der Schweizer LVS-Experte Manuel Genswein entwickelte die Mikrosuchstreifen-Methode 2 für die Mehrfachverschüttetensuche auf engem Raum. Die DAV-Sicherheitsforschung und das DAV-Lehrteam entwickelten diese Methode mit vielen Probanden bis zur heutigen 3-Kreis-Methode weiter. Die technische Kommission des Internationalen Bergführerverbandes ( IVBV ) hat die 3-Kreis-Methode sehr positiv aufgenommen. Sie wird ab diesem Winter in vielen IVBV-Ländern für die Ausbildung übernommen. Auch in SAC-Ausbildungskursen und in Jugend+ Sport ( J+S)-Kaderkursen wurde sie während zweier Winter erprobt. Aufgrund der Resultate wird auch von der SAC-Ausbildung und von J+S der Einsatz der 3-Kreis-Methode empfohlen.

Die 3-Kreis-Methode

Bei einer Mehrfachverschüttung auf engem Raum überlagern sich die Sende-signale zu einem « Feldliniensalat ». Eine Ortung ist nur noch möglich, wenn der Sucher in die Nähe des Verschütteten gelangt. Das Signal des nahen Verschütteten dominiert nun den Feldliniensalat, und der Sucher kann den Verschütteten lokalisieren. Dabei wird bei einem analogen LVS-Gerät der Empfangsradius über den Lautstärkeregler manuell reduziert. Den nahen Verschütteten empfängt der Sucher immer noch, die weiter entfernten nicht oder kaum mehr. Digitale LVS-Geräte heben im Nahfeld des Verschütteten automatisch dessen Signal hervor und unterdrücken weitere schwächere Sendesignale. Diese « akustische » bzw. « digitale » Signalisolierung nutzt die 3-Kreis-Methode: Liegt eine Mehrfachverschüttung auf engem Raum vor, wird der Sucher auf Kreisen vom ersten Georteten in die Nähe weiterer Verschütteter geführt. Die Verschütteten werden so über ihr dominierendes Sendesignal geortet.

Suchstrategie der 3-Kreis-Methode

Stellt der Sucher bei der Annäherung an einen Verschütteten fest, dass weitere 2 Vergleiche DIE ALPEN 11/2002 20 m Ende deutliches Signal bei der Grobsuche Signale einer Mehrfachverschüttung auf engem Raum klar erkennbar Start Lawinenfeld 10 m 3 m ( ~Sondenlänge ) 3 m 10 m nein Grobsuche Suchstreifenabstand 20 m Deutliches Signal? Signalverfolgung auf Feldlinie!

Punktorten!

Mehrfachverschüttung auf engem Raum?

ja 3 Kreise um den ersten Georteten Deutliches Signal? Punktorten!

3. Kreis fertig Weiter mit Grobsuche 4 1 2 3 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 x x x x = 30 cm x x x Die DAV-3-Kreis-Methode zur Ortung mehrerer Verschütteter auf engem Raum. Im Gegensatz zu herstellerspezifischen Suchmethoden kann sie mit jedem LVS angewendet werden.

Gr afik: zvg/ber gundsteigen Grafik: zvg/bergundsteigen/SAC Ausbildung Grafik: zvg/SAC-Verlag Strategie eines Suchenden bei einem Lawinenunglück mit mehreren Verschütteten Zur Punktortung eines Verschütteten ist das effiziente systematische Sondieren sehr wichtig.

Verschüttete im Nahbereich liegen, wendet er die 3-Kreis-Methode folgendermassen an: Der erste Verschüttete wird geortet. Während weitere Retter graben, geht der Sucher einem Kreis entlang mit einem Radius von 3 m – entspricht ca. einer Sondenlänge – um den Georteten. Anschliessend folgt ein Kreis mit 6 m Radius. Der dritte und letzte Kreis hat einen Radius von 9 m. Liegt ein neues deutliches Signal auf einem Kreis vor, wird dieses verfolgt und der Verschüttete geortet. Falls noch nicht alle Verschütteten geortet sind, werden immer alle drei Kreise abgesucht, danach wird die Signalsuche dort fortgesetzt, wo der Suchende das Suchmuster der Primärsuche verlassen hat.

Werden kritische Hangpartien einzeln befahren, kann eine Mehrfachverschüttung verhindert werden.

Foto: Stephan Har vey Wer effizient retten will, muss immer wieder üben. Dies gilt insbesondere für die 3-Kreis-Methode.

Foto: Bruno Hasler

Berge und Umwelt

Montagne e ambiente

Montagnes et environnement

Ausblick

Es gibt bereits jetzt LVS mit drei Antennen auf dem Markt. Mit diesen können die bereits georteten Verschütteten elektronisch isoliert werden, und die Suche nach weiteren Verschütteten kann wie bei einer Einzelverschüttung vor sich gehen. Bis alle Wintersportler LVS mit drei Antennen besitzen, wird es noch einige Zeit dauern. Es ist wichtig, dass bis zu dieser Ablösung die 3-Kreis-Methode beherrscht wird, denn ihre Pluspunkte sind überzeugend: logisch in der Such-abfolge, stressresistent, weil einfach zum Merken und einfach zum Ausbilden. a Bruno Hasler, Fachleiter Ausbildung SAC Da oft in Gruppen aufgestiegen wird, ist die Gefahr einer Mehrfachverschüttung gross. In kritischen Hangpartien können Abstände von mindestens 10 m im Aufstieg und 50 m in der Abfahrt die Gefahr einer Mehrfachverschüttung verringern.

Fotos: Bruno Hasler

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