Ein Jahrhundert für die Berge. SAC-Veteran Georges Pellaton
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Ein Jahrhundert für die Berge. SAC-Veteran Georges Pellaton

Ein Jahrhundert

für die Berge

Auch heute noch stehen im Leben des hundertjährigen Georges Pella- ton die Berge im Mittelpunkt. Nach 50 Jahren Bergsteigen und 76 Jahren SAC-Mitgliedschaft sind das Marsch- tempo gemächlicher und die Touren bescheidener geworden.

Sein Haus steht am Alpweg in Worbmit Aussicht auf die Berge. « Ich habe im- mer geklettert », sagt Georges Pellaton, geboren am 22. April 1905 in Villeret, am Fuss des Chasserals. Seine ersten Kletter- erfahrungen machte Pellaton in einem Steinbruch. Im Vorschulalter. Schon damals wollte er hoch hinaus. Wieder unten, erntete er von den italienischen Arbeitern statt des erwarteten Lobs einen « Chlapf ». « Es blieb eine Passion », zieht der Hundertjährige Bilanz auf 50 Jahre aktive Bergsteigerzeit und 76 Jahre SAC- Mitgliedschaft.

Von der Stille fasziniert Pellaton studierte in Neuchâtel « écono- mie ». Zum Abschluss hatte er keine Zeit, er musste in die Berge. Dank Beziehungen fand er einen Beamtenposten. Später war er Personalchef beim Strassenverkehrs- amt des Kantons Bern. Heute würde er Bergführer werden, erklärt er. Der schön ste Beruf.

« Bergsteigen war für mich mehr als Sport, es ging tiefer », sagt Pellaton und streicht sich über die weissen Haare. « Ein Ereignis für die Seele. » Vollmond-touren etwa habe er geliebt – diese Stille. « Heute hat es einfach zu viele Leute in den Bergen. » Wenn er Ende der Zwanzi- gerjahre auf der Haute-Route unterwegs gewesen sei, habe er fast nur leere Hütten angetroffen. « Zudem geht es den meisten Bergsteigern nur noch um den Sport. » Zu zweit unterwegs « Ich muss das Feuer kontrollieren. » Ge- bückt geht Georges Pellaton in die Küche. Auf dem Holzofen köchelt das Mittag- essen – Kartoffel- und Laucheintopf. Er schiebt ein Holzstück nach. « Das habe ich am Morgen selber gehackt », bemerkt er stolz. Dies sei er sich gewohnt: Früher habe es auf den SAC-Hütten noch keine Hüttenwarte gegeben, da habe man alles selber gemacht, fährt er fort. Und be- ginnt von seinen Touren zu erzählen.

Seine Frau lernte er in einem Schnee- sturm am Schreckhorn kennen. Anfang der Dreissigerjahre des letzten Jahrhun- derts heirateten sie. Für Pellaton begann « die schönste Zeit meines Lebens ». Jedes Wochenende waren sie in den Bergen unterwegs. « Meine Frau war eine bril- lante Bergsteigerin, konnte aber wegen ihrer Wirbelsäule nichts tragen. » Des- halb schleppte Pellaton für zwei: zwei Paar Ski, zwei Pickel, Verpfl egung für zwei. Die schweren Rucksäcke seien der Grund, dass er jetzt so krumm laufen müsse. « Wie das genau aussieht, weiss ich nicht », schmunzelt er, schaut kurz auf und fi xiert dann wieder den Boden, « ich spüre es nur. » Beeindruckende Gipfelliste 1944 kam der Sohn auf die Welt. Da war es vorerst mit den gemeinsamen Berg- touren vorbei. « Und die Beziehung zwi- schen mir und meiner Frau wurde ganz anders. » Pellaton ging weiter in die Ber- ge – oft allein oder mit den SAC-Kame- raden. Dank Überstunden habe er manchmal bis zu sechs Wochen Ferien Fo to: zvg Fo to: R

egula Sieber

D I E A L P E N 9 / 2 0 0 5 Drei- bis viermal wöchentlich ist Georges Pellaton zu Fuss unterwegs, um einzukaufen.

Für die Heimfahrt nimmt Georges Pellaton inzwischen das « Bähnli ». Georges Pellaton, der als Alpinist alle Viertausender bestiegen hat, liess das Bietschhorn auf der Seite, « weil es nur 3934 m hoch ist. Dabei ist es einer der schönsten Berge .» gehabt. « Mein Ziel war es, alle Viertau- sender in den Alpen zu besteigen », sagt er. « Heute begreife ich diesen Drang nicht mehr. So habe ich das Bietschhorn auf der Seite gelassen, weil es nur 3934 m hoch ist. » Dabei sei dies doch einer der schönsten Berge. Wann ist ein Berg schön? « Das ist schwierig zu sagen: Es braucht viele Faktoren. Das Matterhorn ist zwar eine wunderbare Pyramide, aber die Umgebung gibt nichts her. » Pellaton gefällt die benachbarte Dent d' Hérens viel besser. Oder der Tödi, einer seiner Lieblingsberge. Pellaton ist denn auch Tödi-Pate im Schweizerischen Alpinen Museum – auch dieses hundert Jahre alt. 1 Der Jubilar Pellaton macht sich aber nichts aus dieser Zahl: « Was sind schon hundert Jahre. » Überall Bergbilder Pellatons Wohnung zeugt von seiner Lei- denschaft. Überall hängen Bilder und Zeichnungen von Bergen, fein säuberlich beschriftet, neben- und untereinander befestigt. Unter dem Telefontischchen stapeln sich « Die Alpen»-Hefte, die neu- esten Ausgaben sind auf der Bank. Ne- ben dem Telefon liegt die Adressliste der Veteranengruppe der SAC-Sektion Bern. Pellaton ist immer noch aktives Mitglied. Obwohl der Hundertjährige die Gesell- schaft schätzt, ist er lieber allein unter- wegs – um sich nicht anpassen zu müs- sen. Zu seinem Lieblingsgebiet wurde das Emmental. Bis vor zwei Jahren ist er noch auf den Napf gestiegen. Wöchent- lich macht er drei- bis viermal seine Ein- käufe in Worb. Zu Fuss, jeweils eine hal- be Stunde Hinweg – « für die Heimfahrt nehme ich inzwischen das Bähnli ». Und statt nach Hause fährt er dann oft weiter. Nach Bern oder Luzern – oder Domo- dossola.

Glück gehabt Pellaton steht noch einmal auf. In der Küche nimmt er den Topf von der Herd- platte, giesst zuerst Sojasauce, dann Olivenöl – « selber in Domodossola ge- kauft » – dazu. Seine Hand zittert ganz leicht. Gicht habe er, sagt er, schlimme Schmerzen. Am meisten Sorgen bereite ihm der Gedanke, einmal ganz starke Schmerzen zu haben. Seit seine Frau vor 25 Jahren gestorben ist, haust Pellaton alleine. Und besorgt neben dem Haus- halt auch den Garten. Das halte ihn jung, denn « sobald man nicht mehr selber überlegen muss, gehts bergab ». Er lehnt jede Einmisch ung kategorisch ab. Auch als seine Kameraden ihm eine Putzfrau organisieren wollten: « Das höchste Gut ist die Freiheit. » Diese Überzeugung zeigt sich auch darin, dass er einen EU- Beitritt strikt ablehnt. Früher hatte er keine Zeit für Politik, denn neben Arbeit, Bergsteigen und Familie engagierte sich Pellaton noch beim Schlitt schuhclub Bern als Experte im Eiskunstlaufen. Heute ist es anders: Mit der Lupe liest der Hundertjährige die Zeitung und sieht fern. Aber noch immer sind die Berge Mit- telpunkt in seinem Leben. Täglich schaut er Bergbilder an, hängt in seinen Gedan- ken vergangenen Touren nach. Manch- mal erinnert er sich dabei an jenen Moment, als er im Berninagebiet in eine Spalte fi el – und Glück hatte wie immer. « Das beschäftigt mich: Warum habe ich immer Glück gehabt ?» a Re g u l a S i e b e r, Z ü r i c h 1 Vgl. ALPEN 6/2005 « 100 Jahre SAM würdig gefeiert » Fo to: David Coulin Fo to: R egula Sieber Fo to: R egula Sieber Fo to: R egula Sieber

A L P E N F O L I O

Naturfotograf

Patrice Schreyer, 1973 in Neuen- burg geboren, ist über die Berge zum Fotografi eren gekommen. Ja, man kann sogar sagen, dass er kaum merklich über seine Liebe zu den Bergen in dieses Metier hinein- geglitten ist.

Schon in seiner Jugendzeit darf auf den Wanderungen mit seinem Vater der Fotoapparat nicht fehlen. Im Lauf der Jahre dehnen sich diese Unternehmungen stetig aus, und der kleine Apparat macht einer im- mer professionelleren Ausrüstung Platz. Die Kunst der Fotografi e er- schliesst sich ihm ganz natürlich. Mit 19 Jahren unternimmt der künftige Berufsfotograf eine Reise in den Himalaya, die ihm bestä- tigt, was er seit langem fühlt: Die Fotografi e und die Berge werden künftig sein Leben bestimmen. Er besteigt nun Gipfel um Gipfel und durchkämmt die Alpenwelt. Parallel dazu verändert sich sein fotograscher Weg. Zu seinem Streben nach stets grösserer Perfektion kommt der Versuch, seinen Bildern einen immer abgeklärteren Charakter zu geben. Das Sujet tritt zurück zu- gunsten der Ästhetik. Vor allem sei- ne jüngsten Werke geben Zeugnis von diesem neuen Weg in Richtung « Grafi k ». Patrice Schreyer folgt nicht einem Karriereplan. Wie in seinen Anfän- gen überlässt er sich der Fotografi e und deren technischer Weiterent- wicklung. So geniesst er seit kur- zem die beinahe unbegrenzten Auf- nahmemöglichkeiten der digitalen Fotografi e. Und wir können uns an seinen Bildern erfreuen.

Karine Begey ( ü )

F O T O SPatrice Schreyer Régis Dubois in der Route « Patin-Rouleau », 7a, in den Schluchten von Restonica auf Korsika Fotos: Patrice Schreyer, Outdoor photography Svartifoss, Island Denis Burdet, Oberer Grindelwaldgletscher Les Sommêtres im Jura Sidonie und Floriane Boss ob Leukerbad Reykjavík, Island Der Doubs im Neuenburger Jura Xavier Leonti auf dem Titlis, Engelberg Likir, Ladakh, Indien Blick vom Gemsstock ob Andermatt Stéphane Veyrat-Durebex in Saint-Luc, Val d' Anniviers/VS D I E A L P E N 9/2005

Wissenschaft und Bergwelt

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