Die Drohne – dein Feind und Helfer
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Die Drohne – dein Feind und Helfer Technologie in den Bergen

Mit Drohnen können Rettungseinsätze unterstützt, Lawinenprognosen verbessert und Lasthelikopterflüge ersetzt werden. Für Ruhe suchende Berggänger sind sie allerdings ein Ärgernis und für Wildtiere eine ernsthafte Störung. Weil Drohnen immer zahlreicher werden, hat der SAC ein Positionspapier und einen Verhaltenskodex ausgearbeitet.

Nicole Müller erlebt den Drohnenboom hautnah: Die spektakuläre Hängebrücke auf dem Weg zur Trifthütte ist ein Hotspot der Szene. «Dort machen sich die Drohnenpilotinnen und -piloten manchmal gegenseitig den Luftraum streitig», sagt die Wartin der Hütte im Berner Oberland. Die eindrücklichen Drohnenbilder sorgen für Aufmerksamkeit in den sozialen Medien, die Fliegerei ärgert aber auch Berggänger, die vor allem Ruhe suchen.

Leistungsfähige zivile Drohnen werden immer billiger. Laut einer Studie der Stiftung für Technologiefolgen-Abschätzung wurde die Grenze von 100 000 verkauften Drohnen in der Schweiz bereits 2017 überschritten. Jedes Jahr sollen derzeit 22 000 weitere verkauft werden. Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Während viele Hobbypiloten die Fluggeräte nur als faszinierende Hightechspielzeuge nutzen, tüfteln Profis an neuen Einsatzmöglichkeiten, die auch für den Bergsport interessant sein können.

Kein Wundermittel

Gerade in der Bergrettung eröffnet der technische Fortschritt ganz neue Möglichkeiten. Die Rettungsorganisationen stehen hier allerdings noch ganz am Anfang. «Wir arbeiten an einem Konzept, wie wir Drohnen gezielt und sinnvoll einsetzen können», sagt Rolf Gisler, seit gut einem Jahr Fachleiter Drohnen bei der Alpinen Rettung Schweiz (ARS) und selbst begeisterter Drohnenpilot. Bei einzelnen Suchak-tionen sind schon private Drohnen oder solche der Polizei zum Einsatz gekommen, ein koordiniertes Vorgehen der Rettungsstationen ist in Ausarbeitung. Eine Umfrage bei den ARS-Einsatzleitern und Rettungschefs sowie eine Drohnenfachtagung im Mai dieses Jahres hätten gezeigt, dass sich eine Mehrheit Unterstützung durch Drohnen wünsche, die Anforderungen und Erwartungen aber noch weit auseinanderlägen. Klar ist für Rolf Gisler: «Drohnen sind keine Wunderwaffe und werden die Unterstützung durch Suchhunde und Helikopter nicht ersetzen.»

Die Rega arbeitet seit eineinhalb Jahren an einem konkreten Projekt. Sie will Drohnen als neues Einsatzmittel bei der Suche nach vermissten Personen etablieren. Dafür entwickelt sie eine eigene Drohne mit Wärmebild- sowie optischer Kamera und einem Mobilfunkdetektor. Diese soll auch bei schlechten Bedingungen selbstständig und ohne Sichtverbindung zum Piloten grossflächige Suchgebiete abfliegen können. «Ein Drohnensystem, das die Anforderungen der Rega erfüllt, existiert auf dem Markt bisher nicht», sagte der Projektverantwortliche Sascha Hardegger an der Jahresmedienkonferenz der Rega im April. Bis die Drohne 2020 voll einsatzfähig sein wird, bedarf es noch umfangreicher Testflüge.

Bereits viel Erfahrung hat das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos. «Wir arbeiten seit fünf Jahren intensiv mit Drohnen und sind dadurch einen grossen Schritt vorwärtsgekommen», sagt der Fernerkundungsspezialist Yves Bühler. Während Schneehöhen früher nur punktuell gemessen werden konnten, ermöglicht der Einsatz von Drohnen jetzt exakte Vermessungen grosser Flächen. Erreicht wird dies durch die Auswertung von überlappenden Fotos, der sogenannten Fotogrammetrie. Drohnen helfen dem SLF zudem, Lawinenverbauungen zu überwachen, die Wirkung von Triebschneezäunen zu beobachten, Standorte von Messstationen zu planen oder Naturgefahren zu dokumentieren. Der Felsabbruch am Flüela Wisshorn diesen März sei zum Beispiel zunächst auf 50 000 Kubikmeter geschätzt worden, erzählt Yves Bühler. Die fotogrammetrische Messung habe jedoch schliesslich ergeben, dass 250 000 Kubikmeter abgebrochen seien. «Der Einsatz von Drohnen hat die Datenlage verbessert. Zudem können wir mit Drohnen auch immer wieder Helikopterflüge ersetzen», so Yves Bühler.

Auch in Bezug auf den Warentransport wecken Drohnen mit Elektromotor Erwartungen. Die Post als Pionierin auf diesem Gebiet musste aber auch Rückschläge einstecken. Nach dem jüngsten Absturz einer Drohne im Mai wurden die Lufttransporte erneut vorläufig eingestellt.

Potenzial von Lastdrohnen

In Österreich haben die Naturfreunde die Versorgung von Berghütten mit einer Drohne bereits 2017 erfolgreich getestet. «Diese Technologie könnte zukunftsweisend für eine umweltschonende Hüttenversorgung werden», halten sie auf ihrer Website fest. Der SAC sieht das Potenzial der Lastdrohnen für die Hüttenversorgung ebenfalls. «Drohnen können hier zukünftig eine valable Alternative zu Helikopterflügen darstellen», heisst es beim Zentralvorstand. Er sieht aber auch die Gefahr, dass dadurch die Ansprüche an den Hüttenbetrieb hochgeschraubt werden.

Derzeit gibt es noch keine SAC-Hütten, die mit Lastdrohnen arbeiten. Das dürfte sich zumindest nach Ansicht von Thomas Meyer bald ändern. «In zehn Jahren wird die Hälfte aller Hütten mit Drohnen versorgt», zeigt sich der Hüttenwart der Camona da Medel CAS in der Surselva überzeugt. Er besitzt selbst eine Drohne und nutzt diese derzeit für Film- und Fotoaufnahmen sowie für die Erkundung von Routen, insbesondere von vergletscherten Passagen. Möglichst bald möchte er zusammen mit einem Helikopterunternehmen einen Versuch mit Lastdrohnen starten. Zurückhaltender ist Nicole Müller von der Trifthütte: «Drohnen werden Helikopterflüge sicher nicht heute und morgen ersetzen können.» Sie fragt sich zudem, ob mehrere Drohnenflüge für Wildtiere und Berggänger tatsächlich weniger störend wären als ein Helikopterflug mit hoher Transportkapazität. Wenn sich die Technik etabliert habe, werde man die neuen Möglichkeiten aber sicher prüfen.

Um die Bedürfnisse der Berghütten sowie die Chancen und Risiken des Einsatzes von Lastdrohnen zu klären, bereitet die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Chur eine Studie vor, bei der eine Zusammenarbeit mit dem SAC angedacht ist. «Für die Versorgung peripherer Gebiete können Drohnen interessant sein», sagt Projektleiter Gian-Reto Trepp. Auch technisch würden solche Einsätze immer realistischer. Die HTW arbeitet mit einem Technologiepartner im Südtirol zusammen, der Drohnen mit einer Traglast von 100 Kilogramm entwickelt.

Der SAC hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und ein Positionspapier sowie einen Verhaltenskodex ausgearbeitet (siehe Kasten vorangehende Doppelseite). Er zeigt sich grundsätzlich offen für innovative und nachhaltige Drohnenprojekte. Gleichzeitig fordert er aber auch grosse Zurückhaltung: «Das Erlebnis anderer Bergsporttreibender darf durch die Drohnennutzung nicht gestört werden», sagt Benno Steiner, Fachmitarbeiter Landschaftsschutz des SAC und Leiter der Arbeitsgruppe, die das Positionspapier Drohnen ausgearbeitet hat.

«Ruhe und Stille sind wichtig für authentische Naturerlebnisse in den Bergen.»

Zurückhaltung und Rücksicht

Während der SAC die Entwicklung neuer professioneller Einsatzgebiete mit Interesse verfolgt, bereiten ihm die Zehntausenden privaten Drohnen zunehmend Sorgen. «Wir fordern Zurückhaltung und verlangen von Drohnenpiloten ein rücksichtsvolles Verhalten gegenüber Mensch und Tier», sagt Benno Steiner. Nicht ohne Grund: Nicole Müller von der Trifthütte musste schon Piloten anweisen, in der Nähe der Hütte nicht zu fliegen. «Die Gäste suchen hier Ruhe und wollen nicht gefilmt werden», sagt die Hüttenwartin. Naturschutzorganisationen beobachten die Entwicklung ebenfalls skeptisch. «Der Drohnenboom ist besorgniserregend für die Tierwelt», sagt Raffael Ayé von Birdlife Schweiz. Es gebe jetzt schon nur noch wenige ungestörte Räume. Wenn diese nun auch noch von Drohnen beflogen würden, sei dies problematisch. In den Alpen seien Greifvögel wie Adler, aber auch Bartgeier und Raufusshühner besonders störungsanfällig. Birdlife fordert deshalb unter anderem eine konsequente Einhaltung der Flugverbote über Schutzgebieten und sensiblen Zonen. Raffael Ayé stellt fest: «Das grösste Problem ist nicht Bösartigkeit, sondern das fehlende Bewusstsein der Pilotinnen und Piloten für die Störungen, die ihre Fluggeräte verursachen.»

Diese Regeln gelten für Drohnenpiloten

Drohnen sind in der Schweiz rechtlich den Modellflugzeugen gleichgestellt und dürfen bis zu einem Gewicht von 30 Kilogramm ohne Bewilligung geflogen werden. Voraussetzung ist allerdings, dass der Pilot oder die Pilotin jederzeit mit blossem Auge Sichtkontakt zum Fluggerät hat.

Verbote

Verboten sind unbewilligte Flüge fünf Kilometer im Umkreis von Flugplätzen und Heliports, in über 150 Metern Höhe in den Kontrollzonen rund um die Flugplätze und 100 Meter im Umkreis von Menschenansammlungen. In der Nähe von Blaulichteinsätzen darf nur geflogen werden, wenn es dafür einen Auftrag des Einsatzleiters gibt. Verboten sind Drohnen zudem über Jagdbanngebieten sowie Wasser- und Zugvogelreservaten von internationaler und nationaler Bedeutung. Lokale Behörden können weitere Einschränkungen erlassen. Sämtliche Verbotszonen sind auf der Drohnenkarte des Bundesamtes für Zivilluftfahrt Bazl eingezeichnet (www.bazl.admin.ch→ Gut zu wissen → Drohnen und Flugmodelle).

Registrierung kommt

Die Freiheit der Drohnenpiloten wird schon bald weiter eingeschränkt. Die EU hat bereits neue Regelungen erlassen, die laut Bazl voraussichtlich ab Sommer 2020 auch von der Schweiz übernommen werden. Sie sehen unter anderem vor, dass Drohnen ab 250 Gramm registriert werden und über ein elektronisches Identifikationssystem verfügen müssen sowie nicht mehr höher als 120 Meter fliegen dürfen. Noch offen ist, wo die Registrierung stattfinden soll und wie die Daten ins europäische Drohnenregister fliessen werden.

Datenschutz

Sobald sie «bestimmte oder bestimmbare Personen» ohne deren explizite Einwilligung filmen oder fotografieren, können Drohnenpilotinnen und -piloten mit dem Datenschutzgesetz in Konflikt geraten – und zwar unabhängig davon, ob sie die Aufnahmen speichern oder nicht. Zur Wahrung der Privatsphäre Unbeteiligter empfiehlt das Bazl deshalb, nie tief über Privatgrundstücken und öffentlichen Orten, wo sich Menschen aufhalten, oder entlang von Gebäuden mit Fenstern zu fliegen. Mangelnde Zurückhaltung kann auch dazu führen, dass sich Drohnisten Straftatbeständen wie Hausfriedensbruch oder Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte schuldig machen.

Beschwerden

Eine allgemeine Beschwerdestelle gegen Drohnenflüge gibt es nicht. Hauseigentümer, die sich gestört fühlen, können laut Bazl beim Bezirksgericht eine Klage auf Unterlassung einreichen. Stellt jemand Flüge in Verbotszonen fest, kann er diese der Polizei oder dem Bazl melden.

Rechte und Pflichten

Informationen, die ein sicheres und rücksichtsvolles Fliegen mit Drohnen fördern, finden sich auf https://safedroneflying.aero

Verhaltenskodex des SAC in Kürze

Rechtliche Situation

Kläre vor deinem Flug ab, ob du am geplanten Ort ohne Bewilligung fliegen darfst. Halte Einschränkungen und Flugverbote konsequent ein.

Sicherheit

Wähle einen sicheren Standort, und lass dich nicht ablenken. Trenne das Drohnenfliegen konsequent von Sicherungs- und Seilmanipulationen. Überrasche keine anderen Bergsporttreibenden, und lenke sie nicht ab. Nähere dich mit deiner Drohne nicht unbeteiligten Bergsporttreibenden.

Respekt und Rücksicht

Respektiere die Privatsphäre und das Recht auf ein ungestörtes Bergerlebnis. Filme nur Personen, die ihr Einverständnis dafür gegeben haben.

Brich deinen Flug ab, wenn Wildtiere eine Reaktion zeigen oder gar die Drohne angreifen. Meide sensible Bereiche (z. B. Felswände mit Vögeln oder Wintereinstandsgebiete).

Bei Hütten

Hole für Flüge in Hüttennähe das Einverständnis des Hüttenwarts oder der Hüttenwartin ein. Brich deinen Flug ab, wenn sich ein Helikopter nähert. Beachte, dass das Fliegen über Menschenansammlungen eventuell eine Bewilligung braucht.

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