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Die ideale Skitour per Mausklick? Digitale Tourenplanung mit Geländemodell und Lawinenbulletin

Programme wie www.skitourenguru.ch helfen bei der Auswahl sicherer Routen. Der Einsatz automatischer Tools birgt aber auch Risiken.

Wetterprognose fürs nächste Winterwochenende: «Ganze Schweiz: Hochdruck bestimmtes Wetter mit viel Sonne und guter Fernsicht in den Bergen.» Nach den letzten trüben Wochenenden stehen zwei Prachtstage bevor. Endlich wieder mal mit Freunden eine Skitour unternehmen und dem Nebel entfliehen. Doch wo soll es morgen hingehen? Ins Prättigau? Bedretto-Tal? Diemtigtal? Simplon? Val d’Anniviers? Welche Tour macht morgen Sinn? Wie sieht es mit der Lawinengefahr aus? Ideal wäre jetzt ein Tool, das alle Fragen beantwortet und per Mausklick eine Auswahl geeigneter Skitouren liefert. So müsste man nicht schon wieder Tourenführer wälzen, Kartenblatt um Kartenblatt auffalten, Schlüsselstellen suchen und diese mit dem Lawinenbulletin vergleichen sowie Webportale nach Touren­einträgen durchforsten. Seit Herbst 2014 existiert dafür die Onlineplattform ­www.skitourenguru.ch. Günter Schmudlach, Entwickler und Herausgeber der Website, führt über 600 Skitourenrouten auf. Ihr Risiko wird täglich anhand des aktuellen Lawinenbulletins und der digitalen Geländedaten beurteilt. Auf Basis der in der Praxis gängigen grafischen Reduktionsmethode (GRM) berechnet der Computer einen kontinuierlichen Risikowert zwischen 0 («unteres grün») und 3 («oberes rot»). Er nimmt eine Bewertung für die gesamte Route sowie für einzelne Streckenabschnitte vor. Die Website bietet im Weiteren den Service, eine Routenauswahl anhand der Anreisedistanz, der Höhenlage des Ausgangspunktes, der Höhenmeter und der Schwierigkeit einzugrenzen. Der User erhält dann eine Liste mit Touren, die im «grünen» Bereich der Reduktionsmethode liegen, für die also ein kleines Lawinenrisiko berechnet wurde. Wer will, kann sich zusätzlich auch die «orangen» oder «roten» Touren anzeigen lassen (Abb. 1).

In einem zweiten Schritt kann eine Tour angewählt und auf einer Swiss­topo­karte mit den bewerteten Routenabschnitten dargestellt werden. Das der Berechnung zugrunde liegende Lawinenbulletin und weitere Informationen zur Tour sind ebenfalls ersichtlich (Abb. 2 und 3).

Grafische Reduktionsmethode digital umgesetzt

Mit dem Aufkommen von geografischen Informationssystemen (GIS) entstand bereits vor Jahren die Idee, dynamische Risikokarten durch Kombinieren von Lawinenbulletin und Gelände zu erzeugen. Der Durchbruch scheiterte jedoch immer wieder an der kartografischen Grundregel, dass ungenaue Information nicht genau dargestellt werden sollte. Zudem waren hochaufgelöste digitale Karten und gute Geländedaten für die ganze Schweiz lange Zeit kaum verfügbar. Letzteres hat sich inzwischen geändert. Mittlerweile gibt es verschiedene Ansätze, um die Planung von Skitouren zu unterstützen.

Mit verfeinerten Anwendungsregeln können entsprechende Tools die GRM nutzen, um einen Risikocheck durchzuführen. So werden beispielsweise Hangbereiche ausserhalb der im Lawinenbulletin erwähnten Expositionen oder Höhenstufen eine Gefahrenstufe tiefer eingestuft.

Diese Automatisierung ist möglich, da die Anwendung der GRM bis zu einem gewissen Grad klar definiert ist. Doch es bestehen Einschränkungen, weil bestimmte Eingangsgrös­sen der GRM auch Interpretationsspielraum zulassen. So ist gemäss dem Merkblatt Achtung Lawinen bei «geringer» und «mässiger» Lawinengefahr die steilste Stelle im Bereich der Spur massgeblich; bei «erheblicher» Gefahr hingegen die steilste Stelle im ganzen Hang. Es ist jedoch nicht klar definiert, wie weit um die Spur herum die Geländesteilheit berücksichtigt werden muss, mit anderen Worten: Es ist nicht klar, wie der «ganze» Hang definiert wird. Der Skitourenguru geht auf diese Schwierigkeiten ein. Seine Berechnungsmethode nimmt die GRM als Basis. Das dahinterliegende Modell ist aber weiter entwickelt und berücksichtigt zusätzlich geländespezifische ­Eigenschaften wie Geländerücken, Grate oder Wald. Es erhält ausserdem einen Ansatz für die Fliessrichtung potenzieller Lawinen. Zudem wird bei «erheblicher» Lawinengefahr der berücksichtigte Hangbereich mittels ­einer Textanalyse des Lawinenbulletins angepasst.

Richtungsweisend, aber nicht ausreichend

Doch was taugt die automatische Risikobewertung, im Speziellen die von www.skitourenguru.ch? Die Risikobewertung von Skitourenrouten unterstützt Skitourengeher bei der Tourenauswahl und lenkt sie auf Touren mit relativ kleinen Lawinenrisiken. Der Vorteil der Automatisierung ist, dass die Resultate für alle Gebiete und Anwender nach den gleichen Vorgaben berechnet werden und dass in sehr kurzer Zeit eine Vielzahl von Touren analysiert werden können. Die automatische Analyse hilft somit in der Tourenplanung bei der Beantwortung von folgenden Fragen:

• Auf welche Tour gehe ich morgen sinnvollerweise?

• Wo führt die Tour durch, und wo erwarten mich Schlüsselstellen?

Besonders die Gesamtbewertung auf www.skitourenguru.ch liefert eine gute Antwort auf die erste Frage. Es braucht sehr gute Kenntnisse, um Touren manuell mit der GRM in gleicher Qualität auszuwählen.

Grenzen der automatischen Risiko­bewertung

Die Grenzen der Anwendung sind vor allem durch die zur Verfügung stehenden Grundlagen und Faustregeln gegeben. Das Lawinenbulletin ist eine Einschätzung der regionalen Gefahr, die wie jede Prognose auch mal falsch sein kann. Zudem ist die GRM ein sehr vereinfachtes Werkzeug, das teilweise auf nicht klar definierten Annahmen beruht und die Komplexität der Risikobeurteilung nur rudimentär abbildet. Daher ist Folgendes zu beachten:

• Wenn die Resultate der Risikobewertungen hochaufgelöst dargestellt werden, besteht die Gefahr, dass der Benutzer ihnen eine hohe räumliche Zuverlässigkeit bis hin zum Einzelhang beimisst. Dabei kann leicht vergessen gehen, dass das Lawinenbulletin ein stark generalisiertes Produkt mit einer letztendlich unbekannten Zuverlässigkeit ist.

• In der Bewertung von Einzelabschnitten entstehen teilweise unplausible Ergebnisse. Beispielsweise können bei erheblicher Lawinengefahr hohe Risikowerte entstehen, wenn die Route in der Nähe von Felswänden verläuft.

• Die Bewertung beschränkt sich lediglich auf das Lawinenrisiko der eingezeichneten Routen. Eine Abweichung von der vorgegebenen Route kann zu einem anderen Resultat führen, etwa wenn man bei der Abfahrt von der Aufstiegsroute abweicht.

• Die Resultate der Risikobewertung können beim Übergang von «mässig» zu «erheblich» sprunghaft ändern, da andere Hangbereiche berücksichtigt werden.

• Da die Berechnungsmethode auf der GRM basiert, sind die Resultate bei Nassschnee- und Triebschneesituationen wenig nützlich (siehe Merkblatt Achtung Lawinen).

• Unerfahrene Skitourengeher könnten auf Routen gelenkt werden, denen sie aus anderen Gründen wie bei­spiels­weise Orientierung, Witterungsbedingungen, Gletscher oder technische Schwierigkeit nicht gewachsen sind. So können auch schwierige Touren bezüglich Lawinenrisiko als «grün» eingestuft werden.

Obwohl die Plattform www.skitourenguru.ch hilfreich für die Planung von Ski-, Snowboard- und Schneeschuhtouren ist, kann sie die eigenverantwortliche Planung nicht ersetzen. Für die Planung und selbstständige Durchführung von Skitouren braucht es eine gute Ausbildung. Zudem müssen vorgeschlagene Routen und potenzielle Schlüsselstellen auf der Karte genau studiert werden. Ebenfalls muss der Skitourengeher sich über die Wetter- und Lawinenverhältnisse informieren. Nicht zuletzt spielen die Gruppenzusammensetzung und die Bedürfnisse der einzelnen Teilnehmer eine wesentliche Rolle bei der Tourenauswahl. Kurz: Die komplette Skitourenplanung für «Dummies» kann auch der Skitourenguru nicht bieten, aber er kann sie wesentlich erleichtern.

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